Re: Terror in der Oper - Dario Argento
Verfasst: So 18. Sep 2011, 22:40
Handlung:
Die junge Betty ist Zweitbesetzung der Lady Macbeth in einer Opernaufführung. Als der Erstbesetzung ein kleiner Unfall zustößt wird Betty auf die Bühne geholt, von welcher das Publikum schlagartig begeistert ist. Doch ihr Glück währt nicht lange, denn ein irrsinniger Killer ist von ihr besessen und zwingt sie mit anzusehen, wie er Menschen in ihrem Umfeld auf grausame Weise ermordet…
Kritik:
„Terror in der Oper“ ist weder ein reiner Giallo noch ein reiner Horrorfilm, „Terror in der Oper“ ist ein verfilmter Traum! Argento macht es zwar nicht offensichtlich, doch viele Aspekte ließen mich annehmen, dass der Meister hier sehr effektiv Erlebnisse aus womöglich seinen eigenen Träumen vor die Kamera zu bringen.
Häufig konfrontiert er uns mit Urängsten, die schon oft einem Alp als Nahrung gedient haben. So finden wir uns (wenn wir uns mit der Hauptperson identifizieren) meist hilflos im Angesicht der Gefahr. Wir können unsere Augen nicht verschließen, wenn geliebte Menschen leiden, wir kommen in unmittelbare Nähe einer Bedrohung (im Film sogar mehrmals Körperkontakt) und auch die Szene mit dem Telephon inmitten des Raumes in dem sich der Mörder verstecken könnte erinnert mich an so manche Vision in unruhigem Schlafe. In Träumen sind wir auch hilflos, wir finden uns immer wieder in verschlossenen brennenden Räumen und vor allem die Unfähigkeit unsere Augen zu schließen ist ein Thema vieler Alpträume.
Argento inszeniert diese Sinnbilder des absoluten Horrors wie kein zweiter es könnte. In kaltes bläuliches Licht getaucht wirken die Szenen vielleicht irreal aber umso erschreckender. Die Identifikation mit der leidenden Heldin wird durch clevere POVs und andere filmische Kunstgriffe, so weit gesteigert, dass wir an manchen Stellen selbst die Nadeln unter unseren Augen spüren und wie Betty gezwungen sind uns das Grauen anzusehen.
Wer mir in meiner Interpretation, „Terror in der Oper“ gleiche einem Traum, widerspricht, der hat die Schlussszene nicht gesehen. Die ganze Sequenz ist merkwürdig, seltsam, absurd, läuft aber nach einer grotesken Logik ab, die wir in unseren Träumen durchaus wiederfinden. Im Schlaf kommen schon mal Horden von Polizisten aus dem Nichts, wenn sie gerade gebraucht werden, im Schlaf ist blind vor einer Gefahr wegzurennen oft die logischste Umgangsweise, im Schlaf vertrauen dir skrupellose Mörder oft, wenn du sie nur ein wenig anschwindelst. Ich gehe soweit zu behaupten, dass diese Schlussszene DIE Traumsequenz der Filmgeschichte ist, welche einem realen Traum als nächstes kommt. Denn die Welt zeigt sich zwar wie wir sie kennen, Landschaften und Menschen sind so wie im wirklichen Leben, nur die Logik nachdem diese Augenscheinlich gleiche Welt funktioniert ist eine andere – DAS sind Träume, DAS ist die Schlussszene aus „Terror in der Oper“!
Argento wählte ungewöhnliche Schauplätze für dieses Projekt aus, an die wir in unserem täglichen Leben nur selten kommen. Ein Lüftungsschlacht, eine weite Almheide, ein gigantisch hohes Schlafzimmer und natürlich die Oper. Eine faszinierende Einrichtung, deren Zauber Argento auf magische Weise auf Film bannt. Durch die richtige Kameraführung zeigt er uns das Gebäude in all seiner Weite, seiner Größe und seines Prunkes. Ausführliche Blicke hinter die Kulissen verraten uns, dass ein solches Haus mehr verborgene Vorgänge hat als sichtbare, was es gleichsam faszinierend wie auch unheimlich macht.
Ein Punkt erschließt sich mir jedoch nicht. Die letzte Einstellung zeigt Betty, welche eine Eidechse von einem Holzstab befreit und ihr zuflüstert, dass sie nun frei sei. Ich denke die Eidechse symbolisiert Betty, welche ihre eigene Freiheit gerade eben durch die erfolgreiche Konfrontation mit dem Killer erreicht hat. Dafür spricht auch, dass sie zu Beginn eine Tinktur geschenkt bekommt mit der Anschrift „An meine kleine Schlange, Eidechse, oder so halt…(sorry, kann mich nicht mehr genau erinnern und der Film war auf englisch, aber irgendwas in die Richtung stand da).“ Was hat das zu bedeuten? Warum sollen wir unsere Heldin mit einer Eidechse gleichsetzen? Dies ist ein Aufruf an alle Forenmitglieder die ein Lexikon der Symbole zu Hause haben: Seht unter „Eidechse“ nach und sagt mir, was dort steht!
So genug heruminterpretiert, kommen wir zu den filmtechnischen Aspekten von „Terror in der Oper“: Visuell nähert sich Argento, bis auf die schmuddelig anmutenden Mordszenen, wieder wie ich fand an „Profondo Rosso“ an. Er zeigt abermals sehr stark seine Liebe für extreme Detailaufnahmen und lange Kamerafahrten. Das Erste erregt einerseits Faszination, da wir Gegenstände aus Perspektiven betrachten, die wir nicht gewohnt sind, andererseits aber auch Klaustrophobie. Das Zweite kommt nicht minder faszinierend herüber, da wir Achtung vor der komplizierten Umsetzung so einer Fahrt haben, erregt in uns aber auch Schwindelgefühle. Zwei Einstellungstypen, die uns sowohl anziehen als auch in eine Horrorstimmung versetzen (P.S. Und er hat wieder buntes Licht und buntes Licht find ich toll ).
Musikalisch ist der Film zwar grandios, hat mich aber dennoch ein wenig enttäuscht. Die klassischen Stücke passen natürlich hervorragend zum Opernhaus, vermissen aber die Rasanz, welche ich bei den Goblin-Scores immer so geliebt habe. Auf der anderen Seite bekommen wir wie in „Phenomena“ erneut Metall-Songs, welche ich zwar instrumental äußerst stimmig finde, die Gesangsstimme wirkt aber stets fehl am Platz und schafft es für mich, der ich kein sonderlicher Metall-Fan bin, die visuell eindrucksvollsten Szenen ein wenig zu verderben…aber das bleibt nur ein kleines Übel.
Darstellerisch bietet der Film einiges. Cristina Marsillach hat was Zartes und Unschuldiges, dass unsere Beschützungsinstinkte weckt (anders als Asia Argento, die in einer ähnlichen Rolle allein unsere Mordinstinkte weckte ). Ähnlich wie Jennifer Cennelly, wenn auch nicht ganz so rein und überirdisch (leider!).
Ian Charleson spielt sehr solide und Urbano Barberini weiß auch zu überzeugen. Noch dazu bekommen wir die geschätzte Daria Nicolodi, wunderbar wie immer. Ich hasse Barbara Cupisti, wie auch in all ihren anderen Rollen, aber wenigstens bekomme ich die Satisfaktion ihres Ablebens.
Abschließend noch ein kleiner Argento-Fun-Fact-for-Fans: Sein Regieassistent Nummer 1 Michele Soavi hat hier, neben dieser Tätigkeit, wieder mal einen Cameo-Auftritt. Er spielt einen Polizisten namens Daniele Soave. Get it? GET IT?
Fazit: Technisch hochwertig und interpretativ interessant: Argento zeigt uns das Leben wie einen Alptraum, konfrontiert uns mit Urängsten und setzt uns in eine Welt, in der alles Möglich ist. Das Wort „uns“ gebrauche ich absichtlich, denn es ist kaum möglich, sich nicht direkt in den Film hineinversetzt zu glauben. 10/10
Die junge Betty ist Zweitbesetzung der Lady Macbeth in einer Opernaufführung. Als der Erstbesetzung ein kleiner Unfall zustößt wird Betty auf die Bühne geholt, von welcher das Publikum schlagartig begeistert ist. Doch ihr Glück währt nicht lange, denn ein irrsinniger Killer ist von ihr besessen und zwingt sie mit anzusehen, wie er Menschen in ihrem Umfeld auf grausame Weise ermordet…
Kritik:
„Terror in der Oper“ ist weder ein reiner Giallo noch ein reiner Horrorfilm, „Terror in der Oper“ ist ein verfilmter Traum! Argento macht es zwar nicht offensichtlich, doch viele Aspekte ließen mich annehmen, dass der Meister hier sehr effektiv Erlebnisse aus womöglich seinen eigenen Träumen vor die Kamera zu bringen.
Häufig konfrontiert er uns mit Urängsten, die schon oft einem Alp als Nahrung gedient haben. So finden wir uns (wenn wir uns mit der Hauptperson identifizieren) meist hilflos im Angesicht der Gefahr. Wir können unsere Augen nicht verschließen, wenn geliebte Menschen leiden, wir kommen in unmittelbare Nähe einer Bedrohung (im Film sogar mehrmals Körperkontakt) und auch die Szene mit dem Telephon inmitten des Raumes in dem sich der Mörder verstecken könnte erinnert mich an so manche Vision in unruhigem Schlafe. In Träumen sind wir auch hilflos, wir finden uns immer wieder in verschlossenen brennenden Räumen und vor allem die Unfähigkeit unsere Augen zu schließen ist ein Thema vieler Alpträume.
Argento inszeniert diese Sinnbilder des absoluten Horrors wie kein zweiter es könnte. In kaltes bläuliches Licht getaucht wirken die Szenen vielleicht irreal aber umso erschreckender. Die Identifikation mit der leidenden Heldin wird durch clevere POVs und andere filmische Kunstgriffe, so weit gesteigert, dass wir an manchen Stellen selbst die Nadeln unter unseren Augen spüren und wie Betty gezwungen sind uns das Grauen anzusehen.
Wer mir in meiner Interpretation, „Terror in der Oper“ gleiche einem Traum, widerspricht, der hat die Schlussszene nicht gesehen. Die ganze Sequenz ist merkwürdig, seltsam, absurd, läuft aber nach einer grotesken Logik ab, die wir in unseren Träumen durchaus wiederfinden. Im Schlaf kommen schon mal Horden von Polizisten aus dem Nichts, wenn sie gerade gebraucht werden, im Schlaf ist blind vor einer Gefahr wegzurennen oft die logischste Umgangsweise, im Schlaf vertrauen dir skrupellose Mörder oft, wenn du sie nur ein wenig anschwindelst. Ich gehe soweit zu behaupten, dass diese Schlussszene DIE Traumsequenz der Filmgeschichte ist, welche einem realen Traum als nächstes kommt. Denn die Welt zeigt sich zwar wie wir sie kennen, Landschaften und Menschen sind so wie im wirklichen Leben, nur die Logik nachdem diese Augenscheinlich gleiche Welt funktioniert ist eine andere – DAS sind Träume, DAS ist die Schlussszene aus „Terror in der Oper“!
Argento wählte ungewöhnliche Schauplätze für dieses Projekt aus, an die wir in unserem täglichen Leben nur selten kommen. Ein Lüftungsschlacht, eine weite Almheide, ein gigantisch hohes Schlafzimmer und natürlich die Oper. Eine faszinierende Einrichtung, deren Zauber Argento auf magische Weise auf Film bannt. Durch die richtige Kameraführung zeigt er uns das Gebäude in all seiner Weite, seiner Größe und seines Prunkes. Ausführliche Blicke hinter die Kulissen verraten uns, dass ein solches Haus mehr verborgene Vorgänge hat als sichtbare, was es gleichsam faszinierend wie auch unheimlich macht.
Ein Punkt erschließt sich mir jedoch nicht. Die letzte Einstellung zeigt Betty, welche eine Eidechse von einem Holzstab befreit und ihr zuflüstert, dass sie nun frei sei. Ich denke die Eidechse symbolisiert Betty, welche ihre eigene Freiheit gerade eben durch die erfolgreiche Konfrontation mit dem Killer erreicht hat. Dafür spricht auch, dass sie zu Beginn eine Tinktur geschenkt bekommt mit der Anschrift „An meine kleine Schlange, Eidechse, oder so halt…(sorry, kann mich nicht mehr genau erinnern und der Film war auf englisch, aber irgendwas in die Richtung stand da).“ Was hat das zu bedeuten? Warum sollen wir unsere Heldin mit einer Eidechse gleichsetzen? Dies ist ein Aufruf an alle Forenmitglieder die ein Lexikon der Symbole zu Hause haben: Seht unter „Eidechse“ nach und sagt mir, was dort steht!
So genug heruminterpretiert, kommen wir zu den filmtechnischen Aspekten von „Terror in der Oper“: Visuell nähert sich Argento, bis auf die schmuddelig anmutenden Mordszenen, wieder wie ich fand an „Profondo Rosso“ an. Er zeigt abermals sehr stark seine Liebe für extreme Detailaufnahmen und lange Kamerafahrten. Das Erste erregt einerseits Faszination, da wir Gegenstände aus Perspektiven betrachten, die wir nicht gewohnt sind, andererseits aber auch Klaustrophobie. Das Zweite kommt nicht minder faszinierend herüber, da wir Achtung vor der komplizierten Umsetzung so einer Fahrt haben, erregt in uns aber auch Schwindelgefühle. Zwei Einstellungstypen, die uns sowohl anziehen als auch in eine Horrorstimmung versetzen (P.S. Und er hat wieder buntes Licht und buntes Licht find ich toll ).
Musikalisch ist der Film zwar grandios, hat mich aber dennoch ein wenig enttäuscht. Die klassischen Stücke passen natürlich hervorragend zum Opernhaus, vermissen aber die Rasanz, welche ich bei den Goblin-Scores immer so geliebt habe. Auf der anderen Seite bekommen wir wie in „Phenomena“ erneut Metall-Songs, welche ich zwar instrumental äußerst stimmig finde, die Gesangsstimme wirkt aber stets fehl am Platz und schafft es für mich, der ich kein sonderlicher Metall-Fan bin, die visuell eindrucksvollsten Szenen ein wenig zu verderben…aber das bleibt nur ein kleines Übel.
Darstellerisch bietet der Film einiges. Cristina Marsillach hat was Zartes und Unschuldiges, dass unsere Beschützungsinstinkte weckt (anders als Asia Argento, die in einer ähnlichen Rolle allein unsere Mordinstinkte weckte ). Ähnlich wie Jennifer Cennelly, wenn auch nicht ganz so rein und überirdisch (leider!).
Ian Charleson spielt sehr solide und Urbano Barberini weiß auch zu überzeugen. Noch dazu bekommen wir die geschätzte Daria Nicolodi, wunderbar wie immer. Ich hasse Barbara Cupisti, wie auch in all ihren anderen Rollen, aber wenigstens bekomme ich die Satisfaktion ihres Ablebens.
Abschließend noch ein kleiner Argento-Fun-Fact-for-Fans: Sein Regieassistent Nummer 1 Michele Soavi hat hier, neben dieser Tätigkeit, wieder mal einen Cameo-Auftritt. Er spielt einen Polizisten namens Daniele Soave. Get it? GET IT?
Fazit: Technisch hochwertig und interpretativ interessant: Argento zeigt uns das Leben wie einen Alptraum, konfrontiert uns mit Urängsten und setzt uns in eine Welt, in der alles Möglich ist. Das Wort „uns“ gebrauche ich absichtlich, denn es ist kaum möglich, sich nicht direkt in den Film hineinversetzt zu glauben. 10/10