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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 22. Mär 2011, 19:35
von buxtebrawler
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Fragile – A Ghost Story
Die Vorbereitungen für die Schließung des Mercy Falls Krankenhauses waren praktisch schon abgeschlossen, als wegen eines Zugunglücks und daraus resultierender Platzprobleme im Nachbarhospital die Türen in Mercy Falls einige Tage länger aufgelassen werden müssen, da nicht alle Patienten verlegt werden können. Da Susan (Susie Trayling), die Nachtschwester der Kinder, aber überraschend kündigte, wird Amy (Calista Flockhart) für diesen Posten eingestellt. Allerdings muss sie schnell feststellen, dass sie den Job besser nicht angenommen hätte: alles beginnt damit, dass das kleine Mädchen Maggie (Yasmin Murphy) ihr von Charlotte erzählt, dem "mechanischen Mädchen". Niemand sonst kennt Charlotte und so stempelt Amy sie anfangs als imaginäre Freundin ab, doch schon bald geschehen erste merkwürdige Dinge. Im seit Jahrzehnten stillgelegten zweiten Stock ertönen seltsame Geräusche, der Fahrstuhl fährt unkontrolliert in selbigen und so zweifelt Amy immer mehr an ihrem Verstand, geht der Sache aber selbst auf den Grund, da niemand der weiteren Ärzte ihr Glauben schenken will...
2005, also nach „The Nameless“ und „Darkness“, aber noch vor „[•REC]“ drehte der Spanier Jaume Balagueró diesen feinen Geistergrusler mit Calista „Ally McBeal“ Flockhart (!) in der Hauptrolle. Inspirieren lassen hat man sich augenscheinlich bei jüngeren Asia-Gruslern der Marke „Ring“ und Konsorten, wobei „inspirieren“ an dieser Stelle keinesfalls euphemistisch gemeint ist, denn mit einem müden Abklatsch bekommt man es hier glücklicherweise nicht zu tun.

„Fragile – A Ghost Story“ erfindet zwar nun wahrlich nicht das Genre neu, besitzt durch den sorgfältigen Umgang mit Genre-Zutaten aber genügend Individualität und Wiedererkennungswert, um als eigenständiger Film wahrgenommen und respektiert zu werden. Das Gespür für Suspense-Horror, das Balagueró bereits mit seinen früheren Filmen unter Beweis stellte, spielt er auch hier wieder aus und lässt sowohl Flockhart als auch die talentierten und bisweilen tatsächlich mitleidserregenden und niedlichen Kinderdarsteller im Ambiente eines gruselig anmutenden, alten Krankenhauses agieren, das verstärkt durch eine matte, triste Farbgebung und ein angenehmes, unhektisches Erzähltempo für eine unbehagliche, geheimnisvolle, düstere Stimmung sorgt, der sich auch die prominente Hauptdarstellerin unterordnet und somit zum Teil des Ganzen wird, statt unangenehm herauszustechen. Ihre Leistung möchte ich als solide bezeichnen, wenngleich sicherlich auch zahlreiche unbekanntere Schauspielerinnen ihren Part gut hätten übernehmen können. Ihren Promi-Bonus jedenfalls hat „Fragile – A Ghost Story“ nicht nötig. Die Geschichte thematisiert unangenehme Phänomene wie todkranke Kinder, psychopathologische Erkrankungen wie das Münchhausen-Stellvertretersyndrom und die Angst davor, Pflegern und Ärzten hilflos ausgeliefert zu sein; quasi die Umkehr gemeinläufiger Hospital-Assoziationen als einen Ort des Schutzes und der Heilung.

Zum für mein Empfinden exakt richtigen Zeitpunkt beginnt Balagueró, gezielte effektive Schocks insbesondere in Form von verstörenden Fratzen und Geistererscheinungen zu platzieren, die ihre Wirkung nicht verfehlen und langsam, aber sicher die dramaturgische Schraube anziehen, bis sich in einem rasanten Finale nicht nur die aufgeladene, unheilsschwangere Atmosphäre entlädt, sondern sich auch bestätigt, was der nicht ganz debile Zuschauer bereits vorausgeahnt hat. Dass das zu lüftende Geheimnis zu jenem Zeitpunkt eigentlich gar keines mehr ist, ist aber auch schon meiner einziger Kritikpunkt an diesem ansonsten rundum gelungenen Euro-Grusler. Andere spanische Filme haben sich da jedenfalls wesentlich schwerer mit einer stimmigen Pointe getan. Im Zweifelsfall aber lieber etwas unkonventioneller, dafür aber zu einem „runderen“ Ergebnis führend, als bemüht innovativ und sich letztlich verzettelnd. Viel wichtiger kann es da sein, in den Details Haltung zu wahren bzw. Akzente zu setzen und keinen Reigen abgekauter Ideen neu aufzuwärmen – was Balagueró hiermit gelungen ist. Klare Empfehlung für Freunde atmosphärischer Suspense-Gruselkost.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 23. Mär 2011, 17:36
von buxtebrawler
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Lost Souls
Die junge Lehrerin Maya Larkin arbeitet nebenbei als Assistentin in einer Arbeitsgruppe der Katholischen Kirche. Diese beschäftigt sich, was in der Kirche gar nicht so gern gesehen wird, mit Exorzismus. Als sie eines Tages an einen vom Teufel besessenen Mörder geraten, scheitert ihr Vorhaben, den Teufel auszutreiben. Statt dessen fällt ihr ausübender Priester in eine Art Koma. Zu stark ist der Teufel in seinem Opfer vertreten. Maya kann dabei heimlich die Unterlagen des Mörders mitgehen lassen. Darin findet sie einen Hinweis auf einen jungen Schriftsteller: Peter Kelson. Peter, ein nicht gläubiger Mensch, beschäftigt sich in seinen Büchern mit der bösen Psyche von Menschen. Für Maya ist die Sache klar: Peter Kelson ist im Begriff, der Antichrist zu werden...
Der polnischstämmige Regisseur Janusz Kaminski, der zuvor als Kameramann für Steven Spielberg auffiel, debütierte mit der US-Okkulthorror-Produktion „Lost Souls“, die im Jahre 2000 in die Kinos kam und von der Kritik anscheinend nicht sonderlich wohlwollend aufgenommen wurde.

Mit üppigem Budget und Ben Chaplin und Winona Ryder in den Hauptrollen ausgestattet, sieht man „Lost Souls“ deutlich an, dass Kaminski sein Handwerk als Kameramann versteht. Die in einen modernen Düsterlook getauchten Bilder sind ruhig, stimmig und zeigen gern interessante (bis selbstverliebte, das sollte kritischerweise noch angemerkt werden) Perspektiven, gerade auch in Nahaufnahmen, die eine Atmosphäre ähnlich der eines tristen, verregneten Herbsttags erzeugen und durchaus als eine Vorstufe zu apokalyptischer Endzeitstimmung betrachtet werden kann.

Doch die Handlung, die von der bevorstehenden Inkarnation des Antichristen handelt, erscheint zwar spannend, aber irgendwie unnötig verkompliziert, als versuche man einen gewissen Grad an Konzentration vom Zuschauer einzufordern, um von der eigentlichen Koventionalität abzulenken. Zwar handelt es sich nicht um ein flaches „Der Exorzist“-Plagiat, doch das kleine Einmaleins des Okkulthorrorfilms hat man offensichtlich gut studiert. Und das wäre auch allles andere als schlimm, würde man mehr oder weniger zielstrebig auf ein packendes Finale respektive eine unerwartete Pointe zusteuern. Angereichert mit ein paar gar nicht schlechten, aber sehr zurückhaltend angewandten Spezialeffekten führt die Dramaturgie aber leider zu einem derart plumpen Ende, dass es mich zunächst ungläubig auf den Abspann starren und sodann enttäuscht und verärgert zurückließ, da es nahezu den gesamten Handlungsablauf ad absurdum führt und sinnlos erscheinen lässt.

Winona Ryder wurde auch schon effektiver in Szene gesetzt als nun unbedingt hier und Ben Chaplin ist unter Kaminskis Regie trotz seiner interessant angelegten Rolle weit davon entfernt, ein memorabler Charakterdarsteller zu sein, jedoch wird die Emotionalität des Films weniger durch seine Schauspieler als vielmehr durch die Optik und die im Zusammenspiel mit der subtilen Filmmusik transportierte Stimmung erzeugt, was ich gar nicht mal so uninteressant finde – im Gegenteil. Umso unverständlicher ist es, dass man nicht in der Lage war, dem Ganzen ein adäquates Drehbuch zugrunde zu legen oder wenigstens das Ende spektakulär und mitreißend zu gestalten, wenn man denn schon keine besseren Ideen vorzuweisen hat.

Fazit: Außen hui, innen naja...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 26. Mär 2011, 00:36
von buxtebrawler
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Riding The Bullet
1969: Student Alan Parker (Jonathan Jackson) hat den gewaltsamen Tod seines Vaters, als er noch ein Kind war, nie überwunden, was einen gewissen selbstzerstörerischen Trieb mit sich bringt. Als jedoch seine Mutter durch einen Herzinfarkt niedergestreckt, ins Krankenhaus kommt, tritt er noch in derselben Nacht eine Reise quer durch den Bundesstaat an. Scheinbar unter schlechten Vorzeichen, denn bei wem auch immer er als Anhalter einsteigt: einer scheint seltsamer als der andere zu sein. Im Wagen von George Staub (David Arquette) wartet jedoch das Schicksal auf Alan: George behauptet, eine Inkarnation des Todes zu sein, der Alan vor eine Wahl stellen wird, sein Leben gegen das seiner Mutter. Und ein paar unbekannte Wahrheiten über Alans Vater sind auch noch im Spiel...
Diese in US-amerikanisch/kanadisch/deutscher Koproduktion erfolgte Verfilmung eines – so hörte ich zumindest – bereits in Papierform eher durchschnittlichen Stephen-Kings-Stoffs wurde 2004 von Mick Garris („Critters 2“) inszeniert, der auch für eine ganze Reihe weiterer, meist durchschnittlicher King-Adaptionen verantwortlich zeichnet („Quicksilver Highway“, „Sleepwalkers“, „Stephen King’s The Shining“ etc.).

Ich glaube, ich kann guten Gewissens behaupten, dass Garris auch für „Riding The Bullet“, eine Geschichte um einen etwas lebensmüden und vom Tod faszinierten jungen Halbwaisen namens Alan (Jonathan Jackson), der nach einem halbherzig ausgeführten Selbstmordversuch vom Herzinfarkt seiner entfernt lebenden Mutter erfährt und per Anhalter seine Reise zu ihr antritt, seinem Stil treu geblieben ist. Das bedeutet, dass er grundsätzlich etwas davon versteht, was er tut, aber aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund seine Filme gerne mit eigentlich herzlich unpassenden komödiantischen Szenen anreichert, damit man sie auch ja nicht ernstnehmen kann oder aber sich in Nebenschauplätzen und Details verliert, was King höchstpersönlich aufgrund der dadurch möglicherweise werkgetreueren Wiedergabe erfreuen mag, in Filmform aber nicht so recht funktionieren will.

In diesem Falle aber tut die Garris-typische Ironisierung von Teilen der Handlung dem Gesamteindruck sogar strenggenommen ganz gut, denn dadurch verhindert er ein allzu starkes Abgleiten in den Kitschbereich der Geschichte, in der Alan seine Liebe zum Leben und zu seiner Mutter wieder entdeckt, Dankbarkeit zeigt, ein schlechtes Gewissen bekommt und am sogar sein Studentenleben über den Haufen wirft, um fast jedes Wochenende mit seiner Mutter zu verbringen. Das klingt nicht nur etwas dick aufgetragen, das ist es auch, und dem wesentlich interessanteren Aspekt der Handlung, nämlich die von Alan zu treffende Entscheidung, ob er oder seine Mutter weiterleben dürfen soll und die daraus resultierenden Gewissenskonflikte, wird dabei etwas zu wenig Beachtung geschenkt. Vermutlich mangelte es sowohl den Drehbuchautoren als auch Garris schlicht an Kreativität und Ideen, wie sich so etwas geschickt und glaubwürdig auf die Leinwand übertragen ließe.

„Riding The Bullet“ ist ein Bastard aus Horror/Mystery-Thriller und Road-Movie. Während Alan, solide, aber wenig auffallend von Jackson gespielt, per Anhalter durchs Land reist, hat er viele seltsame Begegnungen (u.a. mit einem King-Lookalike, King selbst bekommt aber keinen Cameo-Auftritt), die technisch häufig zwar durchaus den Horrorstandards entsprechend umgesetzt wurden, der Handlung bzw. deren Dramaturgie aber nicht immer dienlich sind. Mag einiges davon in der (mir unbekannten) Literaturvorlage durchaus noch Sinn ergeben haben, wirkt es hier fragmentarisch, überflüssig und auf nicht mehr als flache Effekthascherei oder Laufzeitstreckung abzielend. Durch den gesamten Film ziehen sich neben zahlreichen Rückblenden vor allem pessimistische Vorausahnungen Alans, doch was anfangs noch wie ein kreatives Stilmittel erscheint, nutzt sich mit der Zeit doch arg ab und strapaziert die Geduld des Zuschauers.

Ein Höhepunkt des Films ist hingegen Alans Begegnung mit dem Geist George Staubs, denn dieser wird sehr ansehnlich von David Arquette dargestellt, der mit seiner Mimik und Lässigkeit das Geschehen doch deutlich aufwertet. In diesem Zusammenhang überrascht „Riding The Bullet“ auch mit einer lupenrein schwarzhumorigen „Film im Film“-Sequenz, die den Tod Staubs nachzeichnet. Andere Schauspieler bleiben aber ebenso unauffällig wie Jackson, wobei sich noch das ziemlich junge Aussehen von Alans Mutter in meinem Gedächtnis festgesetzt hat, das Assoziationen zu Garris’ „Psycho IV“ aufkommen ließ.

Jedoch gibt es auch einige zumindest von mir als solche empfundenen emotionalen Momente und diesen gewissen Wohlfühl-(Grusel-)Faktor, der vielen King-Verfilmungen innewohnt, kann und will ich auch „Riding The Bullet“ nicht absprechen. Insofern würde ich unterm Strich von einem durchschnittlichen Filmerlebnis sprechen und vergebe ein Bonuspünktchen für David Arquette und den integrierten „Kurzfilm“.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 28. Mär 2011, 16:19
von buxtebrawler
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Der Leichendieb
Schottland im Jahre 1831: Der ehemalige Chirurg und jetzige Lehrer an der Universität Edinburgh MacFarlane (Henry Daniell) bezahlt den Kutscher Gray (Boris Karloff) dafür, dass dieser ihm Leichen für die Anatomie vom Friedhof bringt. Um den Geldstrom nicht abreißen zu lassen, wird Gray zum Mörder. Als MacFarlane dies herausbekommt, erpresst ihn Gray. Bald wird MacFarlane klar, dass Gray nie von ihm ablassen wird und so greift er zu radikalen Methoden...
„Der Leichendieb“, eine US-Produktion, die 1945 unter der Regie von Robert Wise das Licht der Leinwand erblickte, ist nach meinem Kenntnisstand die erste Verfilmung des klassischen Stoffs um Leichendieb John Gray, der fünf weitere folgen sollten.

Angesiedelt im schottischen Edinburgh des Jahres 1831, erzählt dieses Gruseldrama eine Geschichte von wissenschaftlichem Eifer und Forschungsdrang sowie medizinischer Ethik und fatalen Verbindungen zur Unterwelt und daraus resultierender moralischer Schuld. Als „handelsübliche“ Mad-Scientist-Mär kann „Der Leichendieb“ aber gewiss nicht bezeichnet werden, dafür fielen die unterschiedlichen Charaktere erfreulicherweise zu ambivalent aus. Selbst der im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehende Gray wird nicht plump als kaltherziges Monstrum gezeichnet, eher als zynischer Mann, der seinem Auftraggeber MacFarlane in Diskussionen bisweilen überlegen scheint. Dieser wiederum ist besessen von seinem anatomischen Forschungsarbeiten; so sehr, dass er indirekt Unheil herausbeschwört, als Gray seiner Wegen zum Mörder wird. McFarlanes Assistent Donald Fettes schmeißt alle moralischen Bedenken über Bord, als es um das Schicksal des gelähmten Mädchens Georgina geht. Nachdem er MacFarlane zur Operation Georginas überredet hat und diese erfolgreich durchgeführt werden konnte, kann das verängstigte Mädchen trotzdem nicht wieder laufen und der wenig empathische MacFarlane schafft es mit seinen aggressiven Vorwürfen schon gar nicht, ihr ihre psychischen Hemmschwellen zu nehmen. Diese intelligent konstruierte Handlung regt den Zuschauer dazu an, sich gedanklich selbst mit den aufgeworfenen Gewissensfragen auseinanderzusetzen, statt sich nur zurückzulehnen und seine Sympathien und Abneigungen vom Drehbuch vorschreiben zu lassen.

Wise bediente sich dazu expressionistischer Schwarz-Weiß-Bilder, die in all ihrer klassischen Eleganz und wirkungsvollen Düsterheit auch heute noch jeden Genrefreund mit der Zunge schnalzen lassen dürften. Darüber hinaus überzeugt ein glänzend aufgelegter Boris Karloff als Leichendieb Gray auf ganzer Linie und verleiht dem mehrschichtigen Charakter durch sein Schauspiel eine lebendige, glaubwürdige Bedrohlichkeit, die ebenfalls dazu beiträgt, diese filmische Perle weit über den Durchschnitt herauszuheben. Auch Henry Daniell als MacFarlane und Russell Wade als dessen Assistent agieren auf hohem Niveau; die mit Bela Lugosi besetzte Nebenrolle des bemitleidenswerten, doch gierigen Dieners Joseph erscheint da schon fast verschwenderisch.

Erst im dramatischen Ende erhält „Der Leichendieb“ seine phantastische Note, die sich aber auch ohne Weiteres psychologisch als Manifestation unterdrückter Schuldgefühle MacFarlanes erklären lässt. Bis dahin ist es in erster Linie das Ambiente, das dieses Drama zu diesem sehr sehenswerten Grusler macht, der gerade auch für Karloff-Fans zum Pflichtprogramm gehört.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 30. Mär 2011, 23:02
von buxtebrawler
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El día de la bestia
Professor Angel Berriartua hat seit 25 Jahren die Bücher der Apokalypse studiert. Er ist zu der Überzeugung gelnagt, daß der Antichrist am Wheinachtsabend in Madrid geboren wird und die Menschheit fortan in ewiger Verdammnis leben muß. Dadurch, daß er böse Taten begeht und dabei skurille Verhaltensweisen an den Tag legt, hofft er den Teufel heraufbeschwören zu können, um ihn dann irgendwie zu überlisten. Es gelingt ihm in dem Death Metal-Freak Jose Maria und in dem betrügerischen Fernsehprediger Cavan Mitstreiter für seine Sache zu gewinnen. Zusammen geraten sie in die absurdesten Situationen, bis es zur Konfrontation mit dem Teufel in einem apokalyptischen Showdown kommt...
Kult-Regisseur Álex de la Iglesias („Aktion Mutante“, „Perdita Durango“, „Ein ferpektes Verbrechen“) zweiter Spielfilm aus dem Jahre 1995 ist eine rasante, abgefahrene Horrorkomödie mit starken satirischen Zügen, die den Zuschauer mit auf die Mission eines ungleichen Trios im Kampf gegen die unmittelbar bevorstehende Apokalypse nimmt.

Dafür arbeitete der Spanier mit eher unbekannten Schauspielern, die in ihren Verkörperungen eines kleinen, schmächtigen, aber wuseligen Priesters, eines speckigen und intellektuell eher einfach gestrickten Death-Metal-Fans und Plattenverkäufers sowie eines gigolohaften, schmierigen TV-Wahrsager-Scharlatans aber vollends überzeugen und sich fabelhaft in die skurrile, in Madrid zur Weihnachtszeit angesiedelte Handlung einfügen.

So begeht der unscheinbare Priester Berriartua eine Boshaftigkeit nach der anderen, um „dem Bösen näherzukommen“ und hält eine Venom-LP in einem Plattenladen schon einmal für ein Zeichen des Teufels, so findet der Metal-Fan José Maria das alles vollkommen normal, stellt dem Priester seine derangierte Familie vor und unterstützt ihn fortan bei dessen Vorhaben, u.a. indem er in den richtigen Momenten die Fäuste sprechen lässt, und so setzt sich TV-Wahrsager Cavan nach den gewaltsamen Überzeugungsarbeiten Berriartuas und José Marias schwer lädiert ins Studio, um Berriartua während eines schwachen Moments vor Millionenpublikum nun wiederum selbst in der Rolle des „Überzeugers“ aufbauend zur Seite zu stehen – wenn sich nicht gerade alle drei in schwindelerregender Höhe und auf LSD an der Leuchtreklame eines Wolkenkratzers entlang hangeln.

Denn „El día de la bestia“ steckt nicht nur voll schwarzen Humors und satirischen Seitenhieben auf Religion und Gesellschaft, sondern bietet darüber hinaus auch viel Action und Gewalt, letztere trotz der humoristischen Ausrichtung des Films nicht selten bitterböse, übertrieben und bisweilen gar verstörend, als wollte de la Iglesia auf diesem Wege sichergehen, ein 100%ig hollywooduntaugliches Stück Zelluloid zu schaffen. Einerseits sind diese Szenen, beispielsweise als ein Mensch bei lebendigem Leib verbrennt, tatsächlich eine Art Alleinstellungsmerkmal des Films, andererseits wären diese zum Gelingen der Horrorkomödie nicht wirklich nötig gewesen und wirken mitunter sogar eher kontraproduktiv.

Dennoch macht dieses anarchistische, blasphemische Anti-Weihnachts-Filmchen einen Heidenspaß, das Dank seines Lokalkolorits und seines Temperaments zudem auf gewisse Weise „typisch spanisch“ ist. Fast schon „typisch spanisch“, da von mir in einigen anderen Landesproduktionen ebenfalls beobachtet, ist aber leider auch das irgendwie vermurkste Finale, dessen Plumpheit den Anschein erweckt, als wären die kreativen Ideen ausgegangen, als hätte man sein Pulver bereits verschossen gehabt. Jedenfalls wird es dem vorausgegangenen herrlichen Chaos kaum gerecht und handelt dem Film von meiner Seite einen Minuspunkt ein.

Mehr zu meckern gibt es aber definitiv nicht. „El día de la bestia“ ist unvorhersehbar und dadurch trotz seiner Absurdität spannend, technisch voll auf der Höhe und mit einem unverbrauchten, erfrischenden Humor gesegnet. Pflichtprogramm!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 2. Apr 2011, 00:44
von buxtebrawler
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Dolores
Haushälterin Dolores Claiborne steht unter dem Verdacht, ihre Arbeitgeberin, die Millionärswitwe Vera Donovan, umgebracht zu haben. Der Verdacht wiegt umso schwerer, weil zum einen Dolores als Alleinerbin der Donovan eingesetzt wurde und zum anderen sie bereits vor dreizehn Jahren unter Mordverdacht geriet. Damals kam ihr Mann Joe, ein brutaler Säufer, auf mysteriöse Weise ums Leben. Detective John Mackey sieht den Fall schon als gelöst an, als Selena, die Tochter von Dolores, auftaucht und ein Familiendrama seinen Lauf nimmt. (aus DIE ANGST SITZT NEBEN DIR von Frank Trebbin)
„Dolores“ ist eine der Stephen-King-Verfilmungen, denen eine Geschichte ganz ohne übersinnliche Elemente zugrunde liegt. Es handelt sich somit um keinen Horror- oder Science-Fiction-Film, sondern um ein spannendes, sensibles Drama, bei dem Taylor Hackford („Im Auftrag des Teufels“) die Regie führte und dessen Hauptrollen mit Kathy Bates als Dolores und Jennifer Jason Leigh als deren Tochter Selena hochkarätig besetzt wurden. Die Literaturvorlage ist mir allerdings unbekannt, etwaige Vergleiche erübrigen sich somit.

In der Geschichte steckt eine ganze Menge interessanter Themen: Gesetz und Gerechtigkeit, Mutterliebe/Mutter-Kind-Beziehungen, Kindesmissbrauch, Frauenfeindlichkeit, Gewalt, Sterbehilfe, Klassengesellschaft (arm/reich) etc. Und es ist tatsächlich gelungen, all dies in eine fesselnde Handlung zu betten, die dem Zuschauer nach und nach vor allem durch Rückblenden den Charakter der Dolores Claiborne näher bringt und Verständnis für ihr Leben, für ihre widerspenstige Attitüde und für das, was ihr vorgeworfen wird, weckt. Das liegt auch zu einem Großteil im grandiosen Schauspiel Kathy Bates’ („Misery“) begründet, die ihre Rolle eindrucksvoll, emotional und klischeelos verkörpert. Ihre Filmtochter Selena wird ebenfalls sehr glaubwürdig von Jennifer Jason Leigh gespielt, der man die traumatisierte junge Frau, die nie so 100%ig im Leben Fuß gefasst hat, durchaus abnimmt. Dabei wirkt sie trotzdem sympathisch, aufgeweckt, frech und intelligent; fast schon ein Plädoyer für „Problemkinder“ oder wie auch immer man es nennen mag. Sehr angenehm wirkt sich im Falle der beiden Hauptdarstellerinnen auch der weitestgehende Verzicht auf Plakativität und Klischees aus, was man zugegebenermaßen von den übrigen Rollen nicht immer behaupten kann – aber irgendwie muss die Geschichte ja auch in Gang kommen. So entsteht der Eindruck zweier kämpferischer Frauen unterschiedlicher Generationen, die sich eines kalten, bedrohlichen Umfelds erwehren müssen.

Dieser Eindruck wird verstärkt von der tristen, matten Farbgebung des Films, die sich in den Rückblenden in deren kunterbuntes Gegenteil verkehrt. Höhepunkt dieser Stilmittel ist mit Sicherheit die Tötungsszene im artifiziell wirkenden Ambiente einer sich anbahnenden Sonnenfinsternis – vielleicht der ausdrucksstärkste Moment des Films.

Nicht unbedingt gebraucht hätte es – zumindest in diesen Ausmaßen – den Elfman-Soundtrack mit all seinen sentimentalen Streichern und Klaviergeklimpere. Etwas Mut zur Abwechslung hätte den begleitmusikalischen Teil bestimmt aufgewertet. Auch fühlte ich mich vom Ende etwas überrumpelt, als Selena ihre Mutter in einer Mordsgeschwindigkeit und mit ungeahnten Fähigkeiten verteidigt. Die Wandlung Selenas Charakters erschien mir dann doch etwas plötzlich und ihr Auftreten, das jedem Staranwalt zur Ehre gereichen würde, will nicht so recht zu ihr passen, soll aber vermutlich schlicht den Neuanfang verdeutlichen, ihre persönliche Katharsis (oder so).

Diese Kritikpunkte jedoch ändern nichts daran, dass „Dolores“ ein in jeder Hinsicht sehenswerter Spielfilm ist, der sich eindrucksvoll gegen Vorverurteilungen und eine allzu „blinde“ Justiz, die von Umständen, die Menschen zu (vermeintlichen?) Tätern machen, nichts wissen will, wendet und darüber hinaus noch manch weiteren evtl. nachdenklich stimmenden Aspekt zu bieten hat.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 2. Apr 2011, 01:15
von untot
Dolores ist ein echt guter Film, aber das Buch solltest Du gelesen haben, da wurde das Verhältnis von ihr zu Vera, richtig gut dargestellt, echt Hammer, was für ein Miststück Vera gewesen ist und dann war sie wieder ganz anständig, ne richtige Hassliebe, sehr gut geschrieben von King!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 2. Apr 2011, 12:01
von buxtebrawler
untot hat geschrieben:Dolores ist ein echt guter Film, aber das Buch solltest Du gelesen haben, da wurde das Verhältnis von ihr zu Vera, richtig gut dargestellt, echt Hammer, was für ein Miststück Vera gewesen ist und dann war sie wieder ganz anständig, ne richtige Hassliebe, sehr gut geschrieben von King!
Das glaub ich gern. Hab mir schon gedacht, dass King das im Buch bestimmt sehr ausführlich ausgewalzt hat. :D
Vielleicht lese ich das Buch wirklich mal; find ich interessant, so'nen ambivalenten Charakter.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 2. Apr 2011, 17:03
von buxtebrawler
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Die Nackte und der Satan
Professor Dr. Abel ist das Unmögliche gelungen. Er hat es geschafft, den abgetrennten Kopf eines Hundes für 4 Monate am Leben zu erhalten. Als der Prof. verstirbt, sieht sein ehemaliger Assistent Dr. Brandt darin die Chance, auch den Kopf von Abel am Leben zu erhalten. Doch das ist ihm nicht genug. Nur wenige Zeit später setzt er den Kopf der deformierten Schwester Irene, auf den Körper der schönen Stripperin Stella. Wie lange wird er diesen Wahnsinn noch fortsetzen?
„Wieder ein Doktor! Die sind gefährlich, diese Menschen!“

Regisseur Victor Trivas hat offenbar nur drei Filme gedreht, zwei davon in den 1930ern und eben die deutsche Mad-Scientist-Horror-Produktion „Die Nackte und der Satan“ im Jahre 1959.

Ein solcher Film ist für das Deutschland der 1950er natürlich ziemlich ungewöhnlich und allein schon deshalb einen Blick wert. Bei näherem Hinsehen entpuppt er sich mit seinem reißerischen Titel (und Alternativtitel „Des Satans nackte Sklavin“) als – wer hätt’s gedacht – Exploitation-Trash, inspiriert von „Frankenstein“ und vermutlich zahlreichen weiteren Filmchen, die jener Klassiker maßgeblich beeinflusst hat. Gedreht in schwarz/weiß, präsentiert man dem Zuschauer einen durchgeknallten, überambitionierten Wissenschaftler Dr. Ood, klasse gespielt von Horst Frank, der nicht nur den Kopf seines ehemaligen Chefs Dr. Abel durch eine aberwitzige Maschine körperlos am Leben erhält, sondern auch das Haupt einer eigentlich sehr hübschen, aber buckligen Geistlichen dem einer Stripperin transplantiert (man beachte den Kontrast...). Die Selbstverständlichkeit, mit der all das passiert, ist durchaus amüsant und vor allem der sprechende Kopf Dr. Abels köstlich anzusehen, mit der lediglich angerissenen philosophisch-biologisch-medizinischen Frage „Bin ich ein Körper oder hab’ ich einen Körper?“, die viele Jahre später auch die Niveaurockgruppe „Die Kassierer“ stellen sollte, gaukelt das Drehbuch eine Tiefe vor, die es aber nie erreicht, und das muntere Treiben der Protagonisten wirkt bisweilen etwas unbeholfen, gestreckt und ratlos. Wirklich nackt ist zudem auch nie jemand und an blutige Effekte natürlich ebenfalls nicht zu denken. Ein paar expressionistisch angehauchte Bilder erfreuen da schon eher das Auge, während man sich mit der bizarren, naiven Welt des Wahnsinns, die den Drehbuchautoren entsprungen ist und nach ihren ganz eigenen Gesetzen zu funktionieren scheint, zu arrangieren versucht.

Insofern ein hochinteressantes Stück deutscher Kino-Geschichte, das durch die Trash-Brille durchaus passabel unterhält, einem Vergleich mit ernstzunehmenderen, ausländischen Genrewerken der gleichen Ära aber nicht standhält.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 13:19
von buxtebrawler
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Wayne’s World
Wayne Campbell (Mike Myers) und Garth Algar (Dana Carvey) sind zwei langhaarige Rock'n Roll Freaks in ihren späten Zwanzigern, wohnen jedoch immer noch daheim. Trotzdem sind sie recht populär, denn sie produzieren im Keller von Waynes Haus eine abgefahrene Comedy- und Rock'n Roll-Show, genannt Wayne's World. Als der schleimige Produzent Benjamin Oliver (Rob Lowe) davon erfährt, dreht er den beiden einen richtigen Fernsehvertrag an und zieht sie so über den Tisch. Gleichzeitig macht er sich auch noch an Wayne's heiße neue Freundin Cassandra (Tia Carrere) heran, die ebenfalls in einer aussichtsreichen Band spielt. Als Oliver Garth und Wayne schließlich beinahe gegeneinander ausspielt, mobilisieren die beiden alle ihre Freunde...
Das ist sie also, diese vermeintliche Kultkomödie um Mike „Austin Powers“ Myers als langhaariger Wayne, die in der ersten Hälfte der 1990er in aller Munde war, um die ich als an der Thematik eigentlich alles andere als Uninteressierter aber einen großen Bogen machte. Nachdem mir zumindest die ersten beiden „Austin Powers“-Filme recht gut gefielen, wollte ich diese „Bildungslücke“ dann aber doch einmal schließen – und es kam noch schlimmer als befürchtet.

Wer eine Komödie, die auch nur in irgendeinem Bezug zum Thema „Heavy Metal“ steht, erwartet, muss zwangsläufig enttäuscht werden. Obwohl sich „Wayne’s World“ in meinem Populärkulturbewusstsein als „Metal-Komödie“ eingebrannt hatte, kommt diese Musikrichtung kein einziges Mal im Film vor. Wayne und seine Freunde hören Queen, gehen auf Rock’n’Roll- oder Poprock-Konzerte, mit Metal hat das jedoch alles nicht viel zu tun. Das ist ein überdeutlicher Hinweis darauf, dass man offensichtlich nicht den leisesten Schimmer von der Materie hatte und lediglich ein paar klischeebehaftete Abziehbilder als Charaktere zur allgemeinen Belustigung des Mainstream-Publikums einzuführen gedachte.

Nun wäre das alles noch durchaus verzeihlich, wenn der Film denn als Komödie funktionieren würde. Doch auch was das betrifft, versagt er fast auf ganzer Linie. „Wayne’s World“ ist schlichtweg nicht lustig. Er wäre es zwar gern, genau wie er auch gern außergewöhnlich und frech wäre, indem er starre Filmregeln aufbricht, sich selbst nie ernst nimmt und direkt mit dem Publikum kommuniziert, doch nur in wenigen Momenten kann guten Gewissens von gelungenen Späßen und charmanten Szenen gesprochen werden. So z.B. die Autofahrt zu Beginn des Films, während der Wayne & Co. Queens „Bohemian Rhapsody“ inbrünstig mitsingen oder das Ende, das hollywoodtypische Happy-Ends erfolgreich parodiert. Der Rest ist aber leider nur bemüht komisch, flach, naiv und albern, dabei aber zudem auf familientauglich getrimmt, so dass man sich nicht einmal an irgendwelchen Geschmacklosigkeiten laben kann.

Zusammen mit dem äußerst leckeren Erscheinungsbild Tia Carreres und stellenweise wirklich guter Musik, in erster Linie von der von ihr angeführten Band, ist mir das dann immerhin noch 4/10 Punkten wert. Da es mir auch völlig egal ist, dass diverse Gestalten wie Meat Loaf, Alice Cooper oder Robert Patrick ihre Kurzauftritte haben, ist beim besten Willen nicht mehr drin.

Jetzt weiß ich wenigstens, warum mich schon damals der „Wayne“-Hype instinktiv völlig kaltgelassen hat...