Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Di 22. Mär 2011, 19:35
Fragile – A Ghost Story
2005, also nach „The Nameless“ und „Darkness“, aber noch vor „[•REC]“ drehte der Spanier Jaume Balagueró diesen feinen Geistergrusler mit Calista „Ally McBeal“ Flockhart (!) in der Hauptrolle. Inspirieren lassen hat man sich augenscheinlich bei jüngeren Asia-Gruslern der Marke „Ring“ und Konsorten, wobei „inspirieren“ an dieser Stelle keinesfalls euphemistisch gemeint ist, denn mit einem müden Abklatsch bekommt man es hier glücklicherweise nicht zu tun.Die Vorbereitungen für die Schließung des Mercy Falls Krankenhauses waren praktisch schon abgeschlossen, als wegen eines Zugunglücks und daraus resultierender Platzprobleme im Nachbarhospital die Türen in Mercy Falls einige Tage länger aufgelassen werden müssen, da nicht alle Patienten verlegt werden können. Da Susan (Susie Trayling), die Nachtschwester der Kinder, aber überraschend kündigte, wird Amy (Calista Flockhart) für diesen Posten eingestellt. Allerdings muss sie schnell feststellen, dass sie den Job besser nicht angenommen hätte: alles beginnt damit, dass das kleine Mädchen Maggie (Yasmin Murphy) ihr von Charlotte erzählt, dem "mechanischen Mädchen". Niemand sonst kennt Charlotte und so stempelt Amy sie anfangs als imaginäre Freundin ab, doch schon bald geschehen erste merkwürdige Dinge. Im seit Jahrzehnten stillgelegten zweiten Stock ertönen seltsame Geräusche, der Fahrstuhl fährt unkontrolliert in selbigen und so zweifelt Amy immer mehr an ihrem Verstand, geht der Sache aber selbst auf den Grund, da niemand der weiteren Ärzte ihr Glauben schenken will...
„Fragile – A Ghost Story“ erfindet zwar nun wahrlich nicht das Genre neu, besitzt durch den sorgfältigen Umgang mit Genre-Zutaten aber genügend Individualität und Wiedererkennungswert, um als eigenständiger Film wahrgenommen und respektiert zu werden. Das Gespür für Suspense-Horror, das Balagueró bereits mit seinen früheren Filmen unter Beweis stellte, spielt er auch hier wieder aus und lässt sowohl Flockhart als auch die talentierten und bisweilen tatsächlich mitleidserregenden und niedlichen Kinderdarsteller im Ambiente eines gruselig anmutenden, alten Krankenhauses agieren, das verstärkt durch eine matte, triste Farbgebung und ein angenehmes, unhektisches Erzähltempo für eine unbehagliche, geheimnisvolle, düstere Stimmung sorgt, der sich auch die prominente Hauptdarstellerin unterordnet und somit zum Teil des Ganzen wird, statt unangenehm herauszustechen. Ihre Leistung möchte ich als solide bezeichnen, wenngleich sicherlich auch zahlreiche unbekanntere Schauspielerinnen ihren Part gut hätten übernehmen können. Ihren Promi-Bonus jedenfalls hat „Fragile – A Ghost Story“ nicht nötig. Die Geschichte thematisiert unangenehme Phänomene wie todkranke Kinder, psychopathologische Erkrankungen wie das Münchhausen-Stellvertretersyndrom und die Angst davor, Pflegern und Ärzten hilflos ausgeliefert zu sein; quasi die Umkehr gemeinläufiger Hospital-Assoziationen als einen Ort des Schutzes und der Heilung.
Zum für mein Empfinden exakt richtigen Zeitpunkt beginnt Balagueró, gezielte effektive Schocks insbesondere in Form von verstörenden Fratzen und Geistererscheinungen zu platzieren, die ihre Wirkung nicht verfehlen und langsam, aber sicher die dramaturgische Schraube anziehen, bis sich in einem rasanten Finale nicht nur die aufgeladene, unheilsschwangere Atmosphäre entlädt, sondern sich auch bestätigt, was der nicht ganz debile Zuschauer bereits vorausgeahnt hat. Dass das zu lüftende Geheimnis zu jenem Zeitpunkt eigentlich gar keines mehr ist, ist aber auch schon meiner einziger Kritikpunkt an diesem ansonsten rundum gelungenen Euro-Grusler. Andere spanische Filme haben sich da jedenfalls wesentlich schwerer mit einer stimmigen Pointe getan. Im Zweifelsfall aber lieber etwas unkonventioneller, dafür aber zu einem „runderen“ Ergebnis führend, als bemüht innovativ und sich letztlich verzettelnd. Viel wichtiger kann es da sein, in den Details Haltung zu wahren bzw. Akzente zu setzen und keinen Reigen abgekauter Ideen neu aufzuwärmen – was Balagueró hiermit gelungen ist. Klare Empfehlung für Freunde atmosphärischer Suspense-Gruselkost.