bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Moderator: jogiwan

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Navajo Joe (Kopfgeld: Ein Dollar)
Eine Bande von Halunken zieht durch die nach wie vor unbesiedelteren Regionen der Vereinigten Staaten und versucht, durch den Mord an Indianern und den Verkauf von deren Skalps Geld zu verdienen. Hinter ihnen her ist jedoch ein junger Indianer (Burt Reynolds), der einen nach dem anderen umbringt. Als die Verbrecher einen größeren Coup planen und durchführen, stiehlt Navajo Joe die Beute, einen Zug mit einer halben Million US-Dollar an Bord, und bringt ihn an den ursprünglichen Bestimmungsort. Dort bietet er den Stadtbewohnern seine Hilfe gegen die skrupellose Bande an.
„Das amerikanische Gesetz muss von Amerikanern geschützt werden!“ – „Mein Vater wurde hier geboren, der Vater meines Vaters, genauso der Vater vom Vater meines Vaters wurde hier geboren. Wo ist dein Vater geboren?“ – „In Schottland.“ – „Dann bist du kein Amerikaner!“

Sergio Corbuccis Italo-Western „Navajo Joe“, in Deutschland auch bekannt als „Kopfgeld: Ein Dollar“, erschien 1966 zwischen seinen großen Genreklassikern „Django“ und „Leichen pflastern seinen Weg“ und trägt unverkennbar deren Handschrift. Unterstützt von den später berüchtigten Italo-Regisseuren Ruggero Deodato („Cannibal Holocaust“) und Fernando Di Leo („Milano Kaliber 9“) und gesegnet mit einem fantastischen Morricone-Soundtrack, lässt man den seinerzeit noch unbekannten, aber athletischen und stunterfahrenen US-Darsteller Burt Reynold als indianischen Rächer Jagd auf eine skrupellose, ausgerechnet von einem Halbblut angeführte Kopfgeldjägerbande machen. Die Jäger werden also zu Gejagten, doch die feige Stadtbevölkerung, der die Bande 500.000 Dollar stehlen will, schaut bis auf wenige Ausnahmen tatenlos zu.

Corbuccis „Navajo Joe“ ist eine ruppige, wütende, hass- und gewalterfüllte Abrechnung mit dem US-amerikanischen Völkermord an den Ureinwohnern, mit erbärmlichem Rassismus und bigotter Feigheit. Der Film zählte zu den ersten seiner Gattung, die einen Indianer als „Helden“ einsetzten und dürfte daher eine handfeste Provokation gegenüber dem verklärenden, die Indianer als unzivilisierte und hundsgemeine Wilde darstellenden US-Western gewesen sein. Von der ersten Minute an ist die Marschrichtung klar; „Navajo Joe“ beginnt mit der hinterhältigen Ermordung und anschließender Skalpierung einer unschuldigen Indianerin. Subtilität ist Corbuccis Sache nicht, er kommt ungeschönt auf den Punkt und sucht (und findet) die direkte Konfrontation mit dem Zuschauer. Dabei bleibt natürlich die Sorgfalt und Brillanz, die sein Namensvetter Leone jeder einzelnen Einstellung zukommen ließ und dadurch epische Bilderwelten erschuf, etwas auf der Strecke, dafür ist aber das Tempo hoch, der Bodycount rekordverdächtig und das Finale herrlich tragisch und pathosgetränkt.

Der zu einem dunkleren Teint geschminkte Reynolds, durch den ironischerweise tatsächlich auch indianisches Blut fließt, macht bei all dem eine gute Figur, Aldo Sambrell gibt einen herrlich fiesen Bösewicht ab und Nicoletta Machiavelli verzaubert den Zuschauer als wunderschöne Estella. Wie auch der Schweigsame aus „Leichen pflastern seinen Weg“ bietet Navajo Joe seine Hilfe nicht uneigennützig; die wahren Beweggründe erfährt man erst spät, sie sind aber keinesfalls überraschend. Der große „Aha-Effekt“ bleibt also aus, der Stoff ist sozusagen einerseits revolutionär, andererseits aber in gewisser Hinsicht Rache-Western-typisch konventionell – was dem Unterhaltungswert aber keinen Abbruch tut. Das tun eher die hin und wieder doch arg unrealistischen Szenen, in denen Joe von einer Art Schutzfeld umgeben scheint, das ihn auch den größten Kugelhagel unbeschadet überstehen lässt. Zudem werden vermutlich manch tierliebem Zuschauer die Pferde leid tun, die ohne Rücksicht auf Verluste die schlimmsten Stürze über sich ergehen lassen mussten und es wenig verwunderlich wäre, wenn sie zu Dutzenden ihr Leben für diesen Film gelassen hätten. Sicherlich, das ist bestimmt in vielen Western so, hier ist es mir aber aus irgendeinem Grund ganz besonders aufgefallen.

Neben der zynischen Brutalität und Kaltblütigkeit der Hauptgrund, weshalb mir „Navajo Joe“ wie das Bindeglied zwischen „Django“ und „Leichen pflastern seinen Weg“ erscheint, ist (Achtung, Spoiler!) der Umstand, dass
► Text zeigen
Inwieweit man daraus eine „Corbucci-Trilogie“ herleiten kann, die von Film zu Film in ihren Aussagen hoffnungsloser wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Doch kamen mir bei meiner Sichtung sowohl „Django“ als auch „Leichen...“ häufig in den Sinn, welche letztlich insbesondere was das Erzeugen einer fies unter die Haut kriechenden, aussichtslosen Stimmung aber die Nase vorn haben.

Fazit: Ein (nicht nur filmhistorisch) wichtiges, aussagekräftiges Statement in dreckiger Italo-Western-Manier, keinesfalls perfekt, aber unbedingt sehenswert.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Dial: Help
Als das attraktive Fotomodell Jenny ihren Freund anrufen möchte, verwählt sie sich. Unglücklicherweise aktiviert sie mit dieser Nummer eine fremde Kraft - eine todbringende Energie, die ihr Leben fortan zur Hölle macht. Das Böse scheint in jedem Kabel oder Telefonapparat zu stecken. Einer nach dem anderen sterben ihre Freunde einen qualvollen Tod. Mit hilfe ihres Nachbarn versucht Jenny das Zentrum des Bösen zu finden. Die Spur führt sie in ein finsteres altes Haus.... Quelle: Covertext der e-m-s-DVD
„Diese Rebellion der Haushaltsgegenstände ist ziemlich fatal.“ (Farin Urlaub in „Dusche“)

Auch Kannibalenpapst Ruggero Deodato wilderte in allen möglichen Genres und Subgenres des italienischen Genrekinos und so versuchte er sich 1988 an einem Stück Mystery-Horror über verrücktspielende Telefone und andere strombetriebene Geräte, die sich offensichtlich als Objekt ihrer Begierde die attraktive Charlotte Lewis in ihrer Rolle als britischem, in Rom arbeitendem Model Jenny Cooper ausgesucht haben. Warum genau das so ist, kann sich der Zuschauer auch nach Filmende nicht abschließend und vor allem halbwegs logisch zusammenreimen – doch wenn es gelingt, diesen Umstand auszublenden, bekommt man es mit einem zwar hanebüchenen, aber gerade deshalb auch unterhaltsamen Film zu tun.

Bei mir jedenfalls wurden wohlige Erinnerungen an Dick Maas’ „Fahrstuhl des Grauens“ wach, der mit einem nicht ganz unähnlichen Mumpitz einen vergnüglichen Beitrag zum gemeinhin allein schon durch die Thematik trashigen Elektrotechnik-Horrorbereich erschuf. Doch Deodatos „Telefon of Death“ wirkt noch eine ganze Ecke surrealer, in gewisser Weise psychotronisch, und auch die menschlichen Protagonisten verhalten sich irgendwie seltsam unwirklich, was aber vermutlich sowohl dem schauspielerischen Unvermögen von Lewis & Co., als auch dem konfusen Drehbuch, das offensichtlich nur wenige nachvollziehbare menschliche Emotionen vorsah, geschuldet ist.

Und es sind gewiss nicht nur die Momente, wenn ein liebeskrankes Telefon sich in einen Fön verwandelt, ein Herzschrittmacher explodiert oder ein Magnetband zum Bondage-Instrument zweckentfremdet wird, die Spaß machen, es ist auch die gelungene Kameraarbeit, die stellenweise beeindruckende Aufnahmen der Stadt kredenzt, sich bei einer Art Vorgänger eines Mobiltelefons (wer den Film sieht, wird mein ärmliches Wortspiel verstehen) zu einem „POV-Shot“ hinreißen lässt oder unserer Scharlodde in einer arg selbstzweckhaften Szene bis in die Badewanne folgt, während diese sich in einer Art Rauschzustand und mit schwarzen Strapsen bekleidet lasziv in ihr räkelt und mit einem sicheren Gespür für tatsächliche Erotik die sich vorwitzig ihren Weg in die Freiheit bahnenden Nippel ihrer angenehm üppigen Oberweite einfängt. Fast schon Deodato-typisch stechen zudem geglückte atmosphärische und spannende Einzelszenen aus der ansonsten mitunter dahinzuplätschern Gefahr laufenden Handlung hervor, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers schlagartig zurückfordern. Für die passende Mitt- bis Spät-80er-Atmosphäre sorgt außerdem ein fragwürdiger Schmalz-Pop-Rock/Synthie-Soundtrack; eine Art Geschmacksverirrung, wie ich sie gerade in derartigen Filmen und vor allem mit dem sicheren Abstand mittlerweile diverser Dekaden genussvoll zur Kenntnis nehme.

Gelingt es, Zugang zu diesem von mir als, wie hoffentlich deutlich wurde, etwas obskur eingeschätzten Genrefilm zu finden und nicht aufgrund einer falschen Erwartungshaltung gelangweilt abzuwinken oder sich über die, euphemistisch ausgedrückt, Unkonventionalität kaputtzulachen, könnten Interpretationsversuche Kritik an einer oberflächlichen, übertechnisierten Welt, in der auf der Suche nach Zweisamkeit zu viele scheitern und fortan Seelenpein und Herzeleid erlegen sind, ausmachen. Oder aber einfach eine schwülstige, halbherzige Rechtfertigung für den Unfug, den Deodato und seine Co-Autoren hier auf uns losließen.

Vielleicht, weil ich Deodato generell eher mag, hatte ich persönlich in jedem Falle meinen Spaß an „Minaccia d'amore“ und wurde besser unterhalten als beispielsweise von Stephen Kings „Rhea M“-Gurke oder dergleichen. Merke:

„In der Welt, in der wir leben, ist alles möglich!"
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Hundstage
Sonny (Al Pacino) und Sal (John Cazale) wollen nachmittags eine Bank überfallen. Doch der Raub ist ein einziges Desaster: Erst bekommt ein weiterer Komplize Panik und haut ab, dann brauchen sie in der Bank zu lange, so dass die Polizei das Bankgebäude belagert ehe sie entkommen können. Da der Raub bloß eine Verzweiflungstat war, sind die beiden schnell überfordert. Der clevere Sonny versucht jedoch mit allen Mitteln, das ganze zu einem guten Ende zu bringen. Während er für Polizei den entschlossenen Kidnapper gibt, behandelt er die Geiseln freundlich. Es beginnt ein Nervenkrieg, bei dem sich Sonny die Medien zunutze macht, auch wenn auf diese Weise seine Identität preisgegeben wird und sein Privatleben zum Stadtgespräch wird.
US-Regisseur Sidney Lumets („Die 12 Geschworenen“, „Network“) Film „Hundstage“ aus dem Jahre 1975 beruht auf einer wahren Begebenheit, einem völlig schiefgegangenen Bankraub in Brooklyn, New York. Lumet und seinem Team ist es gelungen, einen weitestgehenden Realismus zu erschaffen, indem er in keinem Studio drehte, sondern ein leerstehendes Gebäude nutzte, um die Bank in ihm nachzubilden und dadurch auch eine echte Straße mitten in New York zur Verfügung hatte, die aus dem Gebäude heraus sichtbar ist und auf der sich entscheidende Handlungsmomente abspielen. Seine Darsteller konditionierte er darauf, sich so natürlich wie möglich zu geben und in bestimmten Situationen zu improvisieren. Seinem Hauptdarsteller, mit einem überragenden Al Pacino als Sonny ein echter Glücksgriff, verlangte er einiges ab, während die Kamera die daraus resultierenden echten Emotionen, auch erzeugt durch Pacinos Vermögen, sich tief in seine Rolle hineinzuversetzen, mit ihr eins zu werden, gekonnt einfing.

Es ist die Geschichte eines Verlierers, eigentlich ein sympathischer Typ und alles andere als ein Unmensch, der in seinem Leben, seinem Alltag, aber keine Perspektive mehr sieht und deshalb einen Bankraub plant, der zusammen mit zwei Komplizen in möglichst wenigen Minuten über die Bühne gehen soll. Doch frei nach Murphy’s Law läuft fast alles, was schief gehen kann, schief: Direkt zu Beginn bekommt der erste Komplize kalte Füße und springt ab, in der Bank befindet sich kaum Bargeld und viel zu schnell ist die Polizei, im Schlepptau etliche Schaulustige, vor Ort und riegelt Straße und Bank ab. Sonnys verbliebener Komplize Sal (John Cazale) ist ein beunruhigend ruhiges Wrack, von dem eine gefährliche Aura ausgeht. Eigentlich überfordert mit der Situation, nimmt Sonny sie trotzdem an und versucht, sowohl sich, als auch seine Geiseln unverletzt herauszuretten und tritt in Verhandlungen mit der Polizei, die später Unterstützung vom FBI bekommt.

Der Clou des Films ist, dass die Perspektive Sonnys eingenommen wird, der sorgfältig charakterisiert wird, der Bankräuber somit nicht nur ein Gesicht, sondern auch eine Geschichte erhält und mit all seinen Ängsten, seiner Verzweiflung, aber auch seiner Hoffnung, seiner Hartnäckigkeit und seiner Wut zur Identifikationsfigur für den Zuschauer wird. Ein interessanter, ambivalenter Charakter und eine Paraderolle für Pacino. Die Szenen mit dem Medienrummel und den vielen Sonny anfeuernden Schaulustigen vor der Tür haben mich als Kind der 1980er unweigerlich an das Gladbecker Geiseldrama erinnert und somit auch über die tatsächlichen Ereignisse in New York hinaus einen Bezug zur Realität bekommen. Zu beobachten, wie Sonny die Bank verlässt, unbewaffnet mit Polizei und „Publikum“ kommuniziert und sie unter lauten „Attica! Attica!“-Rufen bezugnehmend auf die 1971 stattgefundene Gefängnisrevolte anstachelt, bis die Polizei sichtlich überfordert scheint, appelliert an den kleinen Anarchisten in uns, der seine Freude an dieser „David gegen Goliath“-Situation, in der der Alltag für ein paar Stunden radikal unterbrochen wird, hat. Packend und mitreißend!

Doch irgendwann nimmt die Handlung einen unerwarteten, absurd wirkenden Verlauf, als sich herausstellt, dass Sonny homosexuell ist und das Geld aus dem Bankraub für die Geschlechtsumwandlung seines ebenfalls verzweifelten Partners eingeplant hat. Mit Sonnys Ehefrau, seiner Mutter und eben jenem Freund, überraschend klischeefrei, untuntig gespielt von Chris Sarandon, werden weitere Charaktere eingeführt, die dem Film eine gewisse romantisch-tragisch Note verleihen und gleichzeitig die Hölle skizzieren, die Sonnys bisheriges Leben ausgemacht hat. Was zunächst übertrieben und dick aufgetragen wirkt, hat sich aber anscheinend seinerzeit tatsächlich so zugetragen und ist überliefert. Die absurdesten Drehbücher schreibt nun mal das Leben. Für das Entstehungsjahr des Films zudem verdammt mutig. Respekt an alle Beteiligten.

Nicht überliefert hingegen sind einige Szenen, die in künstlerischer Freiheit eingefügt wurden, z.B. wenn Sonny sein Gewehr aus der Hand gibt, damit eine Geisel damit herumspielen kann. Das sollte vermutlich dem Zuschauer wenig subtil einen Eindruck vom entspannten, von gegenseitiger Sympathie geprägten Verhältnis zwischen Sonny und den Geiseln vermitteln, wirkt aber kitschig und unglaubwürdig. Auch schlichen sich selbst für einen Film aus den 1970ern in der zweiten Hälfte ein paar Längen ein; ausgedehnte, detaillierte Dialogszenen, die zumindest teilweise ursprünglich dem Schnitt zum Opfer fielen, laut Lumet zugunsten einer bessere Dynamik o.ä. aber wieder eingebaut wurden. Das ist nicht 100%ig rund geglückt, hier holpert die Dramaturgie etwas.

Doch dafür entschädigt das stimmige, irrsinnig spannende, tragische Finale, das wohl – wie der gesamte Film – niemanden unberührt lassen wird.

Zugunsten des Realismus wurde übrigens fast vollständig auf den Einsatz von Filmmusik verzichtet, die man auch zu keinem Zeitpunkt vermisst. Stattdessen erfreut man sich an den vielen kleinen Details, emotionsgeladene oder auch einfach humorvolle Augenblicke, nicht selten getragen von Pacinos einzigartigem Mienenspiel.

„Hundstage“ ist ein zeitloser Klassiker, der die unerträgliche Hitze New Yorks im Sommer spürbar macht, die vermutlich mitverantwortlich für die eruptive Explosion menschlichen Freiheitsdrangs ist, die letztlich ins genaue Gegenteil führte. Gleichzeitig lenkt er sein Auge auf die unscheinbaren Verlierer der Gesellschaft, zeigt ihre Beweggründe auf und macht sie nachvollziehbar, während das Verhalten der berichterstattenden Medien als verlogene Sensationsgier entlarvt wird. Und der schwulen Bewegung dürfte „Hundstage“ wohl ebenfalls kaum geschadet haben.

Tragisch: John Cazale (Sal) starb schon 1978 an Krebs, Elizabeth Debbie Eden, die Lebensgefährtin des echten Bankräubers nach aus dem Erlös durch den Verkauf der Rechte an dessen Geschichte finanzierter Geschlechtsumwandlung 1987 an den Folgen von Aids.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

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Jurassic Park
Ein reicher Unternehmer errichtet auf einer einsamen Insel heimlich einen Erlebnispark, der für seine Gäste außergewöhnliche Attraktionen bereithält. Es ist gelungen, aus einer urzeitlichen DNA leibhaftige Dinosaurier ins Leben zu rufen. Bevor der Park für das Publikum geöffnet wird, lädt er einen führenden Paläontologen, dessen Freundin, eine Paläobotanikerin, einen berühmten Chaosforscher und seine beiden Enkelkinder ein, um die besorgten Investoren zu beruhigen. Aber der Besuch seiner ersten Gäste verläuft alles andere als nach Plan. Die urzeitlichen Monster brechen aus, entziehen sich jeder Kontrolle und starten eine mörderische Jagd auf ihre Schöpfer...
US-Regisseur Steven Spielbergs nach einer Literaturvorlage von Michael Crichton entstandener „Jurassic Park“ löste 1993 insbesondere durch seine damals als bahnbrechend empfundenen Spezialeffekte animierter Urzeitriesen einen wahren Dino-Boom aus und begeisterte eine ganze Generation. Doch was ist von der damaligen Faszination übrig, wenn man den Film heutzutage hervorkramt? Nicht viel.

Klar, die Spezialeffekte sind nicht von schlechten Eltern und wissen noch immer durchaus zu unterhalten, wenn die verwendete Technik auch seinerzeit einen Hype losgetreten hat und seitdem in zahlreichen Nachahmern Verwendung fand. Doch strenggenommen ist das auch das einzige, was an „Jurassic Park“ so wirklich gelungen ist. Inhaltlich hat man nämlich leider nicht allzu viel zu bieten. Michael Crichton sorgte nicht nur für die Romanvorlage, sondern schrieb auch zusammen mit David Koepp das Drehbuch, das in seinem Härtegrad zugunsten der Familienfreundlichkeit anscheinend arg abgeschwächt wurde. Ohne den Roman zu kennen, empfinde ich die Handlung als reichlich dämlich und nur allzu vorhersehbar auf eine heuchlerische Öko-Message getrimmt. Die überzeichneten Charaktere fielen trotz hochkarätiger Besetzung (Sam Neill, Jeff Goldblum, Samuel L. Jackson) eindimensional, unemotional und unglaubwürdig aus, die krampfhaft in die Handlung integrierten Kinder, von denen eines natürlich ein Computer-Hacker ist (ja nee, is klar) nerven ebenso wie die unvermeidliche Romanze und da ab einem gewissen Punkt ohnehin klar, dass es nur die „Bösen“ trifft, während die „Guten“ überleben, bleibt die Spannung auf der Strecke.

Oder kurz zusammengefasst: Typische Ami-Big-Budget-Familienunterhaltung nach Fast-Food-Manier, bisweilen hübsch anzusehen, aber ohne viel Nährwert. Spielberg-Kitsch, wie er mir zum Halse heraushängt. Nein, danke.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von jogiwan »

Sind da nicht auch wieder Satansbälger am Werk, die schlussendlich die Welt retten?
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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jogiwan hat geschrieben:Sind da nicht auch wieder Satansbälger am Werk, die schlussendlich die Welt retten?
Ja... :palm:
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Trick or Treat (Ragman)
Sammi Curr, ein toter Heavy-Metal-Musiker, der sein Leben der schwarzen Magie verschrieben hatte, kann mittels des Rückwärts-Abspielens seiner letzten, bislang unveröffentlichen Schallplatte, wieder zum Leben erweckt werden. Als sein junger Fan Eddie dahinterkommt, holt er den musikalischen Zombie in sein Zimmer, und dann beginnt der Horror: Energiequellen, Stereoanlagen sowie Fernsehgeräte und Radios werden durch den Toten zu tödlichen Fallen.
US-Schauspieler und –Regisseur Charles Martin Smith’ Regiedebüt aus dem Jahre 1986 ist ein kurzweiliger, selbstironischer „Metal-Horror-Film“, der allerlei Heavy-Metal-Klischees aufs Korn nimmt, ohne dabei zu einer überkandidelten, albernen Komödie zu werden.

Ragman, ein jugendlicher Metal-Fan, ist ein Außenseiter an seiner Schule und wird permanent von den Football-Cracks verarscht und gedemütigt. Trost findet er in der Musik, wenn er sich in sein über und über mit Fan-Devotionalien gespicktes Zimmer zurückzieht und seine Anlage aufdreht. Besonders angetan haben es ihm die Klänge seines Idols Sammi Curr, einem misanthropischen Metal-Frontmann, der quasi alle von hysterischen Sittenwächtern seinerzeit so geächteten und in die Musik hineininterpretierten Klischees in sich vereint. Nach seinem Unfalltod hinterlässt er lediglich eine Art Testpressung seiner letzten Platte, die Radiomoderator und DJ Nuke, überraschend souverän gespielt von KISS-Frontmann und Gelegenheitsschauspieler Gene Simmons (obwohl, KISS sind ja eigentlich auch eine Theatertruppe), dem verzweifelten Ragman zuspielt. Dieser vernimmt rückwärts gesprochene Botschaften auf der Platte, die ihn dazu auffordern, sich mit Currs Hilfe aus dem Jenseits gegen seine Peiniger durchzusetzen. Was zunächst noch recht gut funktioniert, entwickelt aber bald eine besorgniserregende Eigendynamik, denn Curr hat es anscheinend darauf abgesehen, die gesamte Jugend der Kleinstadt während eines Halloween-Balls auszulöschen…

Die Chose mit den versteckten Botschaften auf Schallplatten war in den 1980ern einer der Höhepunkte der klerikalen und medialen Hexenjagd auf Heavy Metal und wird hier ebenso treffsicher parodiert wie die allgemeine bürgerliche Angst vor dieser Musik mit ihren anzüglichen Texten und all der gefürchteten Jugendgefährdung. So bekommen wir in einer Nebenrolle ausgerechnet Ozzy Osbourne als spießigen TV-Prediger (!) zu sehen, der in einer Talkshow einen Songtext zitiert und gegen die Musik wettert, während Ragmans Kumpel abgebrüht kommentiert, das Gerücht mit den rückwärts gesprochenen Botschaften hätte die Musikindustrie in die Welt gesetzt, damit die Kids beim Versuch, die Platten rückwärts abzuspielen, selbige zerkratzen und sie erneut kaufen müssen.

Der Film beweist also viel Humor und greift, wie es sich für einen Horrorfilm der 80er gehört, natürlich auch kräftig in die Trickkiste. Die teils gelungenen, teils aber auch eher trashigen Effekte (Mann im Gummikostüm?) beschränken sich allerdings auf nett anzusehende Harmlosigkeiten wie z.B. verrücktspielende Elektronik, Curris Maske oder die aus seiner Gitarre schießenden und sich perfekt in die 80er-Metal-Ästhetik einfügenden blauen Energiestrahlen, mit denen er auf sein Publikum zielt. Blut oder Gore sollte man nicht erwarten, damit hält sich „Ragman“ zurück. Marc Price gibt einen guten, durchaus glaubwürdigen Hauptdarsteller ab und auch ansonsten ist darstellerisch alles im grünen Bereich. Schnitt und Dramaturgie lassen keine Langeweile aufkommen, lediglich der Soundtrack der Band „Fastway“ trifft nicht meinen Geschmack und klingt mir zu sehr nach mainstreamlastigem Poserrock.

Fazit: Charmante und kultverdächtige Satire sowohl auf den Metal der 80er als auch auf dessen Gegner im Teenage-Horror-Gewand, der die richtige Balance zwischen Humor und Horrorgenrekost findet und manch Metal-Fan ins Gedächtnis rufen dürfte, was genau an den 80ern eigentlich so geil war. Spätere ähnlich angelegte Filme wie z.B. „Freakshow“ („Black Roses“) erreichen diese Qualität nicht mehr, bieten sich aber auf jeden Fall für ein Double-Feature mit Kumpels und ein paar Kannen Bier an.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft
Gegründet von ihren Mitgliedern noch im Teenageralter, ist die Metalband "Anvil" auch heute noch existent, obwohl die Musiker inzwischen jenseits der fünfzig sind und von der Urbesetzung nur noch Gitarrist Steve Kudlow und Drummer Robb Reiner übrig sind. Einstmals die "Halbgötter des kanadischen Speedmetal", hat es zum großen Durchbruch nie gereicht, während zahlreiche bekannte Bands "Anvil" als bedeutsamen Einfluß auf ihre eigene Karriere benennen. Regisseur Sacha Gervasi begleitet über einen Zeitraum von drei Jahren die Band bei ihrem (vielleicht) letzten Versuch, doch noch groß rauszukommen, einen Vertrag für das 13.Bandalbum zu bekommen und durch eine destaströse Europatour. Er fängt aber auch ein paar ganz besondere Menschen ein, die auf Gedeih und Verderb zusammengewachsen sind…
Versucht man sich hier mit einer real existierenden Band an einer Fortsetzung von „This is Spinal Tap“? Zunächst hat es fast den Anschein, wenn Regler auf 11 gedreht werden, die Band Stonehenge besucht und Drummer Robb Reiner (der Mann heißt auch noch fast genauso wie der „Spinal Tap“-Regisseur) sein größenwahnsinniges Gemälde eines überdimensionalen Amboss’, dem Markenzeichen der Band, im Stil ägyptischer Monumentalbauten zeigt. Doch schon bald wird deutlich, dass diese Elemente nur als augenzwinkernde Insider-Gags in Sacha Gervasis erfrischenden Dokumentarfilm aus dem Jahre 2008 vorkommen. Denn „Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft“ ist genau das: Eine Geschichte über eine lang anhaltende Männerfreundschaft, über das Festhalten an Träumen und Visionen und ehrliche Begeisterung und Aufopferung für die Musik.

Die kanadische Heavy-Metal-Band Anvil wurde zu Beginn der achtziger Jahre durchaus vielbeachtet: In ihr vereinten sich ein skandalträchtiges, provokantes Image und technisches wie songwriterisches Geschick; ihre Musik, eine Mischung aus frühem amerikanischen Power Metal und damals visionärem Speed Metal, inspirierte zahlreiche Künstler und übte Einfluss auf die Entwicklung des Thrash Metal aus, der bis dato schnellsten und härtesten Spielart des Metals. Mit ihren Alben „Metal on Metal“ und „Forged in Fire“ schufen sie Referenzwerke, die bis heute Bestand haben und allgemein respektiert werden. Doch dann wurde es ruhiger um die Band, die zwar grundsätzlich in der Fachpresse noch stattfand, aber vielerorts in Vergessenheit geriet, während diejenigen, mit denen sie damals die Bühne teilten oder die sie inspiriert hatten, große kommerzielle Erfolge feierten – und das, obwohl Anvil weiterhin in schöner Regelmäßigkeit Platten veröffentlichten. Eventuell wurden sie von der Musikindustrie fallengelassen, weil sie musikalisch zu sehr zwischen den kommerziell interessanteren Polen Thrash und Poserrock saßen und dadurch schwierig zu vermarkten wurden. So genau kann man die Gründe aber gar nicht benennen. Sacha Gervasi, ein Freund der Band aus jugendlicheren, wilderen und erfolgreicheren Tagen und eigentlich als Drehbuchautor tätig (u.a. Spielbergs „The Terminal“) begleitete die Band während der Entstehung ihres 13. (!) Studioalbums „This is Thirteen“ (wie jedes Album mit einer Alliteration betitelt), einer Europa-Tournee, bei der Labelsuche – und im wenig aufregenden Working-Class- und Familien-Alltag, denn von ihrer Musik leben kann keines der Bandmitglieder.

Dabei verschafft Gervasi dem Zuschauer intime Einblicke in das Leben von Gitarrist, Sänger, Songautor und Frontmann Lips sowie seinem Busenkumpel Robb, die öden, harten Jobs nachgehen, um sich und ihre Familien zu ernähren, aber auch im Alter von 50+ noch immer ihren Traum leben, Musik machen, Konzerte geben und insgeheim davon träumen, doch noch einmal den Durchbruch zu schaffen. Doch mehrmals wird betont, dass in erster Linie der Spaß an der Musik zählt, die gute Zeit auf der Bühne. Diese grundsympathische, authentische Attitüde ist vermutlich der Hauptgrund dafür, dass sich Anvil über die Jahrzehnte treu geblieben sind und sich nicht haben verbiegen lassen, was wiederum möglicherweise aber auch dazu beigetragen hat, dass sie in der Musikindustrie kein Bein mehr an die Erde bekommen haben. So gab es kaum noch Promotion, die Platten mussten teilweise in Eigenregie veröffentlicht werden und für ein professionelles Management, das einer Band mit dem Status von Anvil gerecht werden würde, war natürlich keine Kohle da. Unverblümt sagen die Familienmitglieder ihre Meinung zum Treiben der beiden in die Kamera. Durch dieses Underdog-Image schließt man die Jungs sofort ins Herz und freut sich mit ihnen über gelungene Festival-Gigs, leidet mit ihnen während einer vermasselten Europa-Tour in miesen Abzock-Spelunken, verflucht mit ihnen das heuchlerische Musik-Business und drückt die Daumen, dass doch noch alles gut wird. All diese widrigen Umstände führen dazu, dass man sich während der mit geliehenem Geld finanzierten Studioaufnahmen zum neuen Album fast selbst zerfleischt, sich gegenseitig aus der Band feuert, nur um sich im nächsten Moment die Freundschaft beschwörend wieder zu versöhnen. Diese Momente gehen wirklich unter die Haut. Leider mussten einige andere, wenige Szenen nachgedreht werden, da die Kamera im entscheidenden Moment nicht an Ort und Stelle war. Das fällt jedoch nicht weiter auf und weiß ich z.B. nur, weil ich es gelesen habe. Generell wirken Lips, Robb und auch Bassist „G5“ völlig locker und ungekünstelt vor der Kamera; man bekommt nie den Eindruck, als würden sie den Zuschauern etwas vorspielen.

In kurzen Interview-Sequenzen beteuern alte Szene-Veteranen wie Lars Ulrich (Metallica), Lemmy Kilmister (Motörhead) und Slash, wie wichtig Anvil seinerzeit für den Metal-Zirkus waren, doch schon im nächsten Moment sieht man Lips mit einer Haube auf dem Kopf Catering-Rationen durch Lagerhallen schleppen, statt im Stadion zu rocken oder am Strand zu liegen und Cocktails zu schlürfen. Dieser Kontrast wird unterstützt von einigen alten Videoaufnahmen der Band aus besseren Tagen. Doch „Anvil! Die Geschichte einer Freundschaft“ ist keinesfalls eines frustrierender Film, im Gegenteil: Lips’ kindliche Begeisterungsfähigkeit, seine ehrliche Freude über ein Konzertangebot, einen gelungenen Gig u.ä. und die Hingabe der gesamten Band zu ihrem Schaffen, der Zusammenhalt, der (auch wenn es zwischendurch zeitweise anders scheint) unerschütterliche Glaube an das, was sie tun, wirkt nicht dumm oder naiv, sondern ist ansteckend und inspirierend und macht deutlich, dass dadurch, dass sie sich genau das bewahrt haben, eigentlich Gewinner sind – Gewinner gegenüber all den emotionalen Krüppeln, die ihre Träume längst ausgeträumt, ihre Ziele aus den Augen verloren und sich mit ihrem kümmerlichen Dasein abgefunden haben. Ich glaube, damit hätten wir auch die Hauptaussage des Films gefunden, die ihn auch für ein nicht Metal-affines Publikum hochinteressant macht. Und viel zu lachen gibt es bei soviel Pleiten, Pech und Pannen natürlich auch. Das größte Manko ist eigentlich die meines Erachtens etwas zu kurze Spieldauer des Films.

Auch für Anvil scheint sich der Musikerseelenstriptease gelohnt zu haben, denn mit Veröffentlichung des Films nahm das Interesse an der Band schlagartig zu, man bekam wieder bessere Angebote und ich persönlich konnte mir auf dem „Wacken Open Air“ 2010 ein Bild von der wahnsinnigen Spielfreude der Kanadier machen und habe momentan großen Spaß daran, mich durch die Anvil-Diskographie zu hören und vergessene, untergegangene Perlen zu entdecken. Das Album „This is Thirteen“ ist übrigens tatsächlich ein echter Knaller geworden: Durch die Zusammenarbeit mit Starproduzent Chris Tsangarides ist eine dreckige, wuchtige Street-Metal-Platte entstanden, textlich gegenüber den alten Glanztaten gereift, wütend, trocken und heiser eingesungen von Lips, der gleichzeitig explosive Riffs und wahnwitzige Soli aus seiner Gitarre zaubert, und unterlegt von Robb Reiners berüchtigtem Power-Drumming. Angry old men eben. Gratulation!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Tucker & Dale vs. Evil
Eine Gruppe von Studenten fährt an einen kleinen See in einem abgelegenen Waldstück, um dort zu campen. Doch schon als sie zu der letzten Tankstelle kommen, bevor sie nur noch Wildnis erwartet, erleben sie einen ersten Schock, als ein ungepflegter Hinterwäldler sich den jungen Leuten nähert, der dabei eine Sense in der Hand hält. So schnell wie möglich fahren sie davon. Sie ahnen nicht, dass es sich bei dem dicken Vollbartträger um Dale (Tyler Labine) handelt, dem besten Freund von Tucker (Alan Tudyk), mit dem er gemeinsam zu einer Wochendhütte unterwegs ist. Er wollte, animiert von seinem Freund, die hübsche Allison (Katrina Bowden) ansprechen, um endlich seine Schüchternheit zu überwinden. Entsprechend frustriert fährt er deshalb weiter mit seinem Freund, ohne zu ahnen, dass sie schon bald wieder auf die Studentengruppe treffen werden...
„Tucker & Dale vs. Evil“, dem Regiedebüt des Kanadiers Eli Craig, liegt die ebenso simple wie geniale Idee zugrunde, das Subgenre des Backwood-Slashers zu parodieren, indem er die typischen Rollen – Hinterwäldler auf der einen, aufmüpfige Teenager auf der anderen Seite – einfach vertauscht und dadurch eine Feuerwerk an Genrezitaten, Slapstick, Situationskomik und Absurditäten entzündet.

Dale ist ein leicht zurückgebliebener, grobschlächtiger, tapsiger Kerl mit Vollbart und Holzfällerhemd, der mit seinem Kumpel Tucker, ebenfalls überzeugter antimodischer Flanellhemdträger, einen Wochenendausflug zu ihrer heruntergekommenen Waldhütte unternimmt, um diese auf Vordermann zu bringen, zu angeln und ein Dosenbier nach dem anderen zu zischen. Soweit, so harmlos. Die beiden treffen jedoch auf eine Gruppe Klischee-Teenies, die eindeutig zu viele Backwood-Slasher gesehen haben, sämtliches Verhalten der beiden Camper missinterpretieren und sich von ihnen bedroht wähnen. Es kommt, wie es kommen muss, ein Missverständnis jagt das nächste und als ihre Freundin Allison „in die Fänge“ von Tucker und Dale gerät, blasen sie zum „Gegenangriff“, dezimieren sich dabei aber in erster Linie selbst.

Wer sich halbwegs mit dem parodierten Genre auskennt, wird viele Anspielungen auf dessen Klassiker entdecken, was ein Indiz dafür ist, dass die Filmemacher sich sorgfältig mit der Thematik auseinandergesetzt haben, ja vermutlich selbst Fans sind. Das wird auch anhand des visuellen Härtegrads deutlich, denn obwohl es sich eindeutig um eine Horrorkomödie handelt, wird in bester Backwood-Manier aufgespießt, zerstückelt und entflammt, dass der Genrefreund juchzt und die Familienfreundlichkeit komplett auf der Strecke bleibt. Doch sein Hauptaugenmerk legt der Film klar auf die rabenschwarze Komik, auf das Spiel mit den Genreklischees, das in einer Ehrenrettung für simple Landei-Gemüter mündet.

Die Teenies, eine Gruppe von College-Studenten, hingegen verzapfen viel Dünnpfiff, stacksen in Stöckelschuhen durchs Unterholz und haben die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ihr Anführer geht dabei auffallend manisch zur Sache. Wer ist hier eigentlich der Psychokiller…? Lediglich die ebenso smarte wie hübsche Allison scheint da etwas anders gestrickt zu sein, doch ausgerechnet sie befindet sich bei Dale, mit dem sie sich anfreundet und feststellt, dass hinter der rauen Schale ein liebenswerter Charakter steckt, was dem Film zu einer durchaus ernst gemeinten Aussage gegen Oberflächlichkeiten und Vorurteile verhilft. Doch keine Sorge, zu keinem Zeitpunkt ist „Tucker & Dale vs. Evil“ moralinsauer oder mit einem erhobenen Zeigefinger versehen worden – im Gegenteil, der wird hier im wahrsten Sinne kurzerhand amputiert. Diese Konstellation dient als Grundlage für zahlreiche weitere Gags, beispielsweise als Allison versucht, der Situation mit Pädagogik beizukommen, die Kontrahenten bei einer Tasse Tee am Tisch versammelt und sich als Mittlerin zur Verfügung stellt. Wann hat man so etwas schon einmal im Backwood-Horror gesehen?

Alan Tudyk und Tyler Labine gehen prächtig in ihren Rollen als Tucker und Dale auf und werden schnell zu absoluten Sympathieträgern, der Rest der Darsteller wurde bewusst klischeebehaftet gecastet bzw. zurechtgemacht. Gegen Ende erfährt die Handlung noch eine zugegebenermaßen wenig überraschende Wendung und begibt sich damit fast schon auf konventionelles Genre-Terrain, wobei hier die Parodie in der Überzeichnung des pathologischen Psychos besteht, der mit seinem klasse Make-up Assoziationen an Two-Face, jenen schizophrenen Batman-Schurken, weckt. Auch der kitschige Happy-End-Epilog kommt nicht ohne satirische Seitenhiebe aus, prima.

Fazit: Ich habe lange nicht mehr im Kino so gelacht! Kurzweiliges und schwer unterhaltsames Pflichtprogramm für alle Genrefreunde, aber auch für diejenigen, die irgendwann nur noch genervt von der x-ten „Deliverance“- oder „Texas Chainsaw Massacre“-Kopie waren. Spielt meines Erachtens in der gleichen Liga wie „Shaun of the Dead“. Ansehen!
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Beitrag von buxtebrawler »

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My Soul To Take
Die düstere Legende sagt, dass ein knallharter Serienmörder in dem Städtchen Riverton geschworen hat, eines Tages von den Toten aufzuerstehen, um die sieben Kinder zu ermorden, die am Tag seines Todes geboren wurden. 16 Jahre später scheint er seine grausige Prophezeiung wahrzumachen. Nur eines der Kinder kann der Wahrheit auf die Spur kommen, aber gibt es überhaupt noch Hoffnung?!?
US-Regisseur Wes Cravens („A Nightmare On Elm Street“, „Scream“) jüngster Streich „My Soul To Take“, für den er auch das Drehbuch lieferte, entpuppt sich als müder Teenie-Slasher mit übersinnlichen Motiven, der fleißig im Genre wildert, aber nur wenige überzeugende eigene Ideen aufzuweisen hat.

Ein Familienvater leidet unter einer multiplen Persönlichkeit, von der einer der „Riverton Ripper“, ein Serienkiller, ist. Als er dies eines Abends selbst erkennt, bringt er seine Frau um und es kommt zu einem Scharmützel mit der Polizei. Halbtot wird er im Krankenwagen abtransportiert, doch durch einen Unfall kann er anscheinend doch noch entkommen… und wurde seither nicht mehr gesehen. 16 Jahre später feiern die sieben an jenem Tag geborenen Jugendlichen den „Riverton Ripper Day“ (oder so), an dem sie sich anscheinend jedes Jahr aufs Neue gegenseitig erzählen, dass jeder von ihnen für einen Teil der multiplen Persönlichkeit des Killers steht. Die Polizei bricht die illegale Veranstaltung ab und noch in der gleichen Nacht beginnt eine rätselhafte Mordserie unter den Jugendlichen, hinter denen der Riverton Ripper her zu sein scheint.

Soweit zur Geschichte. Mit seinem rasanten Prolog beginnt der Film recht vielversprechend, verliert sich dann aber schnell in einer idiotischen, konfusen Handlung, unspektakulären Morden von einem „Scream“-Behavealike, klaffenden Logiklöchern, billiger Effekthascherei und sinnlosen, nicht weiter verfolgten Nebenhandlungssträngen, die das Geschehen zwar zunächst auflockern – wenn auch auf Teenie-Soap-Niveau – aber durch ihr Verlaufen im Sande verärgern. In erster Linie schreibe ich das einem ideenlosen, schluderigen Drehbuch zu, doch halte ich es auch für keine gute Idee, ein ausdrucksschwaches Milchgesicht (Max Thieriot) als Hauptdarsteller ersonnen zu haben, schon gar nicht, wenn auch ansonsten diese atmosphärischen Nullnummer inszenatorisch nicht viel zu bieten hat, was den Zuschauer vielleicht aufmerken lassen würde.

Ok, ein bisschen was gibt es da schon: Neben dem bereits erwähnten Prolog zum einen Hauptcharakter Bugs Referat über Kondor-Vögel, das in einer unfreiwilligen Ekeldusche für den Klassenraufbold endet und schwer unterhaltsam ausfiel, zum anderen der Eindruck, dass Bugs Kumpel Alex (John Magaro) irgendwie wie der junge David Hess („Last House On The Left“ – huch, auch ein Craven!) aussieht und man Emily Meade als Lea mit Rufname „Fang“ unheimlich sexy hergerichtet hat. Was nackte Tatsachen betrifft, bleibt „My Soul To Take“ aber ebenso sauber wie in eigentlich auch allen anderen Belangen, was nun wirklich das Letzte ist, was man als Genrefreund von einem Teenie-Schlitzer erwartet. Seine nicht gänzlich von der Hand zu weisende Spannung erzeugt der Film durch ein plumpes „Whodunit?“, das schließlich recht dümmlich und enttäuschend aufgelöst wird.

Meine Güte, ist das alles durchschnittlich und bieder geraten. Mehr als fünf Punkte sind da wirklich nicht drin und ich lobe mir da meine 80er-Slasher, die nun wirklich allesamt mehr Stil hatten als dieser Mumpitz. Oder schlicht Cravens frühere Werke...
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