Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Moderator: jogiwan

Benutzeravatar
Reinifilm
Beiträge: 6241
Registriert: Mo 8. Feb 2010, 10:57
Wohnort: Bembeltown
Kontaktdaten:

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Reinifilm »

Bei dem waren eigentlich nur drei Sachen gut: Nürnberg, die Kamera und der Soundtrack...
_______________________________________________________
http://www.reinifilm.blogspot.com / https://bfilmbasterds.de/
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40644
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Kielwasser

Ein gutes Näschen

„Edler Charakter, bisschen frech… fruchtiges Schwänzchen!“

Der siebte, am 25. März 1984 erstausgestrahlte „Tatort“ des Duisburger Ermittlungsduos Horst Schimanski (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik) war eine weitere Zusammenarbeit des klassischen Teams: Das Drehbuch stammte von Hänschen-Darsteller Chiem van Houweninge, Regie führte Schimanski-Miterfinder Hajo Gies.

„Die einen gebrauchen ihren Verstand, die anderen ihre Fäuste.“ – „Jemand, der seinen Verstand gebraucht, der sagt so was nicht zu einem, der seine Fäuste gebraucht!“

Der Allgemeinmediziner Dr. Waldorf (Felix von Manteuffel, „Tatort: Maria im Elend“) platzt auf dem Polizeirevier mitten in Schimanskis und Thanner Vernehmungen mutmaßlicher Mitglieder des Drogenkonsumentenmilieus und beschuldigt den Industriellen Harry Baumgarten (Hermann Treusch, „Tatort: Flieder für Jaczek“), wissentlich den Tod eines Mitarbeiters in Kauf genommen zu haben, indem er ihn illegal hochgiftige Abwässer aus seinem Chemiewerk im Rhein verklappen lassen habe. Schimanski und Thanner fühlen sich nicht zuständig und nehmen den Arzt auch nicht sonderlich ernst, doch am nächsten ist ein waschechter Mordfall daraus geworden: Dr. Waldorf wird tot aufgefunden, angeblich Selbstmord – doch die Obduktion ergibt, dass man ihm offenbar das Genick gebrochen hatte und mittels postmortalen Schusswaffengebrauchs einen Suizid vortäuschen wollte. Als Schimanski Dr. Waldorfs Arztpraxis untersucht, lernt er dessen Sprechstundenhilfe Jacky Ruhl (Franziska Oehme, „Immer Ärger mit den Paukern“) kennen. U.a. findet der Ermittler einen Schlüssel zu einem Banktresor, den Frau Ruhl am liebsten nicht ausgehändigt hätte. Im Tresor stößt Schimanski auf ein Dossier über denjenigen, dessen Krebstod Dr. Waldorf im Polizeirevier beklagt und Baumgarten dafür verantwortlich gemacht hatte. Tatsächlich ertappt Schimanski einen Binnenschiffer (Franz Boehm, „Nach Mitternacht“) auf frischer Tat beim Verklappen von Giftmüll. Er gibt zu, in Baumgartens Auftrag zu handeln, doch mit den Vorwürfen konfrontiert gibt sich dieser aalglatt und weist jegliche Schuld von sich…

„Sie sind wahnsinnig, Schimanski!“

Die Eröffnung führt zunächst auf eine falsche Fährte den eigentlichen Inhalt dieses „Tatorts“ betreffend: Schimanski, Thanner & Co. führen eine Razzia in einem besetzten Haus wegen eines drogentoten Transvestiten durch. Ein früher Höhepunkt ist die Verwechslung Thanners eines Tortenboten der lokalen Konditorei mit einem Tatverdächtigen aus der Rauschgiftszene, den er entsprechend behandelt. Die Torte wiederum gilt Königsberg (Ulrich Matschoss), der 58 wird. All dies verliert jedoch schnell an Bedeutung, als Dr. Waldorf tot aufgefunden wird. Von nun an legt dieser „Tatort“ seinen Finger in die Wunde der illegalen Abwasserentsorgung durch die Chemieindustrie, die seinerzeit auch in der Realität den Rhein verseuchte und zur reinsten Chemie-Kloake machten. Ein damals brandaktuelles und brisantes Thema von gesellschaftlicher Relevanz also, das van Houweninge und Gies hier aufgegriffen haben.

So wird die Macht der Industrie mit ihren Kontakten zur Politik und ihrem Totschlagargument der Arbeitsplatzsicherung ebenso thematisiert wie der aus Bequemlichkeit gestiegene Chemiebedarf der Bevölkerung, die größtenteils von den dadurch entstehenden und zu entsorgenden Giftstoffen am liebsten nichts wissen will. Luftaufnahmen zeigen die Chemieanlagen, die das Stadtbild entschieden mitprägen. Famos wird all dies mit einem gut erzählten Fall verknüpft, der sich als vertrackter als zunächst angenommen herausstellt. Baumgarten ist ein herrliches „blasiertes Arschloch“ (Zitat Schimanski) und somit ein perfekter Antipol zu Schimmi. Dieser schmeißt sich zum Essengehen mit Fräulein Ruhl voll in Schale, springt ansonsten aber spektakulär aus einem Hubschrauber auf ein Schiff und haut Thanner beim Boxtraining eine rein. Um den Fall zu lösen, helfen diesmal jedoch weder Actioneinlagen noch Faustkampf – Schimmi muss im wahrsten Sinne des Wortes ein gutes Näschen beweisen. Eine überraschende Wendung gegen Ende gibt diesem „Tatort“ seinen letzten Kniff, während der Soundtrack u.a. der Synthie-Pop-Gruppe Panarama inklusive gelegentlicher Saxophon-Einlagen auch musikalisch perfekt ins Entstehungsjahr entführt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
Canisius
Beiträge: 1373
Registriert: Mo 27. Dez 2010, 18:44

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Canisius »

Kennt hier jemand den 85er Tatort "Acht, neun -aus" von Jürgen Roland mit dem Ermittlergespann Klaus Löwitsch und Pierre Franckh? :)

https://www.ofdb.de/film/18000,Tatort-Acht-neun-aus
https://www.imdb.com/title/tt0090131/?r ... lmg_act_20
„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40644
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Canisius hat geschrieben:Kennt hier jemand den 85er Tatort "Acht, neun -aus" von Jürgen Roland mit dem Ermittlergespann Klaus Löwitsch und Pierre Franckh? :)

https://www.ofdb.de/film/18000,Tatort-Acht-neun-aus
https://www.imdb.com/title/tt0090131/?r ... lmg_act_20
Ich nicht, nein. Wieso?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
Arkadin
Beiträge: 11225
Registriert: Do 15. Apr 2010, 21:31
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Arkadin »

Ich bin gerade überrascht, dass Jürgen Roland nach "So ein Tag" noch einen Tatort mit Löwitsch gedreht hat. Damit dürfte Löwitsch auch der einzige Schauspieler sein, der zwei unterschiedliche Ermittlerrolle beim Tatort hatte. Und der Einzige, der gleich zweimal nicht über einen einmaligen Einsatz hinaus kam. Da Jürgen Roland nur bei diesen zwei Tatorte auch als Autor tätig war (wenn man der IMDb glaubt), wäre es spannend zu wissen, ob das sein Konzept war, jedes Mal Löwitsch in in einer Rolle einzusetzen. Davon ab... Pierre Franckh als Kommissar beim Tatort ist natürlich auch hübsch kurios. Das Doppelpack mit Löwitsch würde ich auch gerne sehen.
Früher war mehr Lametta
***************************************************************************************
Filmforum Bremen
Weird Xperience
Benutzeravatar
Canisius
Beiträge: 1373
Registriert: Mo 27. Dez 2010, 18:44

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Canisius »

buxtebrawler hat geschrieben:
Canisius hat geschrieben:Kennt hier jemand den 85er Tatort "Acht, neun -aus" von Jürgen Roland mit dem Ermittlergespann Klaus Löwitsch und Pierre Franckh? :)

https://www.ofdb.de/film/18000,Tatort-Acht-neun-aus
https://www.imdb.com/title/tt0090131/?r ... lmg_act_20
Ich nicht, nein. Wieso?
Im Prinzip hat Arkadin meine Gedanken schon geklaut und ausformuliert. :mrgreen: Fülle meine Pause vom Derrickgucken ja kreativerweise mit „Der Alte“ und hatte erst vor kurzem P. Franckh in Folge 23 „Der Abgrund“ und K. Löwitsch in Folge 29 „Nach Kanada“ erleben dürfen. Meine darauf folgende IMDb Recherche hatte u.a. auch diesen Tatort ausgespuckt. Kenne nämlich ebenfalls nur „So ein Tag...“ mit Löwitsch (Franckh spielt da auch 'ne Nebenrolle).
Arkadin hat geschrieben:Ich bin gerade überrascht, dass Jürgen Roland nach "So ein Tag" noch einen Tatort mit Löwitsch gedreht hat. Damit dürfte Löwitsch auch der einzige Schauspieler sein, der zwei unterschiedliche Ermittlerrolle beim Tatort hatte. Und der Einzige, der gleich zweimal nicht über einen einmaligen Einsatz hinaus kam. Da Jürgen Roland nur bei diesen zwei Tatorte auch als Autor tätig war (wenn man der IMDb glaubt), wäre es spannend zu wissen, ob das sein Konzept war, jedes Mal Löwitsch in in einer Rolle einzusetzen. Davon ab... Pierre Franckh als Kommissar beim Tatort ist natürlich auch hübsch kurios. Das Doppelpack mit Löwitsch würde ich auch gerne sehen.
:winke: Gedankendieb! ;)
„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40644
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Leonessa

„Brangelina für Arme!“

Lena Odenthals (Ulrike Folkerts) 71. Ludwigshafener „Tatort“ entstand nach einem Drehbuch Wolfgang Stauchs , das unter der Regie Connie Walthers („Frau Böhm sagt Nein“) verfilmt wurde. Walthers nach „Offene Rechnung“ (1999) zweiter Beitrag zur TV-Krimireihe wurde bereits im November 2018 gedreht und auf dem Festival des Deutschen Films im August 2019 uraufgeführt. Die Erstausstrahlung im Fernsehen ließ bis zum 08.03.2020 auf sich warten.

„Ich kann machen, was ich will!“

Oggersheim: Hans Schilling, Betreiber einer Westernbar, wurde hinter seinem Tresen mit einem Kopfschuss regelrecht hingerichtet. Gefunden hat ihn der Jugendliche Samir Tahan (Mohamed Issa, „Wir waren Könige“), dessen älterer Bruder bereits eine Haftstrafe zu verbüßen hatte. Die Ludwigshafener Hauptkommissarinnen Lena Odenthal und Johanna Stern (Lisa Bitter) bringen in Erfahrung, dass Schilling nicht überall beliebt war, weil er sich mitunter wie ein Hilfssheriff aufgeführt habe. Die Aufmerksamkeit der Ermittlerinnen erregt auch das zu Samirs Clique zählende Pärchen Vanessa Michel (Lena Urzendowsky, „Gladbeck“) und Leon Grimminger (Michelangelo Fortuzzi, „Preis der Freiheit“), das von vielen nur „Leonessa“ genannt wird und zusammen mit Samir regelmäßig vor der Kneipe abhängt. Leons Mutter Katja (Karoline Eichhorn, „Der Felsen“) ist alkoholabhängig und Vanessas Eltern scheinen den Zugang zu ihrer Tochter verloren haben, die sich genau wie Leon mit Prostitution ihren Lebenswandel finanziert…

Ein im Pfälzischen spielendes Jugendsozialdrama also? Das klingt zunächst einmal spannend. Gestalterisch gibt man sich Mühe, den ehemaligen Wohnort des Bimbeskanzlers wie einen sozialen Brennpunkt erscheinen zu lassen. Ein paar Schwarzweiß-Szenen bzw. vielmehr -Bilder unterstreichen den Anspruch an eine Atmosphäre der Trostlosigkeit und die drei Jungmimen spielen stark. Mit ihrem blondierten Bubischopf und armreifgroßen Ohrringen wird insbesondere Urzendowsky als Vanessa zum Blickfang. Issa gibt den sensiblen Migrantensohn Samir und Fortuzzi den nihilistisch anmutenden Gammlertypen Leon. Untereinander ist man sich nicht ganz grün. Vom angeblich fest miteinander verschweißten Paar ist nicht viel zu sehen; Vanessa scheint eher zu Samir hingezogen, der sie jedoch stets zurückweist. Doch hier beginnt eines der großen Probleme dieses „Tatorts“: All seiner Präsenz zum Trotz bleibt einem das Trio seltsam fremd. Weder erfährt man, was Vanessa an Samir findet, noch ob es wirklich nur die (als solche kaum erkennbaren) teuren Klamotten sind, die sie in die Prostitution treiben. Am allerwenigsten erfährt man über Leon.

Als problematisch für die Handlung erweist sich auch, dass eine junge Erwachsene eine 15-Jährige spielt, die zum Aufhänger für Odenthals moralische Entrüstung wird: Urzendowskys schauspielerische Leistungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie nun einmal keine 15-Jährige mehr ist. Odenthal indes lässt sich zu nur schwer nachvollziehbaren Konflikten mit Stern hinreißen. Vermutlich soll sie von diesem Fall – weniger wegen des Toten, vielmehr wegen der jugendlichen Prostituierten – emotional aufgewühlt wirken, in dieser Inszenierung erscheint sie jedoch in erster Linie unprofessionell. Im etwas theatralisch angehauchten und melodramatischen Finale, das in den dramatischen Effekt verstärken sollender Zeitlupe abläuft, bricht sie letztendlich sogar in Tränen aus.

Odenthals starke Verbundenheit zu den Jugendlichen steht im Kontrast zum Publikum dieses „Tatorts“, dem sie schlicht zu wenig nahegebracht werden. Die intendierte Wirkung verpufft, an die Empathie wird zu wenig appelliert. So gesellt sich zur Oggersheimer Tristesse vor allem Langeweile auf Zuschauerinnen- und Zuschauerseite, denn während die Ermittlerinnen auf der Stelle treten oder Odenthal den Eltern ins Gewissen redet, tut das juvenile Trio, was es eben so zu tun pflegt – ohne sonderlich aufsehenerregende oder gar spektakuläre Ausreißer. Beinahe ist man geneigt, Unverständnis über das Aufhebens, das um sie gemacht wird, aufzubringen, was jedoch keinem Zynismus, sondern der misslungenen Dramaturgie geschuldet ist. Aber dann ist da ja noch die Verbindung zum Mordfall, die am Ende offenbart wird, am enttäuschenden Gesamteindruck jedoch auch nichts mehr ändert.

Auf der Tonspur sind übrigens (zwischen nicht untertiteltem breitem Pfälzer Dialekt diverser Nebenfiguren) The Unthanks zu hören, eine britische Folk-Band.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
karlAbundzu
Beiträge: 9568
Registriert: Fr 2. Nov 2012, 20:28
Kontaktdaten:

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort Berlin: Das perfekte Verbrechen
Eine geheimer Club einer Elite Jura Uni macht Aufnahmeprüfungen, ein Teil davon ist das übliche philosophiere um "Das perfekte Verbrechen" (obwohl es ja eigentlich fast immer perfekter Mord heißen müßte: Ein Fahrraddiebstahl als perfektes Verbrechen wäre relativ leicht zu verwirklichen). Dann wird eine Studentin auf offener Strasse erschossen. Rubin und Karow müssen sich mit allerhand High End Juristen mit besten Verbindungen anlegen, daher wird auch mal der nicht ganz so legale Weg gewählt.
Puh, allerhand Klischees, die kaum mit Leben gefüllt werden, im Gegenteil: Der Geheimclub mit Fight Club Anleihen und dürsterer Maskerade wirkt dann eher lächerlich. Die Studentin klar schmierig und lahm in ihren vier Charakteren aufgeteilt, einzig die proletarische Perle bekommt ein wenig Tiefe und seine Freundin ist die einzig sympatische Rolle. Meret Becker hat anscheinend schon gar keine Lust mehr, eigentlich ermittelt Waschke schon fast allein. Und trägt es kaum.
Leider nicht gut.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40644
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Zweierlei Blut

„Ich hasse Fußball!“

Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) zum Achten: Auch für die „Tatort“-Episode „Zweierlei Blut“, bereits im Frühjahr 1983 gedreht und am 22.07.1984 erstausgestrahlt, führte Schimanski-Miterfinder Hajo Gies Regie, das Drehbuch stammte diesmal von Felix Huby und Fred Breinersdorfer.

„Diese Punker, diese Rocker, die gehören doch alle ins Lager!“ (Toleranz im Ruhrpott, Teil 1)

Schimanski besucht das Wedaustadion, um einer Fußballpartie des MSV Duisburg beizuwohnen. Nach Abpfiff und Rangeleien unter den Fans bleibt jedoch einer zurück: Der Italiener Antonio wird mit einer Stichverletzung tot aufgefunden. Dieser war mit der Wäschereibesitzerin Frau Schobert (Brigitte Janner, „Kanakerbraut“) liiert und hatte sich als Platzwart im Stadion etwas dazuverdient. Ihre Söhne Kurt (Reiner Groß) und insbesondere der Thanner gegenüber sehr respektlos auftretende Fiete (Zacharias Preen, „Rosa Roth“) scheinen Antonios Tod nicht sonderlich zu bedauern und bezeichnen ihn als Schmarotzer. Untersuchungen ergeben, dass das Opfer nicht an seiner Stichverletzung starb, sondern durch einen Genickbruch, der mutmaßliche Täter aber ebenfalls eine Stichverletzung davongetragen hat. Kurt weist eine solche Verletzung auf, die ihn dringend tatverdächtig macht. Schimanski und Thanner ermitteln daraufhin in der Fanszene, der auch die Schobert-Söhne angehören. Schimanski schleust sich inkognito in die Clique ein und scheint nach und nach ihr Vertrauen zu gewinnen, doch Anführer Ernst (Dietmar Bär, „Treffer“) bleibt skeptisch. Als Thanner hinzustößt, droht Schimanskis Tarnung aufzufliegen, weshalb er sich gezwungen sieht, Thanner unsanft des Lokals zu verweisen. Dadurch kann jedoch Kurt Schobert entkommen. Thanner und Hänschen (Chiem van Houweninge) verhören schließlich Stadionleiter Ludwig (Gerhard Olschewski, „Eisenhans“), der ebenfalls am Tatort gesehen wurde…

„Rocker, Proleten, Punker, Ausländer, Arbeitslose, all das Gesocks – sollte man gar nicht reinlassen, so was!“ (Toleranz im Ruhrpott, Teil 2)

Thanner, noch immer von seiner ehemaligen Freundin getrenntlebend, hat es sich bei Schimanski häuslich eingerichtet und kümmert sich lieber um seine Schildkröte Eckardt, statt sich auf Wohnungssuche zu begeben – sehr zu Schimmis Leidwesen. Dessen Laune bessert sich jedoch, als er Bella Klein (Despina Pajanou, „Doppelter Einsatz“) vom Erkennungsdienst kennenlernt, die zur begehrten Adressatin von Flirtversuchen sowohl Schimmis als auch Thanners wird. Pajanou überzeugt in ihrer verführerischen Nebenrolle, die die Kontaktanbahnungsversuche der Herren mit Humor nimmt und feststellen muss, dass außer eine großen Klappe nicht viel mehr dahinter ist. Bei Schimanski zu Hause spielt Thanner ansonsten wieder das Hausmütterchen, beide vermitteln zeitweise einmal mehr den Eindruck eines alten Ehepaars – köstlich.

„Ich kenn‘ da ‘n paar gute Kneipen!“ – „Man riecht’s…“ (Flirts im Ruhrpott)

Dietmar Bär in Motörhead-Lederjacke glänzt in einer seiner ersten Fernsehrollen überhaupt als Anführer einer Halbstarken-Clique, die sich auf den MSV eingeschworen hat und gern einen pichelt. Unterschiedlicher als die Clique auf Schimanski und Thanner in der Kneipe kann man wohl kaum reagieren, und diese wunderbar zugleich raubeinige und herzliche Szene ist erst der Auftakt zu Schimanskis verdeckten Ermittlungen, in deren Zuge er den Jungs Unmengen Alkohol ausgeben – und selbst trinken – muss. Doch Ernst ist misstrauisch, sogar schlauer als Schimmi und enttarnt ihn schließlich, nachdem die Clique ihn abgefüllt hat. Vorgesetzter Königsberg (Ulrich Matschoss) liest Schimanski daraufhin nackt und blutend auf dem Anstoßpunkt im Stadion auf. Welch Eskalation, welche Schmach – und welch ein Bild eines „Tatort“-Kommissars!

„Haben Sie schon mal mit Türken gearbeitet?“ – „Nee, mir reichen die Holländer!“ (Völkerverständigung im Ruhrpott)

Das Stadion wird letztlich auch der Ort eines großen Showdowns zwischen drei Parteien sein, was jedoch mit Fußball nichts mehr zu tun hat. Dadurch, dass die Handlung eine Wendung hin zu Themen wie Schwarzarbeit und Erpressung nimmt, bricht dieser „Tatort“ eine Lanze für damals noch wesentlich stärker als heute als asozial verschriene proletarische Fußballfans, die in diesem Ermittlungsfall als Sündenbock und aufgrund ihres schlechten gesellschaftlichen Leumunds einfaches Opfer herhalten sollten – ein sympathisches soziales Anliegen, das der Subtext dieses schwer unterhaltsamen „Tatorts“ vermittelt, gerade auch, weil er die Sub- und Trinkkultur weder in den Himmel lobt noch in Grund und Boden verdammt. Statt eines hippiepädagogischen Sozialarbeiters schickt man hier Schimmi, der kräftig mitsäuft. Jawoll!

„‘n gewissen Humor kann man den Jungs ja nicht absprechen…“ (Sarkasmus im Ruhrpott)

Beachtlich und erstaunlich ist es, wie lässig und unmimosig die Beamten hier sind – kein Vergleich zur heutigen Realität, in dem man Fiete nach seinem Milchtütenwurf vermutlich gleich das SEK auf den Hals gehetzt hätte. Nicht unerwähnt bleiben sollte jedoch das Plädoyer für Videoüberwachung, das diesem Fall ebenfalls innewohnt und angesichts immer weiter ausgebauter Überwachungstechnik nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen dürfte. Zweifelsohne schön ist das Wiedersehen mit Schimanskis ostasiatischer Patentochter, überraschend hingegen der Umstand, dass Duisburger Straßenbahnen damals offenbar über Speisewagen verfügten. Was wurde da serviert? Currywurst? Der Soundtrack stammt übrigens von Spliff, die hier etwas schräg, aber geradezu proggig klingen. Ludwig-Darsteller Olschewski sollte man ein paar Jahre später in einer neuen Rolle als Schimanskis Vorgesetzten Ossmann erneut begegnen – und dass Dietmar Bär im Showdown Schimmis Mantel trägt, war eindeutig ein Omen: schließlich begann er später selbst höchst erfolgreich als Kölner „Tatort“-Kommissar Freddy Schenk zu ermitteln...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
karlAbundzu
Beiträge: 9568
Registriert: Fr 2. Nov 2012, 20:28
Kontaktdaten:

Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort Köln: Niemals ohne mich
Der aktuelle vom letzten Sonntag. Ballauf und Schenk mit dem lustigen relativ neuen Assistenten Jütte.
Wir haben hier einen klassischen Kölner Tatort vor uns: Viel Soziales drin, die Situation alleinerziehender wird anhand von verschiedenen Fällen in verschiedenen Konstellationen durchgespielt. Das ist weder aufdringlich noch Zeigefingerhaft, sondern sehr gut in die Story eingewoben.
Story: Eine Beamtin des Jugendamtes, die für die Erstzunterhaltszahlungen zuständig ist, wird umgebracht. Vorher sehen wir, wie sie mit zwei Vätern Ärger hat, die gut ist sehr mtiviert, was ihren Job angeht. Verdächtige gibt es einige, klar, Kunden aber auch Kolleg*innen. Das ist auch hier klassisch aber schön verwoben erzählt. Dazu gute Schauspieler und einen lustigen Sidekick, passt.
Hat mir gefallen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
Antworten