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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 23. Okt 2023, 20:05
von jogiwan
The Fall of the House of Usher [Serie]

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Die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Familienimperiums, dass in den Achtzigern von zwei Geschwistern gegründet wurde, den amerikanischen Pharma-Markt und die Klatschblätter dominiert und langsam zerbricht, als die Erben einer nach dem anderen binnen kürzester Zeit auf mysteriöse Weise versterben.

Bei Mike Flanagan weiß man ja ungefähr, was man bekommt und auch „The Fall of the House of Usher“ ist die bewährte Mischung aus altbekannten Horror-Motiven, etwas Soap und Gesellschaftskritik, die hier dem Zuschauer präsentiert wird. Dieses Mal ist es Edgar Allan Poe, dem in acht Episoden gehuldigt wird und Flanagan verpasst den Geschichten einen neuzeitlichen Look in Form einer korrupten, hoffnungslos hedonistisch veranlagten Industriellen-Familie, deren Nachkommen nacheinander auf mysteriöse Weise ums Leben kommen. Mit über acht Stunden Laufzeit ist „The Fall of the House of Usher“ auch vielleicht etwas lange und ab und an wirkt bei der Figurenzeichnung doch alles auf Klatschspalten-Niveau und zeitgeistig verhaftet, aber andererseits ist das ja auch nur wieder ein Spiegel unserer Welt, in der Oberflächlichkeiten und Statussymbole mehr zählen, als der Rest. Ab und an wird es dann aber auch durchaus ruppig und am Ende laufen alle Fäden trotz verschachtelter und ausufernder Erzählweise auch wieder zusammen und werden auch harmonisch und ohne Cliffhanger abgeschlossen. Eigentlich im Grunde nicht viel Neues, wenn auch gewohnt auf hohem Niveau, habe ich dieses Mal aber doch auch die Sympathieträger etwas vermisst, die man hier in der Ansammlung moralisch bankrotter Figuren nahezu vergeblich sucht. So kann man dem Fall es Hauses Usher auch eher entspannt beiwohnen, ohne sich dabei selber schlecht zu fühlen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 24. Okt 2023, 19:07
von jogiwan
Heimsuchung

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Hanna hat nachts Alpträume, seitdem ihre Mutter im Suff einen Unfall verursacht hat, bei dem die Kleine auch verletzt wurde. Nun ist das Verhältnis zwischen Tochter und Mutter zerrüttet und auch Vater Alex kann die durch Alkohol verursachten Eheprobleme zunehmend nicht mehr leugnen. Als Michis Vater auf dem Land überraschend verstirbt, mit dem sie keinen Kontakt hatte, nutzt die trockene Alkoholikerin das Begräbnis, um Wien zu verlassen und im Haus ihres Vaters den Nachlass zu regeln. Gemeinsam mit Hanna beschließt sie ein paar Tage länger zu bleiben und die spätsommerlichen Tage dazu zu nutzen, einander wieder näher zu kommen. Zuerst ist auch alles gut und das Verhältnis der Beiden scheint sich zu bessern, als allmählich auch wieder dunkle Schatten aus der Vergangenheit auftauchen, die sich in einer unheimlichen Erscheinung zu manifestieren scheinen…

Zuerst die guten Nachrichten: „Heimsuchung“ sieht ansprechend aus, ist auch toll gespielt, schön ausgestattet und punktet auch mit jeder Menge regional-österreichischen Flair, was man so ja sonst in der gleichgebügelten europäischen Genrelandschaft ja nicht mehr so oft sieht. Dummerweise ist die Geschichte aber alles andere als prickelnd und die Allegorie auf Suchtverhalten und verdrängten Erinnerungen ist leider auch etwas langatmig erzählt und dem Drama näher als dem Genre-Werk. Viel passiert ja nicht und Regisseur Abdel-Salam lässt sich meines Erachtens einfach etwas viel zu viel Zeit mit seiner gebeutelten Hauptfigur, als dass er das Zuschauerinteresse über neunzig Minuten hinweg bedienen könnte. Kurz gesagt, der Film ist auch ein bissl fad und inhaltlich fand ich „Heimsuchung“ dann auch immer einen Ticken zu vorhersehbar, als dass er aus der übergroßen Masse vergleichbarer Werke herausstechen könnte. Den Streifen hätte man in so viele Richtungen interessant entwickeln können, aber irgendwie hat man sich meines Erachtens immer für die unspektakulärste und gefälligste Variante entschieden.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Do 26. Okt 2023, 19:27
von jogiwan
7 donne e un mistero

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Die junge Susanna besucht zu Weihnachten ihre etwas schrullige und vorwiegend aus Frauen bestehenden Familie, die in einem geräumigen Landhaus in Italien lebt. Wenig später liegt ihr Vater mit einem Messer im Rücken in seinem Schlafzimmer und die Verwandtschaft rennt aufgescheucht zusammen, da sich der Mörder offensichtlich noch im Haus befinden muss. Gegenseitige Verdächtigungen wechseln mit akribischer Detektivarbeit und wenig später werden in dem eingeschneiten Landhaus noch weitere Geheimnisse aufgedeckt, die mit dem Mord zusammenhängen könnten und beweisen, dass wohl jeder der Frauen so ihre Geheimnisse hat.

Italienisches Remake des französischen Streifens „8 Frauen“ der ja eigentlich gar nicht so alt ist, dass man ihn unbedingt remaken müsste. Noch dazu, wo Regisseur Genovesi den Look, die Geschichte und die Frauenfiguren mitsamt ihrer Optik fast schon sklavisch kopiert, ohne dem Ganzen etwas neues hinzufügen zu können. Im Gegenteil – eine Figur weniger und die liebenswerten Chanson-Nummer der französischen Vorlage, die ich persönlich super fand, wurden ebenfalls weggelassen. Somit eignet sich „7 Donne e un Mistero“ wohl am ehesten noch für Leutchen, die auf Musical-Nummer allergisch reagieren. Ansonsten sehe ich persönlich keinen Grund, warum man das italienische Remake dem französischen Film vorziehen sollte. Zwar ist hier alles auf hohem Niveau und ich will den Film auch nicht schlechter reden, als er ist, aber wer „8 Frauen“ kennt, kann sich den im Grunde schenken. Wer nicht vorhat, Ozons Film zu gucken und keine Musical-Nummern mag, kann ja hier bzw. auf Netflix ein Auge riskieren.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Fr 27. Okt 2023, 22:03
von jogiwan
Annie Belle - Zur Liebe geboren

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Leider wirklich kein sonderlich guter Film, in dem doch so einiges zusammenkommt. Von einem seltsamen Sittenbild, hin zu fragwürdiger Sexualmoral, bis hin zu rassistischen Klischees, die man heutzutage auch gar nicht mehr so bringen kann. Manchmal kann man ja nur verwundert den Kopf schütteln, wie unbedarft mit diesen Themen in früheren Jahrzehnten umgegangen wurde, ohne sich dabei offensichtlich große Gedanken zu machen. Männer sind reich, gönnerhaft und nehmen sich dafür was sie wollen – die Frauen sind der hübsche und allzeit bereite Aufputz, der nach Belieben weitegegeben wird. Kein Wunder, dass manche Dinge sind wie sie sind, wenn ein derartiges Rollenbild fern sexueller Selbstbestimmung in so vielen Filmen manifestiert wird. Im Grunde unterscheidet sich „Annie Belle“ ja auch nicht viel von den sonstigen italienischen Sexploitation-Filmen mit exotischer Kulisse, episodenhaften Mondo-Charakter, hübschen Frauen, weniger hübschen Männern und angedeuteten Gepoppe, dass hier heruntergespult wird. Nur wirkt es in „Annie Belle“ immer noch einen Ticken unsympathischer, unreflektierter und uninteressanter als in vergleichbaren Werken.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Sa 28. Okt 2023, 19:38
von jogiwan
Konferensen

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Ein kleines Dorf in Schweden plant den Bau eines Einkaufszentrums und als alle Genehmigungen vorliegen und der Spatenstich kurz bevorsteht, fahren die Projektverantwortlichen für ein Wochenende in ein wiedereröffnetes und kleines Ferienresort um das Gelingen des Projekts entsprechend zu feiern und den Gruppengedanken zu stärken. Doch das Einkaufszentrum ist bei den Anwesenden ebenfalls nicht unumstritten und vor allem Lina, die aus einem längeren Krankenstand zurückgekehrt ist äußert offen ihre Zweifel an der Richtigkeit des Projekts. Während dennoch gefeiert wird und brav an Teambuilding-Events teilgenommen wird, mischt sich aber eine weitere Person unter die Runde und beginnt Jagd auf die Truppe zu machen, die sich wenig später inmitten eines sehr realen Überlebenskampfes befinden...

Schwedens Antwort auf „Severance“ ist ein unterhaltsamer, teils ruppiger Camp-Slasher mit erwachsenen Figuren, die sich während eines Teambuilding-Wochenendes neben internen Differenzen auf einmal mit einem brutalen Mörder auseinandersetzen müssen. Bei den überzeichneten Figuren schwingt immer auch ein Fünkchen Wahrheit mit und vom karrieregeilen Schmierling über verpeilte Führungskräfte bis zum Alkohol etwas zu zugeneigten Kollegen ist hier auch alles dabei. Somit bietet der Slasher auch so etwas wie Figurenzeichnung und Sozialkritik, ohne dabei das Herzstück eines jeden Schlitzerfilms aus den Augen zu verlieren. Die Morde sind zwar eher kurz, aber kommen dennoch recht ruppig und sind zudem anscheinend auch handgemacht. Das Finale rockt jedenfalls ganz schön und bietet ebenfalls keinen Grund zur Kritik. Zwar wird hier das Rad nicht neu erfunden und das britische Vorbild ist vielleicht einen Ticken bissiger, aber „Konferensen“ macht im Grunde alles richtig und vor allem viel Spaß.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 29. Okt 2023, 19:18
von jogiwan
Messiah of Evil

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jogiwan hat geschrieben: Mo 2. Nov 2015, 07:46 Ganz großartiger, mysteriöser und sperriger Horrorstreifen, der gleich mit einer Vielzahl von eindrucksvollen Momenten aufwarten kann und neben seinen Darstellern vor allem durch seine unheilvolle Grundstimmung überzeugen kann. Die Einflüsse von „Messias des Bösen“ liegen ja wie bereits erwähnt beim italienischen Kunstfilm und bei H.P. Lovecraft und so ist es kaum verwunderlich, dass mich der Streifen sehr begeistert hat. Die Suche nach ihrem verschwundenen Vater in einem Küstenort entpuppt sich für Arletty zu einem Trip ins Grauen, welcher die junge Frau mit allerlei unwirklichen und unerklärlichen Dingen konfrontiert. Das ganze Szenario in dem scheinbar verlassenen Ort wirkt entrückt, was durch die elektronischen Klangwelten und die „Voice-Over“-Kommentare noch verstärkt wird und dennoch scheint eine Flucht zu spät und ein Veränderungsprozess in Gang gesetzt, der sich auch durch rationale Versuche nicht mehr erklären lässt. Wer in weiterer Folge eine Erklärung der Vorgänge erwartet, wird wohl zu einem gewissen Grad enttäuscht werden und dennoch hat es „Messiah of Evil“ mit seinen rauschhaften Bildern und eindrucksvollen Szenen auch gar nicht nötig den Zuschauer mit trivialen Erklärungsversuchen zu langweilen. Ich bin begeistert!
Gestern die neue Fassung aus dem Hause "Radiance" geschaut und die lässt den ohnehin schon schönen Film noch schöner erstrahlen. Nie wurden alptraumhafte Elemente schöner auf Film übertragen. Im Bonusmaterial gibt es immer wieder Verweise zum italienischen Film, zu Edward Hopper, zu anderen Klassikern, die ich ebenfalls sehr mag. Sehr schön!

The Curse of Halloween Jack

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Vor zwei Jahren hat ein Killer namens Halloween Jack mit seiner Vogelscheuchen-Maskierung ein Massaker veranstaltet, wurde geschnappt und begraben. Nun wird er von den Mitgliedern einer Satanssekte mittels Menschenopfer wieder zum Leben erweckt und macht sogleich wieder Jagd auf weitere Opfer. Dieses Mal trifft es eine Horde Jugendlicher, die allen Verboten zum Trotz eine Halloween-Feier veranstalten und wo Halloween Jack auch nicht weiters auffällt und somit leichtes Spiel hat. Nur ein Mann hat das Wissen, den Killer aufzuhalten und benötigt dazu Hilfe von der jungen Danielle, die eine besondere Beziehung zu dem Mörder mit den übermenschlichen Fähigkeiten hat.

Filme mit Halloween-Thematik gibt es ja massig und passen ja auch ganz gut um diese Jahreszeit. Manche sind gut, manche sind schlecht und dann gibt es noch so einen Schmonz wie „Curse of Halloween Jack“ der wohl nicht nur in der Kiste der Halloween-Filme zum absoluten Bodensatz zählt. Abgesehen vom durchaus passablen Kostüm des Mörders passt hier leider gar nichts und obwohl der englische Streifen nur knapp 80 Minuten dauert, entpuppen sich diese als äußerst zähe Sache und Geduldsprobe für jeden Zuschauer. Die Geschichte ist Mist, die Darsteller agieren hilflos und die Verweise auf andere Klassiker des Genres wirken hier wirklich äußerst aufgesetzt und peinlich. So etwas kommt wohl heraus, wenn man keine Mittel, keine Kreativität und keinen Bock hat, irgendetwas zu schaffen, das Außenstehende auch nur ansatzweise begeistern könnte. Ich bin ja einer, der versucht auch im Schlimmsten noch etwas Schönes, Positives oder noch ein Fünkchen Potential zu erkennen – hier bin ich kläglich gescheitert.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 30. Okt 2023, 19:55
von jogiwan
Blue Blood

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Die junge Beata soll im Landsitz von Lord Gregory als Nanny dessen beiden Kinder betreuen, während die leibliche Mutter als Sängerin auf Tournee ist. Dort angekommen entpuppt sich nicht nur Lord Gregory als äußerst exzentrische Person mit seltsamen Ansichten, auch das Personal des Schlosses erscheint nicht minder skurril und agiert nach eigenem Befinden. Vor allem Hausdiener Tom scheint im Hintergrund eigentlich alle Fäden zu ziehen und als die Zeit vergeht und seltsame Dinge geschehen, keimt der Verdacht, dass bei den mehr als unklaren Machtverhältnissen im geräumigen Haus teuflische Magie im Spiel sein könnte.

Immer wieder seltsam, was für Filme unerwartet auf Netflix auftauchen, wie zum Beispiel „Blue Blood“ der dort unter Horror läuft, was ja mal so überhaupt nicht der Fall ist. Viel mehr ist dieser britische Streifen aus dem Jahr 1973 eine eigentlich bitterböse Arthouse-Groteske, das allerlei gesellschaftliche Themen streift und dabei dennoch irgendwie auch völlig vage bleibt. Der deutsche Titel spoilert ja eigentlich mehr oder minder das Geschehen, aber auch so wird rasch klar, dass irgendwas in dem feinen und britischen Hause so gar nicht stimmt. Dabei wird es mit rot-eingefärbten Traumsequenzen seltsam surreal und irgendwie weiß man ja sowieso nicht, wer oder was genau ein jeder Einzelne im Schloss zu verantworten kann. Der Lord und sein Personal verhalten sich seltsam und frönen körperlichen und sonstigen Genüssen und sowieso und überhaupt geht es in dem episodenhaften Werkt mit wechselndem Fokus drunter und drüber. Dazwischen gibt es Oliver Reed, der hier seltsam pikiert und mit nasalen Fistelstimmchen seine Dialoge spricht und manipulativ und fragwürdig zu agieren scheint. Irgendwann ist der Streifen dann auch vorbei und als Zuschauer nur minimal schlauer als zu Beginn der ganzen Sause. Zurück bleiben ein bissl Ken Russell, ein bissl Arthouse-Groteske, viel Oliver Reed, ein Kuriosum aus den Siebzigern und ein Zuschauer, der das Ganze erst einmal verdauen muss.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 31. Okt 2023, 19:42
von jogiwan
The Unholy

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Gerry ist ein heruntergekommener Journalist, der nach einem Skandal mit erfundenen Storys von Kleinstadt zu Kleinstadt fährt um diese nach vermeintlichen Sensationsmeldungen abzuklappern. Eines Tages landet er in dem beschaulichen Ort Banfield und wird dort Zeuge der wundersamen Heilung der taubstummen Alice, die in der Obhut des örtlichen Pfarrers heranwächst. Rasch macht die Botschaft die Runde und Alice behauptet Maria gesehen zu haben, die zu ihr spricht. Nach einer weiteren und wundersamen Heilung steht der Ort auch rasch Kopf und Gerry hat endlich seine Story, die ihm den Purlitzer-Preis bringen soll, während er wenig später erste Bedenken bekommt, welche Macht tatsächlich hinter den ganzen Ereignissen stecken könnte.

Eigentlich alles andere als ein großes Wunder, dass „The Unholy“ mit all seiner Durchschnittlichkeit auf der Netflix-Resterampe gelandet ist und eine vorhersehbare Geschichte über religiöse Erscheinungen und teuflische Machenschaften erzählt. Die Figuren sind ja wieder einmal frisch aus der Rumpelkammer ausgelutschter Charaktere und von der Läuterung des skrupellosen Journalisten hin zum selbstreflektierten Retter der Welt ist es ja ebenfalls nur ein Katzensprung und zwischendurch schaut in der Kleinstadt mit unrühmlicher Vergangenheit vermeintlich die Jungfrau Maria vorbei um Kranke zu heilen und salbungsvolle Worte zu verbreiten. Eigentlich ist hier alles so, wie man es sich erwartet und daher bleiben große Überraschungen ebenfalls aus. Wundersam ist hier nur die Tatsache, dass sich doch ein paar überraschend miese CGI eingeschlichen haben, wie man sich in so einem großen Studiowerk mit prominentem Hauptdarsteller eigentlich nicht erwarten würde. Religiös angehauchter Genre-Snack für zwischendurch, den Atheisten und anspruchsvolle Menschen aber auch getrost auslassen dürfen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mi 1. Nov 2023, 20:28
von jogiwan
Out There Halloween Mega Tape

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VHS-Aufzeichnung des Halloween-Specials des Kabelsenders WNUF aus den Neunzigern, das ihm Rahmen der Mystery-Sendung „Out There“ Alien-Sichtungen nachgeht, die sich in einem beschaulichen kleinen Ort in der Nähe einer streng geheimen Einrichtung der US-Regierung zugetragen haben sollen. Dazu schickt man neben dem Moderator Phil auch Ex-Talkshow-Host Ivy Sparks in den Ort, wo diese auf allerlei sonderbare Figuren trifft, die sich auch bereitwillig interviewen lassen. Zuerst beginnt auch alles harmlos, doch dann nimmt der Abend eine unerwartete Wendung, die an die unrühmlichen Ereignisse des „WNUF Halloween Specials“ erinnert, welches knapp 10 Jahre zuvor aufgezeichnet wurde…

Das „WNUF Halloween Special“ war ja schon eine sehr lustige Sache und schickte den Zuschauer mit viel Liebe zum Detail geradewegs zurück in die Achtziger zu einem Halloween-Special, in dem eine Handvoll Leute in einem Spukhaus verschwunden. Nun sind mit „Out There Halloween Mega Tape“ die Neunziger an der Reihe, in der Mystery-Serien und Krawallo-Talk-Shows ihren Höhepunkt hatten. Abermals mit viel Herzblut, Fake-Werbungen und allerlei anderen Gimmiks werden hier vergangene Jahrzehnte heraufbeschworen. Dabei ist der Streifen jetzt kein Spoof, sondern liebevoll augenzwinkernd mit dem nötigen Ernst und Respekt, damit die Sache nie ins Lächerliche kippt. Zwar kennt man die Machart mit Fake-Werbungen und fiktiven Sendungsformaten schon aus dem Vorgänger, aber auch hier gibt es abermals nicht viel zu meckern. Sieht aus wie eine VHS-Aufzeichnung aus den Neunzigern, ist aber natürlich vor nicht allzu langer Zeit entstanden. Nach dem Gesetz der Serie sind als nächstes dann wohl die Nuller-Jahre dran – dann aber wohl erst in zehn Jahren. Ich freu mich drauf.

Ich sehe was, was du nicht siehst

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Der reiche Londoner Henry Sugar stößt in einer Bibliothek zufällig auf die Aufzeichnungen eines Arztes, der den Fall eines wundersamen Zauberers untersuchte, der behauptete mit verbundenen Augen sehen zu können. Tatsächlich war es diesem Mann kraft seiner Gedanken gelungen, eine Alternative zu seiner Sehkraft zu finden und diese Methode wurde von dem Arzt auch akribisch verfolgt und aufgezeichnet. Henry ist begeistert und versucht sich das Wissen des Mannes anzueignen, um dabei jedoch ganz eigene Zwecke zu verfolgen…

Eigentlich sollte ich ja begeistert sein und Wes Anderson hat mich ja auch noch nie enttäuscht und denn lässt mich „Ich sehe was, was du nicht sieht“ doch etwas ratlos zurück. Zugegeben die Farben, die Kulissen, die Stars und die mit überbordender Fantasie gestalteten Settings und Machart sind schön anzuschauen und originell, aber sie lenken auch total von der schmalbrüstigen Geschichte ab, die leider nicht viel Nährwert hat. Zudem sprechen die Protagonisten dauernd zum Publikum, was auf Dauer auch etwas nervig ist. Fast so, als wolle man alle paar Sekunden prüfen, ob man es hier im Ganzen nicht doch völlig übertrieben hat. Und ja, man hat hier völlig übertrieben, aufgeblasen und größtmöglich opulent inszeniert, was man jetzt gut oder schlecht finden kann. Zudem wirkt das alles für mein Empfinden auch noch extrem selbstverliebt und abgehoben in Kombination mit artifiziellen fast schon unnatürlich erscheinenden Rahmen, was meines Erachtens ebenfalls nicht so wirklich zum eher bodenständigen Charakter von Roald Dahls Geschichten passt. Wes Andersons Kurzfilm ist dann auch erschreckend zäh und langweilig und außer fast schon Übelkeit verursachenden Zuckerregen für die Augen gibt es hier nicht viel, was ich persönlich von „Ich sehe was, was du nicht siehst“ hätte mitnehmen können.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Do 2. Nov 2023, 20:27
von jogiwan
Die Todesschwester

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In jungen Jahren ist Narcisia im Spanien der Dreißigerjahre die heilige Maria erschienen und Leute von nah und fern kamen um das Kind mit den Visionen zu sehen und zu verehren. Zehn Jahre später kommt die zur jungen Frau herangewachsene Nonnenanwärterin in ein Kloster mit angrenzender Mädchenschule um zu unterrichten und wieder etwas Ruhe zu finden. Schon bei ihrer Ankunft geschehen seltsame Dinge und obwohl ihr Maria nie mehr erschienen ist, beginnen nun schreckliche Visionen und Alpträume. Als ein vermeintlicher Selbstmord passiert und Narcisia versucht, dem Ganzen nachzugehen stößt sie aber eher auf eine Mauer des Schweigens und entdeckt nur langsam ein düsteres Geheimnis aus vergangener Zeit…

Paco Plaza ist schon ein Guter und sein neuestes Werk für Netflix mit dem Titel „Die Todesschwester“ erinnert auch angenehm an die Horrorwerke früherer Epochen, verzichtet auf Jump-Scares und hektisches Treiben und setzt mehr auf seine Charaktere und Geschichte. Plaza präsentiert in seinem neuesten Werk Nunploitation-Atmosphäre, alte Gemäuer, wohldosierten Schauer und eine durchaus ansprechende Geschichte über mysteriöse Vorgänge in einem spanischen Kloster der Vierzigerjahre. Zwar mag der Handlungsstrang mit den Maria-Erscheinungen in jungen Jahren etwas weit hergeholt wirken, aber am Ende laufen die Fäden ja dann doch wieder ganz passabel zusammen. Gebraucht hätte es diese zweifelhaften Wunder ja meines Erachtens nicht unbedingt. Die Spanier stehen neben hübschen Mädels aber wohl einfach auf diese Art von Grusel mit religiöser Komponente und auch der Rest der Welt wird von diesem Werk durchaus angetan sein. Alles hübsch in Szene gesetzt und toll gespielt wirkt das Ganze auch mehr als passabel, selbst wenn man als langjähriger Horrorfan keine allzu großen Überraschungen erwarten sollte.