Seite 400 von 420

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 7. Jan 2024, 19:09
von jogiwan
Terror at Tenkiller

01.png
01.png (154.53 KiB) 261 mal betrachtet
Leslie lebt in einer toxischen Beziehung mit ihrem Freund Josh, den sie seit Jugendtagen kennt und die junge Frau mit seiner besitzergreifenden Eifersucht auf Schritt und Tritt verfolgt. Als er auch noch gewalttätige Züge an den Tag legt, beschließt ihre Zimmer- und Studienkollegin Janna über den Sommer mit an den Tenkiller See zu nehmen, wo diese einen Ferialjob als Kellnerin hat. Leslie willigt ein und begleitet Janna nach Oklahoma, bekommt ebenfalls einen Job und genießt schon bald die Ruhe am See, sowie die zurückhaltenden Annäherungsversuche von Tor, der den beiden Frauen immer wieder über den Weg läuft. Dummerweise ist Tor aber nicht der sympathische Junge vom Land, sondern ein gewaltbereiter Serienkiller und als sich auch Josh wieder meldet, droht der jungen Frau doppeltes Ungemach…

Diskont-Slasher aus dem Jahr 1986 und aus einer Zeit, wo das Genre bereits mit unzähligen Low-Budget-Produktionen geflutet wurde. „Terror at Tenkiller“ ist einer dieser vielen Thriller, wobei interessanterweise der See als Handlungsort tatsächlich den ominösen Namen Tenkiller trägt. Das war es dann aber schon mit der Originalität und der Streifen ist abgesehen von zwei, drei drastischeren Effekten auch eher behäbig erzählt und nicht sonderlich aufregend. Der Killer wird bereits in der Auftaktszene verraten und so hält sich die Spannung auch in Grenzen und der Film zeigt mehr das Seelenleben von Leslie und ihrer Freundin Janna, die mehr schlecht als recht versucht aus ihrer ständigen Opferrolle auszubrechen. Das ist aber leider nicht sonderlich prickelnd und neben etwas Baden am See, sommerlichen Ausflügen auf den See und Teenie-Gequatsche gibt es hier ja leider nicht viel Aufregendes zu entdecken. Wohlwollend ausgedrückt ist „Terror at Tenkiller“ ein handelsüblicher Slasher, der mit Lokalkolorit und idyllischen Seebildern punkten kann und auch das bietet, was man grundsätzlich von so einem Film erwartet, aber andererseits ist der Streifen inklusive seinem Ende zu unspektakulär und ragt auch nicht ansatzweise aus der Masse der mittelprächtigen Schlitzerfilme heraus.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 8. Jan 2024, 19:29
von jogiwan
Shit & Champagne

01.png
01.png (188.08 KiB) 241 mal betrachtet
Tänzerin Champagne muss binnen kurzer Zeit miterleben, wie ihr Verlobter Rod und ihre Stiefschwester Brandy von Kriminellen grausam ermordet werden. Als sich auch die Polizei als wenig hilfreich erweist und der ermittelnde Beamte Hammer Champagne für sogar für eine Prostituierte hält, nimmt die dralle Blondine die Hebel selbst in die Hand und versucht undercover zu näheren Informationen zu kommen. Dabei kommt Champagne auch einer großen Verschwörung und der durchtriebenen Gangsterin Trixie auf die Spur, die mit einer großen Portion Ideenreichtum und Kriminalität dabei ist, das Gefüge der Welt durcheinander zu bringen.

Wenn Homosexuelle, Drag-Artists und sonstige Underground-Künstlerkollektive erfolgreiche Kleinst-Theaterproduktionen auf die große Leinwand bringen, kann das entweder gut oder schlecht gehen. Im Falle von „Shit & Champagne“ ist das Ergebnis leider arg zwiespältig und D’Arcy Drollinger und ihre Kunstfigur Champagne wirkt nicht nur optisch wie eine Divine-Kopie, sondern auch der Streifen samt wenig geschmackssicheren Inhalt orientiert sich sehr an John Waters und seinen Filmen aus den Siebzigern und vermischt brachiale Satire und derbe Zoten mit Gags, die leider nur in wenigen Fällen zünden. Auch die Handlung wirkt teils etwas lieblos gestrickt und dient wie so oft nur dazu, die Hauptdarstellerin Champagne und ihre Kostüme und Kolleginnen in ein gutes Licht zu rücken. Die Story ist überdreht, die Action wirkt comichaft und ein, zweimal wird es sogar etwas splattrig. Herausgekommen ist ein Streifen irgendwo zwischen Drag-Race, Pulp-Action und überdrehter Komödie, der wie so oft gute Ansätze hat, aber das Gesamtergebnis nicht wo wirklich überzeugen kann. Was um Mitternacht in Castro-Viertel in San Francisco und in einem kleinen Theater vor einem wohlwollenden Publikum funktioniert, muss es nicht automatisch auch bei einem kritischen Genre-Publikum auf der großen Leinwand tun.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 9. Jan 2024, 19:55
von jogiwan
Ticked off Trannies with Knives

01.png
01.png (167.92 KiB) 232 mal betrachtet
jogiwan hat geschrieben: So 31. Mai 2015, 10:20 Der Titel verspricht ja in diesem Falle nicht zu viel und Regisseur Israel Luna präsentiert uns hier wohl den bislang einzigen Rache-Thriller mit Drag-Queens, der noch dazu recht humorvoll daherkommt und dennoch mitunter sehr brutal ausgefallen ist. Ganz in der Tradition neuerer Grindhouse-Werke geht es in „Ticked-off Trannies with Knives“ ja Genre-übergreifend durchaus herb zu Sache, sodass es kein Wunder ist, dass die amerikanische GLAAD mit dem Werk keine Freude hatte. Da werden mit Baseball-Schläger Köpfe eingeschlagen, High-Heels zu Waffen umfunktioniert und am Ende bekommen die Bösen von den Transen auch ordentlich einen vor den Latz geknallt. Wenn Liebe und Verständnis nicht mehr ausreichen, muss man halt ab und an auch mit dem Küchenmesser seine Standpunkte verteidigen. Toleranz geht zwar anders, aber das kann einem als Zuschauer dieses kurzweiligen und farbenfrohen Streifens ja auch herzlich egal sein, auch wenn für meinen Geschmack ruhig noch etwas heftiger zur Sache hätte gehen können. Trashig und unterhalb vom etwaigen Geschmacksgrenzen unterwegs ist Israel Luna jedenfalls ein richtiges Midnight-Movie mit sympathischen Darsteller(innen) in der Tradition von Genre-Werken vergangener Jahrzehnte gelungen, dass überraschend blutig, lustig und für konservative Gemüter auch sicherlich kontrovers ausgefallen ist.
Auch die Zweitsichtung bestätigt die durchaus positiven Eindrücke. Zwar wird der Gag mit "Missing Reels" und sonstigen Fehlstellen etwas arg strapaziert, aber ansonsten passen hier Witz,Gore, Drag und Grindhouse ausgewogen zueinander. Ein kleiner, wilder Ritt auf Highheels und mit verlängerten Wimpern durch die Untiefen des Exploitationkinos.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Do 11. Jan 2024, 10:09
von jogiwan
Vegas in Space

01.jpg
01.jpg (27.62 KiB) 216 mal betrachtet
jogiwan hat geschrieben: Do 9. Apr 2015, 07:51 “Vegas in Space” beschreibt man ja am besten wohl als grelle “Drag Queen Extravaganza” und der Streifen von Phillip R. Ford ist nicht nur eine Hommage an billige Sci-Fi-Filme aus den Fünfzigern, sondern vor allem ein bewusst trashig konzipierter Film mit schrillen Vögeln, miesen Effekten, Glitzer, Glam und jeder Menge auftoupierter Perücken. Doch das ist allen Beteiligten durchaus bewusst und der Streifen, dessen Produktion bereits Anfang der Achtziger begann, aber erst acht Jahre später im Jahr 1991 fertiggestellt wurde hat auch alles, was ein kultiges Midnight-Movie braucht. Die Dialoge sind lustig, die Musik schmissig und nebenher gibt es jede Menge glitzernder Kostüme, während mit „Beauty Booster“ und Tanz-Einlage das komplette Universum gerettet wird. Alles hübsch „campy“ und „trashy“ ist „Vegas in Space“ aber schon eine schöne Sache mit viel Herzblut aller Beteiligten, der man auch gerne verzeiht, dass ein paar Nagellack-Fläschchen als Skyline herhalten muss und die Geschichte ja generell eher zu vernachlässigen ist. Das Werk dürfte in der Filmgeschichte auch ziemlich einmalig sein und auch wenn ein Streifen wie „Vegas in Space“ die Masse niemals erreichen wird, eine doch sehr schöne Sache.
In einer guten Welt hätte "Vegas in Space" ja schon längst den Kultstatus, den dieser Streifen eigentlich verdienen würde und würde andere Mitternachtsfilme mühelos mit High Heels in Grund und Boden stampfen. Eine Barbarella-eske Musical-Extravaganza mit "Beauty-Booster", fast einem ähm... All-Female-Cast ;) und jeder Menge Witz, Charme und Glamour. Wunderbar überdreht, voller Ideen und allerlei Verrücktheiten merkt man den mehrjährigen Entstehungsprozess dem Werk auch gar nicht an. Schade nur, dass Doris Fish die Premiere ihres mit-initiierten Filmes nicht mehr erleben konnte. Sie hätte es geliebt. "Vegas in Space" ist und bleibt wohl mein liebster Underground-Streifen...und der bunteste!

Hedwig and the Angry Inch

02.jpg
02.jpg (47.11 KiB) 216 mal betrachtet
„Hedwig and the Angry Inch“ ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher Streifen. Von der Bühne auf die Leinwand ist Hedwig vor allem sehr grell und nicht gerade liebenswert. Hinter der schützenden Fassade voller auftoupierter Haare und tonnenschwerem Make-Up ist die Kunstfigur aber ein Mensch mit tragischer Vergangenheit, der Gefühle über Musik kommuniziert und erst zu sich selbst finden muss, um inneren Frieden zu erlangen muss. Mit viel Wut und Stinkefinger gegen das Establishment bietet der Streifen mit seinem dokumentarischen Inszenierungs-Stil auch viel Punk und Gitarren, hübsche Kostüme und eine dramatische Geschichte, die mit Humor entschärft wird. Ein wilder Ritt ist „Hedwig and the Angry Inch“ aber trotzdem und bringt mit „Drag“ und „Punk“ auch Dinge zusammen, die man wohl nicht so schnell miteinander verbinden würde. Ob es einem gefällt oder nicht – „wether you like it or not“ – ist Hedwig aber nun einmal da und ist auch nicht bereit Zurückhaltung zu üben oder ihren Kultstatus aufzugeben. Hedwig rockt (noch immer!)

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Fr 12. Jan 2024, 18:53
von jogiwan
To Wong Foo, Thanks For Everything, Julie Newmar

01.jpg
01.jpg (48.94 KiB) 203 mal betrachtet
jogiwan hat geschrieben: Mi 11. Mär 2015, 07:54 Unterhaltsames Märchen über drei New Yorker Drag-Queens, die auf ihrer Reise nach Los Angeles mit ihrem Wagen in einem kleinen Dorf landen und mit ihrer gewinnend-forschen Art die Bewohner des verschlafenen Ortes aus ihrer ruhigen Alltags-Lethargie reißen. „To Wong Foo, Thanks for Everything, Julie Newmar“ hat dabei das Herz am rechten Fleck und präsentiert sich dem Zuschauer als netter Film mit schöner Botschaft und etwaige dramaturgische Klippen werden auf elegante Weise umschifft, sodass kaum etwas die positive Grundstimmung des Filmes trübt. Wesley Snipes in Frauenkleider zu stecken ist ja schon ein gewagtes Unterfangen, aber es funktioniert und neben vielen kleinen Anspielungen und bekannten Gesichtern wie RuPaul und Naomi Campell ist der 1995 entstandene Streifen eine „Culture-Clash“-Komödie der etwas anderen Art und ein waschechtes „Feel-Good“-Movie, bei der sich die gute Laune auch auf den Zuschauer überträgt.
Wenn man schon eine Drag-Woche macht, dann darf auch "To Wong Foo" natürlich nicht fehlen. Nettes Feelgood-Movie, dass man heutzutage wohl aufgrund grassierender Wokeness-Manie auch nicht mehr so bringen könnte. Drei Hetero-Schauspieler als Drag-Queens und -Princesses in Frauenkleidern mischen einen verschlafenen Ort auf farbenfrohe Weise auf und haben auch den Toleranz und Akzeptanz im Schlepptau. Der Film ist zwar nicht perfekt, aber ein hübsches Zeitdokument und ich mag den einfach, auch wenn mir die australische Vorlage "Priscilla" als kantigere Produktion eigentlich näher sein müsste.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 14. Jan 2024, 19:05
von jogiwan
The Curse of the Queerwolf

01.jpg
01.jpg (36.82 KiB) 190 mal betrachtet
jogiwan hat geschrieben: Mo 3. Aug 2015, 10:46 Herrlich überdrehte und liebenswert originelle Horror-Komödie von Mark „Nudist Colony of the Dead“ Pirro, der hier auf lustige Weise Werwolf-Mythen und große Genre-Vorbilder persifliert. Der Start des Low-Budget-Werks ist ja eher etwas mau, aber nach ein paar Minuten entwickelt sich „Curse of the Queerwolf“ zu einer überraschend unverklemmten Angelegenheit, mit einem erfrischend bösartigen Humor, das auch stets die Lacher auf seiner Seite hat. Nach dem Biss des „Queerwolfs“ kommt der sympathische und sehr „straighte“ Larry ja in Teufels Küche und als er das erste Mal ohne Erinnerung mit schmerzenden Hintern in der Herrensauna aufwacht, ist auch bei dem besonnenen Mann ordentlich Feuer am Dach. Alles hübsch augenzwinkernd und ohne Vorurteile in Szene gesetzt überzeugt auch die erste große Verwandlung, die in bester „American Werewolf“-Manier daherkommt und am Ende gibt es sogar ein richtiges Werwolf-Massaker mit Schenkelklopfer-Garantie. Schade nur, dass die Qualität des Low-Budget-Streifens so bescheiden daherkommt, denn mit etwas mehr Budget wäre der Streifen wohl der ganz große Partykracher geworden. Aber auch so ist „Curse of the Queerwolf“ eine überraschend kurzweilige und witzige Angelegenheit, der wohl auch als Inspiration für die Chillerama-Episode „I was a Teenage Werbear“ herhalten musste.
Wie kann es sein, dass so viele "Hetero"-Männer irgendwann in Schwulensaunen und öffentlichen WCs bei Pfui-Handlungen erwischt werden. "Curse of the Queerwolf" liefert eine lustige, wie augenzwinkernde Erklärung dazu und macht sich dabei nicht nur über das Genre, sondern auch Filme wie "Beim Sterben ist jeder der Erste" und "Der Exorzist" lustig. Der Streifen ist zwar leider etwas harmlos, aber zumindest sehr unterhaltsam mit jeder Menge schräger Ideen. Ich hoffe ja immer noch auf eine Pirromount-Box, die das Schaffen des Regisseurs mal in annehmbarer Qualität präsentiert.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 15. Jan 2024, 19:36
von jogiwan
Hairspray

01.jpg
01.jpg (13.53 KiB) 179 mal betrachtet
jogiwan hat geschrieben: Mi 12. Mai 2021, 06:38
jogiwan hat geschrieben: Di 24. Jun 2014, 07:17
jogiwan hat geschrieben:Beschwingter Mix aus Komödie, Drama und Musikfilm, wobei hier die Swingin Sixties auch ausgiebig zelebriert werden. Zwischen den unzähligen Tanznummern und der vielen Musik gibt es auch noch eine Geschichte über ein dickes Mädchen im Kampf gegen Rassismus und sonstige Vorurteile im Baltimore der Sechziger-Jahre. Alles hübsch und nicht immer geschmackvoll in Szene gesetzt, macht der Streifen aber auch dank der bekannten Gesichter durchaus Spass, auch wenn er nicht mehr mit dem subversiven Frühwerken von Waters vergleichbar ist. Unser Freudstein hätte sicher eine Freude am Soundtrack und auch ich war bei der Sichtung durchaus angetan... aber wo hab ich bloss schon wieder meinen Toupier-Kamm?
Auch die Zweitsichtung hat daran nicht viel verändert. Netter Film über ein aufgedrehtes Mädel im Kampf gegen Vorurteile mit viel 60ies-Charme, bekannten Gesichtern und noch mehr Musik.
Sicher nicht mein Lieblingsfilm von John Waters und hier ist auch alles sehr gemäßigt, aber es wird auf der anderen Seite auch humorvoll mit Vorurteilen und Rassismus abgerechnet. Die Fünfziger sind aber trotzdem nicht mein Jahrzehnt.
Warum schaue ich den eigentlich so oft? Naja, zumindest ein, zwei Divine-Filme müssen in der Drag-Woche schon sein und mit "Pink Flamingos" will
ich ja niemanden verschrecken. "Hairspray" ist nett und unterhaltsam, aber kein Vergleich zum restlichen Output von meinem Lieblings-Johny.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 16. Jan 2024, 19:56
von jogiwan
Hellbent

01.jpg
01.jpg (35.12 KiB) 170 mal betrachtet
jogiwan hat geschrieben: So 21. Mär 2021, 08:00 Auch zehn Jahre nach meiner ersten Sichtung ist „Hellbent“ eigentlich noch immer kein sonderlich guter Film, sondern ein mittelmäßiger schwul angehauchter Slasher um eine Handvoll Freunde, die zu Halloween auf Partys gehen und in das Visier eines mysteriösen Killers geraten. Dazu hat der Streifen zweitweise durchaus eine gelungene Atmosphäre und nimmt sich selber nicht so ernst, aber leider hat der muskulöse Mörder mit Teufelsmaske und Sichel scheinbar kein Motiv und auch keine Backstory. So bleibt „Hellbent“ auch wie eine Nummernrevue mit ein bissl hedonistischen Gay-Lifestyle, etwas Romantik und ein paar abgetrennten Köpfen. Hier hätte man sicher vieles besser machen können, aber auch vieles schlechter. Herausgekommen ist ein Streifen, der sich recht mittelprächtig präsentiert und sich auch zu sehr auf die Attraktivität seiner Darsteller und die schwule Kiste, als auf die Originalität seiner Geschichte verlässt. Letzteres ist auch leider irgendwie so gar nicht vorhanden.
Wieder einmal "Hellbent" geschaut und der Streifen ist immer noch durchschnittlich, kurz und mit viel nackter Männerhaut und Sichelmörder. Aber irgendwie auch unterhaltsam und halt auch mal mit "Final Boy" statt Girl und jeder Menge seltsamer Momenten in einer sehr oberflächlichen Umgebung. Die Welt würde ja eigentlich noch viel mehr schwule Slasher benötigen, dann müsste ich auch nicht ständig den hier gucken. :pfeif:

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mi 17. Jan 2024, 19:33
von jogiwan
Pink Flamingos

01.jpg
01.jpg (76.18 KiB) 159 mal betrachtet
jogiwan hat geschrieben: Sa 15. Mai 2021, 07:34 Über „Pink Flamingos“ braucht man ja eigentlich nicht mehr viel Worte verlieren. John Waters‘ Frontalangriff auf die Befindlichkeiten der Zuschauer lässt nichts aus, was den Zuschauer verstört und zeigt Abartigkeiten am laufenden Band. Normalerweise ist so ein Unterfangen ja eigentlich schon von Vornherein zum Scheitern verurteilt, aber der gute John und seine Darsteller ziehen das beinhart und ohne Rücksicht auf Verluste durch. Beim Wettkampf um den Titel der anrüchigste Peron der Welt darf man sich dann auch keinen Kindergeburtstag erwarten und einige Szenen schießen auch völlig übers Ziel hinaus. Der Zuschauer muss oder kann das auch nur mit Humor nehmen, ansonsten wäre der verstörende Streifen schlicht unerträglich. Unglaublich, was mit genügend Drogen, jugendlichen Überschwang und Mut zur Hässlichkeit so alles möglich ist. Herausgekommen ist ein brachiales Underground-Werk voller Scheußlichkeiten und ein Streifen, der nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet, sondern gleich mit der Planierraupe niederwalzt.
Man weiß ja gar nicht wo man anfangen soll, aber "Pink Flamingos" ist ja so herrlich funktional und verstört den Zuschauer mit allerlei Geschmacklosigkeiten, die einem auch fünfzig Jahre nach Erscheinen immer noch die Kinnlade runterklappen lassen. Was hier dem Zuschauer präsentiert wird, ist nichts anderes als der sprichwörtliche Popo ins Gesicht und Stinkefinger Richtung Zensur und konservative Befindlichkeiten. Gleichzeitig ist der Streifen aber auch so offensiv Krawall-lustig, dass man ihm gerne verzeiht, dass er doch des Öfteren die Grenzen des Zulässigen überschreitet. Von Sex, Drogen, Drag, Exhebitionismus, Kannibalismus bis hin zum Mord wird hier auch einfach nichts ausgelassen und die Schlussszene hat - Scheisse nochmal - Filmgeschichte geschrieben. Ein neunzigminütiges Pfui auf Celluloid, dass seinesgleichen sucht.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Do 18. Jan 2024, 19:33
von jogiwan
Female Trouble

01.jpg
01.jpg (32.18 KiB) 151 mal betrachtet
jogiwan hat geschrieben: Mo 3. Sep 2018, 07:10 Ich weiß ja nicht, ob John Waters damals schon visionär die aktuelle Medienlandschaft mit ihren Trash-Sternchen im Sinn hatte, als er im Jahr 1974 die spektakuläre „Karriere“ der Dawn Davenport in „Female Trouble“ verfilmte. Auch Dawn hat zwar keine Ausbildung und noch weniger Talent, dafür aber umso weniger Hemmungen und moralische Grenzen um berühmt zu werden und in die Geschichte Amerikas einzugehen. In mehreren Episoden aus den Jugendtagen, den Ehejahren bis hin zur fatalen Begegnung mit einem ambitionierten Pärchen, dass Kunst und Schönheit auf ein nächstes Level stellen möchte, zeigt „Female Troube“ auf stets völlig jenseitige und haarsträubende Weise eine Erfolgsgeschichte der etwas anderen Art, die geradewegs am elektrischen Stuhl endet. Dabei mag der Nachfolger von „Pink Flamingos“ nicht mehr ganz so abgeschmackt und hat auch weniger episodenhafte Ereignisse, aber zartbesaiteten Gemütern wird das Geschehen hier wohl ebenfalls zu viel des Guten sein. Da werden im Ehebett die Kombizange ausgepackt, Gesichter mit Säure verätzt, Kinder mit der Autoantenne erzogen und unliebsame Feinde kurzerhand zur Unterhaltung in den Vogelkäfig gesteckt. Aber alles stets auf so unterhaltsame und überdrehte Weise und dem Hinterteil in Richtung Publikum, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Dass ein Label wie Criterion aber so etwas wie „Female Troubles“ dann noch wunderbar restauriert als Special Edition herausbringt, hätte sich wohl auch der Regisseur am Anfang seiner Karriere aber nicht träumen lassen. Super!
"Female Troubles" ist und bleibt mein Lieblings-Waters voller ikonischer Momente und erinnerungswürdigen Dialogen wie "Nice girls don't wear cha cha heels!" oder auch "The world of the heterosexual is a sick and boring life" und als Persiflage auf Schönheitswahn und Jugendkult auch sonst kaum etwas auslässt. So muss Underground sein und ein Frontalangriff auf moralische Befindlichkeiten. Dass "Female Trouble" auch noch ungemein unterhaltsam ist, soll aber auch nicht verschwiegen werden. Grell, laut und mit Glitter - Liquid Eyeliner forever!