Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci
Verfasst: Mi 4. Jan 2012, 14:49
Respekt! Eine höchst detaillierte, wohlformulierte und ausführliche Kritik steht nun gegen deine sonst üblichen Kurzkommentare. Eine neue Welt tut sich auf
European Genre Cinema
https://www.deliria-italiano.org/phpbb/
Besten Dank!!!buxtebrawler hat geschrieben:Wow, irrsinnig gelungene Kritik, Herr Daly.
Mach ich doch... Man sondiere die Partnerseiten...buxtebrawler hat geschrieben:Sie sollten so etwas öfter schreiben!
Oje, das sieht ja mehr nach PLAY MOTEL, als nach NYR aus...Reinifilm hat geschrieben:Das etwas kitschige polnische Plakat:
Marcus Daly hat geschrieben: Und der arrogante Dr. Davis wiederum betrachtet den Fall als eine reine intellektuelle Übung, bei der er mal wieder seine von ihm selbst als überragend bezeichnete Intelligenz beweisen kann. Dabei ist es schon wieder komisch, wie Dr. Davis stets von seinen eigenen schmalen Einsichten begeistert ist, obwohl er nie etwas wirklich Entscheidendes zur Lösung des Falls beiträgt.
Auch der oft erhobene Vorwurf von Fulcis starker Misogynie wird selbst von der in THE NEW YORK RIPPER schnell abgeschlachteten Zora Kerova zurückgewiesen. Wie die Schauspielerin in ihrem Interview auf der Special Edition von Blue Underground sagt, schien der Regisseur mehr eine Wut auf die gesamte Menschheit zu haben. Aber selbst dieser Eindruck habe sich bei ihr schnell gelegt, als sie ihn näher kennengelernt habe. Wie dem auch sei, natürlich ist es sehr verkürzt gedacht, wenn man jeden Film, in dem Gewalt gegen Frauen gezeigt wird, gleich als misogyn brandmarkt. Denn dann wäre ja z.B. auch jeder Dokumentarfilm, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt misogyn.
Und auch, wenn die Frauen in THE NEW YORK RIPPER auf den ersten Blick niedergemetzelt werden, weil sie bekommen, was sie (in den Augen der Männer im Film) verdienen, so sind es hier in Wirklichkeit doch immer die Männer, welche die wahren Übeltäter sind. So erscheint z.B. die als Besucherin der Live-Sex-Show eingeführte Jane Forrster Lodge zunächst als reine Nymphomanin. Dann zeigt sich jedoch, dass sie ein zwar bizarres, jedoch beidseitiges, Arrangement mit ihrem Ehemann verbindet. Und spätestens, als die drei Latinos in der Spelunke ihre Geilheit ausnutzen, um sich über sie lustig zu machen, tut sie einem dann doch eher leid.
Auch dies ist eine der Szenen, die einem gerade als männlichen Zuschauer wahrscheinlich eher nicht gefallen wird. Denn hier setzt Fulci uns den Spiegel vor und macht klar, dass all das zum Teil abartige Geschehen nur deshalb vor uns abläuft, weil wir es so sehen wollen. Und so ist THE NEW YORK RIPPER auf der einen Seite ein sehr derber, dunkler und auch blutrünstiger Exploitation-Film geworden, der jedoch zugleich als eine ätzende Gesellschafts- und sogar auch als eine versteckte Medienkritik gelesen werden kann. (9/10)
@ tenebrarum:tenebrarum hat geschrieben: Ich finde Deine Ausführungen durchaus interessant und zumeist zutreffend. Und im Fall von Dr. Davis auch sehr amüsant. Ich beschäftige mich seit einiger Zeit recht intensiv mit dem Film, da ich an einem längeren Text zum Thema arbeite. In zwei Dingen muss ich Dir widersprechen. Der Film ist durchaus von einer ausgesuchten Misogynie; übrigens hat Fulcis Drehbuchautor Dardani Sacchetti Fulcis starke Frauenfeindlichkeit in einem Interview bestätigt. (...)
Was Jane Lodge (Alexandra Delli Colli) angeht ... bei mir löst die nicht so viel Empathie aus. Sie ist - und das haben Männer und Frauen in der Welt des New York Ripper gemein - einfach nicht sympathisch gezeichnet. Das macht es schwer, sich emotional auf den Film und seine Figuren einzulassen, aber das ist der Preis, den Regisseur und Drehbuchautoren und nicht zuletzt die Zuschauer zahlen müssen bei einem Film, der uns in eine derart dreckige, hoffnungslose, gleichgültige Welt entführt.
Und nun zu unseren puerto-ricanischen Freunden Chico und Morales:). Stimmt, die Szene ist UNANGENEHM. (...) ABER: In meinem Fall zumindest nicht, weil ich dabei in einen Spiegel sehe. Und die Szene macht mir NICHT klar, dass ich DASS sehen wollte:). Diesen Effekt könnten sicherlich die Tötungsszenen haben, und da muss man (oder besser KANN man) sich wirklich fragen, warum man sich dem nicht nur aussetzt, sondern ... Wir wissen alle, dass ein Film wie "Lo squartatore di New York" wegen genau dieser Szenen angesehen wird. (...)