Re: Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien - Aldo Lado
Verfasst: Sa 21. Sep 2013, 21:12
„Sag bloß, du bist noch Jungfrau!?“
Anmerkung: Es ist mir unmöglich, über diesen Film spoilerfrei zu berichten. Im Zweifelsfall bitte nicht weiterlesen.
Nachdem der italienische Regisseur Aldo Lado mit „Malastrana“ und „The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“ ein Horror-Meisterwerk und einen gelungenen Giallo geschaffen hatte (sowie einige weitere Filme, die es anscheinend nie zu einer deutschen Fassung brachten), beackerte er im Jahre 1975 mit „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“ das von Wes Craven mit „The Last House on the Left“ initiierte „Rape'n'Revenge“-Subgenre.
Die Studentinnen Lisa (Laura D'Angelo, „Der tödliche Kreis“) und Margaret (Irene Miracle, „Inferno“) wollen die Weihnachtsferien in Verona verbringen und reisen von München aus mit dem Nachtzug. In Innsbruck müssen sie umsteigen und werden fortan von den Soziopathen Teppista (Flavio Bucci, „Suspiria“) und Curly (Gianfranco De Grassi, „Gunman“) sowie einer mondänen Dame (Macha Méril, „Profondo Rosso“), die zuvor ihre Vergewaltigung durch Teppista auf der Zugtoilette sichtlich genoss und sich daraufhin den Kriminellen anschloss, terrorisiert. Lisa und Margaret müssen sadistische Spiele und Vergewaltigungen über sich ergehen lassen. Lisa verblutet schließlich und Margaret stirbt, als sie sich verzweifelt aus dem Zugfenster wirft. Doch in Verona trifft das Trio auf Lisas Eltern (Marina Berti, „Der Tod trägt schwarzes Leder“ und Enrico Maria Salerno, „Das Syndikat“), die dort die beiden Mädchen abholen wollten...
„Niemand von uns hat Schuld daran! Solche Dinge passieren eben!“
Mit „Rape'n'Revenge“-Filmen ist das so eine Sache. War Cravens von Ingmar Bergmans „Jungfrauenquelle“ inspirierter Genre-Pionier ein nihilistischer Schocker, der auf beunruhigende Weise menschliches Gewaltpotential verdeutlichte und moralische Fragen stellte, und ist es auch nicht uninteressant, wie z.B. in „I Spit on Your Grave“ eine Frau in der Rolle der Rächerin zu sehen, so können einfache Nachzügler und Plagiate schnell recht unoriginell wirken und unter ihrer Vorhersehbarkeit leiden. Zudem fallen diese Filme oft den Vorwürfen anheim, niedere Instinkte zu bedienen und Misshandlungen/Vergewaltigungen exploitativ auszuschlachten. Aldo Lado orientiert sich zwar recht eng an Cravens Original, versucht sich jedoch, zwischen eben beschriebene Gefahren hindurchzuschlängeln. In Deutschland zu Bildern bundesrepublikanischer Einkaufsstraßen zur Weihnachtszeit beginnend, mischt Lado die beiden rüpelhaften Verbrecher auf ihrer Flucht vor der Polizei unter Bahnreisende in einem gut besetzten Zug, in dem sich auch die beiden Protagonistinnen neben einer ganzen Reihe anderer Reisender befinden, von denen eine Menge grob skizziert werden – unabhängig davon, welche Bedeutung sie für den weiteren Verlauf haben werden.
Teppista und Curly werden von Flavio Bucci und Gianfranco De Grassi sehr charakteristisch und nicht unglaubwürdig verkörpert. Teppista ist ein schmieriger, notgeiler Typ, der gern Frauen erniedrigt, Curly ein Junkie mit irrem Blick. Der besondere Coup des Drehbuchs ist jedoch die von Macha Méril gespielte namenlose Frau, dich sich nach außen hin vornehm und elegant gibt, in deren Inneren es vor schmutzigen sadistischen Phantasien jedoch nur so zu brodeln scheint. Im Gegensatz zu den beiden „Herren“ sieht man ihr ihre Verruchtheit nicht an, dabei ist es sie, die den Sadismus der beiden in Bahnen lenkt und auf die Studentinnen fokussiert. Sie gibt die Anweisungen, die ausgeführt werden, macht sich jedoch nicht selbst die Finger schmutzig. Damit hat „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“ sein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Vorbild und weiß auch, damit umzugehen. Während der nächtlichen Bahnfahrt entsteht eine Art klaustrophobischer Kammerspiel-Atmosphäre, ein Gefühl der Ausgeliefertheit und der Nichtexistenz moralischer Grenzen auf Seiten der Peiniger. Als erschreckendes Beispiel für bürgerlichen Opportunismus wird schließlich ein weiterer Passagier (Franco Fabrizi, „Killer Cop“) eingeführt, der zunächst heimlich die Misshandlungen beobachtet, nach seiner Entdeckung jedoch anscheinend dankbar der Aufforderung zur Vergewaltigung Folge leistet, um sich anschließend schnell wieder aus dem Staub zu machen, ohne weitere Schritte einzuleiten. Die Quälereien der Mädchen werden gegengeschnitten mit Bildern der gutbürgerlichen Weihnachtsfeier von Lisas Familie, die auf leider recht plumpe Weise zu wohlhabenden Gutmenschen stilisiert wird.
Das Finale fällt nach langem Verharren in einer für den Zuschauer unerträglichen Situation, in der Lisas Familie nicht ahnt, dass die Mädchen tot sind und dass ihre Mörder ihnen gegenübersitzen, genretypisch brutal und konsequent aus, lässt als entscheidenden Kniff jedoch die vermeintlich feine Dame überleben, die weder als Mittäterin erkannt noch enttarnt wird und zu allem Überfluss auch noch die weinende Mutter tröstet. Diese besonders fiese Pointe lässt das Publikum mit seinen nun also nicht komplett befriedigten Rachegelüsten allein zurück und erklärt, dass sich das Böse nur gut genug zu kaschieren braucht, um ungeschoren davon zu kommen. Davon, dass Lado in möglichst wenig ausschlachterischer, effekthascherischer Weise dieses Ziel erreichen wollte, darf durchaus ausgegangen werden, denn er verzichtete der Thematik zum Trotz komplett auf Nacktheit seiner Schauspieler und überließ den Großteil der Misshandlungen der Mädchen dem Dunkel oder dem Off respektive der Phantasie es Zuschauers, explizite Visualisierungen der Verbrechen sucht man vergebens. Erst als es den Tätern an die Kragen geht, wird Lado grafisch offensiver.
Nach dem sehr schwülstigen und erneut recht plump die Handlung kontrastieren sollenden Titellied entpuppt sich Ennio Morricones Mundharmonika-Soundtrack als ein Höhepunkt des Films und kitzelt in vielen Momenten erst so richtig die gewünschte Stimmung heraus. Glanzpunkten wie diesen steht jedoch eine zeitweise etwas behäbige Erzählweise gegenüber, die nicht ohne Streckszenen auskommt. Nichtsdestotrotz ein wirklich guter Vertreter seiner Zunft, der sich auf interessante Weise zwischen Anspruch und Konvention bewegt, berührt und, wie ich gerade feststelle, länger nachwirkt, als zunächst vermutet.
Anmerkung: Es ist mir unmöglich, über diesen Film spoilerfrei zu berichten. Im Zweifelsfall bitte nicht weiterlesen.
Nachdem der italienische Regisseur Aldo Lado mit „Malastrana“ und „The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“ ein Horror-Meisterwerk und einen gelungenen Giallo geschaffen hatte (sowie einige weitere Filme, die es anscheinend nie zu einer deutschen Fassung brachten), beackerte er im Jahre 1975 mit „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“ das von Wes Craven mit „The Last House on the Left“ initiierte „Rape'n'Revenge“-Subgenre.
Die Studentinnen Lisa (Laura D'Angelo, „Der tödliche Kreis“) und Margaret (Irene Miracle, „Inferno“) wollen die Weihnachtsferien in Verona verbringen und reisen von München aus mit dem Nachtzug. In Innsbruck müssen sie umsteigen und werden fortan von den Soziopathen Teppista (Flavio Bucci, „Suspiria“) und Curly (Gianfranco De Grassi, „Gunman“) sowie einer mondänen Dame (Macha Méril, „Profondo Rosso“), die zuvor ihre Vergewaltigung durch Teppista auf der Zugtoilette sichtlich genoss und sich daraufhin den Kriminellen anschloss, terrorisiert. Lisa und Margaret müssen sadistische Spiele und Vergewaltigungen über sich ergehen lassen. Lisa verblutet schließlich und Margaret stirbt, als sie sich verzweifelt aus dem Zugfenster wirft. Doch in Verona trifft das Trio auf Lisas Eltern (Marina Berti, „Der Tod trägt schwarzes Leder“ und Enrico Maria Salerno, „Das Syndikat“), die dort die beiden Mädchen abholen wollten...
„Niemand von uns hat Schuld daran! Solche Dinge passieren eben!“
Mit „Rape'n'Revenge“-Filmen ist das so eine Sache. War Cravens von Ingmar Bergmans „Jungfrauenquelle“ inspirierter Genre-Pionier ein nihilistischer Schocker, der auf beunruhigende Weise menschliches Gewaltpotential verdeutlichte und moralische Fragen stellte, und ist es auch nicht uninteressant, wie z.B. in „I Spit on Your Grave“ eine Frau in der Rolle der Rächerin zu sehen, so können einfache Nachzügler und Plagiate schnell recht unoriginell wirken und unter ihrer Vorhersehbarkeit leiden. Zudem fallen diese Filme oft den Vorwürfen anheim, niedere Instinkte zu bedienen und Misshandlungen/Vergewaltigungen exploitativ auszuschlachten. Aldo Lado orientiert sich zwar recht eng an Cravens Original, versucht sich jedoch, zwischen eben beschriebene Gefahren hindurchzuschlängeln. In Deutschland zu Bildern bundesrepublikanischer Einkaufsstraßen zur Weihnachtszeit beginnend, mischt Lado die beiden rüpelhaften Verbrecher auf ihrer Flucht vor der Polizei unter Bahnreisende in einem gut besetzten Zug, in dem sich auch die beiden Protagonistinnen neben einer ganzen Reihe anderer Reisender befinden, von denen eine Menge grob skizziert werden – unabhängig davon, welche Bedeutung sie für den weiteren Verlauf haben werden.
Teppista und Curly werden von Flavio Bucci und Gianfranco De Grassi sehr charakteristisch und nicht unglaubwürdig verkörpert. Teppista ist ein schmieriger, notgeiler Typ, der gern Frauen erniedrigt, Curly ein Junkie mit irrem Blick. Der besondere Coup des Drehbuchs ist jedoch die von Macha Méril gespielte namenlose Frau, dich sich nach außen hin vornehm und elegant gibt, in deren Inneren es vor schmutzigen sadistischen Phantasien jedoch nur so zu brodeln scheint. Im Gegensatz zu den beiden „Herren“ sieht man ihr ihre Verruchtheit nicht an, dabei ist es sie, die den Sadismus der beiden in Bahnen lenkt und auf die Studentinnen fokussiert. Sie gibt die Anweisungen, die ausgeführt werden, macht sich jedoch nicht selbst die Finger schmutzig. Damit hat „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“ sein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Vorbild und weiß auch, damit umzugehen. Während der nächtlichen Bahnfahrt entsteht eine Art klaustrophobischer Kammerspiel-Atmosphäre, ein Gefühl der Ausgeliefertheit und der Nichtexistenz moralischer Grenzen auf Seiten der Peiniger. Als erschreckendes Beispiel für bürgerlichen Opportunismus wird schließlich ein weiterer Passagier (Franco Fabrizi, „Killer Cop“) eingeführt, der zunächst heimlich die Misshandlungen beobachtet, nach seiner Entdeckung jedoch anscheinend dankbar der Aufforderung zur Vergewaltigung Folge leistet, um sich anschließend schnell wieder aus dem Staub zu machen, ohne weitere Schritte einzuleiten. Die Quälereien der Mädchen werden gegengeschnitten mit Bildern der gutbürgerlichen Weihnachtsfeier von Lisas Familie, die auf leider recht plumpe Weise zu wohlhabenden Gutmenschen stilisiert wird.
Das Finale fällt nach langem Verharren in einer für den Zuschauer unerträglichen Situation, in der Lisas Familie nicht ahnt, dass die Mädchen tot sind und dass ihre Mörder ihnen gegenübersitzen, genretypisch brutal und konsequent aus, lässt als entscheidenden Kniff jedoch die vermeintlich feine Dame überleben, die weder als Mittäterin erkannt noch enttarnt wird und zu allem Überfluss auch noch die weinende Mutter tröstet. Diese besonders fiese Pointe lässt das Publikum mit seinen nun also nicht komplett befriedigten Rachegelüsten allein zurück und erklärt, dass sich das Böse nur gut genug zu kaschieren braucht, um ungeschoren davon zu kommen. Davon, dass Lado in möglichst wenig ausschlachterischer, effekthascherischer Weise dieses Ziel erreichen wollte, darf durchaus ausgegangen werden, denn er verzichtete der Thematik zum Trotz komplett auf Nacktheit seiner Schauspieler und überließ den Großteil der Misshandlungen der Mädchen dem Dunkel oder dem Off respektive der Phantasie es Zuschauers, explizite Visualisierungen der Verbrechen sucht man vergebens. Erst als es den Tätern an die Kragen geht, wird Lado grafisch offensiver.
Nach dem sehr schwülstigen und erneut recht plump die Handlung kontrastieren sollenden Titellied entpuppt sich Ennio Morricones Mundharmonika-Soundtrack als ein Höhepunkt des Films und kitzelt in vielen Momenten erst so richtig die gewünschte Stimmung heraus. Glanzpunkten wie diesen steht jedoch eine zeitweise etwas behäbige Erzählweise gegenüber, die nicht ohne Streckszenen auskommt. Nichtsdestotrotz ein wirklich guter Vertreter seiner Zunft, der sich auf interessante Weise zwischen Anspruch und Konvention bewegt, berührt und, wie ich gerade feststelle, länger nachwirkt, als zunächst vermutet.