Die Bestie mit dem feurigen Atem - Riccardo Freda (1971)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

Moderator: jogiwan

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Maulwurf
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Re: Die Bestie mit dem feurigen Atem - Riccardo Freda (1971)

Beitrag von Maulwurf »

Muscha n Copy and Paste-Fehler als solchen auch erkennen. Aber ich freu mich, wenn ich euch zum Lachen bringen kann :prost:
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)
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jogiwan
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Re: Die Bestie mit dem feurigen Atem - Riccardo Freda (1971)

Beitrag von jogiwan »

Muscha ganz entspannt sehen :prost:
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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karlAbundzu
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Re: Die Bestie mit dem feurigen Atem - Riccardo Freda (1971)

Beitrag von karlAbundzu »

jogiwan hat geschrieben: Di 20. Dez 2022, 06:39 Muscha ganz entspannt sehen :prost:
Und einen Decoder benutzen ;)
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Salvatore Baccaro
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Re: Die Bestie mit dem feurigen Atem - Riccardo Freda (1971)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Nach fast zwei Wochen Magen/Darm-Beschwerden suche ich mir einen Hausarzt in einer Stadt, in der ich noch keinen habe, um ihm mein Leid zu klagen, und der schlägt das Naheliegendste vor: Wir nehmen ihnen erst einmal ein paar Unzen Blut ab, und dann sehen wir mal weiter, ob das Labor irgendetwas herausfindet, was nicht mit einem handelsüblichen Virus erklärt werden kann, und ich kremple meinen Ärmel hoch und die Nadel penetriert meine rechte Armbeuge und später am Tag fällt mir der pochende Schmerz rund um die Einstichstelle auf, und wie er sich nach oben und nach unten ausbreitet, so, als sei mein Arm eine Serviette, die in eine Tasse Scharfe Sauce getunkt worden wäre, und nachts kann ich kaum schlafen, so sehr pocht und wütet es, und am Morgen sieht meine rechte Extremität aus, als ob ich von einer Horde Hooligans zum Gespräch unter Männern gebeten worden wäre, und ich laufe eiligst zur Praxis, und mein neuer Hausarzt in spe sagt: Huch!, und: Puh, das müssen Sie nun aussitzen! Haben Sie etwa nicht zu lange auf die Einstichstelle gedrückt? Da können wir nichts tun!, zumindest sagt er das solange, bis sich die Blutgerinnsel unter der Haut zu Klumpen zusammenfinden, die extern angepikst werden müssen, um sich wieder aufzulösen, und zeitgleich sind die Beschwerden in der unteren Körperhälfte natürlich nicht sang- und klanglos verschwunden, haben sich vielmehr intensiviert, und an einem dieser furchtbaren Abende besehe ich mir zum zweiten Mal Riccardo Fredas Alterswerk L'IGUANA DALLA LINGUA DI FOCO, das ich zuletzt als Teenager in meiner akuten Giallo-Fandom-Phase gesichtet und in überhaupt keiner guter Erinnerung hatte, zu weit weg von Argento, zu weit weg von Bava, zu weit weg von dem, was ich zu diesem Zeitpunkt am italienischen Thriller schätzte, und, was soll ich sagen?, krank und müde und entnervt trifft dieser eigenartige Film einen Nerv in mir, als sei da noch eine Vene, eine metaphysische diesmal allerdings, die nur darauf gewartet hat, punktiert zu werden und in geiler Freude zu platzen.

Gewissermaßen kann man die Metapher noch weitertreiben, denn auch Fredas IGUANA ist ein Film, der mit konventionellen Erzählmustern umspringt wie die Arzthelferinnennadel mit meinem armen Arm: Freda ist schon betagt, als er diesen seinen drittletzten Film dreht, selbst ein Reptil aus Zeiten des italienischen Genrekinos, die längst eingemottet sind, jemand, der am liebsten weiter Mantel-und-Degen-Abenteuer wie in den 40ern und 50ern drehen würde, oder opulente Sandalenfilme mit Schwertkämpfen und Arenaszenen voll Wagenrennen und Gladiatoren und hungrigen Löwen. Doch, wie gesagt, seine Glanzzeiten als Wunderkind der Filone-Industrie sind ein bloßer Traum noch, und seit einigen Jahren muss er sich mit Auftragsarbeiten über Wasser halten, mit Filmen, an denen sein Herz nicht mal halb hängt - kein Wunder, dass er sich für IGUANA unter dem Pseudonym Willy Pareto versteckt, wo er doch eigentlich zumeist Richard Hampton bevorzugt. Tatsächlich ist das Werk derart unausgegoren, dass einen oft der Eindruck beschleicht, da seien zwei oder drei eigenständige Filme wild zusammengeworfen worden. So viele Logiklöcher, unmotivierte Szenen, seltsame Stimmungswechsel, dass es fast all die roten Heringe übertrifft, die Freda auslegt, als befänden wir uns auf einem Fischmarkt, (und die jedes Mal mit einem drolligen Synthie-Aufheulen untermalt werden): Luigi Pistilli als Held taucht erst weit nach 20 Minuten auf, und schnüffelt in Großaufnahmen an Zigarren, was das Drehbuch niemals erklären wird; bei Dialogszenen im Freien (Dublin, immerhin!) schweift das Kameraauge gedankenlos umher, fokussiert irgendwelche Dinge im Bildhintergrund, Passanten, Gebäude, das Interesse verlierend am Fortgang der Handlung; diejenige Person, die als Killer enttarnt wird, taucht zuvor derart selten auf, dass manch Betrachter Schwierigkeiten haben dürfte, sich überhaupt an sie zu erinnern; es gibt höchst dramatische Szenen wie aus einer unter den Schönen und Reichen, jedoch innerlich Verdorbenen angesiedelten Sitcom, es gibt atmosphärische Verfolgungsszenen im schottischen Nebel, es gibt lange Softsexszenen, es gibt mit Pistillis Mutter eine Miss-Marple-Figur, die metareflexiv das (literarische) Krimigenre referenziert, es gibt wahrlich krude, ekelerregende, haarsträubende Splatterexzesse, dass mir, wenn ich nur daran denke, jegliche Spucke im Mund trocknet, puh! (Zumal diese völlig aus heiterem Himmel oftmals kommen, und nichts zu tun haben mit dem sorgsam arrangierten, langsam aufgebauten, stilistisch frappanten Mordsequenzen beispielsweise bei Argento: So, als ob Freda das schnell hinter sich habe bringen wollen - oder, als ob die Gewaltspitzen dem Film erst nachträglich angehängt wurden, denn, ehrlich gesagt, mit der sonstigen elegischen Erzählweise stehen sie ja regelrecht auf Kriegsfuß.)

Disruptives findet sich ja oft und gerne im Italo-Kino, auch bei Freda: Das Rasiermesser, das aus POV-Sicht seinen mörderischen Dienst tut, in LO SPETTRO; das plötzliche Auftauchen eines eingeölten Muskelheros im frühneuzeitlichen Schottland in MACISTE ALL'INFERNO; die sich auf magische Weise wandelnden Lebensdaten auf dem Grab von Prof. Du Grand in I VAMPIRI. Doch in IGUANA wird die Disruption quasi zum integralen Strukturelement - was sie gewissermaßen ad absurdum führt, denn: Wenn in diesem Film nun wirklich gar nichts zusammenpasst, wenn es nicht mal Ansätze von Kohärenz und Homogenität gibt, wo sollen da denn die Brüche herkommen? Um zu brechen, muss ja etwas vorliegen, das gebrochen werden kann, nicht? Es ist wirklich faszinierend, sich von Szene zu Szene durch diesen Film zu hangeln, und festzustellen, wie viele losen Ende er offeriert, wie viele unbehandelten Nahtstellen, wie viele Stränge, die sich im Nichts verlaufen - und es ist heilsam, das Wissen, eine surrealistische Poesie in ihrer vollsten Blüte selbst dort antreffen zu können, wo Du sie am wenigsten erwartest: in einem Giallo aus der dritten Reihe, an den sich niemand mehr erinnern würde, wäre er nicht mit Maestro Freda assoziiert.
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