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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 2. Jul 2011, 00:25
von buxtebrawler
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Craze – Dämon des Grauens
Neals Geschäfte mit afrikanischen Antiquitäten laufen sehr schlecht. Doch im Keller seines Geschäfts betet er zusammen mit einer kleinen Sekte den Götzen des Gottes Chuku an. Eines Abends ermordet Neal dort aus Versehen eine Frau und der Dämonengott nimmt das Blutopfer dankend an und beschert ihm eine große Menge Goldmünzen. Neal fühlt sich fortan dem Dämon verpflichtet und begeht eine ganze Reihe grausamer Ritualmorde...
„Deine demütigen Diener danken dir!“ (welch schöne Alliteration)

Regisseur Freddie Francis’ („Frankensteins Ungeheuer“, „Nachts, wenn das Skelett erwacht“ und etliche Briten-Grusler mehr) 1973er Symbiose aus Horror- und Kriminalfilm „Craze – Dämon des Grauens“ beginnt schon einmal wunderbar trashig: Eine splitternackte exotische Schönheit versucht sich gegenüber einer lächerlichen Holzskulptur mit grünen Glotzaugen in modernem Ausdruckstanz und schlitzt sich anschließend selbst den Bauch auf. Dies sollte ein Opfer für die dämonische Gottheit Chuku (nicht „Craze“, wie der deutsche Titel irrtümlich vermuten lassen könnte) sein, dargestellt durch eben jene Skulptur im Keller des notorisch erfolglosen Antiquitätenhändlers und Sektengurus Neal Mottram (Jack Palance, „Mercenario - Der Gefürchtete“), der dort regelmäßig eigenartige Beschwörungsriten mit einer Gruppe desorientierter Anhänger abhält. Als Mottram jedoch eines Abends aus einem Streit resultierend aus Versehen tatsächlich eine Frau in den Tod schickt, indem sie die unsanfte Begegnung mit den spitzen Zacken der Skulptur nicht überlebt, scheint sich eine Glückssträhne in Mottrams Leben anzubahnen. Nur allzu verständlich, dass er nicht lange fackelt und sich auf die Suche nach weiteren Opfern macht...

Da bleibt natürlich nicht aus, dass die Polizei die Ermittlungen in diesen Mordfällen aufnimmt und bald auf seiner Spur ist. Der Film lässt den Zuschauer fast gleichberechtigt an Mottrams zunehmendem Verfall in seinen Tötungswahn und der Arbeit der Polizei teilhaben, legt dabei einen weniger grafischen, als mehr von den Ideen her kruden Härtegrad an den Tag (Verbrennungen bei lebendigem Leibe...) und setzt statt auf nervenzerreißende Spannung oder tiefe Einblicke in Mottrams Psyche mehr auf eine entspannte, dialogreiche Vorgehensweise, die dabei aber so britisch-charmant und angenehm unaufgeregt ausfiel, dass er mir persönlich an einem faulen Samstagvormittag im Bett gerade recht kam. „Craze“ verfügt über diesen sympathischen Flair, der sich aus Zeit- und Lokalkolorit sowie typischen Zutaten kleiner, britischer Genrefilme zusammensetzt und mit Jack Palance über einen namhaften Hauptdarsteller, der mit seinem eigentlich nicht sonderlich spektakulären Schauspiel den Film deutlich aufwertet. Es macht einfach Spaß, ihm zuzusehen, seinen perfiden Plänen, seinen Vertuschungsversuchen, und natürlich seinen Dialogen mit der Polizei und mit seinem Partner zu lauschen.

Sonderlich viel Tiefgang darf man dabei nicht erwarten, Hintergrundinformationen zum ominösen Dämon bekommt man kaum, leichte Unterhaltung hat Vorrang vor verstörendem Horror, ein bisschen sleazig wird’s hier und da, geschickterweise bleibt es der Phantasie des Zuschauers überlassen, inwieweit Chuku tatsächlich zunächst positive Auswirkungen auf Mottrams Leben hat oder ob es sich um eine Reihe von Zufällen handelt, die eine unersättliche Gier in Mottram auslösen, ähnlich wie bei Suchtkranken – aber ein interessanter Aspekt ist mir dann doch noch aufgefallen: Die angedeutete Homosexualität Mottrams. Er lebt und arbeitet mit einem Jüngling zusammen, den er, wenn ich mich recht entsinne, „von der Straße“ geholt hat, zudem scheint er sich für Frauen ausschließlich in ihrer Rolle als Chuku-Opfer zu interessieren und nicht etwa sexuell, was insbesondere in den köstlichen, komödiantisch angehauchten Szenen mit der drallen Dolly (Diana Dors, „Theater des Grauens“) deutlich wird. Offen ausgesprochen oder gar eindeutig belegt wird seine Homosexualität indes nicht. Spielte man da evtl. mit der in unaufgeklärteren Zeiten verbreiteten Angst vor frauenhassenden Schwulen?

Wie auch immer, mit „Craze“ haben mich Francis, Palance & Co. auf dem richtigen Fuß erwischt, so dass in meine positive Bewertung evtl. bereits der gernzitierte, hoffnungslos subjektive Wohlfühlfaktor eingeflossen ist.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 4. Jul 2011, 22:01
von buxtebrawler
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The Night Flier
Schon lange hat der Reporter Richard Dees (Miguel Ferrer) keine Sensationsstory mehr auf das Titelblatt der Zeitung, bei der er arbeitet, "Inside View", gebracht. Mit seiner Karriere geht es also stark bergab, als sein Chef ihn auf eine Story ansetzt, die ihm wieder zu altem Ruhm verhelfen könnte. In letzter Zeit häufen sich merkwürdige, nächtliche Ereignisse auf kleinen Flugplätzen. Immer wieder finden sich dort Leichen von Angestellten, die mit unerklärlichen Bisswunden versehen sind. Erst als immer mehr dieser Vorfälle ans Tageslicht kommen, übernimmt Dees nach anfänglicher Skepsis den Fall. Er beginnt, die Flugplätze, die schon Schauplatz der Verbrechen wurden, erneut zu untersuchen und sammelt so Informationen über den "Night Flier"...
„Glaub nie, was du veröffentlichst – veröffentliche nie, was du glaubst.“

US-Regisseur Mark Pavias Spielfilmdebüt aus dem Jahre 1997 ist die Verfilmung des gleichnamigen, mir bis dato unbekannten Stephen-King-Stoffs aus dessen Kurzgeschichtensammlung „Alpträume“. Richard Dees (Miguel Ferrer, „RoboCop“) ist ein zynischer Sensationsreporter für das Revolverblatt „Inside View“ und kämpft mit der ambitionierten Nachwuchsjournalistin Katherine „Jimmy“ Blair (Julie Entwisle) um die Story über den „Night Flier“, eine Vampirgestalt, die sich in einer Cessna Skymaster 337 fortbewegt und zahlreiche übel zugerichtete Leichen zurücklässt. Beiden heften sich unabhängig voneinander an dessen Spur…

Pavias Film leidet merklich an einigen Schwächen: Dem handlungsbedingten Mangel an Sympathiepersonen hat man nichts Adäquates entgegenzusetzen, die schauspielerischen Leistungen sind durchschnittlich (die Hauptpersonen) bis mies (Nebenfiguren wie Dees Chef), der ausgedehnte Mittelteil wurde bisweilen recht langweilig gestaltet. Jedoch haben die Maskenbildner ganze Arbeit geleistet und somit einige gelungene Effekte parat, die sich insbesondere im während einer vollends übertrieben dargestellten Gewitternacht (Klischee olé!) manifestieren und ein packendes Finale einläuten, das für vieles entschädigt. Die bösartige Pointe war nämlich in dieser Form nicht unbedingt vorhersehbar und der letztliche Schlusspunkt ist wunderbar zynisch.

Ansonsten hat „The Night Flier“ aufgrund seiner Thematik natürlich eine starke Medienschelte-Schlagseite, sozusagen treffen zwei Blutsauger aufeinander. Das ist alles andere als subtil, weiß aber ebenso so zu gefallen wie so nette Insidergimmicks wie „Inside View“-Schlagzeilen, die allesamt auf andere Erzählungen Kings Bezug nehmen. Macht unterm Strich ein leicht überdurchschnittliches Vergnügen für Genrefreunde, also keinen wirklich guten, aber auch keinen schlechten Film, der in gestraffter Form innerhalb eines Episodenfilms oder als Serienfolge sicherlich eine bessere Figur gemacht hätte.. Ruhig mal antesten.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 5. Jul 2011, 23:58
von buxtebrawler
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Torrente – Der dumme Arm des Gesetzes
José Luis Torrente ist ein Bulle. Zumindest auf dem Papier. Seine Zeit verbringt er damit, Kleinspurganoven zu erpressen, Penner auszurauben und ansonsten jeder Pflicht aus dem Weg zu gehen. Wen verwundert es da noch, dass er sein Bad seit Wochen nicht mehr von innen gesehen hat und außerdem seinen im Rollstuhl hockenden Vater zum Betteln auf die Straße stellt. Aber als er zufällig Zeuge wird, wie ein junger Kellner, der bei seinem Lieblings-China-Restaurant arbeitet, regelrecht hingerichtet wird, wittert Torrente seine Chance. Insbesondere da der junge Chinese in seinen Satteltaschen statt Chop Suey so ein schönes weißes Pulver transportiert hat. Doch so dumm, ganz alleine gegen ein großes Syndikat anzugehen, ist selbst Torrente nicht. Von seinem Chef schon eher abgeschrieben, holt er sich Unterstützung aus der Nachbarschaft. Eine Handvoll Nerds, die jedem hinterherlaufen, der eine Knarre hat und sie damit auch schießen lässt, sind genau die Richtigen für den Job. Zumindest wenn es darum geht, als Kanonenfutter aufzutreten. Als dann noch die süße, dickbusige Fischverkäuferin aus dem Laden unter Torrentes Wohnung entführt wird, ist die Zeit gekommen, endgültig abzurechnen. Nur wer mit wem, das hätte die Truppe um Torrente besser vorher geklärt... (Quelle: Anolis/e-m-s-DVD-Covertext)
„Ich war in der Fremdenlegion! Und im Afrikakorps, da waren wir über Monate in der Wüste! Und da ist es so heiß, dass wir uns Spiegeleier auf der Motorhaube gebrutzelt haben! Und da gab es Skorpione, die uns immer gestochen haben! Wir bekamen Fieber, Typhus, Cholera und selbst Mumps! Und die Araber, waren wie die Franzosen, bloß in schmutzig. Sie haben meinen besten Freund samt seinen Hund gefressen! Haben wir uns beschwert?! Wir haben gewartet, bis sie ihn ausscheißen und dann haben wir ihn beerdigt! Wir haben nie aufgegeben, wir haben nie den Mut verloren - wir waren Helden!“ -- José Luis Torrente

José Luis Torrente ist ein opportunistisches, sexistisches, rassistisches, verlogenes, gewaltgeiles, feiges Ekel – also eigentlich ein ganz normaler Polizist. Doch Zynismus beiseite; er ist ein verschwitzter, dicker Sack, der seinen gebeutelten Mitmenschen grundsätzlich respektlos ins Gesicht grabscht, stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und sogar seinen kranken, alten Vater als Elendsbettler auf die Straße schickt. Er säuft wie ein Loch, pfeift sich Drogen rein und misshandelt Schwächere. In seinem Viertel führt er sich auf wie Don Geilo, kann aber nicht einmal seinen Deckel bezahlen und haust in einer heruntergekommenen Bude. Als „Freund und Helfer“ ist er selbstredend völlig unfähig. Doch eines Tages verguckt er sich nicht nur in die heiße Schlampe, die in seiner Nachbarschaft eingezogen ist, sondern verwickelt sich auch noch in die Geschicke der örtlichen Drogenmafia...

„Torrente“ aus dem Jahre 1998 ist nach einigen Kurzfilmen und einem anscheinend völlig unbekannten Spielfilm-Regiedebüt der erste abendfüllende Film des eigentlich in erster Linie als Schauspieler tätigen Spaniers Santiago Segura (u.a. „El dia de la bestia“), der nicht nur gleichzeitig das Drehbuch schrieb, sondern auch die Hauptrolle übernahm und damit einen wirklich großartigen Antihelden gibt. Sein Film ist eine rotzfreche, anarchische bis schwarze Komödie voller Slapstick, Situationskomik, Wortwitz und Geschmacklosigkeiten, vor allem aber auch satirischem Anspruch, wenn er köstlich gesellschaftliche Fremdenfeindlichkeit und Doppelmoral, zahlreiche Klischees (z.B. aus diversen Polizeifilmen...) und natürlich die Polizei aufs Korn nimmt. Dazu gesellen sich etwas Sleaze und viel Gewalt, eben 100%ig familienuntauglich. Außerdem verfügt „Torrente“ über ein hohes Maß spanischen Temperaments, was nicht zuletzt zu einem hohen Tempo und einer enormen Gagdichte mit trotz einiger Vorhersehbarkeit erstaunlich vielen Treffern führt – ich habe jedenfalls lange nicht mehr so herzhaft bei einer Komödie gelacht.

Torrente ist der personifizierte Unsympath, aber auch die meisten anderen Figuren sind herrlich überdreht und skurril. Man denke nur an das von zuviel Actiongülle degenerierte Muttersöhnchen, das gerne ein zweiter Schwarzenegger oder so wäre und zum Speichellecker Torrentes wird, der später auch noch eine Clique weiterer jugendlicher Vollpfosten um sich scharrt, was für diese natürlich kein gutes Ende nimmt. Unvergessen dabei auch die Szene, als er einer Zappelbude den DJ niederschlägt und richtige Musik auflegt – da wird er mir richtiggehend sympathisch, das hätte ich sein können. Ansonsten kommt man aber aus dem Kopfschütteln und gleichzeitigen Lachen kaum heraus und will unbedingt sehen, welchen Bock Torrente als nächstes schießt, sofern man für diese derbe Art des Humors etwas übrig hat. Sein Charakter vereint vermutlich alle negativen Wesenszüge der spanischen Gesellschaft und eignet sich daher sowohl als Projektionsfläche für den eigenen Unmut über gesellschaftliche Missstände als auch als grober Zerrspiegel seines Publikums, das sich hier und da evtl. wiedererkennen wird.

Torrente und seine „Freunde“ richten eine Menge Chaos an, hinterlassen reichlich verbrannte Erde steuern unaufhaltsam auf ein aberwitziges, actionreiches Finale zu - und wie der lachende Gewinner heißen wird, kann sich wohl jeder denken. Groß-ar-tig! Die ebenfalls auf deutsch erhältliche Fortsetzung muss schnellstens her, denn: „So eine Knarre ist wie ein Schwanz!“

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 6. Jul 2011, 22:32
von buxtebrawler
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Der Mieter
Der stille und unauffällige Trelkovsky (Roman Polanski) bezieht eine Wohnung in einem Pariser Mietshaus, deren Vorbesitzerin aus dem Fenster gesprungen ist und nun in der Klinik liegt. Trelkovsky gefällt die Wohnung, doch schon bald gerät er unter psychischen Druck, als die Mitmieter und der Hauswirt zu versuchen scheinen, ihn dem vorherigen Mieter anzugleichen. Der Verdacht wird zur Psychose...
“Ich habe in den Flur gekackt – vor jede einzelne Tür!”

Nach dem in Schwarzweiß gedrehten „Ekel“ mit der weiblichen Hauptrolle Catherine Deneuve schuf Regisseur Roman Polanski mit „Der Mieter“ nach dem Roman „Le locataire chimérique“ von Roland Topor im Jahre 1976 einen weiteren Psychothriller, in dem eine eigentlich unauffällige Person schizophrenem Wahn verfällt, und übernahm diesmal auch gleich persönlich die Hauptrolle als Trelkovsky.

Trelkovsky ist ein übervorsichtiger und Unsicherheit ausstrahlender Typ, der sich auf Wohnungssuche in Paris befindet. Er findet eine Wohnung, doch wird diese nur frei, weil die Mieterin nach einem Selbstmordversuch schwerverletzt im Krankenhaus liegt und kaum noch Hoffnung für sie besteht. Nach ihrem Tode bezieht Trelkovsky die Wohnung, wird aber von den spießigen bis verschrobenen Nachbarn nicht sonderlich gut aufgenommen und fühlt sich beobachtet. Nach einiger Zeit entwickelt er den Verdacht, dass man ihn in die Rolle der toten Vormieterin hineindrängen, ihn zu ihr machen will…

Tja, als Mieter hat man es, gerade in einer Großstadt, nicht immer leicht. Um sein Grundbedürfnis nach einem Dach über dem Kopf zu befriedigen, ist man von den Gnaden der Wohnungs- und Hausbesitzer abhängig und muss sich häufig bis zur Unkenntlichkeit verstellen, möchte auf dem überstrapazierten Wohnungsmarkt nicht leer ausgehen. Trelkovsky ist sich dessen bewusst und verhält sich daher zurückhaltend und überfreundlich während der Wohnungsbesichtigung. Die unfreundliche Concierge, ein wahrer Drachen, konfrontiert ihn ummittelbar und ohne sonderliche Gefühlsregung mit dem just stattgefundenen Unglücksfall und scheint ihn dabei fast selbst aus dem Fenster stoßen zu wollen. Nachdem er sich mit dem zu allem Überfluss auch noch im gleichen Haus lebenden, knorrigen Vermieter trotz seiner sich als unvorteilhaft erweisenden polnischen Herkunft einig geworden ist, muss er zynischerweise auf ein baldiges Ableben der Vormieterin hoffen, um die Wohnung beziehen zu können.

Trelkovskys Wohnung wirkt nicht unbedingt einladend, eher düster und unbehaglich – passend zum Wahnsinn, der sich hier und um sie herum abspielen wird. Denn begleitet bzw. unterstrichen von einer exzellenten Kameraarbeit, die Trelkovskys aus den Fugen geratende Welt mit einigen optischen Kniffen visualisiert, entwickelt Trelkovsky eine ausgeprägte Paranoia, bis er sich nur von kurzen Momenten der Gegenwehr unterbrochen in seine ihm aus seiner Sicht zugedachten Rolle einfügt, sich als seine Vormieterin verkleidet und schließlich die gleichen verhängnisvollen Entscheidungen trifft.

Damit ist „Der Mieter“ eine Anklage eines das Individuum einengenden, erdrückenden gesellschaftlichen Umfelds, von dem es einerseits abhängig ist, andererseits aber nicht akzeptiert wird – aus oberflächlichen Gründen wie eines „falschen“ Lebensstils, einer körperlichen Behinderung, einer ausländischen Herkunft. Es wäre kaum verwunderlich, hätte der wie seine Figur polnischstämmige Polanski persönliche negative Erfahrungen aus seiner Zeit in Frankreich verarbeitet. Doch „Der Mieter“ hat auch eine starke komödiantische Seite: Trelkovsky ist oft tollpatschig und unbeholfen und sorgt hier und da für kleine Slapstick-Einlagen, viele Gestalten wirken skurril und überzeichnet und einige Situationen wahrhaft grotesk: Als Beispiel sei hier nur sein Arbeitskollege genannt, der in seiner Wohnung bei lauter Marschmusik entspannt und seine sich beschwerenden Nachbarn forsch abkanzelt. Und als Polanski als Trelkovsky in Frauenkleidung schlüpft, sich eine Perücke aufsetzt und Lippenstift aufträgt, wirkt dies auch eher witzig als alles andere. Dadurch erscheint „Der Mieter“ zwar durchaus unterhaltsamer als „Ekel“, aber auch weniger konsequent. Ich habe ohnehin immer so meine Probleme mit der Verquickung komödiantischer Einlagen mit ansonsten ernst angelegten Stoffen, muss hier aber zugeben, dass ein satirisch-parodistisches Element eigentlich die gesamte Laufzeit über mitschwebt.

Den Großteil der Handlung erlebt man aus Sicht Trelkovskys, wodurch auch für den Zuschauer Realität und Wahn verschwimmen und nicht immer eindeutig ist, was sich gerade lediglich in Trelkovskys Psyche abspielt. Eigentlich ein überaus geschicktes Stilelement, jedoch scheint sich mir dadurch eine gewisse Beliebigkeit eingeschlichen zu haben. So entstehen einige Szenen, die überaus bedeutsam erscheinen, aber nicht wieder aufgegriffen bzw. geklärt werden. Was hat es mit dem Zahn in der Wand auf sich? Was machen die Nachbarn, die sich im externen Toilettenraum versammeln? Oder findet all das nur in Trelkovskys Phantasie statt? Wenn ja, wäre das ziemlich profan. Wenn sich die Nachbarn tatsächlich allabendlich im Gemeinschaftsklo treffen, um stumpf und ohne zu versuchen, unerkannt zu bleiben, in Trelkovskys Wohnung zu glotzen, wäre es das allerdings auch. In solchen Momenten erwartet der Zuschauer eine gewitzte Erklärung, einen Aha-Effekt, der leider ausbleibt. Wenn Trelkovsky glaubt, sich physisch auf Leben und Tod mit einem Eindringling in seine Wohnung auseinandergesetzt zu haben, warum berichtet er nach seiner Flucht zu Freundin Stella nicht davon? Ich kann gut damit leben, angehalten zu werden, selbst darüber nachzudenken, inwieweit er Opfer eines Komplotts seiner Nachbarn ist oder seiner derangierten Psyche ist. Sämtliche Ungereimtheiten auf seinen geistigen Zustand zu schieben, ist mir aber zu einfach – evtl. ist meine Erwartungshaltung an einen Polanski aber auch schlicht exorbitant...

Technisch ist „Der Mieter“ zweifelsohne stets auf der Höhe, Polanski ist sicherlich nicht der größte Schauspieler, macht seine Sache aber passabel, andere Figuren bzw. die sie verkörpernden Darsteller bleiben nicht zuletzt aufgrund ihrer pointierten Charakterzeichnungen im Gedächtnis haften und die Machart des Films inkl. seines Detailreichtums mag mich vielleicht nicht auf ganzer Linie überzeugen, erscheint aber ausreichend extraordinär, um sich eine langfristige Präsenz im Hirn des Filmfreunds zu sichern. Geradliniger auf Psychoterror oder eben Unterhaltung ausgelegte Polanskis gefallen mir dann aber doch noch besser.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 7. Jul 2011, 20:44
von buxtebrawler
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Das wilde Auge
Der Journalist Paolo (Philippe Leroy) veranstaltet eine Wüstensafari für eine Gruppe zivilisationsmüder Reicher, eine davon Barbara (Delia Boccardo). Eine Autopanne zwingt die Gruppe durch die Wüste zurückzugehen; eine Extremsituation, die Paolo prompt nutzt, um das menschliche Verhalten in einer solchen auf Film zu bannen. Später reist Paolo mit Barbara nach Vietnam, wo er nach aufregenden Motiven sucht. Um seine Ziele zu erreichen, treibt er seine Beziehung und auch sein Team an immer neue Grenzen... (I.A. von GRANDMASTERminD)
„Die Leute sind masochistisch und sadistisch. Ein Mädchen, das ein Gewehr in Anschlag bringt, erregt ihren Masochismus. Dasselbe Mädchen, hilflos und unbewaffnet, ihren Sadismus. Nicht gute oder schlechte Filme gibt es, sondern nur solche mit oder ohne diesen Nervenkitzel. Und durch diesen Reiz vergessen sie all den Blödsinn in den restlichen 2000 Metern eines Films.“

Italo-Regisseur Paolo Cavaras Drama „Das wilde Auge“ aus dem Jahre 1967 war ganz offensichtlich als Abrechnung mit seinem Kollegen Gualtiero Jacopetti gedacht, mit dem zusammen er sog. Mondofilme drehte, sensationslüsterne Dokumentarfilme von zweifelhaftem inhaltlichen Wert und Wahrheitsgehalt sowie moralisch fragwürdig – quasi die Vorläufer des heutigen Privatfernsehens.

Paolo (Philippe Leroy, „Milano Kaliber 9“, „Nikita“) ist ein ebensolcher Filmemacher und zudem ein zynisches, kaltschnäuziges, sexistisches Zerrbild eines Journalisten. Es beginnt noch relativ harmlos mit gestellten Szenen („Die Wirklichkeit ist langweilig. Lügen wollen die Leute sehen.“), doch für seine sensationellen Realaufnahmen geht er über Leichen, aber auch bis an seine eigenen Grenzen – es scheint, als bewerte er einen gelungenen Film höher als sein eigenes Leben. So wird einem buddhistischen Mönch nahegelegt, sich vor laufender Kamera aus Protest zu verbrennen, wird Einfluss auf ein Erschießungskommando genommen, um möglichst kameragerechte Bilder zu bekommen und begibt er sich in die unmittelbare Nähe einen geplanten Bombenanschlags, um „live dabei“ sein und entsprechendes Filmmaterial einfangen zu können. Während einer Safari lernt er Barbara (Delia Boccardo, „Bratpfanne Kaliber 38“) kennen, die ihm bald verfällt. Paolo übt eine eigenartige Faszination auf die erlebnishungrige, reiche Frau aus und die Beziehung zwischen beiden bietet viel Raum für einen tieferen Einblick in die Gedankenwelt eines desillusionierten Zynikers.

Trotz seiner Thematik ist „Das wilde Auge“ ein ruhig erzählter Film (und kein „Action-Thriller“, wie ein deutsches VHS-Cover glauben machen wollte), der viel Wert auf durchdachte Dialoge legt. Einige davon erscheinen eher mit der groben Brechstange getreu dem Motto „Übertreibung veranschaulicht“ denn mit dem feinen Federkiel geschrieben worden zu sein und sind – zumindest aus heutiger Sicht - dementsprechend plakativ und vorhersehbar, andere ausformulierte Thesen sind aber überraschend interessant und verhelfen Paolos Charakter zu mehr Tiefgang sowie im Optimalfall der Reanimation der grauen Zellen des Zuschauers, will sagen: regen zum Nachdenken an. Fast gänzlich der Abstraktionsfähigkeit des Zuschauers überlassen bleibt hingegen, was genau es ist, das Barbara so sehr zu Paolo hinzieht. Seine Waghalsigkeit und Verwegenheit, die Abwechslung und Action in ihrem langweiligen Luxusleben verspricht? Die Faszination „des Bösen“? Eine masochistische Ader? Oder glaubt sie, unter der rauen Oberfläche einen tief verletzten, vom Leben enttäuschten, sensiblen Mann zu finden, wenn sie nur lange genug danach gräbt? All das steht höchstens irgendwo zwischen den Zeilen geschrieben und eröffnet sich mir vielleicht während einer Zweitsichtung.

Die Gratwanderung, in einem Film, der das kommerzielle Ausschlachten realen Leids kritisiert, nicht selbst (wenn auch nachgestelltes) Leid als unterhaltsame Schauwerte zu präsentieren, gelingt Cavara, indem er die exotischen Drehorte bzw. Kulissen gerade weit genug in den Hintergrund rückt, dass sie ihre atmosphärische Wirkung nicht verlieren und sich in erster Linie seinen Protagonisten widmet. Interessant ist dabei nämlich auch das (Abhängigkeit-)Verhältnis zwischen Paolo und seinem Kameramann bzw. Assistenten. Letzterer hegt immer mehr Zweifel an der Richtigkeit Paolos Handelns, bis es in Vietnam zu einem offenen Konflikt kommt.

In Vietnam wurde das Finale des Films angesiedelt, wo sich Paolos Zynismus mit dem des verbrecherischen Kriegs vermengt bzw. prima ergänzt und ich meine, einen vietnamkriegskritischen Subtext ausgemacht zu haben. Die Pointe ist tragisch, symbolträchtig und kaum vorhersehbar, wird hier aber natürlich nicht verraten.

Cavara gelingt es, Philippe Leroy häufig mit der eigenwilligen Mischung aus Nachdenklichkeit und Leere im Blick in Szene zu setzen, wie sie bei Menschen zu beobachten ist, die wissen, dass sie ihr Handeln eigentlich in Frage stellen sollten, dieses aber nicht wollen oder können. All das geschieht vor einem sehr realen Hintergrund und ist vermutlich auch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Cavaras, hat aber auch heutzutage kaum an Aktualität eingebüßt – auch, wenn keine klassischen Mondofilme mehr gedreht werden. Insgesamt entsteht ein düsteres Bild einer zynischen Welt gepaart mit einer seltsamen, fast schon Endzeit-Romantik, Paolo zieht einen in seine eigenen Abgründe mit hinein. Definitiv ein Film, der einen höheren Bekanntheitsgrad verdient und dessen erneute Sichtung hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lassen wird.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 8. Jul 2011, 18:11
von buxtebrawler
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Katzenmenschen
Die junge Irena kommt aus Serbien nach New York, verliebt sich dort in ihren Kollegen Oliver Reed und heiratet ihn. Die Ehe der beiden wird aber durch Irenas Angst überschattet, daß sie sich beim Geschlechtsakt in eine Raubkatze verwandelt und Oliver zerfetzt. Als dieser Irena daraufhin zu einem Psychologen bringt, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen...
Noch vor seinen Horror- und Mystery-Thrillern „Der Fluch des Dämonen“ und „Ich folgte einem Zombie“ drehte der französischstämmige Regisseur Jacques Tourneur mit „Katzenmenschen“ im Jahre 1942 einen seiner populärsten Filme für Val Lewtons US-amerikanische Produktionsfirma RKO, basierend auf einem Roman von DeWitt Bodeen. Es sollte der Auftakt zu einer mehrteiligen RKO-Horrorreihe sein. Als Low-Budget-Film angelegt, tat Lewton gut daran, Tourneur als Regisseur zu verpflichten, der ein begnadeter Schwarzweiß-Filmer war und mit seinem Gespür für atmosphärische, expressionistische Licht- und Schattenspiele einen sehr stimmigen Film voll sexuell aufgeladener Symbolik schuf, der aus der Budget-Not eine Tugend macht und die Phantasie des Zuschauers anregt.

Denn die ruhig erzählte Geschichte um eine unglückliche Liebe zwischen Oliver Reed (Kent Smith) und der nicht zu lieben fähigen Serbin Irena (Simone Simon), die sich von einem sie bei sexueller Erregung und affektiver Wut in eine reißende Raubkatze verwandelnden Fluch belegt glaubt und ihren Mann daher so lange abweist, bis die Ehe in die Brüche geht, setzt auf keinerlei reißerische Effekte, sondern in erster Linie auf die psychologische Ebene. Der Zuschauer erfährt über einen langen Zeitraum nicht wirklich, ob es sich um Hirngespinste Irenas handelt oder ihre Geschichte der Wahrheit entspricht. Die wenigen Protagonisten des Films werden sehr sorgfältig charakterisiert und wirken wie verunsicherte Figuren in einem düsteren Schattenkabinett. Ihre von des „leiseren“ Schauspiels mächtigen Darstellern verkörperten Emotionen übertragen sich auf den Zuschauer, der bis zum Finale mit ansehen muss, wie sich die Suche nach Erfüllung und Geborgenheit nicht erfüllt, zum Scheitern verurteilt ist. Damit hat „Katzenmenschen“ mehr von einem tragischen Drama denn von einem klassischen Gruselfilm, spricht aber in regelmäßigen Abständen immer wieder das Empfangszentrum der Rezipienten für Phantastisches und Übernatürliches an und bleibt damit stets bedrohlich und unheimlich.

In dieser Hinsicht holt Tourneur also einiges aus den gegebenen Ressourcen heraus. Lediglich das Ende – Romanvorlage hin oder her – hätte meines Erachtens eine weitaus größere Wirkung entfacht, wäre die oben angesprochene Frage nach dem Realitätsgehalt von Irenas Ängsten weiter unbeantwortet geblieben, wäre der Zuschauer also mit der diesbezüglichen Interpretation betraut worden. Oder aber man hätte es sich in den entscheidenden Szenen des Finales nicht ganz so einfach machen und lediglich Schatten an die Wand werfen, sondern sich ein wenig mehr in Sachen Make-up und Masken zutrauen sollen. Dennoch: Ein überaus stilvoller und zurecht als genreprägend angesehener Klassiker des „Horror noir“.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 11. Jul 2011, 18:01
von buxtebrawler
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Katzenmenschen (Remake)
Irena begegnet in New Orleans ihrem Bruder Paul, der ihr erzählt, ihre Familie ist dazu verflucht, sich bei jeder sexueller Erregung in einen todbringenden Panther zu verwandeln. Paul hofft durch seine Schwester vom Fluch der Katzmenschen erlöst zu werden doch er kommt zu Tode. Irena, bisher noch Jungfrau, kann sich dieser Kraft nicht länger entziehen...
US-Regisseur Paul Schraders („Hardcore – Ein Vater sieht rot“, Drehbuch zu „Taxi Driver“) 1982 realisiertes ambitionierte Remake des Jacques-Tourneur-Klassikers aus dem Jahre 1942 setzt anstelle der psychologischen Ebene verstärkt auf visuell-ästhetische Reize, was sich aufgrund der „Horror trifft auf Erotik“-Thematik natürlich anbietet. Die Darstellerriege, u.a. bestehend aus der sinnlichen Nastassja Kinski („Die Braut des Satans“, „Tatort: Reifezeugnis“) und Malcolm McDowell („A Clockwork Orange“, „Caligula“), macht neugierig und Lust auf den Streifen. Für zeitgemäße sowie angenehme musikalische Untermalung sorgen David Bowie, der den Titelsong singt, und Giorgio Moroder mit dem übrigen Score.

Im Gegensatz zum Original ist hier quasi von Beginn an klar, dass die „Katzenmenschen“ Paul (Malcolm McDowell) und Irena (Nastassja Kinski) keinen Hirngespinsten aufsitzen, auch wenn Irena es zunächst nicht wahrhaben will. Die klassische Geschichte um nicht der fleischlichen Liebe fähige Menschen, auf denen der dunkle Flucht lastet, sich bei sexueller Erregung (bzw. im Original auch bei affektiver Wut) in eine reißende Raubkatze zu verwandeln, wurde um einige Aspekte erweitert und hier und da abgeändert. Möglicherweise orientierte man sich aber auch einfach stärker an der Romanvorlage, das entzieht sich leider meiner Kenntnis. Der Ursprung der „Katzenmenschen“ wird beleuchtet, das (Tabu-)Thema Inzest spielt eine große Rolle und der Zuschauer erfährt, dass ein sich erst einmal verwandelter Katzenmensch nur durch Töten eines Menschen in seine humanoide Form zurückkehren kann.

Trotz ihrer zunächst etwas gewöhnungsbedürftigen Frisur sorgt die Kinski als sensibles, zerbrechliches, Beschützerinstinkte weckendes Wesen erwartungsgemäß für einen hohen Erotikanteil, ohne unpassenderweise in schluderigen Schmuddel abzudriften. Im Evakostüm wird sie von Schrader ansprechend als geheimnisvolle Jungfrau in Szene gesetzt. McDowell spielt wie üblich den großen Unsympathen und ist das genau Gegenstück Kinskis. Die Fronten sind somit klar verteilt. John Heard als Zoobetreiber und Liebhaber Irenas verblasst daneben etwas, was aber sicherlich genau so gewünscht war, schließlich liegt das Hauptaugenmerk auf den „Katzenmenschen“, die Figur des Oliver Yates (Heard) ist austauschbar und dient lediglich als Katalysator für Irenas sexuelles Erwachen und die damit aufkeimenden bzw. ausbrechenden Selbstzweifel.

Mehr im Vordergrund als der Erotikanteil stehen aber die Spezialeffekte, die alles andere als inflationär, also durchaus wohldosiert und in gut platzierten Schocks Verwendung finden – und hervorragend gelungen sind. Besonders die finale, detaillierte Verwandlungsszene dürfte Freunde guter alter 80er-Horror-Kost in Verzückung versetzen. Sie sind das Tüpfelchen auf dem I dieses im Gegensatz zum expressionistischen Schwarzweiß-Original kunterbunten, durchgestylten Farbrausches.

Jedoch leidet Schraders „Katzenmenschen“ unter dramaturgischen Schwankungen bzw. Schwächen. Nach ca. eineinhalb Stunden erlebt Irena und damit der Zuschauer eine surreale Vision, die einige Hintergrundinformationen zum Fluch der Katzenmenschen liefert und eigentlich schon ein guter Schluss gewesen wäre. Doch danach geht es munter weiter und der letztendlich überlange Film findet einfach kein Ende. Zwar ergibt sich hier erfreulicherweise Raum für einige actiongeladene Szenen und den bereits erwähnten Verwandlungseffekt, die 1:1 aus dem Original kopierte Schwimmbadszene hingegen ergibt keinerlei Sinn. Vermutlich sollte das eine Hommage sein, was ja im Prinzip keine schlechte Idee ist, außerhalb des Kontexts der Handlung aber wie ein Fremdkörper wirkt. Das eigentliche Ende sodann schwächt die tragische Note des Originals etwas ab, passt aber zum immer etwas comicartigen (nicht komischen!) Stil des Films.

Warum man nun aus den ursprünglichen Panthern anscheinend sowohl im O-Ton, als auch in der deutschen Synchronisation Leoparden machte, die aber eindeutig Panther sind, entzieht sich meiner Kenntnis… ebenso wie der Grund für den grottenschlechten deutschen Ton der Universal-DVD, der sehr unsauber und schlecht ausgesteuert klingt, also unter zahlreichen, so ganz sicher nicht beabsichtigten Lautstärkeschwankungen leidet. Ärgerlich.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 12. Jul 2011, 22:04
von buxtebrawler
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Im Augenblick der Angst
Eigentlich soll der Besuch des Horrorfilms "The Mommy" ja ein Spaß für eine Teenagerclique sein, doch die junge Patty hat absolut kein Vergnügen an dem grausamen Treiben. Denn in "The Mommy" hat die dominante Mutter Alice Pressman (Zelda Rubinstein) ihren Sohn John (Michael Lerner) hypnotisiert und auf eine mörderische Rachetour geschickt, bei der er einer Reihe von Leuten die Augen aus dem Kopf schneidet. Schließlich entert er ein vollbesetztes Kino und beginnt zu morden und Geiseln zu nehmen. Noch viel schlimmer ist, daß in Pattys Kino inzwischen ein Killer (Angel Jove) eingedrungen ist, der den Film so oft gesehen hat, daß er glaubt, von der Mutter ebenfalls hypnotisiert worden zu sein und beginnt, die Besucher zu ermorden. Niemand will Patty zunächst glauben, doch als die Polizei endlich anrückt, nimmt auch dieser Killer die Kinobesucher als Geisel. Das Geschehen im Saal und auf der Leinwand läuft von nun an parallel ab, Film und Wirklichkeit sind kaum noch auseinander zu halten...
„Im Augenblick der Angst“ ist eine US-amerikanisch-spanische Koproduktion aus dem Jahre 1987, bei der der Spanier Bigas Luna („Die tätowierte Leiche“) die Regie führte und auch zusammen mit Michael Berlin das Drehbuch verfasste. Man könnte sie grob in Richtung Slasher einordnen, doch damit würde man dem Film nicht gerecht.

Denn „Im Augenblick der Angst“ ist vor allem ein originelles, gewitztes Verwirrspiel für den Zuschauer, das mit seinem Spielort – einem Kino – deutlich von Lamberto Bavas „Dämonen“ inspiriert wurde, selbst aber offensichtlich wiederum das Slasher-Revival der 1990er-Jahre inspiriert haben dürfte – einige Szenen erinnern doch stark an wesentlich populärere US-Produktionen jenes Jahrzehnts.

Zu Beginn wird man Zeuge, wie eine skurrile Mutter (Zelda Rubinstein, „Poltergeist“) ihren nicht minder skurrilen Sohn und Augenarzt (Michael Lerner, „Das Omen IV“) hypnotisiert und dadurch auf eine Killertour schickt, bei der er seinen Opfern die Augäpfel zu amputieren und seiner Sammlung hinzuzufügen pflegt. Diese Szenen sind schon einmal herrlich gruselig und bösartig-grotesk, Rubinstein und Lerner werden perfekt in Szene gesetzt und ihre Charakterfressen voll ausgekostet. Erst nach einer ganzen Weile bemerkt man bzw. wird einem mitgeteilt, dass man sich in einem „Film im Film“ namens „The Mommy“ befindet, den u.a. zwei süße Teenagerinnen gerade in einem Kino verfolgen und somit ebenfalls den ausgiebig gezeigten Hypnoseszenen mit Spiral- und sonstigen Effekten ausgesetzt sind. Ein genialer Aha-Moment, zumindest beim ersten Anschauen. Es kommt, wie es kommen muss, und auf einen der Kinogäste wirkt die Hypnose tatsächlich, so dass er sich nun in eben jenem Film wähnt und selbigen schiebt – was mit starken Verlusten unter den übrigen Kinogängern einhergeht. Spätestens, wenn der Mörder in „The Mommy“ ebenfalls ein Kino für seine Untaten aufsucht, verschwimmen filmische Fiktion und filmische Realität. Einige Szene wurden von Luna so geschickt montiert, dass beide Ebenen nicht mehr auseinander zuhalten sind. Der Härtegrad ist dabei durchaus als gehoben zu bezeichnen und wurde entsprechend grafisch umgesetzt, ohne aber in einem Splatter-Blutbad zu enden. Stattdessen setzt Luna auf ausdrucksstarke Bilder inkl. einiger Farbfilter-Spielereien etc., während die talentierten Darsteller mit ihrem leicht überzeichneten Schauspiel die Stimmung des Films auf Level halten und mit ein wenig schwarzhumorigem Witz versehen. Denn „Im Augenblick der Angst“ nimmt die hysterische Angst vor angeblich aus Horrorfilmen resultierenden Gefahren aufs Korn und zum Anlass für seine übertriebene Geschichte, die den Freund pathologischer Killergeschichten mit subtiler Selbstironie durchweg gut unterhält.

Damit hat sich „Im Augenblick der Angst“ meines Erachtens seine 7,5 Punkte redlich verdient, auch wenn ich da vielleicht ein klein wenig hochgegriffen habe, weil der Genrefan gerade mit mir durchgeht. Möglich aber auch, dass alle – inkl. meiner –, die den Film gesehen haben, ebenfalls hypnotisiert wurden und nicht mehr viel mit der irdischen Realität zu tun haben. Wie auch immer, diesen Film (eigentlich sind’s zwei zum Preis von einem) werde ich hüten wie meinen Augapfel (ok, ganz schlechtes Wortspiel...).

Eine rhetorische Frage sei aber noch gestattet: Wie geil müsste es kommen, diesen Film in einem Kino zu sehen…?

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 13. Jul 2011, 20:15
von buxtebrawler
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Intimacy
Sie treffen sich jeden Mittwochnachmittag: der geschiedene Familienvater Jay und die unglücklich verheiratete Hobby-Schauspielerin Claire. Sie sprechen kein Wort miteinander, kennen nicht einmal ihre Namen; ziehen sich einfach aus und machen Sex. Total anonym! Bis Jay eines Tages wissen will, wer die Frau ist, die sich ihm hingibt. Heimlich folgt er Claire und gerät immer tiefer in ihren Bann...
Von „Intimacy“, einer deutsch-spanisch-britisch-französischen (puh...) Koproduktion aus dem Jahre 2001 hatte ich mir wesentlich mehr versprochen. Schließlich konnte ich nicht ahnen, dass dieses Erotikdrama in erster Linie versucht, Unspektakularität zur Tugend zu erheben. Oder ging es genau darum, mit der Erwartungshaltung des Publikums zu brechen?

Von sich reden machte der Film um einen Mann und eine Frau, gespielt von Mark Rylance und Kerry Fox, die – ohne sich näher zu kennen - sich einer exzessiven sexuellen Affäre hingeben, die darauf beschränkt bleiben soll, bis der Mann dieses ungeschriebene Gesetz bricht und mehr über seine Lustgespielin erfahren will, angeblich durch seine offensiven, expliziten Sexszenen. Es stimmt, gevögelt wird hier viel, bis auf einen ziemlich überflüssigen Moment, in dem Kerry Fox anscheinend tatsächlich an Rylances erigiertem Penis nuckelt, sind diese Szenen aber gestellt. Das besondere an den Sexszenen ist viel mehr ihr Versuch, sie möglichst realistisch erscheinen zu lassen: Beide Schauspieler sind keine blutjungen Sexbomben und die Kamera hält voll drauf, ohne zu versuchen, sonderlich erotische Bilder einzufangen. Man versucht also, Sex so darzustellen, wie er sich in der Realität abspielt. Dieses Unterfangen kann man durchaus als gelungen bezeichnen – warum man sich das ansehen sollte, sei aber mal dahingestellt.

Genau wie der Rest des in London spielenden, aber sehr französisch wirkenden Films, dessen eher laue Dramaturgie nämlich keinesfalls auf einen spektakulären Höhepunkt, eine überraschende Pointe oder dergleichen zusteuert. Stattdessen dümpelt alles in zugegebenermaßen bisweilen nettem, urbanem Ambiente so vor sich hin und die zaghaften Versuche, die beiden Hauptrollen zu charakterisieren, reichen mitnichten aus, um eine emotionale Verbindung zu ihnen aufzubauen zu können, will sagen: Sie sind und bleiben mir schnurzegal.

Als Versuch, die Realität einer solch unglücklich verlaufenden Beziehungskiste nachzuzeichnen, ist „Intimacy“ sicherlich gelungen, wenn mir auch die Zielgruppe schleierhaft ist. Als emotionales Drama um einen Mann, der plötzlich seine ebensolche Vereinsamung spürt und eine Frau, die ihn lediglich als Lustobjekt betrachtet, funktioniert er aber genauso wenig wie als erotisch-melancholische Ehrerbietung an den leidenschaftlichen Sex, losgelöst von gesellschaftlichen Konventionen.

Dank seiner handwerklich-technischen Qualitäten und des urbanen Flairs vergebe ich eine Durchschnittsnote, fühle mich aber leider in keiner Weise durch den Film angesprochen, von ihm berührt – schade, denn die eigentlich interessante Geschichte hat viel Potential geboten.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 16. Jul 2011, 01:01
von buxtebrawler
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Elvira – Herrscherin der Dunkelheit
Elvira - ein Vamp erster Klasse, ausgeflippt, supersexy und mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet - kommt eine plötzliche Erbschaft sehr gelegen, mit der sie ihre eigene Las Vegas-Show finanzieren will. Als sie mit ihrem wahnwitzigen Schlitten zur Testamentseröffnung in dem kleinen Nest vorfährt, fallen die spießigen Bürger kreischend über sie her. Elvira paßt nicht in diesen Ort und ihr Busen schon gar nicht in ihr Kleid! Zudem ist die Erbschaft sehr enttäuschend: eine verfallene Villa, ein neurotischer Pudel, die sie beide knallig aufstylt, und ein Kochbuch, hinter dem Onkel Vinnie schon seit 300 Jahren her ist! Dieses Buch scheint der Schlüssel zu mysteriösen Ereignissen zu sein, durch die Elvira sogar auf dem Scheiterhaufen landet. Ob das alles noch gut geht? Es wäre schade um dieses schrille Geschöpf...
„Wir sollten sie rädern und mit Knüppeln aus der Stadt jagen!“ – „Oh, bloß nicht, das könnte ihr Vergnügen bereiten!“

Die gute Elvira alias Cassandra Peterson spielt in dieser Endachtziger-US-Horrorkomödie von Regisseur James Signorelli quasi sich selbst – die Moderatorin einer TV-Sendung, in deren Rahmen sie Horrorfilme ansagt. So beginnt der Film mit einer Vorführung des B-Heulers „It Conquered The World“ mitsamt Originalausschnitten, doch im Anschluss verliert Elvira, diese schillernde Nachtgestalt im schrillen Gothic-Outfit und mit einer beachtlichen Oberweite ausgestattet, ihren Job. Für die Umsetzung ihrer angepeilten Las-Vegas-Show fehlt ihr das nötige Kleingeld, doch unverhofft wird sie Erbin ihrer verstorbenen Tante und somit wenig stolze Hunde-, Villen- und Kochbuch-Besitzerin in einem miesen, frommen Kaff. Doch Onkel Vinnie ist hinter dem Kochbuch her, das ein Elvira noch unbekanntes Geheimnis enthält...

„Elvira“ ist einerseits eine typische US-Komödie, die von ihren klischeehaften, stark überzeichneten Charakteren lebt, aber auch eine selbstironische Hommage an das Horrorgenre und den mit ihm verbundenen Kult, der nicht zuletzt zur Kunstfigur der Elvira geführt hat, die sich hier permanent selbst auf die Schippe nimmt. Gleichzeitig haben wir es ferner mit einer plakativen Abrechnung mit bigotten, spießigen, moralistischen Hinterwäldlern zu tun. Wortwitz und Situationskomik sorgen neben den zahlreichen Genrezitaten (und Ausschnitten, beispielsweise auf dem „Angriff der Killertomaten“), die sich eher an Kenner der Materie wenden, für Unterhaltung, nicht zu vergessen natürlich auch die ordentliche Prise Erotik, die Elvira mitbringt, allerdings ohne sich zu entblößen.

Mit seinem fingierten Blick hinter die Kulissen von Elviras Horrorshow und vielen frechen Sprüchen beginnt „Elvira“ sehr stark, flacht dann aber leider etwas ab und kann das Niveau nicht dauerhaft halten. So richtig unlustig-doof wird’s bei aller Albernheit aber nie – dafür macht es zuviel Spaß, Elvira dabei zuzusehen, wie sie das Dorf gehörig durcheinanderwirbelt, die Teenager um sich schart und sich mit Bob (trotz Muskelmasse eher unauffällig: Daniel Greene) als einzigem Bewohner anfreundet. Das hat alles seinen naiv-anarchischen Charme und ist dabei zudem herrlich 80er, so dass Freunde der Dekade vollends befriedigt werden sollten. Einige dafür typische Spezialeffekte runden das Potpourri entsprechend ab. Ob das oberkitschige Ende nach versuchter Hexenverbrennung Elviras als Parodie auf Spielberg & Co. gemeint war?

Bei allen Schlüpfrigkeiten und trotz des Horroranteils wird „Elvira“ nie wirklich familienuntauglich, aber wie sagte sie schon ganz richtig: “Da ist ja nichts Schlimmes dran, an diesen jugendfreien Filmen – solange genug Sex und Gewalt drin ist.“

In den USA Kult, hierzulande ein lohnender Geheimtipp!