Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Moderator: jogiwan
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Bis zum Hals im Dreck
„Pfadfinder wollen wir hier nicht haben!“
Nach seinem „Tatort“-Debüt „Medizinmänner“ aus dem Jahre 1990 inszenierte Peter Carpentier auch die erste im neuen Jahrzehnt ausgestrahlte Duisburger Episode: „Bis zum Hals im Dreck“ feierte seine Premiere am 09.06.1991. Auch dieser „Tatort“ entstand nach einem Drehbuch des Hänschen-Darstellers Chiem van Houweninge, das dieser mit Ko-Autor Wolfgang Hesse verfasst hatte. Es handelt sich um den 27. und somit vorvorletzten Einsatz des Duisburger Kripo-Teams um Horst Schimanksi (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik).
„Du bist ‘n richtiger Beamtenarsch geworden!“
Auch ein Schimanski hat mal Urlaub, also fährt er mit seinem Motorrad aufs Land, schlägt irgendwo sein Zelt auf und hängt die Angel in den See – bis der Dorfpolizist (klasse: Horst A. Fechner, „Didi und die Rache der Enterbten“) kommt, ihn anmotzt, weil er keinen Angelschein hat, und er auch noch eine junge Frau (Ilona Schulz, „Linie 1“) retten muss, die hilflos im See planscht, nachdem ihr Gaul sie abgeworfen hat. Nachdem er sie zu ihren Eltern auf den Bauernhof gebracht und dort erfahren hat, dass sie am nächsten Tag den Tierarzt des Dorfs heiraten würde, muss er feststellen, dass die örtlichen Bauerntrampel sein Zelt zerstört haben. Immerhin hat er aber die Einladung zum Polterabend in der Tasche und so sieht man sich alsbald wieder. Die Nacht vor der Hochzeit endet jedoch tödlich für den Bräutigam (Max Herbrechter, „Herz in der Hand“), der mit einem Seil erhängt an einem Baum aufgefunden wird. Weder Schimanski noch Silke, so der Name der verzweifelten jungen Frau, glauben an einen Selbstmord, sodass Schimmi auf seinen Urlaub pfeift und die Kripokollegen um Mithilfe bietet…
„Zwei feuchte Augen, ‘n hübscher Arsch und ‘ne rührselige Geschichte...“
Die Exposition ist eine schöne Antiwerbung gegen das Campen, und wer möchte, kann sich an einem splitternackten Götz George erfreuen, der in den See springt. Der weitere Verlauf ist vor allem von verschwiegenen, aber umso fieseren Bauern geprägt, die Schimmi und Co. zusetzen, wo sie nur können, und keinerlei Hehl aus ihrer Antipathie machen. Zeitweise inszeniert Carpentier all das sehr komödiantisch, inklusive Running Gags, Slapstick-Einlagen und Thanner in alberner Motorrad-Sicherheitskluft. Das ist gelungen, weil wirklich witzig, nimmt dann und wann aber etwas die Brisanz, vor allem aber die Tragik heraus. Erstere kehrt zurück, als die auf realen Vergehen der Landwirtschaft beruhenden Schweinereien herauskommen, die die Bauerntölpel mit illegalen Hormonpräparaten im Zuge ihrer Kälbermast praktizierten und mit dem Tod des Tierarztes zusammenhängen. Ganz so einfach wie es zunächst scheint ist die Lösung dann aber doch nicht, das Drehbuch setzt noch einen drauf und offenbart einen Moloch, in dem kaum jemand wirklich unschuldig ist.
„Also Mord, ist doch wunderbar!“
„Bis zum Hals im Dreck“ ist ein Abgesang aufs Landleben und jegliche Dorfromantik, wie die urbane Kripo nicht erst im harschen, vielleicht etwas arg bemüht auf Western getrimmten Finale feststellen muss. Das sorgt für Abwechslung innerhalb der Duisburg-Tatort“-Sujets, der Tapetenwechsel hat seinen Reiz – wenngleich Schimanski die Dorfluft anscheinend derart gut bekommt, dass er überraschend vernünftig bleibt und sich keinerlei Eskapaden hingibt. Damit wird jedoch das Potential der Figur Schimanski unterhöhlt, denn der Culture Clash zwischen dem Stadttrinker und Lebemann auf der einen und der Dorfgemeinschaft auf der anderen Seite hätte doch eigentlich Stoff für reichlich Alkoholgenuss und Eskalation geboten. Stattdessen präsentiert man einen etwas sehr zahmen Schimmi. Nur in seinen Frotzeleien mit Thanner ist er ganz der Alte, und unterhaltsam ist die ganze Chose allemal. Zudem wurde darauf geachtet, dass die Bauern nicht allzu schlecht wegkommen: Im Auftritt eines Politikers, der den Dörflern die gesunkenen Abnahmepreise für Fleisch zu erklären versucht, steckt natürlich ein unverblümter Hinweis auf die wahre Ursache der Misere und damit Kritik an der kleinbauerfeindlichen Politik – woran sich bis heute leider kaum etwas geändert hat. Und auch untätige Dorfbullen, die es sich in ihrer Nutzlosigkeit bequem eingerichtet haben und nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind, bekommen ihr Fett weg.
Musikalisch beglücken uns erneut Tangerine Dream, die ihre Soft-Komposition „I Just Want To Rule My Own Life Without You” von Chi Coltrane singen lassen – ein letztes Aufbäumen des ‘80er-Pop-Saxophons, bevor die ‘90er populärkulturell vollends um sich griffen. Und tatsächliche meine ich, ein wenig Abschiedsmelancholie bereits in der Atmosphäre dieses „Tatorts“ ausgemacht zu haben…
„Pfadfinder wollen wir hier nicht haben!“
Nach seinem „Tatort“-Debüt „Medizinmänner“ aus dem Jahre 1990 inszenierte Peter Carpentier auch die erste im neuen Jahrzehnt ausgestrahlte Duisburger Episode: „Bis zum Hals im Dreck“ feierte seine Premiere am 09.06.1991. Auch dieser „Tatort“ entstand nach einem Drehbuch des Hänschen-Darstellers Chiem van Houweninge, das dieser mit Ko-Autor Wolfgang Hesse verfasst hatte. Es handelt sich um den 27. und somit vorvorletzten Einsatz des Duisburger Kripo-Teams um Horst Schimanksi (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik).
„Du bist ‘n richtiger Beamtenarsch geworden!“
Auch ein Schimanski hat mal Urlaub, also fährt er mit seinem Motorrad aufs Land, schlägt irgendwo sein Zelt auf und hängt die Angel in den See – bis der Dorfpolizist (klasse: Horst A. Fechner, „Didi und die Rache der Enterbten“) kommt, ihn anmotzt, weil er keinen Angelschein hat, und er auch noch eine junge Frau (Ilona Schulz, „Linie 1“) retten muss, die hilflos im See planscht, nachdem ihr Gaul sie abgeworfen hat. Nachdem er sie zu ihren Eltern auf den Bauernhof gebracht und dort erfahren hat, dass sie am nächsten Tag den Tierarzt des Dorfs heiraten würde, muss er feststellen, dass die örtlichen Bauerntrampel sein Zelt zerstört haben. Immerhin hat er aber die Einladung zum Polterabend in der Tasche und so sieht man sich alsbald wieder. Die Nacht vor der Hochzeit endet jedoch tödlich für den Bräutigam (Max Herbrechter, „Herz in der Hand“), der mit einem Seil erhängt an einem Baum aufgefunden wird. Weder Schimanski noch Silke, so der Name der verzweifelten jungen Frau, glauben an einen Selbstmord, sodass Schimmi auf seinen Urlaub pfeift und die Kripokollegen um Mithilfe bietet…
„Zwei feuchte Augen, ‘n hübscher Arsch und ‘ne rührselige Geschichte...“
Die Exposition ist eine schöne Antiwerbung gegen das Campen, und wer möchte, kann sich an einem splitternackten Götz George erfreuen, der in den See springt. Der weitere Verlauf ist vor allem von verschwiegenen, aber umso fieseren Bauern geprägt, die Schimmi und Co. zusetzen, wo sie nur können, und keinerlei Hehl aus ihrer Antipathie machen. Zeitweise inszeniert Carpentier all das sehr komödiantisch, inklusive Running Gags, Slapstick-Einlagen und Thanner in alberner Motorrad-Sicherheitskluft. Das ist gelungen, weil wirklich witzig, nimmt dann und wann aber etwas die Brisanz, vor allem aber die Tragik heraus. Erstere kehrt zurück, als die auf realen Vergehen der Landwirtschaft beruhenden Schweinereien herauskommen, die die Bauerntölpel mit illegalen Hormonpräparaten im Zuge ihrer Kälbermast praktizierten und mit dem Tod des Tierarztes zusammenhängen. Ganz so einfach wie es zunächst scheint ist die Lösung dann aber doch nicht, das Drehbuch setzt noch einen drauf und offenbart einen Moloch, in dem kaum jemand wirklich unschuldig ist.
„Also Mord, ist doch wunderbar!“
„Bis zum Hals im Dreck“ ist ein Abgesang aufs Landleben und jegliche Dorfromantik, wie die urbane Kripo nicht erst im harschen, vielleicht etwas arg bemüht auf Western getrimmten Finale feststellen muss. Das sorgt für Abwechslung innerhalb der Duisburg-Tatort“-Sujets, der Tapetenwechsel hat seinen Reiz – wenngleich Schimanski die Dorfluft anscheinend derart gut bekommt, dass er überraschend vernünftig bleibt und sich keinerlei Eskapaden hingibt. Damit wird jedoch das Potential der Figur Schimanski unterhöhlt, denn der Culture Clash zwischen dem Stadttrinker und Lebemann auf der einen und der Dorfgemeinschaft auf der anderen Seite hätte doch eigentlich Stoff für reichlich Alkoholgenuss und Eskalation geboten. Stattdessen präsentiert man einen etwas sehr zahmen Schimmi. Nur in seinen Frotzeleien mit Thanner ist er ganz der Alte, und unterhaltsam ist die ganze Chose allemal. Zudem wurde darauf geachtet, dass die Bauern nicht allzu schlecht wegkommen: Im Auftritt eines Politikers, der den Dörflern die gesunkenen Abnahmepreise für Fleisch zu erklären versucht, steckt natürlich ein unverblümter Hinweis auf die wahre Ursache der Misere und damit Kritik an der kleinbauerfeindlichen Politik – woran sich bis heute leider kaum etwas geändert hat. Und auch untätige Dorfbullen, die es sich in ihrer Nutzlosigkeit bequem eingerichtet haben und nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind, bekommen ihr Fett weg.
Musikalisch beglücken uns erneut Tangerine Dream, die ihre Soft-Komposition „I Just Want To Rule My Own Life Without You” von Chi Coltrane singen lassen – ein letztes Aufbäumen des ‘80er-Pop-Saxophons, bevor die ‘90er populärkulturell vollends um sich griffen. Und tatsächliche meine ich, ein wenig Abschiedsmelancholie bereits in der Atmosphäre dieses „Tatorts“ ausgemacht zu haben…
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort - Funkstille
Dieser Tatort mutet etwas befremdlich an, scheint von seiner Thematik aus der Zeit gefallen. Wenn man sich darauf einlässt, zeigt er durchaus Qualitäten.
Erstaunlich ist, dass die Ermittler des Teams Frankfurt/Main eine sehr untergeordnete Rolle spielen, nahezu unwichtig sind. Der Film entwickelt sich vielmehr zu einem Familiendrama, in dem sich, wie so oft, alles als Lug und Trug entpuppt. Da bleibt tatsächlich kein Stein auf dem anderen, es endet in der vollständigen Demontage einer Eltern-Kind-Beziehung und der ursprüngliche Todesfall gerät fast zu Nebensache.
Emilia Bernsdorf, mir vorher als Nebendarstellerin aus Krimiserien wie etwa "Ein Fall für Zwei" geläufig, spielt hier als Hauptperson alle anderen Beteiligten so völlig an die Wand, dass es eine echte Freude ist.
War durchaus ok, aber nochmal muss ich den nicht schauen, und 1-2 Punkte der Gesamtwertung verdient Emilia für sich!
Dieser Tatort mutet etwas befremdlich an, scheint von seiner Thematik aus der Zeit gefallen. Wenn man sich darauf einlässt, zeigt er durchaus Qualitäten.
Erstaunlich ist, dass die Ermittler des Teams Frankfurt/Main eine sehr untergeordnete Rolle spielen, nahezu unwichtig sind. Der Film entwickelt sich vielmehr zu einem Familiendrama, in dem sich, wie so oft, alles als Lug und Trug entpuppt. Da bleibt tatsächlich kein Stein auf dem anderen, es endet in der vollständigen Demontage einer Eltern-Kind-Beziehung und der ursprüngliche Todesfall gerät fast zu Nebensache.
Emilia Bernsdorf, mir vorher als Nebendarstellerin aus Krimiserien wie etwa "Ein Fall für Zwei" geläufig, spielt hier als Hauptperson alle anderen Beteiligten so völlig an die Wand, dass es eine echte Freude ist.
War durchaus ok, aber nochmal muss ich den nicht schauen, und 1-2 Punkte der Gesamtwertung verdient Emilia für sich!
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Von dem war ich auch positiv überrascht. Fing etwas dröge an, zog dann aber ordentlich an der Spannungsschraube. So kann es in Wien gerne weitergehen!karlAbundzu hat geschrieben: ↑Mo 7. Sep 2020, 16:35 Tatort Wien: Pumpen.
Der erste der Saison 20/21
Und gleich das tolle Team mit Neuhauser / Krassnitzer, und Thomas Stipsits als Assistent mit einer größeren körperintensiven Rolle.
Fängt heftig an, ein Mann liegt auf den Gleisen, sieht ein Zug nahen, versucht wegzukommen und wird zweigeteilt...
Ansonsten spielt es im Bodybuilder-Milieu, mit Muskelmittelm, organisierten Sozialbetrug und einem Ex-Bullen.
Das ist alles gut gespielt, spannend erzählt, überraschendes und mit gutem Soundtrack unterlegt. Moritz Eisner erstaunlich empatisch. Bibi Fellner bekommt hier einen Liebhaber und Probleme.
Insgesamt spielen sie eine große Bandbreite auf dem Emotionsklavier!
Guter Start!
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http://www.reinifilm.blogspot.com / https://bfilmbasterds.de/
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf 110: Thanners neuer Job
Ick bin kein Berliner
„Willkommen in der Hauptstadt!“
Der erste „Polizeiruf 110“ des Ostberliner Regisseurs Bodo Fürneisen („Die Weihnachtsgans Auguste“), die im Sommer 1991 gedrehte und kurz vor Weihnachten 1991 erstausgestrahlte Episode „Thanners neuer Job“, war nicht nur eine der letzten Produktionen des DDR-Fernsehens DFF, sondern auch der letzte Einsatz des langjährigen Hauptkommissars der DDR-Krimireihe Peter Fuchs: Schauspieler Peter Borgelt nahm nach diesem Fall seinen Hut. Zudem handelt es sich nach „Unter Brüdern“ um das zweite „Tatort“/„Polizeiruf 110“-Crossover: Kripo-Kommissar Christian Thanner (Eberhard Feik), langjähriger Ermittler in Duisburg an der Seite Horst Schimanskis, trifft hier erneut auf seine Ostberliner Kollegen.
„Er ist’n Kamerad, der treu zu uns steht!“
Ostberlin, Juli 1991: Zwei Schläger schlagen den jugendlichen Helmut (Jens Knospe, „Die Jungen von St. Petri“) zusammen und fesseln ihn an einen Stuhl. Gefunden wird er von zwei Nazi-„Skins“, die sich seiner an- und ihn in ihre Neonazigruppe aufnehmen, der der gutbürgerliche Druckereibetreiber Wilfried Ortner (Wolf Roth, „Plutonium“) vorsteht. Während die Ostberliner Kripo Amateurvideos von einem Neonazi-Überfall auf einen Jugendclub untersucht und die Kampfsportgruppe der Rechtsextremisten observiert, bekommen sie den Duisburger Hauptkommissar Christian Thanner als neuen Arbeitsgruppenleiter vorgesetzt: Er soll den Ostberliner Kollegen mit seiner Expertise vorübergehend unter die Arme greifen, wird jedoch nicht gerade mit offenen ebensolchen empfangen: Ein Besserwisser aus dem Westen hat ihnen gerade noch gefehlt… Zuvor überrumpelte Thanner bereits eine Berliner Bekannte und Kriminaloberkommissar Thomas Grawe (Andreas Schmidt-Schaller) mit seiner unangekündigten Ankunft. Und Thanner bekommt gleich mehr zu tun, als ihm lieb ist: Die Jungnazis Kalle (Thomas Lawinky, „Hass im Kopf“) und Helmut überfallen ohne Absprache mit Ortner eine Sparkassenfiliale, um „Geld für die Bewegung“ zu erbeuten. Daraus entwickelt sich eine Geiselnahme, im Zuge derer sich Kriminalhauptkommissar Peter Fuchs gegen die Geiseln austauschen lässt und fortan in Lebensgefahr schwebt, denn insbesondere Kalle scheint zu allem entschlossen…
„Ich kann die Ossis zurzeit schwer ertragen!“
Thomas Lawinky, der bereits im „Polizeiruf 110: Zerstörte Hoffnung“ in einer optisch ebenfalls an einen Skinhead angelehnten Nebenrolle zu sehen und eine Zeit lang auf diesen Typus abonniert war, mimt hier in Kalle den Klischee-Bonehead, wie er damals vielerorts tatsächlich der Realität entsprach: Dumm wie Bohnenstroh und mit peinlich baumelnden Schleifen in den Stiefeln herumlaufend, aber skrupellos und brutal und irgendwelchen Politkaspern hörig. Helmut ist eher der Typ, der froh ist, eine Gemeinschaft gefunden zu haben und sich an Kalle und Konsorten dranhängt, jedoch nicht ganz so doof und vor allem sensibler ist, sodass er irgendwann erkennt, in welchen Mist er sich hineingeritten hat – und dass er einen gefährlichen Soziopathen um sich hat. Zu Beginn zeigen sich Lawinky und die sexy hergerichtete Cathlen Gawlich („Tatort: Buntes Wasser“) als vögelndes Pärchen sogar kurz hüllenlos. Schnell allerdings dominiert die Gewalt in diesem „Polizeiruf“, der in erster Linie Kalle und den bei einem Schusswechsel mit der Polizei angeschossenen Helmut auf der Flucht und in Verstecken zeigt. Immer dabei: Kommissar Fuchs, der einiges einstecken muss und menschenunwürdig behandelt wird.
„Abwickeln, was sonst!“
Das alles ist wirklich gut geschauspielert – insbesondere Borgelt gibt noch einmal alles – und spannend inszeniert, eine Eskalation liegt stets in der Luft und da es sich um Fuchs‘ letzten Fall handelt, ist sein Ableben nie auszuschließen. Ein moderner, mal dramatischerer, mal rockigerer, aber fast immer ziemlich gut passender Soundtrack trägt seinen Teil dazu bei, die Publikumsaufmerksamkeit an den Film zu binden. Mindestens ebenso bemerkenswert ist es jedoch, wie gut es gelang, den auf die Wende-Euphorie gefolgten „Wiedervereinigungs“-Frust abzubilden, der bereits kurz nach dem Anschluss der DDR an die BRD in den neuen Bundesländern um sich griff. Vieles veränderte sich zum Negativen, Betriebe schlossen, Massenarbeitslosigkeit war die Folge, neonazistische Propaganda aus dem Westen fiel auf fruchtbaren Boden und infiltrierte orientierungslos gewordene Dummbatzen. Hier ist es Ortner, der in seiner Druckerei Nazipropaganda druckt, sich gegenüber der Kripo aber auf Meinungsfreiheit beruft. Von der Tat seiner beiden Schützlinge ist er wenig begeistert, zumal sie dafür seinen Passat entwendet haben. Die Beute reißt er trotzdem gern an sich. Ein Sportlehrer war früher Sozialist, ist jetzt ebenfalls Faschist, die braune Seuche krallt sich einen nach dem anderen.
„Deutschland, einig Vaterland…“
Der Fluchtwagen der Bankräuber ist noch ein Wartburg, die DDR gerade erst ein Jahr Geschichte – und doch erkennt die Polizei ihr Ostberlin kaum wieder. Nachdem die Kriminalitätsrate in der DDR sehr gering war, muss man sich nun nicht nur mit Kapitalverbreche(r)n herumschlagen, sondern auch noch mitansehen, wie der Nazi-Nachwuchs den eigenen Chef entführt, misshandelt und demütigt und einem auf der Nase herumtanzt. Und dann ist da ja noch der Klugscheißer aus dem Westen, mit dessen Hilfe man den Spuk nach einem dramatischen Finale zwar fürs Erste beenden konnte, dem Fuchs am Ende aber gern das Feld überlässt. Dieser ganze Mist hat nichts mehr mit dem zu tun, wofür man zu DDR-Zeiten ausgebildet worden war. Ob Fuchs‘ Abgang am Ende dieses „Polizeirufs“ nach 85 Einsätzen ein Zeichen von Stolz und Selbstachtung oder eine Geste der Kapitulation vor den neuen Verhältnissen ist, obliegt der Interpretation der Zuschauerinnen und Zuschauer. Ein starkes Zeitporträt ist „Thanners neuer Job“ so oder so.
Thanner kehrte nach Duisburg zurück und fand sich noch einmal an Schimanskis Seite im „Tatort: der Fall Schimanski“ ein, bevor auch dort erst einmal Schluss war. Der Deutsche Fernsehfunk stellte seinen Betrieb neun Tage nach Ausstrahlung dieses „Polizeirufs“ ein. Ob Jens Knospes Rollenname „Helmut“ ein Zufall war…?
Ick bin kein Berliner
„Willkommen in der Hauptstadt!“
Der erste „Polizeiruf 110“ des Ostberliner Regisseurs Bodo Fürneisen („Die Weihnachtsgans Auguste“), die im Sommer 1991 gedrehte und kurz vor Weihnachten 1991 erstausgestrahlte Episode „Thanners neuer Job“, war nicht nur eine der letzten Produktionen des DDR-Fernsehens DFF, sondern auch der letzte Einsatz des langjährigen Hauptkommissars der DDR-Krimireihe Peter Fuchs: Schauspieler Peter Borgelt nahm nach diesem Fall seinen Hut. Zudem handelt es sich nach „Unter Brüdern“ um das zweite „Tatort“/„Polizeiruf 110“-Crossover: Kripo-Kommissar Christian Thanner (Eberhard Feik), langjähriger Ermittler in Duisburg an der Seite Horst Schimanskis, trifft hier erneut auf seine Ostberliner Kollegen.
„Er ist’n Kamerad, der treu zu uns steht!“
Ostberlin, Juli 1991: Zwei Schläger schlagen den jugendlichen Helmut (Jens Knospe, „Die Jungen von St. Petri“) zusammen und fesseln ihn an einen Stuhl. Gefunden wird er von zwei Nazi-„Skins“, die sich seiner an- und ihn in ihre Neonazigruppe aufnehmen, der der gutbürgerliche Druckereibetreiber Wilfried Ortner (Wolf Roth, „Plutonium“) vorsteht. Während die Ostberliner Kripo Amateurvideos von einem Neonazi-Überfall auf einen Jugendclub untersucht und die Kampfsportgruppe der Rechtsextremisten observiert, bekommen sie den Duisburger Hauptkommissar Christian Thanner als neuen Arbeitsgruppenleiter vorgesetzt: Er soll den Ostberliner Kollegen mit seiner Expertise vorübergehend unter die Arme greifen, wird jedoch nicht gerade mit offenen ebensolchen empfangen: Ein Besserwisser aus dem Westen hat ihnen gerade noch gefehlt… Zuvor überrumpelte Thanner bereits eine Berliner Bekannte und Kriminaloberkommissar Thomas Grawe (Andreas Schmidt-Schaller) mit seiner unangekündigten Ankunft. Und Thanner bekommt gleich mehr zu tun, als ihm lieb ist: Die Jungnazis Kalle (Thomas Lawinky, „Hass im Kopf“) und Helmut überfallen ohne Absprache mit Ortner eine Sparkassenfiliale, um „Geld für die Bewegung“ zu erbeuten. Daraus entwickelt sich eine Geiselnahme, im Zuge derer sich Kriminalhauptkommissar Peter Fuchs gegen die Geiseln austauschen lässt und fortan in Lebensgefahr schwebt, denn insbesondere Kalle scheint zu allem entschlossen…
„Ich kann die Ossis zurzeit schwer ertragen!“
Thomas Lawinky, der bereits im „Polizeiruf 110: Zerstörte Hoffnung“ in einer optisch ebenfalls an einen Skinhead angelehnten Nebenrolle zu sehen und eine Zeit lang auf diesen Typus abonniert war, mimt hier in Kalle den Klischee-Bonehead, wie er damals vielerorts tatsächlich der Realität entsprach: Dumm wie Bohnenstroh und mit peinlich baumelnden Schleifen in den Stiefeln herumlaufend, aber skrupellos und brutal und irgendwelchen Politkaspern hörig. Helmut ist eher der Typ, der froh ist, eine Gemeinschaft gefunden zu haben und sich an Kalle und Konsorten dranhängt, jedoch nicht ganz so doof und vor allem sensibler ist, sodass er irgendwann erkennt, in welchen Mist er sich hineingeritten hat – und dass er einen gefährlichen Soziopathen um sich hat. Zu Beginn zeigen sich Lawinky und die sexy hergerichtete Cathlen Gawlich („Tatort: Buntes Wasser“) als vögelndes Pärchen sogar kurz hüllenlos. Schnell allerdings dominiert die Gewalt in diesem „Polizeiruf“, der in erster Linie Kalle und den bei einem Schusswechsel mit der Polizei angeschossenen Helmut auf der Flucht und in Verstecken zeigt. Immer dabei: Kommissar Fuchs, der einiges einstecken muss und menschenunwürdig behandelt wird.
„Abwickeln, was sonst!“
Das alles ist wirklich gut geschauspielert – insbesondere Borgelt gibt noch einmal alles – und spannend inszeniert, eine Eskalation liegt stets in der Luft und da es sich um Fuchs‘ letzten Fall handelt, ist sein Ableben nie auszuschließen. Ein moderner, mal dramatischerer, mal rockigerer, aber fast immer ziemlich gut passender Soundtrack trägt seinen Teil dazu bei, die Publikumsaufmerksamkeit an den Film zu binden. Mindestens ebenso bemerkenswert ist es jedoch, wie gut es gelang, den auf die Wende-Euphorie gefolgten „Wiedervereinigungs“-Frust abzubilden, der bereits kurz nach dem Anschluss der DDR an die BRD in den neuen Bundesländern um sich griff. Vieles veränderte sich zum Negativen, Betriebe schlossen, Massenarbeitslosigkeit war die Folge, neonazistische Propaganda aus dem Westen fiel auf fruchtbaren Boden und infiltrierte orientierungslos gewordene Dummbatzen. Hier ist es Ortner, der in seiner Druckerei Nazipropaganda druckt, sich gegenüber der Kripo aber auf Meinungsfreiheit beruft. Von der Tat seiner beiden Schützlinge ist er wenig begeistert, zumal sie dafür seinen Passat entwendet haben. Die Beute reißt er trotzdem gern an sich. Ein Sportlehrer war früher Sozialist, ist jetzt ebenfalls Faschist, die braune Seuche krallt sich einen nach dem anderen.
„Deutschland, einig Vaterland…“
Der Fluchtwagen der Bankräuber ist noch ein Wartburg, die DDR gerade erst ein Jahr Geschichte – und doch erkennt die Polizei ihr Ostberlin kaum wieder. Nachdem die Kriminalitätsrate in der DDR sehr gering war, muss man sich nun nicht nur mit Kapitalverbreche(r)n herumschlagen, sondern auch noch mitansehen, wie der Nazi-Nachwuchs den eigenen Chef entführt, misshandelt und demütigt und einem auf der Nase herumtanzt. Und dann ist da ja noch der Klugscheißer aus dem Westen, mit dessen Hilfe man den Spuk nach einem dramatischen Finale zwar fürs Erste beenden konnte, dem Fuchs am Ende aber gern das Feld überlässt. Dieser ganze Mist hat nichts mehr mit dem zu tun, wofür man zu DDR-Zeiten ausgebildet worden war. Ob Fuchs‘ Abgang am Ende dieses „Polizeirufs“ nach 85 Einsätzen ein Zeichen von Stolz und Selbstachtung oder eine Geste der Kapitulation vor den neuen Verhältnissen ist, obliegt der Interpretation der Zuschauerinnen und Zuschauer. Ein starkes Zeitporträt ist „Thanners neuer Job“ so oder so.
Thanner kehrte nach Duisburg zurück und fand sich noch einmal an Schimanskis Seite im „Tatort: der Fall Schimanski“ ein, bevor auch dort erst einmal Schluss war. Der Deutsche Fernsehfunk stellte seinen Betrieb neun Tage nach Ausstrahlung dieses „Polizeirufs“ ein. Ob Jens Knospes Rollenname „Helmut“ ein Zufall war…?
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf 110 Magdeburg: Tod einer Toten
Der Chef feiert, bekommt kein Taxi, fährt betrunen jemand an, der dann verschwindet. Am nächsten Tag findet man in der Nähe eine Leiche. Fuhr der Chef den Täter an? Die Leiche wurde vor 4 Jahren schon als tot gemeldet. Drogenszenerie, Zeugenschutz, Familienprobleme. Und das ist alles gut verbunden, der Chef verunsichert, überlegend, was das richtige ist, Hilfe suchend, Hauptkommissarin Dorian BRasch straight ermittelnd hält die Zügel in der Hand. Und bis in die Nebenrollen mit Charakterköpfen besetzt und gut bespielt, vor allem der Vater, dem es so richtig gegeben wird.
Gutes Buch, gute Schauspieler, gut gefilmt. Und schöner Score, mit einem J-Law Song garniert!
Der Chef feiert, bekommt kein Taxi, fährt betrunen jemand an, der dann verschwindet. Am nächsten Tag findet man in der Nähe eine Leiche. Fuhr der Chef den Täter an? Die Leiche wurde vor 4 Jahren schon als tot gemeldet. Drogenszenerie, Zeugenschutz, Familienprobleme. Und das ist alles gut verbunden, der Chef verunsichert, überlegend, was das richtige ist, Hilfe suchend, Hauptkommissarin Dorian BRasch straight ermittelnd hält die Zügel in der Hand. Und bis in die Nebenrollen mit Charakterköpfen besetzt und gut bespielt, vor allem der Vater, dem es so richtig gegeben wird.
Gutes Buch, gute Schauspieler, gut gefilmt. Und schöner Score, mit einem J-Law Song garniert!
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Dem kann ich zustimmen!karlAbundzu hat geschrieben: ↑Mi 23. Sep 2020, 16:00 Polizeiruf 110 Magdeburg: Tod einer Toten
Der Chef feiert, bekommt kein Taxi, fährt betrunen jemand an, der dann verschwindet. Am nächsten Tag findet man in der Nähe eine Leiche. Fuhr der Chef den Täter an? Die Leiche wurde vor 4 Jahren schon als tot gemeldet. Drogenszenerie, Zeugenschutz, Familienprobleme. Und das ist alles gut verbunden, der Chef verunsichert, überlegend, was das richtige ist, Hilfe suchend, Hauptkommissarin Dorian BRasch straight ermittelnd hält die Zügel in der Hand. Und bis in die Nebenrollen mit Charakterköpfen besetzt und gut bespielt, vor allem der Vater, dem es so richtig gegeben wird.
Gutes Buch, gute Schauspieler, gut gefilmt. Und schöner Score, mit einem J-Law Song garniert!
Allerdings fand ich die Auflösung ein wenig vorhersehbar, und um die junge, enthusiastische Drogenfanderin tat es mir echt leid.
Trotzdem lohnend.
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
- karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
DIe tat mir auch leid, vor allem hatte ich ein schlechtes Gewissen, da ich sie kurz verdächtigte....FarfallaInsanguinata hat geschrieben: ↑Fr 25. Sep 2020, 22:07Dem kann ich zustimmen!karlAbundzu hat geschrieben: ↑Mi 23. Sep 2020, 16:00 Polizeiruf 110 Magdeburg: Tod einer Toten
Der Chef feiert, bekommt kein Taxi, fährt betrunen jemand an, der dann verschwindet. Am nächsten Tag findet man in der Nähe eine Leiche. Fuhr der Chef den Täter an? Die Leiche wurde vor 4 Jahren schon als tot gemeldet. Drogenszenerie, Zeugenschutz, Familienprobleme. Und das ist alles gut verbunden, der Chef verunsichert, überlegend, was das richtige ist, Hilfe suchend, Hauptkommissarin Dorian BRasch straight ermittelnd hält die Zügel in der Hand. Und bis in die Nebenrollen mit Charakterköpfen besetzt und gut bespielt, vor allem der Vater, dem es so richtig gegeben wird.
Gutes Buch, gute Schauspieler, gut gefilmt. Und schöner Score, mit einem J-Law Song garniert!
Allerdings fand ich die Auflösung ein wenig vorhersehbar, und um die junge, enthusiastische Drogenfanderin tat es mir echt leid.
Trotzdem lohnend.
TATORT FREIBURG: REBLAND
Wie in Magdeburg feiert hier die Vorgesetzte, allerdings mit Freundinnen und nimmt sich mit diesen vernünftigerweise ein Taxi, nur ist für eine kein Platz mehr, die geht durch die Weinberge nach Hause und wird vergewaltigt und verprügelt. Die Chefin setzt ihr bestes Duo aus der Mordkommission drauf an. Der Fall erinnert an einen ähnlichen aus dem nahegelegenen Frankreich, und auch da gibt es DNS-Spuren....
Auf der Polizeiseite wird durchkonjugiert, wie weit man wo gehen kann, das Recht auszureizen und zu beugen und für welchen Zweck. Dass sich Tobler und Berg da nicht immer einig sind, ist klar, und auch dass sie mit der Chefin uneins sind.
Dieser Teil war mir ein wenig zu sehr nach Checkliste: Dieser Konflikt muss abgehakt werden, dann dieser, und die beiden immer schön abwechselnd, zweifelnd, dafür, dagegen.... Auch dass sie ansonsten sich ganz auf die DNA-Spuren verlassen und eigentlich gar nicht anders ermitteln, ist schwach.
Drei Verdächtige, die sich einem DNS-Test verweigern, bleiben über: Das ist wiederum gut, wir verfolgen ihre Wege, raten mit, und das sind drei total unterschiedliche spannende Charaktere. Marek Harloff als nerdige Streifenpolizist, Fabian Busch als überforderter alleinerziehender Vater, und Roman Knizka als Friseur, der es nur besser haben will. Das verfolgt man gerne.
Zwiegespalten, der eine Teil zu kopflastig, der andere eine Freude der Schauspiel- und Charakterkunst.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
- karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort Berlin: Ein paar Worte nach Mitternacht
Der diesjährige Deutsche Einheitskrimi kommt aus Berlin.
Die Ost-West-Story: Zwei Brüder, der eine im Westen Bauunternehmer, 90, wird tot aufgefunden mit einem Schild um den Hals: Ich war zu feige für Deutschland zu kämpfen. Sein größtes Projekt war ein Bauprojekt in Isael, ein Dokuzentrum über die Shoa. Der andere ist im Krankenhaus, hat einen rechtsradikalen Abgeordneten zum Sohn und springt aus dem Fenster. Die ganze Familiengeschichte muss aufgerollt werden und führt sowohl ins Jahr 1945 und zur SS wie auch in die aktuelle Hausbesetzerszene.
An sich interessante Story, und ganz spannend erzählt und gefilmt. Nur vielleicht ein bißchen viel gewollt und reingepackt, so dass manches fallengelassen wurde bzw. hatte einiges ordentliches Potential für mehr. Und spätestens nach einer dreiviertel Stunde wundert man sich, dass in eine bestimmte Richtung nicht ermittelt wird, und dort liegt dann auch die Lösung im Pfeffer. Die Familienstory erinnerte in guten Momenten an gute Derrick-Folgen.
Und in den Nebenrollen gut besetzt: Jörg Schüttauf als rechter Abgeordneter, Rolf Becker (Merets Vater) als 90-jähriges Mordopfer, Dietrich Hollinderbäumer als Karows Vater, Victoria Schulz, Leonard Scheicher undundund.
Ach so: Ruben und Karow haben natürlich auch ihre Szenen, und es ist schade, dass Meret Becker aufhört. Allein ihr Gesicht als die demente Dame ihr frisch und frei erzählt, wie sie Juden bei den Nachbarn zur Nazizeit verraten hat, groß. Gummistiefel an, durch den braunen Morast waten.
Gelungen.
Der diesjährige Deutsche Einheitskrimi kommt aus Berlin.
Die Ost-West-Story: Zwei Brüder, der eine im Westen Bauunternehmer, 90, wird tot aufgefunden mit einem Schild um den Hals: Ich war zu feige für Deutschland zu kämpfen. Sein größtes Projekt war ein Bauprojekt in Isael, ein Dokuzentrum über die Shoa. Der andere ist im Krankenhaus, hat einen rechtsradikalen Abgeordneten zum Sohn und springt aus dem Fenster. Die ganze Familiengeschichte muss aufgerollt werden und führt sowohl ins Jahr 1945 und zur SS wie auch in die aktuelle Hausbesetzerszene.
An sich interessante Story, und ganz spannend erzählt und gefilmt. Nur vielleicht ein bißchen viel gewollt und reingepackt, so dass manches fallengelassen wurde bzw. hatte einiges ordentliches Potential für mehr. Und spätestens nach einer dreiviertel Stunde wundert man sich, dass in eine bestimmte Richtung nicht ermittelt wird, und dort liegt dann auch die Lösung im Pfeffer. Die Familienstory erinnerte in guten Momenten an gute Derrick-Folgen.
Und in den Nebenrollen gut besetzt: Jörg Schüttauf als rechter Abgeordneter, Rolf Becker (Merets Vater) als 90-jähriges Mordopfer, Dietrich Hollinderbäumer als Karows Vater, Victoria Schulz, Leonard Scheicher undundund.
Ach so: Ruben und Karow haben natürlich auch ihre Szenen, und es ist schade, dass Meret Becker aufhört. Allein ihr Gesicht als die demente Dame ihr frisch und frei erzählt, wie sie Juden bei den Nachbarn zur Nazizeit verraten hat, groß. Gummistiefel an, durch den braunen Morast waten.
Gelungen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Taxi nach Leipzig
Trimmel und das Wechselbalg
„Freundschaft!“ – „Was is‘?“ – „Tach mein‘ ich…“
Am 29. November 1970 nahm eine der weltweit langlebigsten Fernsehkrimireihen ihren Anfang: Der „Tatort“ war geboren und mit ihm sein erster Ermittler: Der von Walter Richter („Pippi außer Rand und Band“) gespielte Hamburger Kommissar Paul Trimmel. Wobei das eigentlich nicht ganz stimmt: Debütiert hatte diese Figur bereits 1969 im Fernsehfilm „Exklusiv!“, der später mit einem „Tatort“-Vorspann versehen und der Reihe hinzugefügt wurde. Und in Papierform existierte sie noch etwas früher: Trimmel hat seinen Ursprung in Friedhelm Werremeiers Romanreihe, dessen erster Band „Ich verkaufe mich exklusiv“ von Werremeier höchstpersönlich für „Exklusiv!“ in Drehbuchform gebracht wurde. Ähnlich verlief es bei „Taxi nach Leipzig“: Der Roman stammte von Werremeier, das Drehbuch von Werremeier und Peter Schulze-Rohr, welcher auch die Regie führte.
„Kannst‘ das nicht selber wegschmeißen?“
Eine Autobahnraststätte in der Nähe Leipzigs wird zum Fundort eines toten Jungen. Da dieser Schuhe aus der BRD trug, wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft der DDR mit einem Amtshilfeersuchen bei den BRD-Strafverfolgungsbehörden. Zwar wird das Ersuchen recht schnell zurückgezogen, da man davon ausgeht, dass der Junge an einer besonders aggressiven Leukämie gestorben sei, doch dem Hamburger Kripokommissar Trimmel lässt der Fall keine Ruhe. Telefonisch kontaktiert er seinen ostberliner Kollegen Karl Lincke (Erwin Klietsch, „Alarm“, in seiner letzten TV-Rolle), mit dem er bereits vor der Gründung beider deutscher Staaten zusammengearbeitet hatte und sich freundschaftlich verbunden fühlt. Nachdem ihm dieser den Namen des Toten und dessen Eltern verraten hat, ermittelt er zunächst in der vornehmen Hamburger Elbchaussee auf der Suche nach dem vermögenden Chemiker Erich Landsberger (Paul Albert Krumm, „Jeder stirbt für sich allein“), dem unehelichen Vater des Jungen. Die Kindsmutter Eva Billsing (Renate Schroeter, „Die Ratten“) hatte den Leichnam in der DDR als gemeinsamen Sohn Christian identifiziert. Doch Landsberger ist mit seinem zweiten Sohn nach Frankfurt am Main umgezogen. Als Trimmel dort aufschlägt, gibt Landsberger sich abweisend, doch Trimmel fällt der sächsische Dialekt des Sohnemanns auf. Daraufhin reist Trimmel auf der Transitstrecke in Richtung West-Berlin, fingiert eine Autopanne und eilt per Taxi nach Leipzig, um Eva Billsing im Leipziger Vorort Markkleeberg aufzusuchen. Doch statt ihrer lernt er ihren Freund Peter Klaus (Hans Peter Hallwachs, „Tamara“) kennen, einen Oberleutnant der Volkspolizei, der Trimmel unmissverständlich klarmacht, in der DDR unerwünscht zu sein…
„Keine Sauereien, nüscht Sexuelles!“
Alles beginnt mit einer Kontrolle an der „innerdeutschen Grenze“, die vielmehr die Grenze zwischen den beiden Weltmächten NATO und Warschauer Pakt ist. Später wird Trimmel ermitteln, dass es sich beim Kontrollierten, der mit seinem schlafenden Sohn unterwegs ist, um Landsberger handelte. Trimmel ist ein etwas knautschiger, zigarrerauchender, um kein Schnäpschen verlegener Kommissar in den 60ern seiner Lebensjahre, doch in den sozialliberalen 1970ern des Zeitgeists. Er ist ebenso wenig kalter Krieger wie die Macher dieses „Tatorts“, denn „Taxi nach Leipzig“ tritt keinesfalls an, die DDR zu diskreditieren. So wirklich viel scheint sich hier ohnehin nicht zwischen BRD und DDR zu unterscheiden, wobei natürlich nicht an Originalschauplätzen gedreht wurde. Im Autoradio läuft zwar der Oktoberklub, doch ansonsten schien man bemüht, DDR-Klischees zu umschiffen – hatte aber möglicherweise auch schlicht keinen Schimmer, wie so ein Leipziger Vorort eigentlich aussieht. Um ehrlich zu sein: Ich weiß es auch nicht.
Die unterschiedlichen Systeme werden hier also schon mal nicht verhandelt, ihre Existenz ist jedoch allgegenwärtig, nicht nur in scherzhaften Dialoganspielungen. Trimmel, der keinen Partner, aber den uniformierten Kollegen Kriminalmeister Höffgen (Edgar Hoppe, „Großstadtrevier“) zumindest im Büro an seiner Seite hat, kommt ganz schön rum: erst Hamburg, dann Frankfurt, im Anschluss die Transitstrecke, Tankstellen, irgendwann schließlich das eigentlich recht idyllisch anmutende Markkleeberg. Dort endlich wird auch Trimmel jenem Pärchen begegnen, das bisher, parallel zu Trimmels Szenen geschnitten, dem „Tatort“-Publikum einen Wissensvorsprung verschafft hatte. Wer wie Trimmel den Dialekt des noch lebenden Landsberger-Sohns vernommen und richtig eingeordnet hat, kommt vermutlich recht schnell hinter das Rätsel des Kindertauschs, alle anderen, so auch der Verfasser dieser Zeilen, brauchen noch etwas, um durchzusteigen. Überhaupt, die Dialekte: Trimmel berlinert für einen Hamburger auffällig stark, die (Vorort-)Leipziger hingegen sächseln so gut wie gar nicht – woher hat der Junge das also bloß?
Die Action in diesem „Tatort“ beschränkt sich auf eine Prügelei zwischen Trimmel und Evas Freund Peter, die wohlgemerkt entbrennt, nachdem Trimmel (!) frech geworden war. Spannend ist die ganze Angelegenheit durchaus, wenngleich es lange den Anschein hat, als gäbe es gar keinen Mord. Der Fall scheint schon gelöst, da zeigt ein Blick auf die Uhr, dass „Taxi nach Leipzig“ noch ein paar gute Minuten vor sich hat, und tatsächlich geht’s weiter, und zwar mehr nach Art eines Beziehungsdramas, weniger eines Krimis. Liebe in Zeiten zwei voneinander abgegrenzter Staaten. Und zwei ebensolcher Männer. Schwierig, schwierig. Entscheidungen sind zu treffen. Gut, dass man eine solch verständnisvolle Vaterfigur wie Trimmel an seiner Seite hat. Also bleibt das alles ohne juristische Folgen? Trimmel ist ein Fuchs, die Handlung nimmt eine weitere Wendung und überraschend wird doch noch ein Mordfall daraus. Und wie Trimmel damit umgehen wird, bleibt offen.
„Taxi nach Leipzig“ vereint bereits vieles, was lange Zeit typisch und sinnstiftend für die „Tatort“-Reihe sein sollte: Zeitkolorit, das Aufgreifen aktueller gesellschaftlicher Themen und ihre kritische Abwägung in Form unterhaltsamer, spannender, auch mal provokant erzählter Stoffe, soziales Interesse – was ihn zu einer Art Gegenwartsgeschichte und -kultur konservierendes TV-Krimi-Gedächtnis machte. Nur die Regionalität bleibt hier noch auf der (Transit-)Strecke. Trimmel ist ein einerseits mit beiden Beinen auf dem Boden gebliebener Kumpel- und Trinkertyp, der andererseits zumeist erhaben über den Dingen zu stehen scheint und keinerlei feindsinnige Agenda verfolgt. Hier und da holpert dieser grundsätzlich ansprechend inszenierte und tadellos geschauspielerte Fall dramaturgisch ein wenig, und ob sein komplexes Tatmotivgebilde allen kritischen Betrachtung standhalten würde, ist schwer zu sagen, denn dafür erfährt man die Vorgeschichte zu beiläufig und subjektiv von den Figuren in Dialogform geschildert. Dass am Ende aber zu befürchten steht, der sympathische Trimmel könne den Mörder eines Kindes decken, weil dieses schließlich ohnehin bereits halbtot gewesen sei, stößt auf und halte ich für moralisch mindestens bedenklich…
Freundschaft? Vielleicht.
Trimmel und das Wechselbalg
„Freundschaft!“ – „Was is‘?“ – „Tach mein‘ ich…“
Am 29. November 1970 nahm eine der weltweit langlebigsten Fernsehkrimireihen ihren Anfang: Der „Tatort“ war geboren und mit ihm sein erster Ermittler: Der von Walter Richter („Pippi außer Rand und Band“) gespielte Hamburger Kommissar Paul Trimmel. Wobei das eigentlich nicht ganz stimmt: Debütiert hatte diese Figur bereits 1969 im Fernsehfilm „Exklusiv!“, der später mit einem „Tatort“-Vorspann versehen und der Reihe hinzugefügt wurde. Und in Papierform existierte sie noch etwas früher: Trimmel hat seinen Ursprung in Friedhelm Werremeiers Romanreihe, dessen erster Band „Ich verkaufe mich exklusiv“ von Werremeier höchstpersönlich für „Exklusiv!“ in Drehbuchform gebracht wurde. Ähnlich verlief es bei „Taxi nach Leipzig“: Der Roman stammte von Werremeier, das Drehbuch von Werremeier und Peter Schulze-Rohr, welcher auch die Regie führte.
„Kannst‘ das nicht selber wegschmeißen?“
Eine Autobahnraststätte in der Nähe Leipzigs wird zum Fundort eines toten Jungen. Da dieser Schuhe aus der BRD trug, wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft der DDR mit einem Amtshilfeersuchen bei den BRD-Strafverfolgungsbehörden. Zwar wird das Ersuchen recht schnell zurückgezogen, da man davon ausgeht, dass der Junge an einer besonders aggressiven Leukämie gestorben sei, doch dem Hamburger Kripokommissar Trimmel lässt der Fall keine Ruhe. Telefonisch kontaktiert er seinen ostberliner Kollegen Karl Lincke (Erwin Klietsch, „Alarm“, in seiner letzten TV-Rolle), mit dem er bereits vor der Gründung beider deutscher Staaten zusammengearbeitet hatte und sich freundschaftlich verbunden fühlt. Nachdem ihm dieser den Namen des Toten und dessen Eltern verraten hat, ermittelt er zunächst in der vornehmen Hamburger Elbchaussee auf der Suche nach dem vermögenden Chemiker Erich Landsberger (Paul Albert Krumm, „Jeder stirbt für sich allein“), dem unehelichen Vater des Jungen. Die Kindsmutter Eva Billsing (Renate Schroeter, „Die Ratten“) hatte den Leichnam in der DDR als gemeinsamen Sohn Christian identifiziert. Doch Landsberger ist mit seinem zweiten Sohn nach Frankfurt am Main umgezogen. Als Trimmel dort aufschlägt, gibt Landsberger sich abweisend, doch Trimmel fällt der sächsische Dialekt des Sohnemanns auf. Daraufhin reist Trimmel auf der Transitstrecke in Richtung West-Berlin, fingiert eine Autopanne und eilt per Taxi nach Leipzig, um Eva Billsing im Leipziger Vorort Markkleeberg aufzusuchen. Doch statt ihrer lernt er ihren Freund Peter Klaus (Hans Peter Hallwachs, „Tamara“) kennen, einen Oberleutnant der Volkspolizei, der Trimmel unmissverständlich klarmacht, in der DDR unerwünscht zu sein…
„Keine Sauereien, nüscht Sexuelles!“
Alles beginnt mit einer Kontrolle an der „innerdeutschen Grenze“, die vielmehr die Grenze zwischen den beiden Weltmächten NATO und Warschauer Pakt ist. Später wird Trimmel ermitteln, dass es sich beim Kontrollierten, der mit seinem schlafenden Sohn unterwegs ist, um Landsberger handelte. Trimmel ist ein etwas knautschiger, zigarrerauchender, um kein Schnäpschen verlegener Kommissar in den 60ern seiner Lebensjahre, doch in den sozialliberalen 1970ern des Zeitgeists. Er ist ebenso wenig kalter Krieger wie die Macher dieses „Tatorts“, denn „Taxi nach Leipzig“ tritt keinesfalls an, die DDR zu diskreditieren. So wirklich viel scheint sich hier ohnehin nicht zwischen BRD und DDR zu unterscheiden, wobei natürlich nicht an Originalschauplätzen gedreht wurde. Im Autoradio läuft zwar der Oktoberklub, doch ansonsten schien man bemüht, DDR-Klischees zu umschiffen – hatte aber möglicherweise auch schlicht keinen Schimmer, wie so ein Leipziger Vorort eigentlich aussieht. Um ehrlich zu sein: Ich weiß es auch nicht.
Die unterschiedlichen Systeme werden hier also schon mal nicht verhandelt, ihre Existenz ist jedoch allgegenwärtig, nicht nur in scherzhaften Dialoganspielungen. Trimmel, der keinen Partner, aber den uniformierten Kollegen Kriminalmeister Höffgen (Edgar Hoppe, „Großstadtrevier“) zumindest im Büro an seiner Seite hat, kommt ganz schön rum: erst Hamburg, dann Frankfurt, im Anschluss die Transitstrecke, Tankstellen, irgendwann schließlich das eigentlich recht idyllisch anmutende Markkleeberg. Dort endlich wird auch Trimmel jenem Pärchen begegnen, das bisher, parallel zu Trimmels Szenen geschnitten, dem „Tatort“-Publikum einen Wissensvorsprung verschafft hatte. Wer wie Trimmel den Dialekt des noch lebenden Landsberger-Sohns vernommen und richtig eingeordnet hat, kommt vermutlich recht schnell hinter das Rätsel des Kindertauschs, alle anderen, so auch der Verfasser dieser Zeilen, brauchen noch etwas, um durchzusteigen. Überhaupt, die Dialekte: Trimmel berlinert für einen Hamburger auffällig stark, die (Vorort-)Leipziger hingegen sächseln so gut wie gar nicht – woher hat der Junge das also bloß?
Die Action in diesem „Tatort“ beschränkt sich auf eine Prügelei zwischen Trimmel und Evas Freund Peter, die wohlgemerkt entbrennt, nachdem Trimmel (!) frech geworden war. Spannend ist die ganze Angelegenheit durchaus, wenngleich es lange den Anschein hat, als gäbe es gar keinen Mord. Der Fall scheint schon gelöst, da zeigt ein Blick auf die Uhr, dass „Taxi nach Leipzig“ noch ein paar gute Minuten vor sich hat, und tatsächlich geht’s weiter, und zwar mehr nach Art eines Beziehungsdramas, weniger eines Krimis. Liebe in Zeiten zwei voneinander abgegrenzter Staaten. Und zwei ebensolcher Männer. Schwierig, schwierig. Entscheidungen sind zu treffen. Gut, dass man eine solch verständnisvolle Vaterfigur wie Trimmel an seiner Seite hat. Also bleibt das alles ohne juristische Folgen? Trimmel ist ein Fuchs, die Handlung nimmt eine weitere Wendung und überraschend wird doch noch ein Mordfall daraus. Und wie Trimmel damit umgehen wird, bleibt offen.
„Taxi nach Leipzig“ vereint bereits vieles, was lange Zeit typisch und sinnstiftend für die „Tatort“-Reihe sein sollte: Zeitkolorit, das Aufgreifen aktueller gesellschaftlicher Themen und ihre kritische Abwägung in Form unterhaltsamer, spannender, auch mal provokant erzählter Stoffe, soziales Interesse – was ihn zu einer Art Gegenwartsgeschichte und -kultur konservierendes TV-Krimi-Gedächtnis machte. Nur die Regionalität bleibt hier noch auf der (Transit-)Strecke. Trimmel ist ein einerseits mit beiden Beinen auf dem Boden gebliebener Kumpel- und Trinkertyp, der andererseits zumeist erhaben über den Dingen zu stehen scheint und keinerlei feindsinnige Agenda verfolgt. Hier und da holpert dieser grundsätzlich ansprechend inszenierte und tadellos geschauspielerte Fall dramaturgisch ein wenig, und ob sein komplexes Tatmotivgebilde allen kritischen Betrachtung standhalten würde, ist schwer zu sagen, denn dafür erfährt man die Vorgeschichte zu beiläufig und subjektiv von den Figuren in Dialogform geschildert. Dass am Ende aber zu befürchten steht, der sympathische Trimmel könne den Mörder eines Kindes decken, weil dieses schließlich ohnehin bereits halbtot gewesen sei, stößt auf und halte ich für moralisch mindestens bedenklich…
Freundschaft? Vielleicht.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Stau
„Mit Vollgas im Stau.“
Regisseur und Autor Dietrich Brüggemann („Heil“) debütierte mit dem 20. Fall der Stuttgarter Kripo-Ermittler Thorsten Lannert und Sebastian Bootz (Richy Müller und Felix Klare) innerhalb der öffentlich-rechtlichen „Tatort“-Fernsehkrimireihe: „Stau“ wurde Ende 2016 gedreht und am 2. Juni 2017 auf dem SWR-Sommerfestival uraufgeführt. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte am 10. September 2017. Das Drehbuch, das wie eine Hommage an die deutsche Kultkomödie „Superstau“ (1991) anmutet, verfasste Brüggemann zusammen mit Daniel Bickermann.
„Deutlich sichtbarer Kratzer!“
In der Stuttgarter Wohnsiedlung Haigst wird die 14-jährige Gudrun von einem Auto überfahren und verstirbt kurz darauf elendig auf der Straße, der/die Verursacher(in) begeht Fahrerflucht. Der einzige mögliche Zeuge ist Luis (Lias Funck, „Tatort: Die Pfalz von oben“), der dreijährige Sohn der alleinerziehenden Sophie Kauert (Amelie Kiefer, „Nirgendwo“). Während Kommissar Sebastian Bootz (Felix Klare) – eigentlich auf der Suche nach einem verschwundene Belastungszeugen in einem ganz anderen Fall – geduldig versucht, Informationen aus dem Jungen herauszubekommen, ermittelt Thorsten Lannert (Richy Müller) im Stau: Eine Baustelle muss den Flüchtigen direkt auf die Stuttgarter Weinsteige geleitet haben, wo aufgrund eines Wasserrohrbruchs gar nichts mehr geht…
„Wo bleiben die eigentlich alle?“ – „Die stehen im Stau.“
Eine schlimm schwäbelnde Erzieherin quatscht den Vater (Roland Bonjour, „Der letzte Mentsch“) des kleinen Noah voll, ein Mieter (Rüdiger Vogler, „Anatomie“) sucht Hilfe aufgrund einer Eigenbedarfskündigung, ein Pflegediensttransporter ist spät dran, Herr Treml (Daniel Nocke, „3 Zimmer/Küche/Bad“) wird im Personalgespräch kritisiert und lässt sich einen Paketbotendienst aufschwatzen, ein Paar (Julia Heinemann, „Die glückliche Familie“ und Eckhard Greiner, „Die letzte Sau“) streitet sich beim Einkaufen und eine gestresste junge Mutter (Susanne Wuest, „Ich seh, ich seh“) hat ihre neunmalkluge Tochter Miris (Anastasia Clara Zander, „Wir, Geiseln der SS“) abgeholt – Feierabend in Stuttgart, Feierabendverkehr auf Stuttgarts Straßen, alle sitzen sie in ihren Karossen und hören unterschiedliche Musik. Der Zusammenschnitt dieses Parallelmontage-Panoptikums bildet einen großartigen Einstieg in diesen ungewöhnlichen Whodunit?-„Tatort“.
„Wer nennt heute noch sein Kind Gudrun?!“
Eine etwaige anfängliche Sorge, dass es bei einer derart hohen Anzahl an Figuren und damit individuellen Geschichten schnell unübersichtlich werden würde, erweist sich als unbegründet. In urbaner Herbstabendatmosphäre lernt man das Ensemble nicht nur aufgrund Lannerts Befragungen nach und nach besser kennen – als Menschen, aber auch als Verdächtige und nicht zuletzt als Ausdruck deutscher Befindlichkeiten in der Stauhauptstadt Stuttgart. Durch einen beiläufigen Kommentar Lannerts avanciert der Angestellte Treml zum angestachelten Rebellen, der sich nichts mehr gefallen lassen will, der bemitleidenswerten Mutter mit ihrer supernervigen Tochter möchte man „Kondome schützen!“ zurufen, wenn man nicht gerade die Hände vor ihren einen Auffahrunfall im Stau verursachenden Fahrstil überm Kopf zusammenschlägt. Der Chauffeur (Jacob Matschenz, „3 Türken & ein Baby“) mit dauertelefonierender arroganter Geschäftsfrau (Sanam Afrashteh, „Tatort: Böser Boden“) auf dem Rücksitz, die ständig Spitzen gegen ihn abfeuert, macht das einzig Richtige und geht erst mal eine dampfen. Gut, dass ein Joint daraus wird, ist im Straßenverkehr wiederum weniger zu empfehlen, doch dazu hat ihn der Pflegedienstfahrer (Deniz Ekinci, „Heil“) verführt. Die Junggesellenabschiedstruppe ein paar Autos weiter ist hingegen gut am Zechen. Fehlt eigentlich nur Otti Fischer im Wohnmobil.
„Wenn ich am Fenster sitz‘, dann sitz‘ ich am Fenster!“
Der erste Verdacht wird auf den Raser Gerold Breidenbach gelenkt, der mit seiner Frau Marie-Luise eine ganz gruselige Beziehung führt, bei der wohl auch keine Paartherapie mehr hilft. Doch am Wagen der Geschäftsfrau klebt Blut, gegen zwei Staufahrer wurde in der Vergangenheit bereits wegen Kindesmissbrauchs ermittelt und zwischenzeitlich heißt es, das Opfer sei möglicherweise vergewaltigt und aus einem fahrenden Auto geworfen worden. Insgesamt kommen rund 200 Fahrzeuge in Betracht, Dashcams werden ausgewertet und mit roten Heringen um sich geworfen, um das Fernsehpublikum an der Nase herumzuführen. Das ist mitunter etwas zu viel des Guten, insbesondere, wenn sich plötzlich die Prämisse ändert und dann doch wieder nicht, wenn der Zeuge keiner mehr sein soll und wenn man das Gefühl bekommt, die Seniorin Frau Ott (Sabine Hahn, „Nägel mit Köppen“) trage außer einer Karikatur auf garstige Stuttgarter Spießbürgerinnen kaum etwas zur Handlung bei (starker Auftritt dennoch!). Der karikierende und auch mal sarkastische Humor steht diesem „Tatort“ jedoch meist recht gut zu Gesicht, und manchmal ist er sogar ganz harmlos, beispielsweise bei der niedlichen Ermittlungsarbeit mit dem Knirps.
„Fünf Wochen unfallfrei? Kompliment!“
Dann wieder zurück zu einem ernsteren Tonfall angesichts des tragischen Ereignisses zu finden ist eine Herausforderung, die Brüggemann unter anderem mittels Illustration einer immer angespannter werdenden Lage meistert: Uniformkasper versus Kripo und beide versus aufgebrachte „Wutbürger“, die die Situation zu eskalieren drohen. Die Kripo-Beamten bleiben indes betont ruhig und besonnen und bilden den Ruhepol dieses spannenden Falls, der letztlich, wenn überhaupt – das Ende gibt sich nicht 100%ig eindeutig – eben nur mit Einfühlungsvermögen gelöst werden kann. Dieses Plädoyer für Vernunft und Empathie ist begrüßenswert und wird von Richy Müller souverän vermittelt. Dass „Stau“ nicht am Originalschauplatz, sondern in einer nachgebauten Weinsteige gedreht wurde und man die realen Panoramen nachträglich per Computertechnik einfügte, ist mir nicht aufgefallen, wohl aber, dass nicht jede Nebenrolle mit ausgebildeten Schauspielern besetzt wurde. Das tut dem Sehvergnügen jedoch keinen Abbruch. Aber: Seit wann werden einem bereits seine Rechte wie bei einer Verhaftung verlesen, sobald auch nur ein Anfangsverdacht vorliegt? Da ging wohl die Fantasie in Bezug auf Polizeiarbeit mit den Autoren durch, denen es die meiste Zeit gelang, mehr oder weniger subtil unterschwellige Kritik am seltsamen Verhalten einzuweben, sich in mit vernünftigem ÖPNV ausgestatteten Städten in rollenden Blechhaufen durch die Innenstadt zu schieben und seine Zeit in Staus zu verschwenden.
„Mit Vollgas im Stau.“
Regisseur und Autor Dietrich Brüggemann („Heil“) debütierte mit dem 20. Fall der Stuttgarter Kripo-Ermittler Thorsten Lannert und Sebastian Bootz (Richy Müller und Felix Klare) innerhalb der öffentlich-rechtlichen „Tatort“-Fernsehkrimireihe: „Stau“ wurde Ende 2016 gedreht und am 2. Juni 2017 auf dem SWR-Sommerfestival uraufgeführt. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte am 10. September 2017. Das Drehbuch, das wie eine Hommage an die deutsche Kultkomödie „Superstau“ (1991) anmutet, verfasste Brüggemann zusammen mit Daniel Bickermann.
„Deutlich sichtbarer Kratzer!“
In der Stuttgarter Wohnsiedlung Haigst wird die 14-jährige Gudrun von einem Auto überfahren und verstirbt kurz darauf elendig auf der Straße, der/die Verursacher(in) begeht Fahrerflucht. Der einzige mögliche Zeuge ist Luis (Lias Funck, „Tatort: Die Pfalz von oben“), der dreijährige Sohn der alleinerziehenden Sophie Kauert (Amelie Kiefer, „Nirgendwo“). Während Kommissar Sebastian Bootz (Felix Klare) – eigentlich auf der Suche nach einem verschwundene Belastungszeugen in einem ganz anderen Fall – geduldig versucht, Informationen aus dem Jungen herauszubekommen, ermittelt Thorsten Lannert (Richy Müller) im Stau: Eine Baustelle muss den Flüchtigen direkt auf die Stuttgarter Weinsteige geleitet haben, wo aufgrund eines Wasserrohrbruchs gar nichts mehr geht…
„Wo bleiben die eigentlich alle?“ – „Die stehen im Stau.“
Eine schlimm schwäbelnde Erzieherin quatscht den Vater (Roland Bonjour, „Der letzte Mentsch“) des kleinen Noah voll, ein Mieter (Rüdiger Vogler, „Anatomie“) sucht Hilfe aufgrund einer Eigenbedarfskündigung, ein Pflegediensttransporter ist spät dran, Herr Treml (Daniel Nocke, „3 Zimmer/Küche/Bad“) wird im Personalgespräch kritisiert und lässt sich einen Paketbotendienst aufschwatzen, ein Paar (Julia Heinemann, „Die glückliche Familie“ und Eckhard Greiner, „Die letzte Sau“) streitet sich beim Einkaufen und eine gestresste junge Mutter (Susanne Wuest, „Ich seh, ich seh“) hat ihre neunmalkluge Tochter Miris (Anastasia Clara Zander, „Wir, Geiseln der SS“) abgeholt – Feierabend in Stuttgart, Feierabendverkehr auf Stuttgarts Straßen, alle sitzen sie in ihren Karossen und hören unterschiedliche Musik. Der Zusammenschnitt dieses Parallelmontage-Panoptikums bildet einen großartigen Einstieg in diesen ungewöhnlichen Whodunit?-„Tatort“.
„Wer nennt heute noch sein Kind Gudrun?!“
Eine etwaige anfängliche Sorge, dass es bei einer derart hohen Anzahl an Figuren und damit individuellen Geschichten schnell unübersichtlich werden würde, erweist sich als unbegründet. In urbaner Herbstabendatmosphäre lernt man das Ensemble nicht nur aufgrund Lannerts Befragungen nach und nach besser kennen – als Menschen, aber auch als Verdächtige und nicht zuletzt als Ausdruck deutscher Befindlichkeiten in der Stauhauptstadt Stuttgart. Durch einen beiläufigen Kommentar Lannerts avanciert der Angestellte Treml zum angestachelten Rebellen, der sich nichts mehr gefallen lassen will, der bemitleidenswerten Mutter mit ihrer supernervigen Tochter möchte man „Kondome schützen!“ zurufen, wenn man nicht gerade die Hände vor ihren einen Auffahrunfall im Stau verursachenden Fahrstil überm Kopf zusammenschlägt. Der Chauffeur (Jacob Matschenz, „3 Türken & ein Baby“) mit dauertelefonierender arroganter Geschäftsfrau (Sanam Afrashteh, „Tatort: Böser Boden“) auf dem Rücksitz, die ständig Spitzen gegen ihn abfeuert, macht das einzig Richtige und geht erst mal eine dampfen. Gut, dass ein Joint daraus wird, ist im Straßenverkehr wiederum weniger zu empfehlen, doch dazu hat ihn der Pflegedienstfahrer (Deniz Ekinci, „Heil“) verführt. Die Junggesellenabschiedstruppe ein paar Autos weiter ist hingegen gut am Zechen. Fehlt eigentlich nur Otti Fischer im Wohnmobil.
„Wenn ich am Fenster sitz‘, dann sitz‘ ich am Fenster!“
Der erste Verdacht wird auf den Raser Gerold Breidenbach gelenkt, der mit seiner Frau Marie-Luise eine ganz gruselige Beziehung führt, bei der wohl auch keine Paartherapie mehr hilft. Doch am Wagen der Geschäftsfrau klebt Blut, gegen zwei Staufahrer wurde in der Vergangenheit bereits wegen Kindesmissbrauchs ermittelt und zwischenzeitlich heißt es, das Opfer sei möglicherweise vergewaltigt und aus einem fahrenden Auto geworfen worden. Insgesamt kommen rund 200 Fahrzeuge in Betracht, Dashcams werden ausgewertet und mit roten Heringen um sich geworfen, um das Fernsehpublikum an der Nase herumzuführen. Das ist mitunter etwas zu viel des Guten, insbesondere, wenn sich plötzlich die Prämisse ändert und dann doch wieder nicht, wenn der Zeuge keiner mehr sein soll und wenn man das Gefühl bekommt, die Seniorin Frau Ott (Sabine Hahn, „Nägel mit Köppen“) trage außer einer Karikatur auf garstige Stuttgarter Spießbürgerinnen kaum etwas zur Handlung bei (starker Auftritt dennoch!). Der karikierende und auch mal sarkastische Humor steht diesem „Tatort“ jedoch meist recht gut zu Gesicht, und manchmal ist er sogar ganz harmlos, beispielsweise bei der niedlichen Ermittlungsarbeit mit dem Knirps.
„Fünf Wochen unfallfrei? Kompliment!“
Dann wieder zurück zu einem ernsteren Tonfall angesichts des tragischen Ereignisses zu finden ist eine Herausforderung, die Brüggemann unter anderem mittels Illustration einer immer angespannter werdenden Lage meistert: Uniformkasper versus Kripo und beide versus aufgebrachte „Wutbürger“, die die Situation zu eskalieren drohen. Die Kripo-Beamten bleiben indes betont ruhig und besonnen und bilden den Ruhepol dieses spannenden Falls, der letztlich, wenn überhaupt – das Ende gibt sich nicht 100%ig eindeutig – eben nur mit Einfühlungsvermögen gelöst werden kann. Dieses Plädoyer für Vernunft und Empathie ist begrüßenswert und wird von Richy Müller souverän vermittelt. Dass „Stau“ nicht am Originalschauplatz, sondern in einer nachgebauten Weinsteige gedreht wurde und man die realen Panoramen nachträglich per Computertechnik einfügte, ist mir nicht aufgefallen, wohl aber, dass nicht jede Nebenrolle mit ausgebildeten Schauspielern besetzt wurde. Das tut dem Sehvergnügen jedoch keinen Abbruch. Aber: Seit wann werden einem bereits seine Rechte wie bei einer Verhaftung verlesen, sobald auch nur ein Anfangsverdacht vorliegt? Da ging wohl die Fantasie in Bezug auf Polizeiarbeit mit den Autoren durch, denen es die meiste Zeit gelang, mehr oder weniger subtil unterschwellige Kritik am seltsamen Verhalten einzuweben, sich in mit vernünftigem ÖPNV ausgestatteten Städten in rollenden Blechhaufen durch die Innenstadt zu schieben und seine Zeit in Staus zu verschwenden.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!