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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: Fr 31. Aug 2018, 16:54
von McBrewer
Aktuell hat mich mal schon wieder die Leselust gepackt..ach, nicht nur aktuell, natürlich schon die ganzen Jahre, aber Momentan lese ich gerade drei Werke parallel:

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Im Rotlicht: Das explosive Leben des Stefan Hentschel

Wer kennt Ihn nicht? Die Hamburger Rotlichtgröße Stefan Hentschel, seine Biografie ist mindestens so aufregend wie seine wahres Leben. Bekannt wurde Hentschel ja aus der tollen Doku DER BOXPRINZ über Norbert Grupe & einer Erinnerungswürdigen, handfesten Szene

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dann:

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Clive Barkers Die Bücher des Blutes 4 -6

Die ersten drei Blutbücher hatte ich damals verschlungen, im letzten Urlaub hatte ich gerade Leselust & mir viel diese Hardcover TB Variante für ein paar Taler in die Hände, später habe ich festgestellt, das ich den Vierten Teil schon als TB zu Hause & durchgelesen hatte (konnte mich aber an den Großteil der Geschichten nicht im Geringsten mehr Erinnern) , Buch Nr. fünf und sechs sind ganz nett, aber mir fehlt bisher noch ein echter Magenschwinger

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MICHAEL STRISS: GNADE SPRICHT GOTT – AMEN MEIN COLT
Motive, Symbolik und religiöse Bezüge im Italowestern

Stiglegger hatte in einer der letzten Deadline Ausgaben dieses Buch vorgestellt. Von einem bekennenden Genrefilmfreund und evangelischen Theologen geschrieben. Da muss ich gestehen, das ist genau meine Baustelle & nach den ersten Seiten mag man den 600 Seiten dicken Wälzer gar nicht mehr aus der Hand legen. Ziemlich viel Genrewissen zeichnet den Michael Striss aus. Das macht das Buch bisher gut lesbar. Bin mal gespannt, was man da noch dazu lernen kann

Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: So 16. Sep 2018, 23:15
von buxtebrawler
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Ulf S. Graupner / Sascha Wüstefeld – Das UPgrade 1: Wunder, Würfel, Weltfestspiele

Den vorläufigen Abschluss meiner Auseinandersetzung mit Wende-Comics sollte „Das UPgrade“ bilden, ohne zu ahnen, dass es sich lediglich um den ersten Band einer auf zehn Teile angelegten Reihe handelt, die Autor Ulf S. Graupner und Co-Autor/Zeichner Sascha Wüstefeld in einem Zeitraum von zehn Jahren veröffentlichen wollen und von dem bereits drei erschienen sind. Und beim mir vorliegenden, wunderschönen großformatigen, gebundenen und vollkolorierten, 64 Seiten umfassenden Band, der im März 2015 im Cross-Cult-Verlag erschienen ist, handelt es sich auch keineswegs um die Erstveröffentlichung: 2012 verlegte bereits der Zitty-Verlag die ersten beiden Bände, der dritte folgte in Eigenveröffentlichung. Im Cross-Cult-Verlag erfolgte 2015 also so etwas wie ein größer angelegter Neustart.

Der 5. Mai 1988: Ronny Knäusel, 21 Jahre jung, ausgestattet mit einem Walkman und einer FDJ-Uniform, teleportiert eine Gruppe Ausreisewilliger aus der DDR heraus. Zeitsprung, Januar 1992, Malibu, Kalifornien: Der ehemalige Surf-Rock-Star Cosmo Shleym bestellt eine Pizza zu seinem spacigen Anwesen, zerstückelt den Boten jedoch versehentlich eine viele kleine Würfel. Erneuter Zeitsprung, November 1965: Ronny Knäusels Mutter sediert ihren Mann, um Sex mit ihm zu haben und endlich schwanger zu werden. Ronny kommt am 1. August 1966 zur Welt. Sieben Jahre später hat Cosmo Shleym einen Auftritt bei den X. Ost-Berliner Weltfestspielen, ein Mordanschlag der Stasi auf ihn schlägt fehl. Der kleine Ronny weiß davon nichts, blättert an seinem Geburtstag in der Frösi und lauscht dem Jugendsender DT64. Anstelle seines Blitz-Fahrrads hätte er lieber ein Abonnement der Bildergeschichten-Zeitschrift Mosaik (für das die UPgrade-Autoren selbst gearbeitet haben und das eine Art DDR-Ersatzdroge für comicaffine Jünglinge war) als Geburtstagsgeschenk erhalten. Als er erfährt, was in Berlin los ist, teleportiert er sich dorthin und ist ganz aufgelöst, weil er sich in die Hose gekackt hat – eine Nebenwirkung des Teleportierens. Dort trifft er auch auf Frau Bellmann, seine Pionierleiterin, die jedoch plötzlich eine Waffe zieht. Doch bevor sie auf Shleym zielen kann, teleportiert sich Ronny zurück nach Hause und nimmt die Attentäterin unfreiwillig mit. Der letzte Zeitsprung führt ins Jahr 1992: Die DDR ist Geschichte; Ronny alias DER TRANSLOKAT, ihr ehemals einziger Superheld, sitzt bierbäuchig und frustriert in seiner Plattenbauparzelle und hadert mit seiner Existenz, bis er sich in suizidaler Absicht aus dem Fenster stürzt...

Außer im Prolog fehlt sein Auftreten als Superheld also komplett in diesem ersten Band, der mit dem fiesest möglichen Cliffhanger endet. Stattdessen bekommt man kurze Einblicke in verschiedene Zeitabschnitte, deren Zusammenhänge sich allenfalls erahnen lassen. Dieser erste Band ist somit nicht mehr als die Exposition eines großen Ganzen, das einem mit seinem faszinierenden, farbenprächtigen Funny-Stil die Fortsetzungen schmackhaft macht. Auf eine feste Panelstruktur wird verzichtet, der Seitenaufbau ist sehr dynamisch und seinen Inhalten untergeordnet. In den zunächst überladen wirkenden Bildern gibt es viele Details zu entdecken, die die DDR-Alltagskultur illustrieren (was manch anderem Wende-Comic abgeht) und bedeutende Momente der DDR-Historie ins Gedächtnis ruft, die durch den Kakao gezogen und mit der fiktionalen Handlung verknüpft werden. Zudem sächselt Ronny in seinen Sprechblasen stilecht, was einen weiteren starken Kontrast zum allgemeinen Bild von Superhelden bildet, den satirischen Aspekt demnach verstärkt. Wer sich ein bisschen mit der DDR auskennt – z.B. weil er selbst in ihr gelebt hat –, wird somit, wie beispielsweise auch in Mawils „Kinderland“, einiges wiedererkennen, und wer es nicht tat, dem werden authentische Einblicke bis hin zu detailgetreu nachgezeichneten Zeitschriften-Titelseiten gewährt. Der Post-Wende-Abschnitt wiederum spielt unzweideutig auf die Ernüchterung und Katerstimmung zahlreicher desillusionierter „Wende-Verlierer“ an; ein Thema, das bisher zu selten in Wende-Comics bearbeitet wurde.

Eine Art Spin-Off ist die Bonusgeschichte dieser Neuauflage: „Günnis Tubenauto“, dessen Titelseite im Stil der Computerspielreihe „Grand Theft Auto“ gestaltet wurde und von der DDR-Kinderzahnpaste „Putzi“ präsentiert wird, erzählt von meinem Namensvetter und Vater Ronnys, genauer: wie er die Geburt seines Sohns erlebte. Und damit nicht genug: Im „Aus dem ‚Skizzenbuch’ des Patienten Sascha W.“ genannten Anhang lässt sich selbstironisch kommentiert die zeichnerische Entstehung der Figuren nachvollziehen. Über die Handlung an sich lässt sich aus beschriebenen Gründen noch kein Urteil bilden, alles andere ist aber auf derart hohem Niveau, dass man den Autoren/Zeichnern und dem Verlag den nötigen langen Atem für ihr Unterfangen wünscht, die zehnbändige Reihe regelmäßig zu produzieren und zu veröffentlichen, verbunden mit der Hoffnung, vielleicht schon mit dem mir noch unbekannten Band 2 eine etwas nachvollziehbarere, linearere Erzählweise präsentiert zu bekommen. Ich bin gespannt!

Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: Di 9. Okt 2018, 17:27
von sergio petroni
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Druckfrisch eingetroffen.
Aber es zeigt sich leider immer mehr:
Man kann anscheinend unangenehme Wahrheit über unangenehme Wahrheit über diesen Mann
recherchieren und veröffentlichen, das ficht ihn und seine Wählerschaft nicht im geringsten
an...... :rambo:

Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: Mi 10. Okt 2018, 16:12
von karlAbundzu
BRUCE DICKINSON: hat does this Button do?
Biographie des amtslängsten Iron Maiden Sängers.
Viele interessante Sachen, die ich noch nicht wußte. Das Fechten bis zur Profiklasse. Die zweifelhaften und wahnsinnigen) Kriegserfahrungen im Jugoslawienkrieg. Und das er eigentlich professioneller Flugzeugführer der richtig großen Maschinen mit Nebenberuf Rocksänger ist, war mir auch neu. Und auch neu für mich seine Krebserkrankung im Mundbereich, was für mich seine veränderte Stimme erklärt. Natürlich sind auch die musikalischen Werdegänge von Samson, Iron Maiden, Skunkworks, Solo, Wiederverinigung mit IM.
Das ganze private (Frauen, Kinder usw.) hat er rausgelassen. Mit natürlich jedem Recht, aber dadurch wirkt er so ein bißchen wie ein lonely Wolf der alles aus sich und mit sich ausmacht.
Und richtig gut kann er nicht schreiben, es ist oft wenig mitreissend, vieles wirkt irgendwie egal auf mich.
Inhalt gut, geschrieben (vielleicht liegt es auch an der Übersetzung) eher mau.

Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: Sa 27. Okt 2018, 15:13
von sergio petroni
"Dreckige Spaghetti - Die glorreiche Geschichte des Italowestern" von Uwe Killing
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Schön kurzweilig und nicht ausufernd. Viel Altbekanntes, manch Neues. Aber auch das Bekannte
zu lesen hat Spaß gemacht.
Das Buch beginnt mit dem legendären nächtlichen Treffen von Sergio Leone, Sergio Corbucci,
Enzo Barboni und Duccio Tessari in der spanischen Wüste während des Drehs eines Peplums
Ende der 1950er, bei dem die vier sich angeblich darauf einschworen, dem amerikanischen
Western in Italien neue Impulse zu geben.
Dazwischen immer wieder Setbilder und Filmszenen im Breitwandformat.
Es endet mit einer Empfehlung der Italowestern, die man auf jeden Fall gesehen haben sollte
(wo ich mir auch noch ein paar Anregungen zur Lückenschließung geholt habe).

Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: So 28. Okt 2018, 23:40
von buxtebrawler
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Bill Watterson - Calvin und Hobbes: Irre Viecher aus dem All

Von 2005 bis 2008 veröffentlichte der Hamburger Carlsen-Verlag ausgewählte Comic-Strips der „Calvin und Hobbes“-Funny-Reihe des US-Amerikaners Bill Watterson in einer achtbändigen Softcover-Albenreihe im Querformat, jeweils 130 Schwarzweiß-Seiten umfassend. Mir liegt der vierte Band der Reihe, „Irre Viecher aus dem All“, vor, den ich für wenig Geld auf einem Flohmarkt mitnahm. Im Original ist er 1990 in den USA erschienen, in seiner deutschen Übersetzung im Jahre 2006. Er enthält größtenteils meist aus vier Panels bestehende Strips, die ursprünglich in über 2.400 Zeitungen erschienen sind, sowie einige sich über jeweils eine ganze Seite erstreckende Sonntagsseiten.

Die Comicreihe existierte von 1985 bis 1995, wird seitdem jedoch regelmäßig neu aufgelegt. Calvin ist ein sechsjähriger Junge, der mit seinen Eltern und seinem Stofftiger Hobbes zusammenlebt, welcher für Calvin real und somit Dialog-, Spiel- und Abenteuerpartner ist. Die gesamte Reihe über bleibt Calvin der sechsjährige Junge, verfügt jedoch von Anfang über einen weit ausgeprägteren Intellekt sowie ein Höchstmaß an Vorstellungsvermögen. Die Komik nährt sich aus Calvins einerseits naiver Sicht auf die Erwachsenenwelt, die er andererseits häufig altklug oder sarkastisch kommentiert, wobei Hobbes die Rolle des weiseren Freunds oder auch großen Bruders zuteil wird. Bisweilen erinnert „Calvin und Hobbes“ an die Peanuts, wenn Calvin die Melancholie eines Charlie Browns zumindest streift, vielmehr jedoch, wenn er sich à la Snoopy in stellvertretend für die faszinierende kindliche Phantasie stehende Tagtraumwelten stürzt, in denen er zusammen mit Hobbes die größten Abenteuer erlebt – mal als Calvin, mal in der Rolle eines seiner Alter Egos wie dem des Raumfahrers Spiff, als der er auf die titelgebenden „Irren Viecher aus dem All“ trifft. Dabei steigen die Geschichten meist mitten in Calvins Phantasiewelt ein und lösen erst in den letzten Panels als Teil der Pointe auf, wo er sich in Wirklichkeit befindet und was er tatsächlich tut. Darüber hinaus werden einige Running Gags etabliert, insbesondere in der Beziehung zwischen Calvin und Hobbes.

Anders als beispielsweise der bereits erwähnte Charlie Brown ist Calvin frech und verschlagen (ohne dabei böse zu sein), wodurch – neben anderen Eigenschaften – kindlicher Egoismus liebevoll karikiert wird. In gleichem Maße jedoch wird die Erwachsenenwelt zur Karikatur, wenn Calvin sich ihres Vokabulars bedient und ihre Verhaltensweisen nachzuahmen versucht. Vor allem aber beweist Watterson ein unheimliches Gespür für die Verbildlichung kindlicher Phantasiewelten und unterstreicht dadurch deren Bedeutung. „Calvin und Hobbes“ zählt zu jenen Funny-Strip-Reihen, denen die Kunststücke gelingen, innerhalb längerer Geschichten die einzelnen Strips aufeinander aufzubauen, jedoch stripweise dennoch in sich pointiert zu sein, und sowohl für erwachsene Zeitungsleser als auch Comicfans im Kinderalter gleichsam unterhaltsam zu sein – ohne dafür an Anspruch einzubüßen.

Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: Mo 29. Okt 2018, 23:02
von buxtebrawler
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Richard Eisenmenger – Nur noch dieses Level! Von Computerfreaks, Games und sexy Elfen

„Das Buch für Spieleveteranen der 80er und frühen 90er Jahre, passionierte Retrogamer von heute, alle, denen das Internet zu bunt wird oder die beim Schmökern gerne nostalgisch werden, und schließlich alle, die Partner und Freunde ständig vertrösten mit den Worten ‚Nur noch... dieses... Level...’“, lässt der Paratext verlauten. Der ehemalige Redakteur der Computer- und Videospiele-Zeitschrift „Power Play“ Richard Eisenmenger ist Autor dieses 2017 im Verlag Rheinwerk Computing veröffentlichten, knapp 240 Seiten starken Buchs und nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf eine Zeitreise zu den Anfängen der Heimcomputer und Spielkonsolen, deren weitere Entwicklung sowie zu noch viel mehr.

Eisenmenger verbindet seine persönliche Biographie mit der Evolution des Heimcomputers, setzt den Schwerpunkt dabei auf die Welt der Spiele und führt nach einem Vorwort des Lektors durch zehn Kapitel mit Titeln wie „Sys 58260 – Warm Start System“, „Peeks und Pokes“ oder „Brot und Spiele“. In schreiend buntem, an Spielezeitschriften besagter Dekaden erinnerndem, reich bebildertem Layout beginnt er beim guten alten „Brotkasten“, dem C64, stellt Hard- und Software vor und widmet sich immer wieder in launig geschriebenen Kritiken alten Spielen, die er mit einem „Retro-Rating“ versieht – und den interessierten Leserinnen und Lesern gleich eine ganze Reihe von aktuellen Emulatoren an die Hand gibt, mit denen sich die Spiele auch auf zeitgenössischer Hardware (wieder-)entdecken lassen. Anekdotenreich findet er die richtige Balance zwischen auch für Laien verständlichen Erläuterungen technischer Eckdaten und Hintergründe, persönlichen Erfahrungen und witzigen Beobachtungen, die weit über Retro-Games hinausgehen. Die Anfänge digitaler Kommunikation werden dabei ebenso abgeklopft wie das Zum-Glühen-bringen der Soundchips mittels Eigenkompositionen per Tracker-Software, die Intro- und Demoszene, kultgewordene alte Fachzeitschriften, aus denen man tatsächlich seitenlange Listings abtippte und schließlich sein Quereinstieg in die Redaktion der „Power Play“. Vom C64 über den Atari, den Amiga und schließlich den PC wird da alles abgedeckt und werden die Leserinnen und Leser eingeladen, in eigenen Erinnerungen zu schwelgen oder, im Falle erst späterer Konfrontation mit der Materie, die „Computer-Steinzeit“ spannend und mitunter angenehm selbstironisch geschrieben nachzuerleben.

Leider gelingt es Eisenmenger nicht, vermutlich der engen Verquickung der Technologie- mit seiner eigenen Entwicklung geschuldet, die unmittelbaren Computerpionierthemen gegen Jugenderinnerungen abzugrenzen, die mit ihnen nichts zu tun haben; sei es das erste eigene Auto, seien es Besuche fragwürdiger Fastfood-Ketten oder auch die viel zu ausufernd behandelten „Analog-Rollenspiele“, also die Pen-&-Paper-Varianten. Diese Kapitel hätte ich gern gegen weiteren Döntjes aus der Gamerszene eingetauscht. Zu Abzügen in der B-Note führen auch einige Fehler, die sich eingeschlichen haben: „World Wide Web“ ist kein Synonym fürs Internet, sondern lediglich eine Komponente desselben (neben FTP, IRC, dem Usenet etc., S. 81); vor 20 Jahren (also 1997) gab es bereits deutlich mehr als drei Fernsehsender (S. 105); die Lucasfilm-Point-&-Click-Adventure-Hits hießen „Zak McKracken“ und „Sam & Max“, nicht etwa „Zack McCracken“ und „Sam & Mac“; den Knobel- und Geschicklichkeitsspiel-Welterfolg „Lemmings“ gab es durchaus auch als Adaptionen für DOS und Windows; auch 3,5“-DD-Disketten ließen sich lochen, um ihre Kapazität zu erhöhen (S. 178); und Lee Bolton ist ein Indie-Regisseur (im Sinne von „independent“ = unabhängig), jedoch kein „Indy-Regisseur“, da es zu einer Fortsetzung der Indiana-Jones-Reihe unter seiner Leitung dann doch noch nicht gereicht hat (S. 181). Diese Spitzfindigkeiten werden manche Leserinnen und Lesern sicherlich weder auffallen noch stören, wer jedoch wie ich einen nicht ganz unbeträchtlichen Zeitabschnitt dieser Entwicklung selbst miterlebt hat und zumindest zeitweise etwas tiefer involviert war, wird zwangsläufig über sie stolpern. Evtl. lässt sich so etwas in der zweiten Auflage redigieren.

Richard Eisenmenger ist einer jener Mitmenschen, die, mal abfällig, mal als Kompliment gemeint, gemeinhin als „Nerd“ bezeichnet werden. Das Schöne an Eisenmenger ist dabei, dass er zwar stets am Puls der Zeit blieb und sich ständig für die neuesten Hardware-Trends begeisterte, darüber jedoch die Vergangenheit nicht vergaß, sondern sie zunächst als „Power-User“ voll ausreizte und schließlich in Ehren hielt. Außerdem versteht er es, allgemeinverständlich zu schreiben, was sein Buch durchaus zu einer Empfehlung auch für diejenigen macht, die grundsätzlich an den genannten Themen interessiert sind, jedoch vor „Nerdtalk“ und Technikdetails zurückschrecken. Doch will ich ganz ehrlich sein: Wenngleich mein erstes Computerspiele-Magazin die „Power Play“ (Sonderausgabe „Die 100 besten Spiele ’91“) war, hatte ich ihr gegenüber schnell den „PC Joker“ bevorzugt, für plattformübergreifende Informationen hatte es mir sogar die „Play Time“, nachdem diese ihre Kinderkrankheiten abgestreift hatte, stärker angetan als Eisenmengers ehemalige Brötchengeber. Eisenmengers lobende Worte für Windows 95 machen ihn zudem auch heutzutage noch verdächtig, denn das hat eigentlich jeder vernunftbegabte Mensch zurecht gehasst (Windows wurde erst mit XP erträglich). Davon unabhängig ist ihm aber ein Buch gelungen, das sich mit seinem matten, festen Papier und seinem broschierten Umschlag wertig anfühlt, das gut riecht und das man gern in der Hand hält, um in einen Inhalt einzutauchen, der eine Lanze für alte Computerspiele bricht und Lust darauf macht, sich mit ihnen und der mit ihnen verbundenen spannenden Pionierzeit und Kultur auseinanderzusetzen. Damit passt das Buch gut in diese Zeit, in der Retro-Konsolen boomen und es mehrere Periodika in den Zeitschriftenregalen gibt, die sich ausschließlich Retro-Computerthemen widmen. Man könnte meinen, retro sei das neue modern – und ich kann nichts Falsches daran finden.

Den Zugang zum respektvollen und interessierten Umgang mit alten Schätzen erleichtern zahlreiche übers Buch verteilte Shortlinks, die direkt zum jeweils Behandelten führen. Alles in allem ist das sehr liebevoll gemacht und entpuppte sich ihren o.g. Schwächen zum Trotz als ideale Strandlektüre, die ruckzuck durchgelesen war: „Nur noch diese Seite...“

Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: Mi 31. Okt 2018, 07:57
von supervillain
Yo Bux, das könnte ja auch was für mich sein, danke für die Vorstellung, werde ich mal im Hinterkopf behalten. :thup:
sergio petroni hat geschrieben:Schön kurzweilig und nicht ausufernd.
Ist das ein Seitenhieb auf "Für ein paar Leichen mehr" oder "Gnade spricht Gott – Amen mein Colt: Motive, Symbolik und religiöse Bezüge im Italowestern". :angst:

Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: Mi 31. Okt 2018, 09:52
von supervillain
supervillain hat geschrieben:
sergio petroni hat geschrieben:Schön kurzweilig und nicht ausufernd.
Ist das ein Seitenhieb auf "Für ein paar Leichen mehr" oder "Gnade spricht Gott – Amen mein Colt: Motive, Symbolik und religiöse Bezüge im Italowestern". :angst:

Das von dir vorgestellte Buch kenn ich noch nicht, versteh dich aber schon, das unbeschwerte Schmökern hat manchmal auch seine Reize. ;)

In diese Kategorie fällt auch ein Buch, welches ich mir letzte Woche gekauft habe. Da geht es mir weder darum eine allumfängliche Biografie zu lesen, noch will ich den Kanon gelehrt bekommen, doch mit der Akribie wie hier zu Werke gegangen wurde, macht es einfach einen riesen Spaß die Einschätzungen mit seinen eigenen abzugleichen, oder sich auch mal an anderen Meinungen zu stoßen.

Ich hätte mir aus den drei Bänden zwar lieber einen Band, mit den für mich relevanten Bands zusammengestellt, aber auch so ist da ein richtig schönes, kurzweiliges Buch bei rum gekommen. Ich werde mir bei Gelegenheit wohl auch noch die anderen zwei Bände gönnen.

Für die Metaller hier im Forum, habe ich mir mal exemplarisch "Iron Maiden" als Beispiel herausgepickt. Auch wenn die Eclipsed Redaktion möglicherweise heftige Zuckungen bei euch (Schwermetallern) auslöst (?), muss ich sagen, das ich deren Einschätzung, speziell anhand dieses Beispiels, durchaus teile (zumindest bis "Fear of the Dark" - danach kann ich es nicht mehr beurteilen).

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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE

Verfasst: Mi 31. Okt 2018, 17:25
von sergio petroni
supervillain hat geschrieben:Yo Bux, das könnte ja auch was für mich sein, danke für die Vorstellung, werde ich mal im Hinterkopf behalten. :thup:
sergio petroni hat geschrieben:Schön kurzweilig und nicht ausufernd.
Ist das ein Seitenhieb auf "Für ein paar Leichen mehr" oder "Gnade spricht Gott – Amen mein Colt: Motive, Symbolik und religiöse Bezüge im Italowestern". :angst:
Das war kein Seitenhieb, sondern einfach nur ein Hinweis auf unbeschwerte Lektüre zu einem
beliebten Thema; auch 'mal für zwischendurch.
Aber schon lustig, daß Du das nachfolgende Buch erwähnst, denn das steht als nächstes bei
mir bereit:
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Diesbezüglich Danke an McBrewer für die Vorstellung! :prost: