bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Absolute Beginners – Junge Helden
London 1958: Ein Schmelztiegel der Rassen, ein Hexenkessel der Musik. Trads, Mods und Teddieboys - noch sind sie coole Freunde. Ihnen gehören die Straßen von Soho. Doch der heiße Sommer soll brutal werden und die Straßen in Flammen setzen. Auch der rebellierende Colin (Eddie O'Connell) und seine hübsche, sexy Suzette (Patsy Kensit) wissen, daß die Zukunft ihnen gehört. Sie lieben sich und toben sich aus. Bis eiskalte Geschäftemacher sich an die Schalthebel der Macht setzen und mit angeheuerten Schlägerbanden ihre Stadtviertel in Aufruhr bringen. Doch dann blitzen die ersten Messer auf...
Julien Temple, mir vor allem als Regisseur des Sex-Pistols-Films „The Great Rock 'n' Roll Swindle“ sowie von Punk-Rock-Dokus bekannt, floppte 1986 mit der Romanverfilmung „Absolute Beginners“. Ohne die Literaturvorlage zu kennen, wagte ich mich aus Neugierde an dieses Werk, das sich als Musicalfilm mit Patsy Kensit (nicht nur als Schauspielerin, sondern vielen sicherlich noch als Sängerin von „Eighth Wonder“ bekannt) und Eddie O'Connell (in seinem ersten Spielfilm) in den Hauptrollen als Suzette und Colin entpuppte.

Soll es eigentlich um die vom Rock’n’Roll begeisterte Jugend in den Straßen Londons Ende der 1950er-Jahre, die damit einhergehende Aufbruchsstimmung, die unglückliche Liebe zwischen Colin und Suzette und letztlich den aufkeimenden Rassismus im Interesse des Kapitals, der die Atmosphäre vergiftet, die aufstrebende Jugend für seine Zwecke instrumentalisiert und gegeneinander aufhetzt, gehen, wirkt der sehr gewöhnungsbedürftige Film vielmehr wie eine bis ins Detail durchchoreographierte, aufgedrehte Parodie auf die damalige Zeit.

Permanent hüpft, springt und tanzt alles, was im Zusammenspiel mit den gelungenen humoristischen Szenen des Films (womit ich längst nicht alle meine) aber durchaus seine Momente hat – wie auch die attraktive Patsy Kensit, die der Hingucker des Films ist. Zumindest bei der Erstsichtung geht die Handlung aber im grellen, artifiziellen, lauten Stil beinahe unter, der nicht zuletzt durch seine dramaturgischen Schwächen bisweilen anstrengt – insbesondere dann, wenn man sich eine 50er-Jahre-Stimmung erwartet hat, die so überhaupt nicht aufkommt, was wiederum wenig verwundert, wenn man sich meist nicht einmal der großartigen Musik jener Zeit bedient.

Dafür stimmt aber die Aussage des Films, dessen Darstellerriege interessanterweise mit Musikern wie David Bowie, Sade und Edward Tudor-Pole aufgepeppt wurde, letzterer in einer Rolle als Neonazi-Ted. „Absolute Beginners“ wirkt auf mich wie ein nicht ganz geglücktes Experiment, das mit mehr Gespür für die 1950er, anderer Musikauswahl und einer organischeren Umsetzung durchaus hätte gutgehen können.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Das Syndikat
Italien in den frühen Siebzigern. Es sind raue Zeiten, und raue Zeitgenossen treiben ihr Unwesen auf den Straßen Roms. Oftmals werden von der Polizei gefasste Verbrecher aufgrund von Beweismangel und geschickten Verteidigern wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei einem Überfall erschießen zwei Ganoven unschuldige Passanten. Mario Bertone, Hauptkommissar des römischen Morddezernats, tappt erstmals auf der Suche nach den brutalen Tätern im Dunkeln. Während er unbeirrt seiner Arbeit nachgeht, erscheint nachts plötzlich eine mysteriöse Gruppe auf den Straßen der Metropole. Ihr Ziel ist es, die von der Justiz freigelassenen Verbrecher auf bestialische Art und Weise zu exekutieren … (Quelle: colosseo-film.com)
Der italienische Regisseur Stefano Vanzina, der später unter seinem Pseudonym Steno Filme wie „Plattfuß am Nil“ mit Bud Spencer drehte, zeichnet für den anscheinend ersten reinrassigen Poliziesco, also italienischen Polizeifilm, verantwortlich, der 1972 unter dem Titel „Das Syndikat“ in deutsch-italienischer Koproduktion entstand.

Hauptkommissar Mario Bertone (Enrico Maria Salerno, „Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien“) steht zwischen allen Fronten: Die Justiz sieht sich gezwungen, von ihm überführte Verbrecher wieder laufen zu lassen, er muss sich aufgrund harter Übergriffe von Polizeibeamten auf Demonstranten der Kritik der fortschrittlichen Presse aussetzen und bekommt es zu allem Überfluss als Konsequenz auch noch mit einer verschwörerischen Gruppierung zu tun, die auf eigene Faust Verbrecher und andere, die ihr nicht in den Kram passen, aufmerksamkeitserregend exekutiert. Dabei ist er doch eigentlich gerade auf der Suche nach zwei Raubmördern, die nach einem Überfall kaltblütig unschuldige Menschen erschossen haben. Michele (Jürgen Drews, „Ballermann 6“) ist der Hauptverantwortliche und nahm auf seiner Flucht kurzerhand eine Geisel…

„Das Syndikat“ deckt eine Vielzahl von Themen ab, ist dabei trotzdem leicht verständlich statt verkopft-komplex, dabei inhaltlich intelligent und aussagekräftig. Drehbuch und Regisseur gelang der richtige Mittelweg zwischen plakativer Vereinfachung zu Verständniszwecken und Erörterung gesellschaftlicher Sachverhalte, weit entfernt von verkürztem, einseitigem Stammtischdenken. Wirkt es anfänglich evtl. noch anders, werden doch im Laufe des Films sämtliche Parteien und Positionen differenziert und letztlich sachlich betrachtet, statt vereinfachte Gut/Böse-Schemata aufzufahren. Die aufgeweckte Journalistin Sandra (Mariangela Melato, „Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies“) geht ihrem Beruf gewissenhaft nach und beobachtet die polizeilichen Gewaltexzesse kritisch, trifft sich in ihrer Freizeit aber trotzdem mit Bertone, statt ihn zu verteufeln und sich Scheuklappen aufzusetzen. Diskutierwürdige Aussage ihrerseits werden nicht zum Anlass genommen, ihre Tätigkeit oder ihre Person als Ganzes infrage zu stellen oder sie zu zerreißen. Staatsanwalt Ricciuti (Mario Adorf ohne Bart, „Der Mafiaboss“) erscheint naiv, aber keinesfalls als schlechter Mensch. Die Empörung über dank gesetzlicher Lücken und anwaltlicher Rechtsverdreherei freigelassener Kapitalverbrecher ist verständlich, einfache Lösungen aber nicht möglich, ohne den Rechtsstaat zu gefährden. Empathie für den jugendlichen Raubmörder aufzubringen, ist da schon schwieriger, als es ihm an den Kragen gehen soll aber nicht unmöglich.

„Das Syndikat“ zeigt ein unter zunehmender Gewalt und Kriminalität ächzendes, postfaschistisches Italien, das sich der Herausforderung ausgesetzt sieht, einen faschistischen Putsch zu verhindern. Denn eben jenen planen die hohen Herren, die hinter der konspirativen Organisation stecken, schnell Zustimmung und Unterstützung unter Polizeibeamten finden und versucht sind, sich die Ereignisse zunutze zu machen. Damit ist „Das Syndikat“ ein Lehrstück hinsichtlich der fortwährend lauernden faschistischen Gefahr in Nachkriegszeiten, über ihre Mechanismen, Manipulationen und Rattenfängerei, ohne einfache Lösungen anzubieten oder zu propagieren und stattdessen zu Wachsamkeit, Besonnenheit und Reflektion aufruft.

Und Vanzinas Film wäre kein italienisches Genrekino, würde es bei allem Anspruch äußere Form und Unterhaltungsfaktor vernachlässigen. Das ist mitnichten der Fall, denn die Darstellerriege spielt überwiegend charismatische Rollen, allen voran Salerno als Betone, der sich jeglicher Klischee-Kategorisierung angenehm entzieht und einen ebenso emotionalen wie bedachten, sachlichen Charakter mit allem ihm gegebenen Talent mimt. Nach den starken Filmen, in denen Mario Adorf eine Haupt- oder zumindest größere Rolle zuteil wurde, irritierte mich zunächst etwas der eher geringe Umfang seiner Nebenrolle, die er aber gewohnt souverän meistert und auch seiner eher unterkühlten Rolle Gewicht verleiht. Mariangela Melato mit ihrer ungewöhnlichen Augenpartie ist nicht nur ein erinnerungswürdiger Hingucker, sondern füllt ihre Journalistinnenrolle mit einer selbstverständlichen Ambivalenz aus, die ihre Reduzierung auf ein „Love Interest“ oder eben eine forsche Pressedame gar nicht erst zulässt. Für den unvermeidlichen Sleaze-Anteil sorgt die bildhübsche Laura Belli („Der unerbittliche Vollstrecker“) als Entführungsopfer Micheles, der wiederum doch tatsächlich von Kornfeldpenner Jürgen Drews gespielt wird. Dieser kam, wenn vielleicht nicht unbedingt wie die Jungfrau zum Kinde, so doch reichlich unverhofft zu seiner größeren Nebenrolle und macht seine Sache überraschend gut. Man nehme einfach einen unsicheren jungen Mann ohne wirkliche Schauspielerfahrung und lasse ihn einen unsicheren jungen Mann ohne wirkliche Raubmorderfahrung spielen – und es funktioniert. Hätte er doch bloß eine Schauspielkarriere eingeschlagen...

Diese illustre Runde agiert also in einem Film, der allein schon aufgrund seiner thematischen Bandbreite ein recht hohes Tempo an den Tag legt, dank des erschreckend pessimistischen Endes eine große inhaltliche, aber auch einiges an visueller, doch nie selbstzweckhafter Härte zu bieten hat und von einem mitreißenden Soundtrack Stelvio Ciprianis unterlegt wurde. Das Tüpfelchen auf dem I seiner inhaltlichen Bedeutsamkeit ist der Umstand, dass eine Geiselnahme auf der Flucht seinerzeit beinahe als visionär galt, hatte es so etwas in der Realität bisher doch kaum gegeben. In diesem Punkt erinnert mich „Das Syndikat“ an Rolf Olsens „Blutiger Freitag“, der im gleichen Jahr erschien. „Das Syndikat“ ist ein rundum gelungener, bahnbrechender und intelligenter europäischer Film, eine unmissverständliche Absage an Selbstjustiz und ironischerweise Mitbegründer eines Genres, das eben diese gern glorifizieren sollte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Psycho Cop
Sechs College-Studenten (drei Jungs, drei Mädchen) machen einen Ausflug in eine freistehende Villa mitten in der Natur. Was sie nicht ahnen: Ein verrückter Cop ist ihnen auf der Lauer und bedient sich allerlei scharfer Werkzeuge, sie in die nächste Welt zu befördern...
„Ein Typ, der vor ein paar Monaten aus der Klapsmühle entsprungen ist...“ – „Und der bei der Polizei unterschlüpfte?“ – „Ja.“

Maniac Cop meets Halloween

So oder so ähnlich lautete wohl die Idee, die US-Regisseur Wallace Potts’ anscheinend einzigem Film zugrunde lag, der 1989 auf das Videothekenpublikum losgelassen wurde. Man nahm also einen sadistischen Cop (eigentlich einen satanistischen entflohenen Irren in Polizeiuniform, aber egal), den man als Mörder im x-ten Schema-F-Slasher ein paar College-Studenten, die irgendwo im Nirgendwo Urlaub in einer Waldvilla machen wollen, seine ganz persönliche Rechtsauffassung aufdrücken lässt...

Um diesen wird kein großes Geheimnis gemacht, schon im Prolog darf Robert R. Shafer („Das Büro“) als Officer Joe Vickers ein argloses Pärchen mit breitem Overacting-Grinsen um die Ecke bringen. Fortan bekommt man das Studentengrüppchen vorgestellt, das sich in Vickers’ Jagdrevier wagt. Mitten im Wald steht eine Villa mit Pool, die unsere „Freunde“, drei Mädels (mind. eine davon dann doch recht attraktiv) und drei Kerle (mind. einer davon Bodybuilder und augenscheinlich etwas zu alt für seine Rolle oder Dauerstudent) beziehen und das fortführen, was sie bereits auf der Hinfahrt taten: Sich zu betrinken. Die Palette der Freizeitaktivitäten wird aber, das muss fairerweise erwähnt werden, erweitert um scheiternde Grill- und Kochversuche sowie das ständige Suchen und Finden von Gegenständen wie einer Zahnbürste, die im Müll (!) wieder auftaucht oder einer Handtasche. Als die Haarbürste temporär verschwindet, mit der sich das neurotische Blondchen permanent (!) durch die Haare fährt, bis die Zinken glühen, droht die Stimmung bedenklich zu kippen, doch als irgendwann sogar das Bier weg ist, ist der Spaß vorbei: Ob der Psycho-Cop dahinter steckt?

Das klingt alles unsagbar doof? Das ist es auch, aber es ist verdammt witzig! Die debilen Dilettanten sind also, wie bereits erwähnt, fast unterbrechungsfrei damit beschäftigt, Alkohol zu konsumieren (man könnte ein nettes Spiel daraus machen: Jedes Mal, wenn das Wort „Bier“ im Film fällt, sich selbst eines öffnen...), was durchaus eine Erklärung für ihr eigenartiges Verhalten wäre, wie z.B. das Hören eines Schreis des ersten Psycho-Cop-Opfers, den es aber für den Zuschauer ohrenscheinlich gar nicht gab. Jedoch erscheinen sie vom Tonfall her (wohlgemerkt nicht inhaltlich!) eigentlich immer recht nüchtern. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit diese Versuche, die über weite Strecken vorherrschende Ereignislosigkeit der Handlung zu kaschieren, augenzwinkernd humoristisch sein und keinen unfreiwillig komischen Unfall darstellen sollten, in jedem Falle geht diesem Spaß aber leider irgendwann die Puste aus und es machen sich Längen im Mittelteil deutlich bemerkbar, bis Vickers mit der Kraft des Gesetzes endlich dazwischenschlägt. Dabei hat er stets, ähnlich wie im drei Jahre später erschienenen und ungleich besseren „Dr. Giggles“, einen zynisch-sarkastischen Einzeiler auf den Lippen, mit dem er seine Opfer bedenkt. Das nutzt sich zwar auch bald ab, hat aber durchaus seine Höhen, wenn ein satirischer Umgang mit tatsächlicher Polizeigewalt mitschwimmt.

Die Morde indes fielen mal mehr, mal weniger originell und blutig aus, zu oft leider eher weniger – manches findet gar nur im Off statt. Ebenfalls wenig originell, aber durchaus gut goutierbare Slasher-Standardware sind diverse „Point of View Shots“, Schreckmomente, die sich schnell als harmlos entpuppen und die sich dann doch immer mal wieder durch Einfältigkeit und Albernheiten durchkämpfende Backwood-Atmosphäre inkl. einiger kameratechnisch schön eingefangener Aufnahmen des hünenhaften Psychopathen. Der Soundtrack hat neben schlimmem 80er-Poprock eine entfernt an „Freitag, der 13.“ erinnernde Klangkulisse zu bieten, die nicht weiter auffällt. Als Tatmotiv und notdürftige Erklärung für des zum Wahnsinns fette Beute gewordenen Cops übermenschliche Kräfte muss irgendein satanisches Ritual herhalten, eine weitere Charakterisierung findet nicht statt.

„Psycho Cop“ ist ein eindimensionaler, billiger, zusammengeklaubter, unsleaziger B-Slasher mit vom titelgebenden Hauptdarsteller abgesehen No-Name-Darstellern, der in seiner humorvollen Ausrichtung – ob nun zu einem großen Teil freiwillig oder unfreiwillig, sei dahingestellt – aber bisweilen reichlich schräg wirkt und dadurch sowohl Trash-Freunden als auch Slasher-Allesguckern zu einem zumindest nicht enttäuschenden Filmspaß verhelfen könnte. Zu mehr als einer Durchschnittsnote kann ich mich zwar nicht durchringen, aber das soll nicht viel heißen. 1993 kam es gar zu einer Fortsetzung, deren Sichtung noch vor mir liegt, auf die ich mich aber schon mehr freue, als die (Geschmacks-)Polizei erlaubt.
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Sasori – Scorpion
Betrogen zu werden ist das Verbrechen einer Frau: Gefangene 701, Nami Matsushima (Meiko Kaji), sitzt nach dem Verrat durch ihren Geliebten, dem Polizeioffizier Sugimi (Isao Natsuyagi), in einem der härtesten Zuchthäuser Japans. Gedemütigt von selbstgerechten Aufsehern, gequält von sadistischen Insassinnen wird Nami zu Sasori, dem "Skorpion", der scheinbar alles duldet, um dann plötzlich seinen tödlichen Stachel zu zeigen. Die Härte in ihren Augen macht selbst den abgebrühtesten Wärtern Angst. Zeit, sie endgültig loszuwerden... Quelle: Cinefacts.de
Das Regiedebüt „Sasori – Scorpion“ des Japaners Shun'ya Itô aus dem Jahre 1972 ist ein künstlerischer Exploitation-Film, der „Woman in Prison“- mit „Rape and Revenge“-Motiven vereint und der erfolgreiche Auftakt zu einer mehrteiligen Reihe war. Matsu (Meiko Kaji, die auch das Titellied singt) wird von ihrem Geliebten, dem korrupten Polizeibeamten Sugimi (Isao Natsuyagi), an die Mafia verraten. Vergewaltigt, gedemütigt und tief enttäuscht will sie Rache an Sugimi üben. Doch der Plan misslingt und bringt sie ins Frauenzuchthaus, wo die Misshandlungen und Demütigungen weitergehen…

„Sasori – Scorpion“ gehört keinesfalls zur Riege billiger, schmuddeliger WIP-Flicks, sondern schafft ein wahrlich bedrückendes Ambiente des der Willkür sadistischer Gefängniswärter und den Attacken soziopathischer, unsolidarischer Insassinnen hilflos Ausgeliefertseins, insbesondere nach einem gescheiterten Fluchtversuch Matsus. Tapfer erträgt sie ihre Situation und lässt alles Unrecht über sich ergehen, jedoch nicht, ohne sich Kraft ihrer Intelligenz und ihres Geschicks immer dann zu wehren, wenn es die Situation gerade auf irgendeine Weise erlaubt. Sie wird dadurch zu einem exotischen Fremdkörper in einer Welt von Parasiten, ihr Ziel – die Rache an ihren Peinigern – nie aus den Augen verlierend, unbeugsam, stolz und allen Widrigkeiten zum Trotz nicht kleinzukriegen. Ihre Rolle wird meisterlich von Meiko Kaji gespielt, die nicht nur eine bezaubernde Schönheit ist, sondern ein faszinierendes, subtiles Mienenspiel beherrscht und eine geheimnisvolle, abgründige und doch so aufrechte Aura entwickelt.

Das Gezeigte schürt Emotionen und Empathie mit Matsu, als ohnmächtiger Zuschauer leidet, hofft und hasst man mit ihr. Natürlich darf auch der Sleaze- bzw. Erotikanteil nicht fehlen, dementsprechend bekommt man auch hier reichlich nackte Damenhaut geboten, wobei der Film jedoch stets seinen sinnlichen Stil bewahrt. Diesen möchte ich insofern als künstlerisch bezeichnen, als die Kameraarbeit häufig originell ausfiel, mit artifiziellen Beleuchtungen und Farben gearbeitet wird und sich gar der eine oder andere surreale Effekt wiederfindet. „Sasori – Scorpion“ ist demnach nicht nur aufgrund der Zurschaustellung von Gewalt und Nacktheit ein bildgewaltiger Film, sondern verfolgt einen darüber hinausgehenden Anspruch. Der Revenge-Part, auf den die Handlung hinausläuft, ist nicht bloßes Alibi, sondern eine spürbare Katharsis als Befriedigung für den Zuschauer, die Matsu aus allen Geschlechter-Klischees löst und aus ihr ein emanzipiertes Wesen macht, das am Ende erhobenen Hauptes den Gang zurück in die kalten Betonmauern antreten lässt, gegen deren Schrecken es immunisiert erscheint.

An all diesen filmischen Vorzügen ändert auch das Overacting der Darsteller, insbesondere der Gefängniswärter, nichts, negativ fällt lediglich die schlechte Choreographie vieler Gewalt- und Kampfszenen auf, die ihre Protagonisten beispielsweise nur allzu offensichtlich danebenschlagen lässt und dadurch den sorgsam aufgebauten Realismus gefährdet. Dennoch ist „Sasori – Scorpion“ ein absolut empfehlenswerter, harter, intensiver Film, weitab europäischer, rein selbstzweckhafter Schmuddelproduktionen, der auf das richtige Publikum länger nachwirkt – mein Interesse an der Reihe und ähnlichen Fernost-Produktionen hat er jedenfalls geweckt.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Dead Snow
Ein ausgelassener Urlaub voller Spaß in den verschneiten Bergen Norwegens soll es werden: In einer abgeschiedenen Hütte wollen sieben miteinander befreundete Medizinstudenten- und -studentinnen den Studienstress vergessen. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft und den ersten Vergnügungen geschehen merkwürdige Dinge: Die Freundin, der die Hütte zu verdanken ist und mit der ein Treffen vor Ort ausgemacht war, trifft nicht ein und ein unheimlicher älterer Mann stattet der Gruppe einen unangemeldeten Besuch ab. Er tritt abweisend auf und erzählt den jungen Erwachsenen die blutgetränkte Geschichte des Ortes: Im Zweiten Weltkrieg befand sich dort ein wichtiger Stützpunkt der Nazis, welche die norwegischen Einwohner brutal misshandelten und beraubten. Bis es eines Tages zu einem grausamen Racheakt kam, in dessen Folge alle deutschen Soldaten den Tod fanden – seit dieser Zeit sei der Ort von einer bösen Kraft beherrscht. Tatsächlich findet einer der Studenten eine kleine Kiste voller Goldmünzen aus dem Zweiten Weltkrieg – ein kleiner Schatz. Doch bevor der Fund gefeiert werden kann, erscheinen uniformierte Untote und gieren nach Blut...
Eigentliche sollte man ja meinen, dass das Thema „Funsplatter“ mit Peter Jacksons „Braindead“ endgültig durch, weil nicht mehr zu toppen war. Dennoch erscheinen immer mal wieder kleine Perlen, die diejenigen, die ihren Spaß an blutrünstigen Zombiekomödien noch nicht verloren haben, durchaus zu erfreuen vermögen. Die norwegische Produktion „Dead Snow“ von Regisseur Tommy Wirkola aus dem Jahre 2009 ist so ein Exemplar, das über genügend handwerkliches Geschick, Humor und gerade noch ausreichend Originalität verfügt, um nicht nur pubertierenden Gorebauern zu munden.

Eine Gruppe Medizinstudenten möchte in einer einsamen Berghütte irgendwo in den Bergen Norwegens ihren Winterurlaub verbringen, bekommt es jedoch mit untoten Nazisoldaten zu tun, die seinerzeit auf ihrem Beutezug nach den Goldschätzen von der einheimischen Bevölkerung zum Teufel gejagt wurde.

Zunächst jedoch lernt man die Charaktere kennen, die einerseits gängigen Genreklischees zu entsprechen scheinen – Kunststück, macht „Dead Snow“ doch keinen Hehl daraus, sich vor seinen Vorbildern zu verbeugen und diese zu zitieren (einer der Protagonisten ist gar ein Filmfreak mit „Braindead“-T-Shirt) -, sich andererseits jedoch durch ihre nordeuropäische Natürlichkeit angenehm von den sonst üblichen Reißbrettfiguren abheben. Dadurch ist gewährleistet, dass bereits die recht lange Exposition (sie macht immerhin ca. die Hälfte des Films aus) gut unterhält, zumal der Humor (noch) nicht mit der Brechstange kommt, sondern sich eher subtil im Hintergrund hält. Ja, hier kommt tatsächlich so etwas wie Winterurlaubsstimmung auf, eine gewisse Nachvollziehbarkeit anstelle albernen Overactings und völliger Absurditäten bereitet behutsam auf das kommende Inferno vor.

Als dieses sich dann seine Bahn schlägt, wird das Tempo stark angezogen. Die überaus gelungene Masken- und Make-up-Arbeit, für die die Europäer im Zombiebereich schon immer gut waren, überzeugt sofort und fortan heißt es Splatter’n’Gore galore, wobei CGI nur sehr spärlich, beispielsweise bei ein paar Blutspritzern, Verwendung finden. Nun wird auch der verschärft geschmacklose Schenkelklopferhumor ausgepackt, der unsere Freunde angesichts der Zombie-Nazi-Invasion an Gedärmen hangeln, sich selbst Gliedmaßen abhacken etc., aber auch erstaunliche Nehmer- und Durchhalte-Qualitäten entwickeln lässt. Es wird gekämpft, gestochen, gehackt, geschossen, gesägt, überfahren, zerfetzt, zerquetscht... visuell stets sehr ansprechend, betont blutig und eklig und gnadenlos übertrieben. Doch auch die Unbeholfenheit so mancher Medizinstudenten muss für den einen oder anderen Gag herhalten, beispielsweise wenn es mit den Molotow-Cocktail-Wurf-Talenten nicht allzu weit her ist, weil man anscheinend zu selten an gewalttätigen Stundenprotesten teilgenommen hat.

Dass das ganze Spektakel in der schneebedeckten Gebirgslandschaft Norwegens stattfindet, verleiht „Dead Snow“ eine ganz eigene Optik und damit hohen Wiedererkennungseffekt, der Soundtrack greift gern auf metallische Kost in Landessprache zurück und im Gegensatz zu manch anderer Genreproduktion bleibt tatsächlich bis zum Schluss offen, ob überhaupt jemand und wenn ja, wer die braune Zombieapokalypse überleben wird. All dies trägt dazu bei, „Dead Snow“ zu einer gelungenen Mischung als altbekannten Genremotiven und originellen Alleinstellungsmerkmalen zu machen, die in ihrer Kurzweiligkeit als Partyfilm voll aufgeht. Sicherlich, die Nazi-Thematik hätte man noch weiter ausschlachten können, die wichtigste und in der Realität ja leider wahrhaftig immer wieder in Vergessenheit geratende Aussage ist aber unmissverständlich erhalten: Dass die vermeintlichen „Nationalsozialisten“ nichts anderes als geld- und goldgeile Ausbeuter, also Vertreter des Kapitalismus in ungeschönter Reinkultur, absoluter Zuspitzung und aller Konsequenz sind – zu schön, wie sie vor einem mit einem Hammer und einer Sichel bewaffneten Studenten zurückschrecken, haha.
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Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben
Amerika in den 60ern: Der durchgeknallte, überaus patriotische General Jack D. Ripper besetzt mit einigen Getreuen einen Militärstützpunkt und setzt eine Bomberstaffel in Richtung UdSSR in Marsch. Während im War Room der Amerikaner mitunter die Ansicht, jetzt könnte man es den Kommis mal so richtig zeigen, die Runde macht, ist der friedliebende Präsident Muffley mehr damit beschäftigt, dem russischen Premier über das rote Telefon klarzumachen, daß das ein kleines Mißverständnis war. Letztendlich überrennt man den Stützpunkt Rippers und funkt die Staffel zurück, doch eines der Flugzeuge hat einen technischen Defekt und kann den Rückrufbefehl nicht entgegennehmen. Stattdessen tun sie alles, um die verklemmten Sprengkörper nun doch über russischem Gebiet abzuwerfen. Und so wird es Zeit für den Ex-Nazi-Wissenschaftler Dr. Seltsam, der alle darüber aufklären kann, wieso die westliche Zivilisation als Gewinner aus der Auseinandersetzung hervorgehen wird, ehe der große Blitz kommt.
Stanley Kubricks („A Clockwork Orange“) Kalter-Krieg-Satire „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ aus dem Jahre 1964 zieht auf herrlich makabre Weise das Wettrüsten zwischen den USA und der UdSSR bzw. die daraus resultierenden möglichen Folgen durch den Kakao. US-General Jack D. Ripper fällt dem Wahnsinn anheim und gibt einer Fliegerstaffel Befehl zum Angriff des kommunistischen Gegners. In der US-Kommandozentrale überlegt man, wie mit der Situation umzugehen ist und versucht letztlich, die noch nicht abgeschossenen Flieger zurückzufunken. Einer jedoch wurde ausgerechnet soweit beschädigt, dass der Funk nicht mehr funktioniert...

Kubrick verarscht nicht nur die US-Kommunisten-Paranoia nach Strich und Faden, indem er, anscheinend bezugnehmend auf tatsächliche Theorien, General Jack D. Ripper über kommunistisch infiltriertes Trinkwasser schwadronieren lässt, sondern zeigt die Zuspitzung des Kalten Krieges mittels nuklearer Aufrüstung, als das, was sie war: Eine unverantwortliche, bizarre Farce, die die Welt an den Rande des Abgrunds brachte. Wie man da also in der fiktiven US-Kommandozentrale in prächtigen Kulissen von „James Bond“-Ausstatter Ken Adams zusammensitzt und debattiert, stellt sich US-Präsident Muffley als friedliebender Zeitgenosse heraus, der das Unheil noch diplomatisch abzuwenden versucht, der Rest hingegen wirkt wie ein ungefickter Haufen pathologischer Spinner mit Allmachtsphantasien – wobei Kubrick anscheinend auch hier auf seinerzeit real existierende Personen anspielte. Besonders hervor tut sich Wissenschaftler Dr. Seltsam, der mit seinem ein Eigenleben führenden rechten Arm und seinen touretteartigen Führertreuebekundungen symbolisiert, wie bereitwillig sich die USA nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit Altnazis gegen den Sozialismus verbündeten. Einer der wenigen vernunftbetonten Menschen ist Offizier Mandrake – wie Kubrick Brite (ein Schelm, wer...) –, der sich außerhalb der Kommandozentrale mit ignoranten und bornierten US-Militärs herumschlagen muss, um Ripper zu stoppen. Der ernste Hintergrund, die Möglichkeit der Verselbständigung der Ereignisse nach einem individuellen Fehler in einem durch einzelne Befehle oder Tastendrücke vom kalten in einen heißen mutierbaren Krieg, bleibt bei allem Humor allgegenwärtig und unmissverständlich.

Jenen Humor möchte ich als eine feine Mischung aus intelligenter Politsatire, typisch Britisch-Makabrem und einigen ins Absurde gesteigerten Übertreibungen charakterisieren, der auch unbedarfte Zuschauer an die Hand nehmen und durch die Handlung führen dürfte. Politische Vorkenntnisse zu haben, scheint mir für den Filmgenuss nicht unbedingt notwendig. Als besonders gut herausgearbeitet sind mir die einzelnen Rollen in Erinnerung, die allesamt höchst charismatisch und erinnerungswürdig ausfielen – und von denen Hauptdarsteller Peter Sellers („Der rosarote Panther“) allein drei übernahm: Präsident Muffley, Offizier Mandrake und Dr. Seltsam. Der knorrige George C. Scott („Hardcore – Ein Vater sieht rot“) als zweckoptimistischer General „Buck“ Turgidson ist ebenfalls eine Traumbesetzung, auch Sterling Hayden („Die schwarze Mamba“) als Ripper und Slim Pickens („The Howling – Das Tier“) als Pilot Major „King“ Kong erscheinen mir prädestiniert für ihre Rollen und tragen ihren Teil dazu bei, den Unterhaltungsfaktor stetig aufrecht zu erhalten, obwohl man das Ende bereits vorausahnt.

Mit „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ gelang Meisterregisseur Kubrick ein ebenso mutiger und respektloser wie wichtiger, allgemein anerkannter Beitrag zur Rüstungsdebatte des Kalten Krieges, der sich ins kollektive kulturelle Bewusstsein eingebrannt hat – sowohl inhaltlich als auch mit Bildern wie der berühmten Bombenreitszene Major Kongs, die für sich allein schon den selbstgefälligen, destruktiven US-Patridiotismus versinnbildlichend aufs Korn nimmt. Ein ganz hervorragend gereifter Klassiker, zeitloser als so manche bierernste Auseinandersetzung mit einem Themenkomplex, der die Nachkriegsgeneration wie kaum ein anderer prägte.
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Barfly
Henry Chinaski (Mickey Rourke) ist ein Trinker und gleichzeitig ein begabter Dichter. Als er in einer Bar die ebenfalls alkoholabhängige Wanda (Faye Dunaway) kennenlernt, findet er eine Freundin, die ihn versteht. Wenig später entdeckt die Verlegerin Tully (Alice Krige) Henry als außergewöhnliches Talent. Plötzlich wird er als Dichter erfolgreich, doch das Trinken läßt ihn nicht los.
„Was trinkst du?“ – „So ziemlich alles!“

US-Gossenkultautor Charles Bukowski entwickelte Anfang der 1980er zusammen mit dem gebürtig iranischen Regisseur Barbet Schroeder („Weiblich, ledig, jung sucht...“) das Drehbuch zu „Barfly“, einem Film, der nach Finanzierungsschwierigkeiten 1987 endlich erschien und Bukowskis Alter Ego, Trinker und Gelegenheitsschriftsteller Henry Chinaski von Mickey Rourke („The Wrestler“) gespielt in eine alkoholgeschwängerte Romanze mit Wanda (Faye Dunaway, „Network“) schlittern zeigt.

Im Leuchtreklamengossenambiente des Los Angeles der 1980er sitzt Chinaski beinahe jeden Tag am Tresen seiner Stammkneipe, trinkt einen nach dem anderen und prügelt sich mit dem verhassten Macho-Barkeeper Frank Stallone („Rocky“). Dass er dabei ständig verliert, scheint ihm nichts auszumachen. Eines Nachts gewinnt er dann aber doch mal und lernt daraufhin die attraktive Wanda kennen, die ebenfalls regelmäßig dem Alkohol zuspricht. Man verliebt sich ineinander und zieht zusammen, woraufhin sich bizarre Szenen abspielen – insbesondere, nachdem sie Henry ausgerechnet mit Eddie betrügt und Henry wiederum von Verlegerin Tully (Alice Krige, „Stephen King’s Schlafwandler“) aufgesucht wird, die nicht nur seine Geschichten drucken, sondern ihn auch dazu überreden will, mit ihr ein neues, vermeintlich besseres Leben anzufangen...

Auf den ersten Blick mag die Handlung unpointiert und beliebig erscheinen, doch das täuscht. „Barfly“ bricht eine Lanze für Alkoholiker, für das Leben am Rande der Gesellschaft, für Leistungsverweigerer und „Verlierer“, indem man Mickey Rourke ambitioniert und enthusiastisch einen Trinker spielen lässt, der unter seiner Situation keinesfalls leidet, sondern sie spitzbübisch genießt. Henry Chinaski steht über den Dingen, seine Pleiten und Pannen können ihm nichts anhaben, da er sie vor niemandem zu rechtfertigen braucht, schon gar nicht vor den Idioten um ihn herum, deren bemitleidende oder verächtliche Blicke ihn nicht kränken oder in seinem Stolz verletzen können, sondern in seinem Lebensentwurf eher noch bestätigen. Chinaski ist cool, er inszeniert seinen allabendlichen Absturz mit Stil, Würde, Humor und dem Stolz eines aufrichtigen Trinkers in einer Welt, für die sich ein bürgerliches, nüchternes Leben nicht lohnt. Nicht das Leben lacht über Chinaski, Chinaski lacht über das Leben.

Ja, „Barfly“ ist voll von augenzwinkerndem, selbstironischem bis zynischem Humor, der Chinaskis Spaß an seinem Leben, das doch eigentlich so problembehaftet sein sollte, porträtiert. Das ändert sich erst durch die Beziehung mit Wanda, die es schafft, ihn zu verletzen. Als er jedoch die Möglichkeit bekommt, ein luxuriöses Leben mit Tully zu führen, entscheidet er sich bewusst dagegen und für sein gewohntes Umfeld sowie Wanda, die gerade Tully verprügelt. Sein Geld, das er für seine Geschichten bekommen hat, vertrinkt er mit seinen „Freunden“ in der Kneipe und freut sich auf die nächste Schlägerei mit dem widerwärtigen Schnauzbartproll Eddie. Diese bewusste Entscheidung für exakt dieses Leben, ganz ohne Reue, Scham oder Verbitterung, ist die Pointe unter Schroeders und Bukowskis Zusammenarbeit, die möglicherweise von denjenigen Zuschauern, die von einem Trinkerfilm pädagogische oder moralistische Aussagen erwarten, als vollkommen unverständlich aufgenommen bzw. gar nicht wahrgenommen wird.

Auf der anderen Seite ist Chinaski eben gar kein „typischer Alkoholiker“. Er hat auf gewisse Weise seinen Konsum im Griff, erleidet keinen in seinen Konsequenzen schlimmen Kontrollverlust, erfährt keinen Leidensdruck. Er hat die mal mehr, mal weniger verlockend mit Geld, Ansehen und Gesundheit wedelnde Welt aufgegeben, nicht sich selbst. Er ist mit sich im Reinen und davon überzeugt, kein schlechteres, sondern schlicht ein anderes Leben zu führen. Das unterscheidet ihn von zahlreichen Alkoholikern und macht „Barfly“ dadurch zwar keinesfalls zu einem glorifizierenden Werk, aber doch zu einem, dessen Aussage differenziert betrachtet werden sollte und keine Allgemeingültigkeit beinhaltet.

Mickey Rourkes Schauspiel zwischen exaltiert und besonnen bereitet ihm sichtlich Freude. Auch optisch wurde er für seine damals für ihn ungewöhnliche Rolle passend zurechtgemacht, wenn man auch anhand Bukowskis Literatur eigentlich einen älteren Charakter mit Chinaski verbindet. Hin und wieder erinnert mich sein Schauspielstil in „Barfly“ an den eines Jack Nicholsons, den ich mir auch gut für die Rolle hätte vorstellen können. Faye Dunaway bewies ebenfalls Mut für eine außergewöhnliche Rolle – zwar keinen zur Hässlichkeit, aber immerhin zu einem gegen ihr Image gebürsteten Charakter. Schroeders Regie setzt beide eindrucksvoll in Szene und hievt den Film auf ein auch rein handwerklich gehobenes Niveau, das die richtige Stimmung vermittelt. Für das, was Barfly sein will – nämlich eben kein betroffen machendes Sozialdrama oder Chronik eines alkohol-/drogenbedingten Zerfalls – ist „Barfly“ überaus gelungen, eine interessante, alternative Betrachtungsweise gegen gängige Klischees und bringt Bukowskis eigenen lockeren Umgang mit der Thematik gekonnt auf die Leinwand. Dieser hat es sich übrigens nicht nehmen lassen, einen kleinen Cameo-Auftritt als Kneipengast hinzulegen, für den er natürlich kein schauspielerisches Talent benötigte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Marebito
Der paranoide Kameramann Masuoka (Shin'ya Tsukamoto) filmt in der Tokioter U-Bahn zufällig einen Selbstmörder, der sich ein Auge aussticht. Fasziniert schaut sich Masuoka die Aufnahme des Suizids immer wieder an und entdeckt, dass der ängstliche Blick des Mannes starr auf eine Tür im U-Bahn Schacht gerichtet ist. Seine Nachforschungen ergeben, dass die Tür in ein dunkles Tunnelsystem unter der Stadt führt, in dem er schließlich auf eine nackte, junge Frau (Tomomi Miyashita) stößt, die dort angekettet ist. Masuoka befreit die verwilderte Frau und beschließt sie mit zu sich nach Hause zu nehmen…
Für ein Budget von nur rund 50.000 $ und innerhalb von lediglich einer guten Woche drehte der japanische Regisseur Takashi Shimizu („The Grudge – Der Fluch“) 2004 einen kleinen, aber ungewöhnlichen Horrorfilm, der sich zwar auch wieder um ein unheimliches Mädchen zu drehen scheint, letztlich dann aber doch ganz anders ist als evtl. zunächst vermutet.

Nachdem Kameramann Masuoka (Shin'ya Tsukamoto, „Ichi the Killer“) den Selbstmord eines Mannes beobachtete, der sich ein Messer ins Auge rammte, ist er besessen auf der Suche nach dem ultimativen Schrecken. Diese Suche führt ihn in geheime unterirdische U-Bahn-Gänge, durch die er letztlich auf eine phantastische Welt fremder Wesen trifft, wo er eine nackte, angekettete, stumme Frau (erotisch: Tomomi Miyashita, „Samurai Chicks“) findet, die er mit nach Hause nimmt und bald herausfindet, dass er sie mit Menschenblut füttern muss...

Dabei führt er stets seine Kamera mit sich, weshalb ein Großteil des Films einen pseudodokumentarischen Stil durchs Auge einer Digitalkamera erhält und zunächst auf Filme wie „Ringu“ zu verweisen scheint. Erzählt wird die Handlung aus Sicht Masuokas, der kommentierend durch den surreal anmutenden Film führt. Schon bald wähnt man sich in einer Art modernem Vampirfilm, in dem nicht unmittelbare zuordbare Szenen stetig für Verwirrung sorgen. In sehr ruhigem Erzähltempo wird man Teil Masuokas einsamer, trister Welt und Zeuge, wie er schließlich zu Gewalt greifen muss, um die junge Frau, die er wie ein Tier hält, mit frischem Blut zu versorgen. Folgerichtig geht es dabei visuell dann und wann recht blutig zur Sache, was jedoch der eigenartigen Stimmung des Films untergeordnet bleibt.

Eine unerwartete Wendung am Ende des Films erwähnt beiläufig, was vorher evtl., aber sicher nicht in aller Konsequenz zu erahnen war – dass Masuoka an schwerwiegenden psychischen Problemen leidet. Welche Bedeutung das schlussendlich für das Vorausgegangene hat, möchte ich hier jetzt nicht verraten, zumal ich das zunächst selbst gar nicht richtig verstanden hatte und mir ungläubig die Augen rieb.

Mit ein paar Tagen Abstand bin ich mir aber bewusst geworden, welch kreative Leistung Shimizu mit diesem ja beinahe als improvisiert zu bezeichnenden Film gelungen ist, der psychologische Abgründe mit Verweisen auf Lovecraft verbindet und mich so effektiv mit einer pessimistischen, arg düsteren Atmosphäre eingelullt und auf eine falsche Fährte gelockt hat, dass genaueres Nachdenken über das Gesehene nicht als lästige Pflicht, sondern als Kür betrachtet wurde. Was vertraut erschien, war dann doch ganz anders und überaus interessant. Ein Film für den aufgeschlossenen Ost-Asia-Grusel-Freund, ganz sicher aber nicht Jedermanns Sache und für den schnellen Konsum zwischendurch eher ungeeignet.
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Blue Sunshine
"Blue Sunshine" ist ein LSD-Derivat, den der Student Edward Fleming (Mark Goddard) 1967 an viele Freunde verkauft hat, um sein Studium zu finanzieren. Ein Jahrzehnt später ist er ganz groß in die Politik eingestiegen und schmeißt eine Party. Dort jedoch dreht einer der Gäste plötzlich durch und sprengt die Runde. Anschließend metzelt er drei Frauen nieder. Einer der Partybesucher, Jerry Zipkin (Zalman King) kann ihn stoppen und herausfinden, daß die Droge offenbar Langzeitfolgen hat. Als sich die Amokläufe mehren, versucht er den nächstmöglichen Killer zu stoppen...
US-Regisseur Jeff Liebermans („Squirm – Invasion der Bestien“) zweiter Spielfilm aus dem Jahre 1978, „Blue Sunshine“, ist ein feiner Low-Budget-Horrorthriller, der genau zum richtigen Zeitpunkt kam. Er erzählt die Geschichte eines LSD-Derivats, das zehn Jahre nach seiner Einnahme furchtbare Spätfolgen offenbart, indem es, angekündigt von Kopfschmerzen, Überempfindlichkeit und Haarausfall, seine Konsumenten Amok laufen lässt.

Zunächst fällt die weitaus professionellere Machart verglichen mit Liebermans trashigem Debüt „Squirm“ auf. Die Regie ist einwandfrei, die Kameraarbeit dynamisch und das Timing stimmt. Eines sollte man allerdings nicht erwarten: Eine visuelle Umsetzung eines LSD-Trips. „Blue Sunshine“ bleibt clean und gibt sich keinen Experimenten hin. Das mag auf manche enttäuschend wirken, steht diesem Film meines Erachtens aber gut zu Gesicht, der weder wirrer Drogenfilm, noch moralistischer Zeigefinger sein will. Statt dessen macht er sich die verbreitete Angst vor der einen einholenden Vergangenheit zu Nutze und darf auch als Abgesang auf die Hippie-Ära interpretiert werden, deren ehemalige Protagonisten längst im ehemals so verhassten Establishment angekommen sind und von ihren Jugendsünden nichts mehr wissen möchten. So kandidiert Edward Fleming (Mark Goddard), der das Zeug damals vertickte, mittlerweile gar für ein hohes politisches Amt und versucht sich bei den potentiellen Wählern als Everybody’s Darling einzuschleimen. Im Jahre der Punk-Explosion, die sich explizit gegen das verlogene Hippietum wandte, war „Blue Sunshine“ der rechte Film zur rechten Zeit.

Dabei geht es bereits anfänglich recht gediegen zur Sache: Auf einer Party kippt unverhofft die Stimmung, als einem der fröhlichen Gäste ins Haar gegriffen wird, das sich daraufhin als Perücke entpuppt. Er verliert die Nerven, verfällt in wütende Raserei und befördert kurzerhand die weiblichen Gäste ins Jenseits, z.B. indem er sie im Kamin verfeuert. Jerry Zipkin (Zalman King, „Planet des Schreckens“) kann ihn aufhalten, gerät aber selbst in Mordverdacht und versucht fortan, den seltsamen Ereignissen auf den Grund zu gehen. Das ist der Startschuss für eine Handlung, im Laufe derer immer mehr unscheinbare Bürger plötzlich dem Wahnsinn anheimfallen und zu einer Gefahr für ihre Mitmenschen werden, Die schleichende Bedrohung wurde dabei dramaturgisch gut in Szene gesetzt und auch der furchterregende Anblick der ihre Perücken verlierenden Drogenopfer ist – insbesondere in der Eröffnungsszene – ein echter Schocker.

Da braucht es auch keine Splattereffekte o.ä., die der Film nicht bietet, die Härte ist vielmehr psychologischer Natur. Besonders gelungen ist die Szene eines Amoklaufs in einer Disco, die farblich gut ausgeleuchtet wurde, sowie die anschließende Eskalation in einer Einkaufsmeile. In seinen besten Momenten erinnert „Blue Sunshine“ etwas an Cronenbergs Frühwerke, zumindest was die paranoide Grundstimmung betrifft – denn es ist nicht immer eindeutig, wer nun von den Konsumfolgen betroffen ist und wer nicht. Diesen spannenden Aspekt hätte man aber gern weiter ausbauen dürfen. Ein passender, mal funkiger, mal souliger, mal einfach bizarrer Soundtrack unterstützt die Stimmung des Films und wird zu einem dominanten Bestandteil. Schön wäre allerdings gewesen, hätte man das Ende auch tatsächlich filmisch umgesetzt, statt lediglich eine Texttafel vorzulesen. So wirkt es doch sehr abrupt, verfrüht und nicht unbedingt befriedigend. Schauspielerisch gibt es weder besondere Höhen noch Tiefen zu sehen, erinnerungswürdig bleibt der Wahnsinn im Blick der ex-LSD-Junkies.

Fazit: Gelungener, origineller Horrorfilm der 1970er, der ungeschliffen und rabiat wirkt, ohne sich in Sleaze oder Gewalt zu verlieren und sein über weite Stecken dann doch ruhiges Erzähltempo wie so viele zeitgenössische Produktionen für die atmosphärische Entfaltung von Zeitkolorit nutzt. Vielleicht Liebermans bester Film.
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Squirm – Invasion der Bestien
Durch einen umstürzenden Strommast gelangen ungeheure Mengen elektrischen Stroms in den ländlichen Boden einer amerikanischen Kleinstadt. Dadurch werden nicht nur Millionen von Regenwürmern an die Oberfläche getrieben, die Tierchen entwickeln auch einen ungewöhnlichen Appetit auf Menschenfleisch...
„Was ist eine Eierkrem?“

„Squirm – Invasion der Bestien“ ist das Spielfilm-Regiedebüt von US-Regisseur Jeff Lieberman („Blue Sunshine“, „Vor Morgengrauen“) aus dem Jahre 1976 und versucht sich am Tierhorror-Subgenre, indem es durch einen Stromschlag tollwütig gewordene Würmer über ein US-amerikanisches Südstaaten-Dorf herfallen lässt. Dort ist gerade Student Mick (Don Scardino) aus der Großstadt zu Besuch, der mit der feschen Geri (Patricia Pearcy) anbändelt...

Liebermans Film unterhält mit ausnahmslos debilen Charakteren, deren Doofheit noch einmal über die in Horrorfilmen allgemein gern kritisierte hinausgeht, die dabei aber nicht unbedingt nerven, sondern eher lustig zu beobachten sind. So stellt unser bebrilltes Genie aus der Stadt bereits nach einigen Stunden (Wow!) einen Bezug zwischen dem in einer Bar in seiner Eierkrem gelandeten Wurm und den verschwundenen Kriechtieren der örtlichen Wurmfarm (ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt) her und durchlebt gegen Ende eine nicht sonderlich glaubwürdige Metamorphose vom Typ „Streber mit Brille“ zum kühnen Helden. Auf die erste richtige Wurmattacke muss man indes über eine Dreiviertelstunde warten, diese fiel dafür sehr spaßig aus. Die Effekte bleiben aber spärlich und halten dabei leider nicht das Niveau, sondern sind recht einfach und schlecht. Für Schmunzler sorgen allerdings Nahaufnahmen brüllender (!) Würmer...

Bei dem ganzen Rumgeeiere, Geplänkel und Gelabere der Protagonisten hapert es dann irgendwann doch arg an einem kontinuierlichen Spannungsbogen, wobei man „Squirm“ als „geil langweilig“ bezeichnen kann, sofern man Spaß dabei hat, den eigenartigen Charakteren dabei zuzuschauen, was auch immer sie gerade treiben und die Suche nach einer stringenten Logik aufgibt. Der gewünschte fiese Ekelfaktor hat sich bei mir nicht eingestellt, zu durchschaubar die Effekte, zu unblutig und harmlos und selten die Attacken, zu albern das ganze Drumherum. Ein bisschen erinnert „Squirm“ dabei an eine unblutige Variante des spanischen „Slugs“.

Wie bereits erwähnt, erscheint mir Don Scardino wenig glaubwürdig, was vor allem seiner eigenartigen Charakterzeichnung zuzuschreiben ist. Schon besser weiß da Patricia Pearcy als natürlicher Südstaaten-Rotschopf, der kein Wässerchen trüben kann, zu gefallen. Sie wirkt, als wäre sie gerade einem Country-Video entsprungen. Mein einsamer Favorit aber ist R.A. Dow als Roger Grimes, der seinerseits ein Auge auf Geri geworfen hat, sie bedrängen darf und den stärksten Wurmauftritt für sich verbuchen kann. Man hat versucht, etwas „Städter trifft auf Landeier“-Kulturschockhumor zu integrieren, was zwar ok geht, aber nicht so lustig wie der Film als charmant-trashiges Gesamtwerk ist, das sicherlich von Lieberman mit einem Augenzwinkern inszeniert wurde und als Debüt in Ordnung geht.

Für Tierhorrorfans bestimmt Pflichtstoff; wer hingegen auf der Suche nach einer Überdosis Ekel ist, sollte besser zu einem anderen Film greifen, denn hier ist irgendwie der Wurm drin.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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