Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Alles, was nichts oder nur am Rande mit Film zu tun hat

Moderator: jogiwan

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Onkel Joe
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von Onkel Joe »

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IMG_20201031_130045.jpg (2.61 MiB) 927 mal betrachtet
Ein Buch zur Ur-Trilogie von Star Wars, vom Taschen Verlag mit 512 Seiten für nen 20,-er.
Das kann ich nicht stehen lassen..
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buxtebrawler
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von buxtebrawler »

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Sören Olsson / Anders Jacobsson – Berts heimliche Katastrophen

Die schwedischen Vettern, Lehrer und Schriftsteller Sören Olsson und Anders Jacobsson sind die Autoren der fünfzehnbändigen Jugendbuchreihe um den pubertierenden Bert Ljung, die dessen Leben vom zwölften bis zum 17. Lebensjahr skizziert. Von 1987 bis 1999 im schwedischen Original und von 1990 bis 2005 ins Deutsche übersetzt bei der Hamburger Verlagsgruppe Friedrich Oetinger veröffentlicht, scheint allen Bänden gemein, dass sie ausschließlich aus Berts Tagebucheinträgen bestehen – Olsson und Jacobsson versuchen sich also in die Psyche eines Schuljungen hineinzuversetzen und seine Erlebnisse aus seiner subjektiven Sicht im intimen Rahmen eines Tagesbuchs zu schildern.

Nachdem ich einst über eine Handvoll aus einer Bibliothek ausgemusterte Bände der Reihe gestolpert war und mir nach einigem Zögern aus Neugierde auf Coming-of-Age-Jugendliteratur den fünften Band durchgelesen hatte, verging viel Zeit, bis mir dann doch der Sinn danach stand, mir Band 6, „Berts heimliche Katastrophen“ aus dem Jahre 1992 (Originalausgabe) bzw. 1996 (deutsche Übersetzung), als Urlaubsstrandlektüre vorzunehmen. Auf rund 150 relativ groß geletterten Seiten inklusive einigen die Figuren karikierenden Schwarzweiß-Illustrationen Sonja Härdins knüpft man nahezu nahtlos an Berts Erlebnisse aus Band 5 an. Die Handlung erstreckt sich über den Zeitraum 15.01. bis 07.06. (die „Tagebucheinträge“ sind einzeln datiert), Bert besucht die achte Klasse und ist 14 bzw. später 15 Jahre jung.

Im Mittelpunkt steht Berts Beziehung zu seiner Freundin Emilia, die sich plötzlich für Berts besten Freund Arne zu interessieren beginnt – und ihn mit Arne betrügt, weshalb die Liebesbeziehung in die Brüche geht. Wurden pubertäre Wechselbäder der Gefühle und Krisen in Band 5 noch weitestgehend ausgespart, versucht man hier zumindest, sich an sie heranzutasten. Bert wird von massiven Selbstzweifeln geplagt und verliert sein Selbstwertgefühl. Dass er weiterhin mit Arne befreundet bleibt und Zeit verbringt, erscheint jedoch etwas sehr seltsam und unwahrscheinlich, zumal der Konflikt zwischen den beiden erst relativ spät und dann auch nur marginal wieder aufgegriffen wird. Jugendlicher Gefühlswelt wird man damit leider kaum gerecht. Die übrigen Geschichten wurden zugunsten ihres Unterhaltungswerts ebenfalls wenig authentisch gestaltet, wobei zumindest Berts Erlebnisse auf Klassenfahrt recht witzig sind. Eine ernstere Auseinandersetzung mit den angerissenen Themen wird generell eher vermieden, es bleibt oberflächlich und oft albern.

Die meist zielgruppengerecht kurzen Sätze wirken erneut kaum wie die eines 15-Jährigen, verfügen aber über ein paar witzige Formulierungen – und enthalten bisweilen sehr eigenartige „Jugendsprache“, die indes der Übersetzung geschuldet sein kann. „Molchen“ für Rummachen habe ich aber bisher ebenso wenig gehört wie „priemen“ im Zusammenhang mit Jugendpartys. Überraschend offensiv (und damit eigentlich nichts ins Buch passend) ist dann folgende Pädophilieanspielung: „Wenn man in die Achte geht, Moped fährt und fünfzehn ist, hat man sich nicht für kleine Gören zu interessieren. Das kann warten, bis man vierzig ist.“ Hintergrund ist, dass Bert sich in eine Sechstklässlerin verknallt, was die Autoren glücklicherweise nicht zum Anlass nehmen, etwaigen perversen Fantasien freien Lauf zu lassen. Mit einer Art Cliffhanger in die Sommerferien enden „Berts heimliche Katastrophen“, deren einzelne Kapitel (= Tagebucheinträge) wieder stets mit einem sinnfreien kurzen Reim wie „Jippije – mein großer Zeh“ enden, wofür ich tatsächlich ein wenig Fremdscham angesichts der missglückten Versuche der Autoren, einen 15-jährigen Tagebuchschreiber zu imitieren, empfinde. Und ich fürchte, so wäre es mir auch gegangen, hätte ich mich selbst noch in diesem Alter befunden und dieses Buch gelesen...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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purgatorio
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von purgatorio »

Seit der Veröffentlichung bin ich ja hiervon richtig doll angefixt:



Da bot es sich doch an sich den Destillanzug anzulegen und in die unendliche Ödnis von Frank Herberts DUNE einzutauchen. Ein wenig Spice naschen, bevor die ganze Welt darüber spricht (und - in vollem Vertrauen auf Denis Villeneuve - gehe ich mal davon aus, dass der Film wie eine Bombe einschlägt).

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Das doch sehr umfangreiche Buch (welchem noch 5 weitere aus der Feder von Herbert folgen sollten) liest sich tatsächlich richtig gut weg. Nachdem man die ersten 150-200 Seiten durch hat (die durch eine unfassbare Fülle an Informationen, Charakteren und Welten tatsächlich erstmal etwas überfordern können), ist man im Bann der lebensfeindlichen Welt, die Dreh- und Angelpunkt des Universums ist. Nur hier, auf Arrakis, wächst das Spice, jene rätselhafte Droge, die den großen Gilden und Herrscherhäusern Macht, Einfluss und Finanzmittel verschafft. Wer über Arrakis herrscht, herrscht über das Universum.
Das hohe Haus der Atreides übernimmt auf Anordnung des Padishah-Imperators den Planeten als Lehen. Doch nicht nur der Planet selbst wehrt sich gegen die neue Ordnung (ebenso, wie gegen die alte). Über den Köpfen von Herzog Leto, seiner Familie, seiner Gefolgsleute und Truppen sammelt sich im Zuge von Intrigen eine riesige Flotte im Orbit und setzt zum Genozid an. Im Feuersturm des Angriffskrieges werden die Fundamente des Universums erschüttert. In Tod und Vernichtung wird zugleich der Keim für den Dschihad gelegt, der aus der Wüste heraus jede Ordnung zerstört...
Dieses Buch habe ich mit konstanter Begeisterung gelesen. Es ist nicht nur spannend, abgefahren komplex und natürlich bis ins Detail interessant, es bildet zugleich die Grundlage für unglaublich viele große Geschichten, die unsere Popkultur prägten und prägen. STAR WARS, GAME OF THRONES - nur zwei große Namen, die ohne DUNE nicht vorstellbar wären. Atemberaubend, zeitlos, großartig!
Zuletzt geändert von purgatorio am Fr 20. Nov 2020, 17:06, insgesamt 1-mal geändert.
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karlAbundzu
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von karlAbundzu »

Mein Vater, ein großer Freund der Fantasy und noch mehr der Science Fiction hat die Reihe auch relativ schnell durchgelesen und ich war über die vielen dicke Bände beeindruckt. Ich meine, er hat auch ein paar Fortsetzungen vom Sohn gelesen, meine ich.
Nun stehen sie da im Bücherregal, und machen mir ein schlechtes Gewissen: Weil ich da immer schon mal ranwollte, mir der Gesamtumfang aber immer abschreckte. Nun, jetzt bin ich beim Unendlichen Spaß von Wallace, 1900 Seiten über Tennis, Drogen und ein Film, der süchtig macht. Vielleicht danach.
PS: Mein Vater fing auch mit ein paar Bänden des Liedes von Eis und Feuer (GoT) an, empfand es aber als Dune-Abklatsch und liess es dann liegen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Arkadin
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von Arkadin »

Ich habe "Der Wüstenplanet" so mit 14 oder 15 gelesen. War die Ausgabe mit dem Plakat vom Lynch-Film und Fotos drinnen. War ein faszinierendes Erlebnis. Wenn ich es gelesen habe, konnte ich es nicht mehr aus den Händen legen, wenn ich es nicht gelesen habe, musste ich mich echt aufraffen, es wieder in die Hand zu nehmen. Wieso das so war, weiß ich auch nicht. Fand ich aber damals schon merkwürdig.
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buxtebrawler
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von buxtebrawler »

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Katja Berlin / Peter Grünlich – Was wir tun, wenn der Aufzug nicht kommt: Die Welt in überwiegend lustigen Grafiken

Der „Graphitti-Blog“ „erklärt die Welt in überwiegend lustigen Grafiken“ und erfreut sich großer Beliebtheit bei allen, die diese Art Web-Humors zu schätzen wissen: In einfachen Diagrammen werden augenzwinkernd diverse Alltagsphänomene humoristisch aufbereitet. Diese sehen auf den ersten Blick meist aus wie beliebigen PowerPoint-Präsentationen entsprungen, womit bereits die Form der Humorvermittlung karikierenden Charakters ist, scheint sie doch die Diagrammflut aufs Korn zu nehmen, die um sich greift, seit mit Standard-Bürosoftware mittels nur weniger Klicks für Jedermann kunterbunte Diagramme erzeugbar geworden sind, die, ob im Berufsleben oder in der Uni-Vorlesung, meist mehr Inhalt und Erkenntnisse suggerieren, als sie tatsächlich transportieren. Diese „überwiegend lustigen Grafiken“ sind dafür prädestiniert, im Büroalltag zwischendurch immer mal wieder angeklickt zu werden, eine Kurzweiligkeit, die jedoch auch dazu verführen kann, noch schnell die nächste anzugucken, und die übernächste usw.

Wer nicht so viel im Web unterwegs ist bzw. sein kann oder auch solche Späßchen nach wie vor in gedruckter Form bevorzugt, hat seit dem Jahre 2012 die Möglichkeit, zu einer Art „Best of“ des Graphitti-Blogs in Buchform zu greifen: Für ‘nen Zehner bietet der Münchner Wilhelm-Heyne-Verlag dieses rund 200-seitige querformatige Taschenbuch an, das überwiegend, aber nicht nur aus bunten Tortendiagrammen besteht – dem beliebtesten Diagrammtyp, aus dem bezeichnender- und konsequenterweise bereits das Vorwort besteht. Abgebildet werden „das alltägliche Leben, vor allem aber gefühltes Wissen, Meinungen, Vorurteile und Ahnungen“, wofür viel mit Klischees gespielt wird, aber auch zahlreiche selbstironische und durchaus hintersinnige Gags ins Buch fanden.

Auch beim Durchblättern ist man kaum vorm Suchtfaktor gefeit, sodass man es in der Regel recht rasch durchhaben sollte. Ob einem dieser Spaß 9,99 € wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Als vergnügliche Strand- oder (Gäste-)Klolektüre ist das Büchlein jedenfalls ähnlich gut geeignet wie als kleine Aufmerksamkeit für Mitmenschen, von denen man nicht weiß, was man ihnen sonst schenken könnte – oder auch, wie in meinem Falle, als Gratisfund im Tauschschrank.

Mittlerweile sind sechs dieser Bücher erschienen – Berlin und Grünlich scheinen eine echte Erfolgsrezeptur gefunden (bzw. von ähnlichen Vorbildern adaptiert) zu haben.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von purgatorio »

karlAbundzu hat geschrieben: Fr 20. Nov 2020, 15:03 Mein Vater, ein großer Freund der Fantasy und noch mehr der Science Fiction hat die Reihe auch relativ schnell durchgelesen und ich war über die vielen dicke Bände beeindruckt. Ich meine, er hat auch ein paar Fortsetzungen vom Sohn gelesen, meine ich.
Nun stehen sie da im Bücherregal, und machen mir ein schlechtes Gewissen: Weil ich da immer schon mal ranwollte, mir der Gesamtumfang aber immer abschreckte. Nun, jetzt bin ich beim Unendlichen Spaß von Wallace, 1900 Seiten über Tennis, Drogen und ein Film, der süchtig macht. Vielleicht danach.
PS: Mein Vater fing auch mit ein paar Bänden des Liedes von Eis und Feuer (GoT) an, empfand es aber als Dune-Abklatsch und liess es dann liegen.
Ich bekam das erste Buch kürzlich zu meinem Ehrentag geschenkt. Ich habe auf die ganzen anderen Bücher eigentlich keine Lust und wollte es beim Klassiker belassen. Das kann man auch getrost tun. Damit ist eine beträchtliche Lücke in der Populärkultur geschlossen (bis auf die Navigatoren aus dem Lynch-Film, die werden im Urbuch zwar erwähnt, so beschrieben, wie sie Lynch zeigt, werden sie aber erst im zweiten Band - ja, ich habe nun doch damit angefangen :lol: Wahrscheinlich nehme ich mir die Basistrilogie vor, also der Epos um Paul Atreides, der sich wohl auf insgesamt drei Bücher erstreckt. Alles Nachfolgende bezieht sich zwar noch auf ihn, spielt aber ein paar tausend Jahre später. Da bin ich dann spätestens raus). An GAME OF THRONES musste ich auch permanent denken :opa: Mir erzählte kürzlich jemand, dass George Martin auch angibt, dass DUNE seine Inspirationsquelle war. Und tatsächlich hast du diese ganzen Intrigen und höfischen Brutalitäten auch in DUNE, allerdings suptiler (dass Paul die Kriegstrommeln der Fremen mit den Häuten von Sardaukar-Offizieren bespannen lässt liest man bei Herbert beiläufig in einem Nebensatz - bei Martin wäre das bestimmt ein ganzes Kapitel).
Arkadin hat geschrieben: Fr 20. Nov 2020, 16:24 Ich habe "Der Wüstenplanet" so mit 14 oder 15 gelesen. War die Ausgabe mit dem Plakat vom Lynch-Film und Fotos drinnen. War ein faszinierendes Erlebnis. Wenn ich es gelesen habe, konnte ich es nicht mehr aus den Händen legen, wenn ich es nicht gelesen habe, musste ich mich echt aufraffen, es wieder in die Hand zu nehmen. Wieso das so war, weiß ich auch nicht. Fand ich aber damals schon merkwürdig.
Die ersten 200 Seiten waren für mich auch eine Quälerei. Da musste ich mich schon ganz schön zwingen. Aber wenn man in der Wüste angekommen ist und einen Faible für die detailverliebten Beschreibungen von Mythologie, Philosophie und Religion, von Ökologie usw. aufbringen kann, dann begeistern die nachfolgenden 500 Seiten schon enorm. Und schwupps ist man auch schon durch und zieht die Lektüre des nächsten Bandes ernsthaft in Betracht :lol: Ich las im Netz nun auch schon öfter, dass viele dieses Problem mit dem Start hatten. Liegt warscheinlich an der Detailfülle :???:
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buxtebrawler
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Beitrag von buxtebrawler »

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Frank Schäfer – Was Männer niemals sagen würden

Nanu? Frank Schäfer goes Mario Barth und macht sich über das weibliche Geschlecht auf Grundlage überholter Klischees für ein paar wohlfeile Pointen lustig? Keine Sorge, zwischen seinen Metal-Büchern „Metal Störies“ und „Metal Antholögy – Ansichten und Meinungen eines Schwermetallsüchtigen“ veröffentlichte der Braunschweiger Dr. phil. und Autor, bekannt für seine Literaturkritik, seine biographisch geprägten Romane und seine popkulturellen Essays mit schwermetallischer Schlagseite, im Jahre 2013 ein humoristisches, rund 190-seitiges Taschenbuch im Oldenburger Lappan-Verlag, das vornehmlich männliche Geschlechtsgenossen aufs Korn nimmt.

In 55, mit eben jenen Phrasen wie „Werd endlich erwachsen!“, „Oh, wie süüüß!“, „Ich hab keinen Durst mehr!“ oder „Sehe ich darin dick aus?“, die Männern (vermeintlich) nie über die Lippen kommen, übertitelten anekdotenreichen Geschichtchen, Beobachtungen und Polemiken nimmt Schäfer all den Unfug auf die Schippe, der als typisch oder gar besonders männlich gilt, Männer aber nur schwerlich als vernunftbegabte Wesen erscheinen lässt. Abhandlungen über tiefverankerte toxische Männlichkeit sollte man nicht erwarten, aber diverse Macken und Spleens werden aufgegriffen, die viel mit nach wie vor von nicht wenigen Männern mit Begeisterung adaptieren Rollenklischees zu tun haben oder schlicht anerzogene Ergebnisse ihrer Sozialisation sind. Schäfer versucht sich in amüsantem, lockerem, niemals kopflastigem oder gar wissenschaftlichem Stil an entsprechenden Einordnungen und Begründungen und lässt dabei immer wieder persönliche Erfahrungen einfließen. Und längt nicht immer kommen Männer schlecht weg, manch liebenswürdige Eigenheit lässt sich ebenfalls finden (wobei das mitunter sicherlich auch Auslegungssache ist).

Vieles dürfte einem bekannt vorkommen und lässt sich tatsächlich immer wieder beobachten (und in der Tat halte ich Kroketten für unentbehrlich, aber das nur am Rande), Selbstironie ist dabei ein ständiger Begleiter und auch Metaller bekommen buchstäblich ihr Fett weg. Doch längst nicht alles stimmt: Mein Chef beispielsweise betont durchaus gern und wiederholt sein „Bauchgefühl“, die Lehnwortsünden, um die sich ein Kapitel dreht, dürften in erster Linie der Werbebranche entspringen, und welchen Narren Schäfer plötzlich an „Lass mein Knie, Joe“, jener eigenwillig eingedeutschten und von Wencke Myhre vorgetragenen Coverversion des Bonnie-Tyler-Hits „It’s a Heartache“, gefressen hat, der sie fälschlicherweise in gleich zwei voneinander unabhängigen Kapiteln der dänischen Sängerin Gitte Hænning andichtet, weiß wohl nicht einmal mehr das Lektorat, dem dieser Fauxpas durchgerutscht ist.

Die Laptop-Geschichte ist bereits aus einem anderen Buch Schäfers bekannt und weshalb man ausgerechnet für diese im Jahre 2013 kaum noch zeitgemäße Anekdote das berüchtigte Inhaltsrecycling betreibt, erschließt sich mir nicht. Dafür gibt es aber Schäfers Lieblings-AC/DC-Geschichte diesmal in Gedichtform. Mit seiner großzügig skalierten Schrift und den zahlreichen Illustrationen des Cartoonisten Michael Holtschulte lässt sich „Was Männer niemals sagen würden“ relativ rasch rezipieren, unterhält dabei dank Schäfers angenehmem Erzählstil aber trefflich und macht sich als kurzweilige Nachttischlektüre sicher ebenso gut wie in meinem Falle als leichte Sommerurlaubsmuse, die den einen oder anderen Ansatz für reflektierende Gespräche mit der Partnerin bot.

Ob Autor und/oder Verlag mit der poppig bunten Aufmachung und der niedrigschwelligen, massenkompatiblen Thematik versuchten, neue Zielgruppen zu erschließen, weiß ich nicht, aber wenn ein Buch wie dieses prominent in den Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen ausliegen sollte und vielleicht sogar einen Teil derjenigen erreicht, die Mario Barth und Konsorten für begnadete Humoristen halten, sei es ihnen gegönnt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von buxtebrawler »

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Ralf Heimann / Jörg Homering-Elsner – Bauchchirurg schneidet hervorragend ab

Die Journalisten Ralf Heimann und Jörg Homering-Elsner sammeln seit einigen Jahren auf ihrer Facebook-Seite „Perlen des Lokaljournalismus“ (und deren Pendant „Kurioses aus der Presseschau“) Mumpitz, Stuss und Stilblüten, den deutschsprachige Zeitungen in Printform und auf ihren Web-Präsenzen anscheinend unablässig produzieren. Eine Art Best of bot bereits das im Münchner Wilhelm-Heyne-Verlag erschienene querformatige Taschenbuch „Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst“. Im Jahre 2017 folgte dessen Nachfolger „Bauchchirurg schneidet hervorragend ab“.

Auf rund 200 Seiten findet sich je eine verunglückte Meldung in Foto- bzw. (mitunter etwas pixeliger) Screenshot-Form samt amüsantem Kurzkommentar der Herausgeber. Orthographisches Versagen gibt sich mit inhaltlichen Fehlgriffen, missverständlichen Formulierungen und übersehenen, aber eigentlich sofort ins Auge springenden groben Patzern die Klinke in die Hand. Bei anderen Meldungen wollen Bild und Text partout nicht zusammenpassen oder ist der Inhalt derart absurd bzw. irrelevant, dass es – je nach Lesart – zum Verzweifeln oder aber die reinste Freude ist. Den Vogel schießt manch Layout-Fauxpas ab, wenn beispielsweise vergessen wurde, Platzhaltertexte vor Drucklegung zu ersetzen.

Wenngleich sich das eine oder andere Beispiel darunter befindet, das auch auf den Humor der Urheberin bzw. des Urhebers schließen lassen könnte und wie ein bewusst produzierter Sprachwitz anmutet, liefert der überwiegende Teil doch ein befremdliches Bild vom Qualitätsniveau des Lokaljournalismus und dem Zustand seiner Redaktionen. Mit einem seriösen Lektorat wäre das jedenfalls nicht passiert, aber da wird wohl einmal mehr am falschen Ende gespart.

Doch das Schöne daran: Es ist zum Totlachen! Ich weiß nicht, wann ich zuletzt während einer Lektüre derart Tränen gelacht habe wie bei diesem Büchlein geschehen. Somit sind Heimanns und Homering-Elsners Sammlungen zunächst einmal vorbehaltlos zu empfehlen, ob nun gratis im Internet oder für 9,99 EUR in Buchform. Es gilt indes dasselbe, was ich bereits zum kürzlich hier vorgestellten „Was wir tun, wenn der Aufzug nicht kommt: Die Welt in überwiegend lustigen Grafiken“ schrieb: Ob einem der Spaß Geld wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch ob am Strand, auf dem Klo oder wo einem auch immer der Sinn nach dieser Art Humor und Realsatire steht – oder eben auch als nettes Mitbringsel für nicht so webaffine Menschen: Das Printprodukt ist eine schöne (und bleibende) Ergänzung zur Sammlung im World Wide Web.
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CamperVan.Helsing
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von CamperVan.Helsing »

buxtebrawler hat geschrieben: So 20. Dez 2020, 17:35 Eine Art Best of bot bereits das im Münchner Wilhelm-Heyne-Verlag erschienene querformatige Taschenbuch „Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst“. Im Jahre 2017 folgte dessen Nachfolger „Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst“.
Herrlich! Danke Bux!

:mrgreen:
My conscience is clear

(Fred Olen Ray)
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