Puh, hab mir ganz schön einen abgebrochen, meinen Eindruck von "Halloween II" in Worte zu fassen. Keine Ahnung, ob mir das gelungen oder das hier Moppelkotze ist. Ich trink jetzt erst mal ein Bier...
Halloween II
Ein Jahr nach der Halloween-Nacht des Schreckens hat sich Laurie Strode immer noch nicht von ihren Erlebnissen erholt - im Gegenteil. Das einst lebhafte Mädchen hat sich in ein depressives und lethargisches Nervenbündel verwandelt. Michael Myers, dessen Leiche auf dem Transport ins Leichenschauhaus verschwand, sucht sie nächtlich in ihren Träumen heim und selbst therapeutische Behandlung vermag nicht, ihr das Trauma zu nehmen. Was sie nicht weiß, aber fürchtet, ist Fakt: Michael hat, in den Wäldern zurückgezogen, überlebt und bricht nun, kurz vor Halloween, auf nach Haddonfield, um auf Geheiß seiner toten Mutter Deborah die Myers-Familie endgültig in einem blutigen Ritual zu vereinen...
Rob Zombie und „Halloween“ – ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. Nachdem er 2007 für sein Remake Michael Myers entmystifizierte und eine lächerliche Karikatur einer Sozialstudie als neue Hintergrundgeschichte zu etablieren versuchte, andererseits den Terrorpart, als Michael endlich seine Maske auf der langhaarigen Rübe hatte, ganz vorzüglich beherrschte, drehte er 2009 seine ganz eigene Fortsetzung:
Laurie Strode (Scout Taylor-Compton) leidet unter fürchterlichen Alpträumen, in denen ihr immer wieder Michael Myers erscheint und ist nach den Ereignissen aus Teil 1 ein ziemliches Nervenbündel. Sie lebt zusammen mit Sheriff Bracket (Brad Dourif, „Chucky – Die Mörderpuppe“) und dessen Tochter Annie (Danielle Harris) und ist in psychologischer Behandlung. Die kann ihr allerdings spätestens dann nicht mehr wirklich helfen, als sie erfährt, dass sie Michael Myers Schwester ist. Dr. Loomis (Malcolm McDowell, „A Clockwork Orange“) hat mittlerweile ein Buch über Myers veröffentlicht und gerät mit seiner zynischen Art und der Weise der kommerziellen Ausschlachtung des Themas ins Kreuzfeuer der Kritik. Michael indes ist mitnichten tot, sondern vegetiert in den um Haddonfield herum liegenden Wäldern vor sich hin – die Visionen seiner verstorbenen Mutter (Sheri Moon Zombie, „Haus der 1000 Leichen“) jedoch lassen ihn sich erneut auf die Suche nach Laurie begeben – ohne Rücksicht auf Verluste...
Zunächst scheint „Halloween II“ tatsächlich an die originale Fortsetzung anzuknüpfen, die überwiegend im Krankenhaus spielte: Michael sucht im Krankenhaus nach Laurie und hinterlässt eine Blutspur der Vernichtung. Dieser Auftakt jedoch entpuppt sich nach einiger Zeit als einer von Lauries Alpträumen. Während dieser Reminiszenz an Rosenthals „Halloween 2“ aus dem Jahre 1981 geht Zombie eigentlich direkt in die Vollen, jedoch fällt auf, dass er das Terrorkino aus der zweiten Hälfte des Vorgängers nicht so recht erneut umsetzen konnte. Trotz des Gewaltexzesses wirkt Michaels Krankenhausbesuch akzentarm und wabert beinahe einschläfernd vor sich hin (Ja, hier spricht der abgestumpfte, sozialethisch desorientiere Horrorfreak, geschenkt!). Sehr eigenartig und ich kann gar nicht genau beschreiben, worin das begründet liegt. Anschließend jedoch geht Zombie seine individuellen Wege und löst sich zu einem großen Teil von der Originalfilmreihe und ihren Regeln.
Konsequent führt er die Vermenschlichung Myers’ fort, macht aus ihm nicht den „schwarzen Mann“, das unerklärliche Böse, sondern einen psychisch derangierten Serienkiller, einen geistig verwirrten Mann. Dabei sorgt er bei Genrefans zunächst einmal für blanken Entsetzen, indem er sich der Metaphorik eines weißen Pferdes bedient, das auftaucht, während seine ebenfalls komplett in weiß gekleidete Mutter zu ihm spricht. Das ist verstärkter Kitschalarm – den Zombie möglicherweise bewusst gewählt hat, um mit der Erwartungshaltung des Publikums zu spielen? Ich weiß es nicht und glücklicherweise lässt einen der übrige Film diese an den Haaren herbeigezogene Symbolik schnell vergessen. Denn ganz gleich, was man inhaltlich von „Halloween II“ hält, Zombie verstand es, eine unheimlich düstere, triste Stimmung aufzubauen, mithilfe ganz wunderbarer Bilder eine morbide Ästhetik zu erschaffen und eine ausweglose, pessimistische Atmosphäre zu erzeugen, wie sie die Originalfilmreihe in dieser Form nicht zu bieten hatte. Beinahe wütend erscheint Zombies Umgang mit der Rolle des Dr. Loomis, den er kurzerhand zum geldgeilen Nutznießer und Unsympathen macht, als wolle er bewusst alte Fans vor den Kopf stoßen und althergebrachte, bewährte Muster zerstören, um unmissverständlich Platz für etwas Neues zu schaffen. „Seht her, das ist nicht mehr eurer alter kauziger Donald Pleasence, das ist Malcolm McDowell und er ist ein Arschloch! Es ist 2009 und dies ist ein vollkommen neuer Film, also nervt mich nicht mit euren überholten Vorstellungen davon, wie ein ‚Halloween’-Film zu sein hat!“, könnte durch Zombies Kopf geschossen sein und stand ich ihr zunächst neutral gegenüber, gefällt mir mittlerweile diese Radikalität richtiggehend, die es mir erleichtert, mich von meiner Erwartungshaltung zu befreien.
Eindeutig zum Positiven gewandt haben sich die psychologischen Motive des Films (Seht ihr? Das Pferd habe ich schon vergessen!), die bei Weitem nicht so plump wie noch im Vorgänger ausgefallen sind. Sie nehmen weder Alibifunktion als halbherzige Erklärungsversuche ein, noch tragen sie weiter zur Entmystifizierung Myers’ bei – vielmehr versehen sie die derben Gewaltausbrüche, mit denen Rob Zombie wahrlich nicht geizt, mit einer beängstigenden psychologischen Ebene, bedienen menschliche Ängste vor psychischen Defekten, die sich in rasenden Gewaltexzessen ihr Ventil suchen und sich nicht kontrollieren lassen. Dazu passt hervorragend, wie Lauries Gemütszustände durch Kamera- und Schnitttechniken visuell wiedergegeben werden. Die Charaktere Laurie, Annie und Sheriff Bracket wurden angenehm und ehrlich gesagt überraschend ambivalent konzipiert, als Menschen, die zwar grundsätzlich die Sympathieträger des Films, aber auch mit erfahrungs- und situationsbedingten wankelmütigen Stimmungen und Verhaltensweisen gestraft sind, die verletzt wurden und selbst verletzen, die – im Falle der beiden Mädchen – sichtlich mit ihrem Leben, mit ihrer Bürde überfordert sind. Das ist bereits ein Grad an Realismus, wie er für einen Slasherfilm ungewöhnlich ist und auf Unverständnis bei einem Publikum stoßen dürfte, das entweder so etwas partout nicht in einem blutigen Unterhaltungsfilm sehen will oder dem es an Empathie mangelt, um diese Verhaltensmuster nachvollziehen zu können. Meines Erachtens trägt all das aber in nicht unbedeutendem Maße zum Funktionieren des Films bei, der den Schulterschluss mit der Realität sucht. Störend wirken sich für dieses Unterfangen jedoch einige erneut arg stumpfsinnige Dialoge aus.
Nun handelt es sich bei „Halloween II“ aber selbstverständlich nicht um ein psychologisches Drama, sondern um einen harten Horrorfilm und was diese dominante Eigenschaft betrifft, greift Zombie dann doch auf Altbewährtes zurück und lässt Michael Myers in „unsittlichen“ Kreisen und Situationen blutigst ebenso morden wie auf sadistische Rednecks losgehen. Währenddessen ist er nicht mehr das mit übermenschlichen Kräften ausgestattete, abgeklärte Monstrum, sondern ein aggressiver Psychopath, der in hasserfüllter Raserei gleich mehrmals hintereinander zusticht, der Geräusche absondert, die auf körperliche Anstrengung schließen lassen und dem diese unnahbare Aura seines Äquivalents aus den vorherigen Jahrzehnten weitestgehend abgeht. Zombie hatte ein Händchen dafür, wann es sich lohnt, voll auf die durchweg gelungenen Spezialeffekte draufzuhalten und wann man lieber im Off agieren lässt und schneller wegschneidet, um die Stimmung der jeweiligen Szene nicht zu gefährden, aber auch um nicht allzu inflationär und selbstzweckhaft das Stilelement der Gewalt einzusetzen.
Wenn Myers in einem weniger harten als im Vorgänger, jedoch von eskalierendem Wahnsinn geprägten Finale seine Maske abnimmt und sein zotteliges, menschliches Antlitz offenbart, fühle ich diesmal keinen Groll gegen eine (um abermals dieses Wort zu verwenden, mir fehlt ein Synonym) „Entmystifizierung“, sondern eine Art Genugtuung, die beweisen dürfte, dass ich als Zuschauer dort angekommen bin, wo Zombie mich haben wollte: Auf seiner persönlichen Halloween-Party, die anders ist als die von Carpenter & Co., auf der ich mich dann aber doch noch herrlich (un)wohl gefühlt habe. Myers ungepflegtes Äußeres fügt sich gut in das dreckige Ambiente des Films ein, der in einer anderen gesellschaftlichen Klasse angesiedelt wurde als das Original, der die Verzweiflung der Unterschicht symbolisiert und damit eine ganz andere Ausrichtung als unter Carpenter erfährt – die ich mittlerweile zu akzeptieren bereit bin. Die finale Auslöschung sämtlicher Hauptcharaktere unterstreicht nicht nur die pessimistische Ausrichtung des Films, sondern fügt ihr ein dickes Ausrufezeichen an, begeht damit bewusst einen weiteren Bruch mit den ungeschriebenen Gesetzen der Filmreihe.
Wie bei Rob Zombie üblich ist „Halloween II“ gespickt mit Popkulturzitaten, angefangen beim „Alice Cooper“-Poster über die Performance einer „Captain Clegg and The Night Creatures“ betitelten Rock’n’Roll-Combo bis hin zu einem amüsanten Auftritt des Parodisten Weird Al Yankovic in einer Talkshow, neben Dr. Loomis sitzend. Dabei muss ich zugeben, dass es mir wie bereits beim Vorgänger nicht ganz leicht fällt, die filmische Gegenwart zeitlich einzuordnen, wenngleich Yankovics Erscheinungsbild und das Auftauchen eines Flachbildfernsehers auf den Drehzeitpunkt als selbige schließen lassen. Der rockige, abwechslungsreiche Soundtrack ist sehr hörenswert und greift natürlich auch auf Carpenters zeitlose Titelmelodie zurück. Doch all das wäre nebensächlich, würden die schauspielerischen Leistungen nicht mitziehen. Besonders gefreut habe ich mich über ein erneutes Wiedersehen mit Danielle Harris als Annie, die bereits in den Teilen IV und V der Originalreihe als kleine Jamie wunderbar mitspielte und wie in Zombies Vorgänger eine interessante junge Frau überzeugend verkörpert, die abseits sämtlicher Slasherklischees anzusiedeln ist. Scout Taylor-Compton als Laurie Strode muss die meiste Zeit über ziemlich mitgenommen und gegen ihre Erinnerung ebenso wie gegen ihre inneren Dämonen ankämpfend wirken – sicherlich keine leichte Aufgabe für ein eigentlich hübsches junges Mädchen, das es in anderen Filmen als naives Teenieblondchen bestimmt hätte leichter haben können. Jedoch meistert sie ihre Aufgabe mit Bravour und setzt sich mit ihrer Leistung längerfristig im Gedächtnis fest. Vergleiche mit Jamie Lee Curtis verbieten sich aufgrund der gänzlich unterschiedlichen Rollenauslegungen grundsätzlich. Auch McDowell als Dr. Loomis werden einige wenige Facetten abverlangt, aber längst nicht in diesem Ausmaße. Er macht seine Sache souverän, wird aber locker von den Jungdarstellerinnen an die Wand gespielt. Brad Dourif verleiht seiner Rolle als Sheriff Leigh Brackett rauen, aber aufrichtigen Charme und erscheint als am noch am festesten in der Normalität verankerter Charakter des Films. Ex-Wrestler Tyler Mane muss als Michael Myers in erster Linie seinen hünenhaften Körper unter Kontrolle haben, was vermutlich kein größeres Problem für ihn darstellte. Seine Leinwandpräsenz unter Zombies Regie ist wie beabsichtigt beeindruckend.
Fazit zum von mir gesehenen ungekürzten Director’s Cut: Rob Zombie drehte mit „Halloween II“ einen bösartigen, desillusionierenden Serienkillerfilm, einen Psycho-/Horrorthriller, der nach wie vor die Original-„Halloween“-Filme auf den Kopf stellt, jedoch behutsamer und überzeugender mit seinen Änderungen und Neuerungen umgeht, als es im Vorgänger der Fall war. Um Zombies Film genießen zu können, sollte man sich von jedweder von der Originalreihe beeinflusster Erwartungshaltung weitestmöglich befreien. Da dies aber verständlicherweise sehr schwer fällt, frage ich mich, weshalb man einen solch guten und eigenständigen, aber auch bisweilen eigenartigen Film überhaupt noch ins „Halloween“-Franchise presste und damit negative Reaktionen provozierte. Das hätte es nicht gebraucht und im Falle einer kompletten Loslösung vom Slasherklassiker die Akzeptanz des Films erleichtert, unnötige Vergleiche überflüssig werden lassen. Wie auch immer, „Halloween II“ ist ein im positiven Sinne moderner Horrorstreifen von einem, der spürbar die alte Schule als Fan aufgesogen hat. Doch die Fußstapfen sind groß und die atmosphärische Meisterleistung wird getrübt von einigen Ungereimtheiten, einem nicht so recht funktionieren wollendem Beginn und eigenartigen Fremdkörpern im psychologischen Ansatz, der hingegen dafür, dass er nun wahrlich nicht Zombies Metier ist, dann doch versöhnlich gut funktioniert. In jedem Falle ist es ein Film, der alteingesessene Fans vor einige Denksportaufgaben stellt und extreme Reaktionen hervorruft, sich dabei jedoch nicht so einfach vom Tisch fegen lässt.