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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: So 29. Apr 2012, 23:44
von buxtebrawler
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The Call 2
Seit den Geschehnissen des ersten Teils ist etwas mehr als ein Jahr vergangen. Doch nun klingeln die Handys wieder und verkünden Böses: drei Tage vor dem eigenen Tod nimmt man den Anruf entgegen, bei dem man am anderen Ende der Leitung nur den Todesschrei von sich selbst hört. Alles beginnt eines Abends in einem chinesischen Restaurant: der Chef des Ladens kommt unter ungewöhnlichen Umständen ums Leben. Der unerwartete Tod ruft die Journalistin Takako (Asaka Seto) auf den Plan, die die Vorkommnisse der ersten Mordserie ebenfalls untersuchte. Allerdings finden sich dieses Mal keine Bonbons im Mund der Leichen, sondern die einzige Gemeinsamkeit ist ein anfangs unbekannter Kohlestaub im Körper. Nachforschungen führen sie nach Taiwan, wo die mysteriösen Morde schon vor etlichen Jahren in einer kleinen Stadt begannen. Zusammen mit Kyoko (Mimura), die selbst den Anruf erhielt, und ihrem Freund Naoto (Yû Yoshizawa) sucht sie dort nach der Lösung des Rätsels...
Zwei Jahre, nachdem der berüchtigte japanische Regisseur Takashi Miike mit „The Call“ entgegen sperrigerer Werke, die man mit seinem Namen in Verbindung bringt, einen recht einfach konsumierbaren Beitrag zur Ostasia-Grusel-Welle ablieferte, erschien mit „The Call 2“ die erste Fortsetzung unter der Regie Renpei Tsukamotos, der in erster Linie als TV-Serien-Regisseur in Erscheinung trat.

Gut ein Jahr nach den Geschehnissen aus dem Vorgänger erreichen wieder den eigenen Tod verheißende Handyanrufe ihre Opfer, die sich oder enge Weggefährten am anderen Ende der Leitung selbst reden hören – es sind die jeweils letzten Worte aus der Zukunft, bevor kurze Zeit später der Tod eintritt. Nun finden sich allerdings keine roten Bonbons im Rachen der Unglücklichen, sondern Kohlenstaub in ihren Lungen. Erneut nimmt die Journalistin Takako die Ermittlungen auf, die sie nach Taiwan führen, wo sie einem dunklen Geheimnis auf die Spur kommt...

Ach du dickes Ei – da dachte ich, ich wäre mittlerweile halbwegs Ostasia-Grusel-erprobt, jedoch fiel es mir auch hier wieder recht schwer, durch die Charakterkonstellationen zu steigen bzw. sie Darsteller überhaupt erst einmal voneinander unterscheiden zu können. Selbst ein in diesem Maße kommerzieller Film wie „The Call 2“ macht es einem bzw. mir mit meinen westlich geprägten Sehgewohnheiten nicht ganz einfach. Was die Handlung betrifft, grüßen „The Grudge“, „The Ring“ und ein bisschen „Final Destination“ unaufhörlich, aber das weiß man eigentlich schon, wenn man den Vorgänger gesehen hat. Insbesondere an „The Ring“ hat man sich doch sehr stark orientiert, was Takakos Recherchen betrifft. So wurde auch in „The Call 2“ einem kleinen Mädchen von einer Dorfgemeinschaft Fürchterliches angetan, statt in einem Brunnen nun eben in einer Mine. Das ist tatsächlich alles genauso wenig originell, wie es klingt, aber, und das ist der größte Pluspunkt des Films: es funktioniert einmal mehr. Die Schocks sitzen, die Spezialeffekte der Geistererscheinungen u.ä. sind ordentlich umgesetzt worden und die Schauspieler agieren zwar wenig memorabel, aber größtenteils zweckmäßig. Auch an den Kulissen gibt es nichts zu mäkeln, exotisches Flair und die unheimliche, klaustrophobische Stimmung einer alten Mine sorgen für ein zielgerichtetes Ambiente. Dass die Geschichte dabei aus meiner Sicht etwas kompliziert dargeboten wird, erweist sich über lange Strecken nicht als sonderlich störend, auf gewisse Weise passt es zur mysteriösen Grundstimmung. Die Spannung indes leidet darunter ein wenig.

Dann doch ziemlich erzwungen bzw. an den langen schwarzen Haaren herbeigezogen erscheint mir die Verbindung mit dem Fluch aus Teil 1, die gegen Ende mithilfe einiger Wendungen hergestellt wird. Letztlich kombinieren sich im fluchgeplagten Japan hier zwei Flüche miteinander und da wird es mir etwas zuviel des Guten. Mir gefällt grundsätzlich aber die Prämisse, die ich grob mit „Aberglaube trifft auf hochtechnisierte Welt, die außer Kontrolle geraten ist“ umschreiben würde, die hier noch deutlicher und moderner als im artverwandten „The Ring“ herausgearbeitet wurde und wer von japanischen Gruselfilmen dieses Stils nicht genug bekommen kann, wird von „The Call 2“ nicht enttäuscht werden. Alle anderen verpassen aber nichts. Solide zusammengeklaubte Genrekost, die keinerlei neue Akzente setzt: 6,5/10

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 30. Apr 2012, 22:30
von buxtebrawler
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The Call 3 – Final
Emily Kusama (Meisa Kuroki) fährt mit ihrer Klasse für eine Schulreise nach Busan in Korea. Dort bekommt Azusa (Miho Amakawa) eine MMS mit einem schrecklichen Bild und einer Telefonnachricht von sich selbst. Bald darauf ist sie tot. Kollege Teruya (Kazuma Yamane) folgt ihr schon bald darauf. Als Tomoka (Ayumi Takahashi) eine SMS bekommt, in der steht, "Leite sie weiter oder stirb", folgt sie der Anweisung, und reißt so eine Mitschülerin in den Tod. Den Teenagern wird klar: Hier ist ein Fluch am Werk. Wer die SMS kriegt, segnet das Zeitliche - Außer er leitet sie weiter! Verantwortlich für dieses sadistische Spiel scheint ihre nach einem Suizidversuch im Koma liegende Kollegin Pam zu sein, welche die ebenfalls von den Mitschülern gehänselte Asuka Makai (Maki Horikita) unter ihre Kontrolle gebracht hat. Zusammen üben sie grausame Rache.
Ein Jahr nach der ersten Fortsetzung von Takashi Miikes Japan-Grusler „The Call“ brachte man unter der Regie Manabu Asôs („Senrigan“) die Reihe um tödliche Handyanrufe mit „The Call 3 – Final“ zu einem Abschluss. Diesmal meldet sich das nach einem Selbstmordversuch im Koma liegende Schulmobbingopfer Pam mithilfe ihrer Leidensgenossin Asuka (Maki Horikita) per Bildnachricht bei ihren Mitschülern, die sich im Rahmen einer Klassenreise in Korea befinden. Der Empfänger dieser Nachricht ist zum Tode verdammt, leitet er sie nicht möglichst schnell an jemand anderen weiter…

Statt eines fulminanten Abschlusses der Trilogie ist „The Call 3“ ein misslungener Todesstoß. Das beginnt damit, dass man mit den vom Tode verfolgten Teenies, die sich auch nach Pams Selbstmordversuch unverändert wie Arschlöcher verhalten, keinerlei Mitleid empfindet, geht weiter mit der recht sinnlosen Beziehung eines der Mädchen mit einem koreanischen Taubstummen, was dazu führt, dass viele Dialoge in im Kontext des Films nerviger Taubstummensprache geführt werden, kann auch mit den wenig erschreckenden digitalen Effekten keine Akzente setzen und verfängt sich letztlich in einem schlappen Finale völlig in Naivität und Kitsch. Die Verquickung von Geisterhorror mit moderner Kommunikationstechnologie funktioniert hier kaum und als vorübergehende Lösung zu präsentieren, die Öffentlichkeit mit einzubeziehen und sie zu bitten, mit zahlreichen E-Mails an die Absenderadresse der todbringenden Nachrichten den Server zu überlasten, ist eine denkbar schlechte Idee. Weshalb Emiri am Ende im Rollstuhl sitzt, bleibt wohl auch das Geheimnis der Drehbuchautoren.

Der Versuch, die Problematik des Mobbings unter Jugendlichen in die Filmreihe einzubringen, sorgt nur für wenige spannende oder interessante Augenblicke, die kaum ausgereizt werden und leider viel Potential verschenken. Als Höhepunkte bleiben lediglich Szenen wie die des handfesten Konflikts panischer, entsolidarisierter Schüler, die sich munter die verfluchte Nachricht untereinander weiterleiten und sich um ihre Handys prügeln, im Gedächtnis. Der Stil der Vorgänger wich insgesamt profanem Teenie-Horror, der weder die beängstigende Atmosphäre des Originals, noch die wirksamen Schockeffekte in diesen Abschluss herüberretten konnte. Damit ist die Versetzung ebenso gefährdet wie die der von telefonstalkenden Rachegeistern verfolgten japanischen Gören. Höchstens für Ostasia-Grusel-Allesseher interessant.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 1. Mai 2012, 00:05
von buxtebrawler
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Spine Tingler! The William Castle Story

Mit US-Regisseur Jeffrey Schwarz’ Dokumentarfilm “Spine Tingler! The William Castle Story” aus dem Jahre 2007 wird einem Mann späte Ehre zuteil, der, getrieben von Eifer und Leidenschaft, ganz unten in Hollywood anfing und sich über diverse Auftragsarbeiten als Regisseur einen guten Namen auch bei schwierigen Produzenten machte, bis er Ende der 1950er endlich mit seinen eigenen Produktionen an die Öffentlichkeit drängte: Unheimlich liebenswerte Gruselfilme, bemerkenswerte Psycho-Thriller und knuffige Monsterflicks, die heutzutage längst B-Movie-Kult sind. William Castle rührte – getrieben von der Angst vor finanziellen Flops – unnachlässig die Werbetrommel für seine Filme, für deren Produktion er regelmäßig sein Haus verpfänden musste, und ließ sich stets etwas Besonderes einfallen. Für seine „Gimmicks“ wurde er schließlich berüchtigt: Seien es Versicherungspolicen für sein Publikum, die es vor Tod durch Erschrecken absichern, durch den Kinosaal fliegende Plastikskelette oder Elektroschocks im Kinosessel. Dieses „Beiwerk“ machte die Medien auf Castles Schaffen aufmerksam, war für manchen gar interessanter als die Filme selbst und verwandelte manch Kinovorführung in eine Party. Filme wie „House on Haunted Hill“, „Schrei, wenn der Tingler kommt“ oder „Mörderisch“ sind dem genrekundigen Zuschauer auch heute noch ein Begriff und immerhin arbeitete Castle mit Stars wie Vincent Price und Joan Crawford zusammen.

Dieser Dokumentarfilm zeichnet Castles Leben als Filmschaffender nach, zeigt viele schöne, alte Originalaufnahmen und grast chronologisch seine Karriere ab – eine Menge Filme finden mitsamt Produktionsnotizen Erwähnung, Ausschnitte werden gezeigt, die damalige Presse zitiert. Neben dem „beruflichen“ Teil seines Lebens wird auch seinem Privatleben Platz eingeräumt, allerdings lediglich in einem Maße, um die Entwicklung seiner Karriere bzw. seine Herangehensweise an dieselbe besser nachvollziehen zu können. Dies ist nur eines von vielen Merkmalen für den respektvollen Umgang mit seiner Person. Schwarz findet den richtigen Ton zwischen Ehrerbietung sowohl aus filmhistorisch-sachlicher als auch aus Fan-Sicht, faktenorientierter Aufarbeitung Castles Werdegangs sowie humorvoller Trivia und augenzwinkernden Anekdoten. Persönlich zu Wort kommen Regisseure wie John Landis („An American Werewolf in London“), Joe Dante („Matinee“, „Gremlins – Kleine Monster“) und Stuart Gordon („Re-Animator“), die von Castle beeinflusst wurden bzw. ähnliche Genres bedienen, zeitgenössische Weggefährten wie z.B. Regisseur Roger Corman (leider viel zu kurz) und viele andere direkt mit dem Filmgeschäft in Verbindung stehende Mitmenschen. Interessanterweise bekam man aber auch William Castles Tochter Terry dazu, aus erster Hand aus dem Privatleben ihres filmbesessenen Vaters zu berichten. All diese Aspekte und Zutaten der Dokumentation in Spielfilmlänge werden so gleichzeitig enthusiastisch wie informativ und spannend erzählt und zusammengefügt, dass es die reinste Freude ist, dieser Art von Geschichtsunterricht beiwohnen zu dürfen.

Auch vor Castles späteren Jahren macht man nicht halt und berichtet von seinen Gehversuchen in einem veränderten Geschäft, einem anderen Zeitgeist und unter anderen Vorzeichen bis hin zu seinen ihn schwächenden Krankheiten und seinem zu frühen Tod. Überwiegend ist „Spine Tingler! The William Castle Story“ aber ein Film über eine herrlich „unschuldige“ Zeit, die Kinder in Monsterfilme lockte und nichts dabei war und das Porträt eines Waisenkindes und Mannes, der leidenschaftlich mit Herzblut und intelligentem Kalkül seine Ziele verfolgte, eine besondere Art von Eventkino wenn nicht erschuf, so doch perfektionierte und letztlich die Größe besaß, dem aufstrebenden jungen Roman Polanski seinen Traum zu überlassen: die Regie bei einem großen A-Film. Diesen produzierte Castle jedoch, die Rede ist von „Rosemaries Baby“.

Wer immer noch nicht begriffen hat, was an den alten Science-Fiction- und Horrorfilmen der 50er- und 60er-Jahre so reizvoll ist, was ihren Charme und Unterhaltungsfaktor ausmacht, kommt vielleicht durch Sichtung dieses hervorragend gelungenen, biographischen Dokumentarfilms darauf. Es wäre überaus wünschenswert, würden weitere William-Castle-Filme mit ihrer deutschen Synchronisation veröffentlicht werden – vielleicht trägt Schwarz’ Film ja ein wenig dazu bei, das Interesse an Castles Werk aufrecht zu erhalten bzw. eine neue Generation darauf zu stoßen. In jedem Falle bedanke ich mich für diese wunderbar nostalgische Zeitreise in einen faszinierenden Abschnitt der Geschichte des phantastischen Films, den persönlich mitzuerleben mir aufgrund meiner späten Geburt nicht vergönnt war.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 1. Mai 2012, 21:58
von buxtebrawler
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Das unsterbliche Monster
Seit ein Vorfahre während den Kreuzzügen wegen Ketzerei und Teufelsanbetung verurteilt wurde, liegt auf der Familie Hammond angeblich ein Fluch. Doch weder Oliver Hammond (John Howard), noch seine Schwester Helga (Heather Angel) glauben wirklich daran, bis Oliver auf dem Heimweg von seinem Freund Dr.Colbert (Bramwell Fletcher) von einer Bestie angegriffen wird, die seinen Hund tötet, ihn verletzt und seine Begleiterin im Koma zurück läßt. Da es in der Familie schon öfter zu ungeklärten Todesfällen gekommen ist, entsendet Scotland Yard zwei Ermittler zu den Hammonds: den Forensiker Robert Curtis (James Ellison) und seine Kollegin Cornelia Christopher (Heather Thatcher), die am Okkulten interessiert ist. Doch vor Ort prallen sie auf eine Mauer des Schweigens, weder die Bediensteten, noch die Familie möchte sich zu den Vorfällen und dem Fluch großartig äußern und Curtis bleibt nur ein Stück Fell des Angreifers. Als dieses sich jedoch praktisch in Luft auflöst, ahnt er einen Zusammenhang mit dem Vorfahren der Hammonds, der in der Familiengruft begraben liegt. Wer beherbergt also das wolfsähnliche Monster, das die Familienoberhäupter dahinschlachtet? Die Zeit läuft...
Die US-amerikanische Filmproduktion 20th Century Fox hat in den frühen Jahren der Post-Stummfilmära nicht sonderlich viele Horrorfilme hervorgebracht. Der unter der Regie des deutschen Emigranten John Brahm („Scotland Yard greift ein“) 1942 entstandene „Das unsterbliche Monster“ ist einer davon, mit dem offensichtlich in Konkurrenz zu Universals ein Jahr zuvor veröffentlichten „Der Wolfsmensch“ treten bzw. auf dessen Erfolgswelle mitschwimmen wollte.

Auf der altehrwürdigen britischen Familie Hammond liegt ein Fluch, so erzählt man sich. Zumindest kommt es immer wieder zu mysteriösen Todesfällen. Nachdem Oliver Hammond (John Howard, „Die grüne Hölle“) jedoch von einer furchterregenden Bestie angefallen wurde, schaltet sich Scotland Yard ein und schickt Robert Curtis (James Ellison, „Ich folgte einem Zombie“) und Cornelia Christopher (Heather Thatcher, „Menschenjagd“), um der Sache nachzugehen. Vor Ort zeigen sich die Einwohner des Städtchens jedoch wenig gesprächsbereit...

Wirklich gute Werwolf-Filme sind rar gesät. Leider bildet auch „Das unsterbliche Monster“ diesbezüglich keine Ausnahme, der insbesondere im direkten Vergleich mit „Der Wolfsmensch“ arg Federn lassen muss. Primär als ein Krimi mit leichten Gruselanleihen aufgezogen, verläuft die Handlung, die eben in erster Linie aus den Scotland Yard’schen Ermittlungen besteht, ziemlich unspektakulär und versucht, mit charakterlichen Gegensätzen zu punkten: So glauben die einen an den Fluch und die anderen bleiben skeptisch. Als Zuschauer weiß man natürlich von vornherein, dass tatsächlich ein Werwolf sein Unwesen treibt; Spannung entsteht lediglich aus der Frage nach dessen menschlicher Persönlichkeit. Dazu dudelt ein nerviger, hektischer Soundtrack gefühlt unaufhörlich, der Tempo und Dramatik in eigentlich eher belanglose Szenen bringen soll. Dieses Unterfangen wurde jedoch derart plump in die Tat umgesetzt, dass die beabsichtigte Wirkung auf der Strecke bleibt. Die Dialoge werden in der eigens für die DVD-Veröffentlichung angefertigten, schlechten deutschen Billigsynchronisation nur so heruntergerattert. Im Original dürfte aufgrund anderer Stimmen der Nervfaktor geringer ausfallen, die Dialoglastigkeit indes bestehen bleiben. Positiv fallen hingegen kurze Momente kreativer Kameraarbeit auf, beispielsweise die subjektive Kameraführung während des Angriffs sowie der eine oder andere expressionistisch anmutende Moment innerhalb des gotischen Familienanwesens.

Letztlich steht und fällt jeder Werwolf-Streifen mit seiner Verwandlungsszene. Wie zu erwarten muss man auf diese bis zum Schluss warten, in dem sie ähnlich unspektakulär und schnell abgefrühstückt wird, wie leider fast der gesamte Film ausgefallen ist. Sicherlich ist „Das unsterbliche Monster“ filmhistorisch nicht uninteressant – vor allem aber deshalb, weil man nach Sichtung dieses Films weiß, was man am Universal-Klassiker hat.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 2. Mai 2012, 22:03
von buxtebrawler
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Dog Soldiers
Eine Gruppe von britischen Soldaten ist inmitten der schottischen Wildnis auf einer Trainingsübung, als sie die Überreste einer Special Forces Gruppe samt letztem Überlebenden finden. Etwas Monströses hat die Leute niedergemetzelt und nachdem man auch noch eine Zoologin aufgenommen hat, sieht man sich in einer Waldhütte im Nirgendwo bald der Wahrheit gegenüber: Werwölfe! Und kaum ist es Nacht, greifen die Monster an. Der Tanz kann beginnen...
„Moderne Frauen – dieselbe alte Scheiße!“

Das Spielfilmdebüt des britischen Regisseurs Neil Marshall („The Descent – Abgrund des Grauens“) aus dem Jahre 2002 ist ein Beitrag zum nicht gerade mit hochwertigen Veröffentlichungen gesegneten Werwolf-Horror-Genre. Britische Soldaten trainieren in den Wäldern der schottischen Highlands den Ernstfall und treffen auf die Überreste einer Eliteeinheit, eine einsame Zoologin (Emma Cleasby) und hungrige Werwölfe…

„Dog Soldiers“ beginnt mit zwei Rückblenden – einer Werwolf-Attacke auf ein zeltendes Pärchen sowie den Konflikt zwischen dem Azubi zum Elitekiller Cooper (Kevin McKidd, „Hannibal Rising“) und seinem Ausbilder, dem sadistischen Hundehasser und Tiermörder Captain Ryan (Liam Cunningham, „Breakfast on Pluto“). In der filmischen Gegenwart erfahren wir sodann, dass Cooper auf die Elitetruppe pfeift und sich der Armee angeschlossen hat, die sich nun zu besagter Übung im tiefsten Schottland eingefunden hat. Der Auftakt ist atmosphärisch düster, ernst und der Ton zunächst sehr armee- bzw. autoritätskritisch. Dieser wird jedoch im folgenden Verlauf zunehmend militaristischer, während die Charaktere so ziemlich jedes idiotische Militärklischee erfüllen. Die Truppe um den verletzten Sergeant Wells (Sean Pertwee, „Dangerous Parking“) und Private Cooper wird zum Sympathieträger erklärt, während Ryan die Rolle des undurchsichtigen, bösartigen, seine Leute zu Tötungsmaschinen drillenden Unsympathen einnimmt. Dieses kurzsichtige „Good army, bad army“-Spiel will nicht so recht aufgehen; letztlich fragt man sich bei beiden Seiten, was diese eigentlich in den Highlands zu suchen haben. Der sporadische Einsatz britischen Humors soll die Sause mit einem auflockernden Augenzwinkern versehen, wirkt aber wie ein unpassender Fremdkörper bzw. wie ein Alibi für die Einfallslosigkeit der Charakterzeichungen und ihres Habitus. Stets einen vermeintlich coolen Spruch auf den Lippen versucht man, zu überleben und aus Captain Ryan, dem verdächtig schnell genesenden und einzigen Überlebenden der Elitetruppe, Informationen herauszuquetschen, denn er scheint mehr zu wissen als die anderen. Letzteres wird allerdings sehr halbherzig angegangen, denn in der Waldhütte, die unsere Protagonisten wie bei Schneewittchen und den sieben Zwergen mit gedecktem Tisch erwartet, wird viel geredet, geflucht und gebrüllt, doch niemand scheint ernsthaft daran interessiert, Ryan zum Reden zu bringen – „Ich will, dass er redet!“-Bekundungen zum Trotz.

Damit geht leider bald die innere Logik des Films vor die Wölfe, äh, Hunde, denn während man erwartet, dass man etwas zu den Hintergründen des tödlichen Phänomens erfährt – das Resultat eines geheimen Militärexperiments? –, bleibt es bei Andeutungen, die nicht weiter verfolgt werden. Auch der Zoologin, die mit der Gefahr vertraut scheint, schenkt man kaum Gehör, jedoch wirkt dieser Umstand nicht wie ein bewusst gewählter, beispielsweise männerbündnerischen Sexismus persiflieren wollender Kniff des Drehbuchs als vielmehr wie Schludrigkeit der Autoren, die zu ungläubigem Kopfschütteln seitens des Publikums in Anbetracht des eigenwilligen Verhaltens der gar nicht mehr so tapferen Burschen führt. Damit verkommt „Dog Soldiers“ zu einem Katz-und-Maus- bzw. Werwolf-und-Soldat-Spielchen nach Schema F und selbst innerhalb dieser Prämisse wird die Gefahr nicht wirklich greifbar; nie erfährt man, wie viele dieser Ungeheuer tatsächlich im Wald lauern, willkürlich in die Dramaturgie eingefügt erscheinen ihre Angriffe. Die Werwölfe selbst sehen nun auch nicht allzu angsteinflößend aus, die Maskenarbeit bzw. die Kreaturengestaltung wirkt bemüht, jedoch nicht allzu gekonnt. Auf eine faszinierende, tricktechnisch aufwändige Verwandlungsszene wartet man leider vergebens.

Stattdessen wird man aus der aufgebauten klaustrophobischen Paranoia-Stimmung immer wieder herausgerissen, wenn diese für schnelle makabre Lacher wie ein sich in den freiliegenden Gedärmen des verletzten Wells verbeißenden Hund oder beinahe slapstickartige Einlagen fahrlässig geopfert wird. Filmfreunde dürfen sich jedoch an einigen Anspielungen erfreuen: So hört man Ryan in den Highlands sagen „Es hätte nur einen geben dürfen!“ und einer der Soldaten hört auf den Namen Bruce Campbell. Als oberflächlicher Unterhaltungsfilm funktioniert „Dog Soldiers“ nicht zuletzt wegen seiner guten schauspielerischen Leistungen – insbesondere Liam Cunningham tut sich als hassenswertes Arschloch hervor – passabel und auch das Ambiente der dunklen schottischen Waldlandschaft weiß zu gefallen, zu einem harten, ernstzunehmenden Horrorfilm reicht es trotz einiger Gore- und Splatterszenen jedoch nur selten. Zu sehr pendelt man zwischen Gewalt, Panik und Wut auf der einen und ironische bis alberne, bisweilen bemüht karikierende Relativierung auf der anderen Seite – womit man viel Potential verschenkt. Wirklich lachen musste ich aber bei der unerwarteten Wiederaufnahme der Fußballländerspielthematik (England – Deutschland) im Abspann – ein gelungener, versöhnlicher Gag. 5,5/10 Punkten ist mir dieser Versuch, dem Werwolf-Subgenre neues Leben einzuhauchen, wert, Genrefans dürfen gern mal einen Blick riskieren – die Erwartungshaltung etwas nach unten korrigiert.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 3. Mai 2012, 23:54
von buxtebrawler
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Die Engel von St. Pauli

Hamburger Schnack vs. Wiener Schmäh

„Wenn er nicht hören will, dann gibt’s Protest!“ – „‚Protest’, ‚Protest’ – was heißt ‚Protest’?!“ – „Terror!“

Der deutsche Regisseur Jürgen Roland („Stahlnetz“, „Polizeirevier Davidswache“, „Zinksärge für die Goldjungen“) drehte 1969 mit „Die Engel von St. Pauli“ einen als Unterhaltungsfilm angelegten Kiezkrimi – noch nicht so actionorientiert wie später mit „Zinksärge für die Goldjungen“, dafür um mehr Realismus bemüht, bodenständiger. Die alteingesessenen Luden um Jule Nickels (Horst Frank, „Die neunschwänzige Katze“) kämpfen mit harten Bandagen gegen die in das Geschäft drängenden Wiener um Holleck (Herbert Fux, „Hexen bis aufs Blut gequält“) um die Vorherrschaft im Rotlichtmilieu des Hamburger Kiez, der Reeperbahn. Als, nachdem bereits „Schwuli“ aus Nickels Bande sein Leben lassen musste, zu allem Überfluss auch noch ein impotenter Freier (Werner Pochath, „Der Joker“) die taubstumme Prostituierte Lisa ersticht, wird es der Polizei zu bunt. An Ruhe auf dem Kiez interessiert, vereinbaren Nickel und Holleck einen Waffenstillstand, um den Mörder zu stellen.

Offensichtlich auf wahren Begebenheiten beruhend – so kam es in den 1960ern tatsächlich zu einer „Wiener Invasion“ auf der Reeperbahn –, ist der hervorragend besetzte und an Originalschauplätzen gedrehte Film ein wunderbares Beispiel für einen von Lokal- und Zeitkolorit beherrschten Unterhaltungskrimi, der weder tiefschürfendes Milieudrama noch sleaziger Schmuddel mit Alibihandlung sein will. Lockere Sprüche, wie den Herren (und Damen) die Schnäbel gewachsen sind, nackte Haut, Gewalt und ein, zwei Morde, Intrigen und Machtspielchen, etwas naive Vorstellungen von Ganovenehre – fertig ist der leider fast vergessene Kiez-Klassiker. Roland hat das richtige Gefühl für Tempo und Dramaturgie und versteht es, Ernst und Witz genau richtig zu dosieren, ohne dass der Film zu sehr in eine Richtung kippen und verstören könnte. Stattdessen darf man dem abenteuerlichen Treiben der Rotlicht-Halbwelt aus sicherer Entfernung folgen, Einblicke in deren Alltag erhaschen und sich über das Ausbleiben jeglichen moralistischen Zeigefingers freuen. Einzig der Mord an „Schwuli“ gerät im Laufe der Handlung für meinen Geschmack etwas zu sehr in den Hintergrund und scheint schnell vergessen.

Der Hamburger Kiez wird in prächtigen Bildern eingefangen, die für jeden halbwegs an der „sündigen Meile“ Interessierten schon Grund genug für eine Sichtung sein sollten. Das Beste am Film sind aber zweifelsohne die Dialoge, die eine zitierwürdige Zote und Schote nach der anderen beinhalten und sich ein phonetisches norddeutsch-wienerisches Duell liefern, dass es die reinste Freude ist. Die beeindruckende Besetzung der Rollen lässt ebenfalls aufhorchen. Werner Pochath gefällt mir als differenziert gezeichneter, mit wenig Selbstbewusstsein ausgestatteter Mörder, der verrückt zu werden droht und die Flucht nach vorn antritt, am besten, ein Wahnsinnsauftritt im wahrsten Sinne des Wortes. Herbert Fux ist mit seiner herrlichen Charakterfresse prädestiniert für den schmierigen, verschlagenen Wiener Oberluden, Horst Frank sein besonnener, aber bestimmter Gegenspieler und Platzhirsch – und mehr oder weniger heimlicher, jedenfalls nicht eindimensionaler Sympathieträger des Films. Auch sämtliche Nebenrollen können sich sehen lassen, wirklich einwandfrei.

Fazit: Lockere Milieuunterhaltung nicht nur für Hamburger und Wiener, immer noch „seriös“ genug, um als ernstzunehmender Krimi durchzugehen, technisch und darstellerisch ohne Tadel, dazu anscheinend auch noch historisch verbürgt – zusammen mit Rolf Olsens Beiträgen (ausgerechnet ein Wiener!) zum Thema Pflichtprogramm für jeden, der entdecken will, was früher im deutschen Film so alles möglich war – unverkrampft, unpeinlich und verdammt liebenswürdig.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 5. Mai 2012, 20:09
von buxtebrawler
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Der Pfarrer von St. Pauli

„Ich kann doch mein Gewissen nicht mit überholten Binsenweisheiten beruhigen!“

Im Jahre 1970 drehte der Österreicher Rolf Olsen („Blutiger Freitag“) gleich zwei Filme seiner St.-Pauli-Reihe mit Curd Jürgens („Die Dreigroschenoper“) in der Hauptrolle, „Der Pfarrer von St. Pauli“ ist einer davon – ein gewohnt unterhaltsamer, liebenswürdiger Kiezkrimi.

Nachdem Kapitän-Leutnant Konrad Johannsen während des U-Boot-Kriegs 1945 im Falle seines Überlebens Gottesfürchtigkeit schwor, verdingt er sich als katholischer Pfarrer im berüchtigten Hamburger Stadtteil St. Pauli und hat dabei keinerlei Berührungsängste mit dem Rotlichtmilieu. Eines Tages redet er einem Mädchen gut zu, das ungewollt schwanger wurde und einen Selbstmordversuch unternahm. Kurze Zeit später beichtet Gastarbeiter Luigi, dass er einen Anzugträger umgebracht hätte – woraufhin er selbst ermordet wird. Seinem Beichtgeheimnis verpflichtet, kann Johannsen der Polizei nicht weiterhelfen und beginnt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Gibt es gar einen Zusammenhang zwischen dem schwangeren Mädchen und Luigis Tod? Eine auf einen Rufmord hin erfolgte Strafversetzung auf eine friesische Insel erschwert seine Arbeit...

Olsen kombiniert Milieueinblicke mit reichlich Hamburger Lokalkolorit, viel Charme, Witz und einer zugegebenermaßen eher unglaubwürdigen Geschichte um einen menschlichen, engagierten, toleranten Mann als Vertreter des Klerus, gibt sich diesmal für seine Verhältnisse zurückhaltend, was die Zurschaustellung nackter Tatsachen betrifft und garniert das alles mit einem dicken Klecks Sozialkritik: So sind diejenigen, die verächtlich auf die Unterschicht hinabblicken, selbst die größten Verbrecher und so wird herrlich die eigenbrötlerische, aber hoffnungslos hinter dem Mond lebende Inselgemeinschaft (unter ihr die unvergleichliche und leider Gottes tragische Figur Helga Feddersen, „Vier Stunden vor Elbe 1“, „Sunshine Reggae auf Ibiza”) karikiert, bei der die Alarmglocken schrillen, wenn sie hören, dass der neue Pfarrer vom Kiez kommt. Olsen begibt sich jedoch selbst in konservative Fahrwasser, wenn er dem Sympathieträger und zentralen Figur des Films in den Mund legt, dass Abtreibung „Mord an ungeborenem Leben“ wäre.

Curd Jürgens zur Seite steht einmal mehr Heinz Reincke („Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“) als Mesner Titus Kleinwiehe, der mit breitem Hamburger Schnack und viel Wortwitz in gewohnt grandioser Weise für den komödiantischen Aspekt des Films garantiert und als Kontrast zum brummeligen, resoluten Jürgens agiert. Ein Werbefilm für die katholische Kirche ist „Der Pfarrer von St. Pauli“ natürlich nicht, zitierte Bibelstellen sind eher ethischer Natur und unproblematisch; zudem wird verdeutlicht, dass Johannsen eine Ausnahmeerscheinung ist, der auch Konflikte mit seinen Vorgesetzen durchzustehen hat. In diesem Zusammenhang werden Bigotterie und bürgerliche Spießigkeit angeklagt. Dennoch wollte sich Olsen sichtlich nicht allzu sehr mit der katholischen Kirche – de facto die weltgrößte Mafiaorganisation – anlegen; diese Versöhnlichkeit ist es, die den Film um eine höhere Wertung respektive Skandalträchtigkeit bringt. Zwischenzeitlich kann man auch schon mal vergessen, dass es sich um einen Kriminalfilm handelt, denn sonderlich um Spannung hat man sich nicht bemüht. Langweilig wird Olsens Film indes zu keinem Zeitpunkt, zuviel Spaß machen die Charaktere, denen man stundenlang zusehen könnte, die wienerische Interpretation norddeutscher Gepflogenheiten und all die netten Gimmicks und Ideen, die immer wieder eingestreut werden. Unterm Strich (huch, wie zweideutig...) ist „Der Pfarrer von St. Pauli“ ein intelligent gemachter Unterhaltungsfilm, dem der Spagat zwischen einer oberflächlich betrachtet proklerikalen Ausgangssituation und fortschrittlicher Geisteshaltung wunderbar gelingt. Reiht sich nahtlos in Olsens empfehlenswertes „Hamburger Heimatfilme“-Repertoire ein.

P.S.: Wir vermissen dich, Heinz. Durch deinen Tod ist die Film- und Fernsehlandschaft um ein großes Talent und einen ebensolchen Sympathieträger ärmer geworden.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 5. Mai 2012, 23:55
von buxtebrawler
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Halloween: 25 Years of Terror

Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Slasher-Subgenre-Begründers „Halloween“, der 1978 unter der Regie John Carpenters entstand und zu einer Filmreihe mit immer weiteren Fortsetzungen anwuchs, wurde der Dokumentarfilm „Halloween: 25 Years of Terror“ in britisch-US-amerikanischer Koproduktion von Stefan Hutchinson gedreht und 2006 veröffentlicht. In Spielfilmlänge werden sämtliche Filme des „Halloween“-Franchises abgehandelt und viele Aufnahmen stammen von einer ebenfalls zum 25. Geburtstag des Originals in Leben gerufenen Convention, auf der sich zahlreiche Akteure von vor und hinter den Kulissen sowie natürlich die Freunde der Reihe um den emotionslosen, unmenschlichen Killer Michael Myers ein Stelldichein gaben. Ferner kommen auch andere Filmmacher oder sonst in irgendeiner Weise mit der Thematik in Verbindung Stehende wie Rob Zombie (später Autor und Regisseur des Remakes), Clive Barker (Horrorschriftsteller und - -regisseur, Schaffer der „Hellraiser“-Reihe) oder Edgar Wright (Regisseur „Shaun of the Dead“) ebenso zu Wort wie Kritiker, Historiker, Sammler, Fanzine-Macher etc. pp.

Hutchinson arbeitet mit zum Drehzeitpunkt aktuellen Aufnahmen, mit Selbstgedrehtem und Archivmaterial aus unterschiedlich „Halloween“-Epochen, bekam altes hinter den Kulissen Gedrehtes zur Verfügung gestellt und greift auch auf ältere Interviews zurück. So bekommt man zahlreiche unterschiedliche Stimmen und Sichtweisen zu sehen. Während der Grundtenor natürlich unmissverständlich lautet, dass es sich bei Carpenters „Halloween“ um einen unbedingten Klassiker handelt, werden andere Teile der Reihe durchaus differenziert betrachtet, jedoch immer in Relation zum jeweiligen Zeitgeist gesetzt. Moustapha Akkad, Produzent sämtlicher „Halloween“-Filme, äußert sich für einen US-Produzenten erstaunlich selbstkritisch. Man erfährt sowohl, weshalb „Halloween III“ nichts mit Michael Myers zu tun hatte, als auch die turbulente Produktionsgeschichte von „Halloween VI“ und was es mit dem besseren Producer’s Cut auf sich hat, für den hier hochoffiziell eine Lanze gebrochen wird. Auch die zum Drehzeitpunkt jüngsten Produktionen „H20“ und „Resurrection“ werden kritisch beäugt, positive wie negative Aspekte beleuchtet und interessante Produktionsnotizen geteilt. Glücklicherweise ist mit dem Schlechtgerede von „Halloween IV“ endlich einmal Schluss, dafür erwischt es diesmal Teil V, dessen negative Seiten stark betont, die positiven hingegen nicht erwähnt werden. Hier entsteht ein kleines Ungleichgewicht, das sich auch in der Pauschalverurteilung der Slasherkonkurrenz als qualitativ minderwertige Imitate unglücklich bemerkbar macht.

Heimlicher Star des Dokumentarfilms ist die bezaubernde Danielle Harris, die in den Teilen IV und V die kleine Jamie spielte. Sie kommt relativ häufig zu Wort und berichtet offenherzig über positive wie negative Erfahrungen. In Rob Zombies Neuinterpretationen ist sie übrigens als erwachsene Frau zu sehen. Dem leider verstorbenen Donald Pleasence wird ebenso die verdiente Ehre zuteil wie John Carpenters Filmmusik; man hat wirklich an fast alles gedacht, ordnet die „Halloween“-Filme als gesellschaftliches Phänomen ein, arbeitet ihre Alleinstellungsmerkmale heraus, belegt anhand zahlreicher Filmausschnitte, und versorgt den interessierten Zuschauer mit einer Vielzahl von Informationen aus erster Hand. Sogar interessante Sichtweisen zum leidigen Thema Sexismus in Slasher-Filmen fanden in Hutchinsons Film ihren Platz. Selbst Die-Hard-Fans werden hier mit Sicherheit noch die eine oder andere für sie neue Info aufschnappen können und wenn nicht, sich dann doch zumindest an dieser umfang- und detailreichen, liebevollen, spannend erzählten Dokumentation und dem Wiedersehen mit zahlreichen bestens aufgelegten Mitgliedern der „Halloween-Familie“ erfreuen. Und wem das argumentativ noch nicht reicht, sei gesagt, dass ein durchgeknallter weiblicher Myers-Fan blankzieht.

Fazit: Für jeden am Thema Interessierten ein absolutes Muss!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: So 6. Mai 2012, 19:22
von buxtebrawler
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Der Mann mit den Röntgenaugen
Der Wissenschaftler Xavier (Ray Milland) arbeitet an einer Substanz, die, auf die Augen aufgetragen, es ermöglicht in einem anderen Spektrum zu sehen. Er stellt bald fest, daß man auch durch andere, feste Objekte sehen kann. Als ihm die Mittel gekürzt werden, testet er die Droge an sich selbst. Der fortschreitende Gebrauch befähigt ihn allerdings weiter zu sehen, als es irgendjemand je getan hätte, hinter das Gefüge unserer Realität...
„Ich entwickle eine Methode, um das Auge so zu sensitivieren, dass es fähig ist, Strahlungen bis in die Bereiche der Gammastrahlen und der Mesonen wahrzunehmen.“ – „Ja, ja, ich verstehe das...“

Achtung: Enthält massive Spoiler!

„Der Mann mit den Röntgenaugen“ aus dem Jahre 1963 ist ein originaler Science-Fiction-Horror-Flick von Budgetknauser und B-Movie-Papst Roger Corman („Die letzten Sieben“), der mit einer originellen Geschichte aufwartet: Der engagierte Wissenschaftler Dr. Xavier (Ray Milland, „Lebendig begraben“) forscht an einem Serum, das, auf die Augen aufgetragen, die Sehfähigkeit verstärken soll. Diese Wirkung geht sogar soweit, dass man durch Gegenstände hindurch sehen kann – man erhält einen „Röntgenblick“. Doch plötzlich werden die Gelder für Xaviers Projekt gestrichen und der manische Forscher schreitet zu Selbstversuchen. Immer weiter erhöht er die Dosis, bis er schließlich mehr zu sehen in der Lage ist, als er jemals wollte. Nachdem er im Eifer aus Versehen einen Kollegen aus dem Fenster stößt, flieht er vor dem Zugriff der Justiz...

Cormans Film lässt sich grob in drei Kapitel aufteilen: Ein wissenschaftlicher, ernster Beginn, der den Zuschauer mit Xaviers Projekt sowie seiner Person vertraut macht und als Einleitung dient. Darauf folgt ein komödiantisch angelegter Abschnitt, während dessen Xavier seinen Röntgenblick genießt, auf einer Party (mit der obligatorischen Tanzszene) durch die Kleider der Besucherinnen hindurch sieht und Corman Gelegenheit gibt, vorsichtig recht prüde Nacktszenen zu integrieren und Nackedeis beschwingt tanzen zu lassen. Der bald folgende, dominierende Hauptteil des Films jedoch negiert sämtliche Albernheiten und ist die überaus tragische Geschichte eines vom Forschungsdrang getriebenen Mannes, der sich mit Haut und Haar der Wissenschaft verschreibt und in eine Manie, eine Art Sucht verfällt, trotz negativer Auswirkungen die Versuche an sich selbst immer weiter fortzuführen, immer mehr zu sehen, auch wenn er es längst nicht mehr verstehen kann, und letztlich alles verliert. Damit beginnt auch der Horroranteil des Films, sowohl optisch – Xaviers Augen, die er fortan hinter dicken Sonnenbrillen verbirgt, verändern ihre Farbe und wirken gruselig, irreal, schwarz und bedrohlich – als auch inhaltlich und atmosphärisch: Xavier wird zum Außenseiter, zum Ausgestoßenen, der sich den Anfeindungen seiner Mitmenschen ausgesetzt sieht und von windigen Geschäftemachern aufgrund seiner Notlage ausgenutzt wird, dabei sämtlichen Bezug zur Realität verliert, an seinen übermenschlichen Eigenschaften verzweifelt. Die Stimmung des Films ist unwirtlich und düster, der Zuschauer bemitleidet und fürchtet Xavier zugleich. In seinen dämonisch wirkenden Augen scheint sich das unendliche Nichts des Universums, die Dunkelheit der Ewigkeit abzuzeichnen – zuviel für einen einzelnen Mann. Höhepunkt der Handlung ist das Finale, wenn Xavier als heruntergekommener, gebrochener, vom Wahnsinn gezeichneter Mann in eine Kirchenpredigt platzt und erbarmungswürdig in starken Worten seine Situation beklagt, bis ins Zentrum des Universums blicken zu können, jedoch auch vom Klerus verstoßen wird – woraufhin er sich in einer kruden Schockszene selbst seiner Augen entledigt.

Das ist durchaus starker, surreal angehauchter Tobak, der viel Interpretationsspielraum lässt und sowohl philosophische als auch okkulte bzw. religiöse Fragen aufwirft. Vor allem aber ist das alles verdammt unheimlich! Evtl. bedient man den demütigen Lebensentwurf, besser weniger als zuviel zu wissen, da man ansonsten unweigerlich verrückt würde bzw. greift diese Überlegungen als eine Art menschlicher Urängste auf, in jedem Falle warnt man vor Größenwahn und dessen unabsehbaren, fatalen Folgen. Ray Milland spielt seine Rolle grandios, versieht sie mit Ambivalenz, Emotionen und Glaubwürdigkeit. Besonders Letzteres muss dabei betont werden, denn genau das ist das große Plus des Films: In einem sichtbar niedrig budgetierten Film, der menschliche Eingeweide in Form deutlich erkennbarer Zeichnungen präsentiert, Xaviers Visionen wie Visualisierungen eines Drogentrips grafisch umsetzt und seine effektivsten Spezialeffekte durch den simplen Gebrauch von Kontaktlinsen erzielt, Authentizität auszustrahlen und damit das Publikum zu packen. Natürlich respektiere ich, dass man aus geringsten Mitteln vermutlich das Maximum herausgeholt hat, finde es zugleich angesichts des großen Potentials des Stoffs aber auch etwas schade – da wäre noch wesentlich mehr drin gewesen.

Dennoch unbestritten eine kleine Perle des phantastischen Low-Budget-Kinos der 1960er-Jahre mit einem großartigen Hauptdarsteller, Intelligenz, unschwer erkennbarer Corman’scher Sozialkritik, einer straffen Dramaturgie und geschickt platzierten, unvergesslichen Höhepunkten. Zweifelsohne wäre „Der Mann mit den Röntgenaugen“ noch etwas intensiver ausgefallen, hätte man Xavier wie ursprünglich geplant am Ende noch entsetzt rufen lassen: „Ich kann immer noch sehen!“ Brrr...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 8. Mai 2012, 00:23
von buxtebrawler
Puh, hab mir ganz schön einen abgebrochen, meinen Eindruck von "Halloween II" in Worte zu fassen. Keine Ahnung, ob mir das gelungen oder das hier Moppelkotze ist. Ich trink jetzt erst mal ein Bier...

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Halloween II
Ein Jahr nach der Halloween-Nacht des Schreckens hat sich Laurie Strode immer noch nicht von ihren Erlebnissen erholt - im Gegenteil. Das einst lebhafte Mädchen hat sich in ein depressives und lethargisches Nervenbündel verwandelt. Michael Myers, dessen Leiche auf dem Transport ins Leichenschauhaus verschwand, sucht sie nächtlich in ihren Träumen heim und selbst therapeutische Behandlung vermag nicht, ihr das Trauma zu nehmen. Was sie nicht weiß, aber fürchtet, ist Fakt: Michael hat, in den Wäldern zurückgezogen, überlebt und bricht nun, kurz vor Halloween, auf nach Haddonfield, um auf Geheiß seiner toten Mutter Deborah die Myers-Familie endgültig in einem blutigen Ritual zu vereinen...
Rob Zombie und „Halloween“ – ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. Nachdem er 2007 für sein Remake Michael Myers entmystifizierte und eine lächerliche Karikatur einer Sozialstudie als neue Hintergrundgeschichte zu etablieren versuchte, andererseits den Terrorpart, als Michael endlich seine Maske auf der langhaarigen Rübe hatte, ganz vorzüglich beherrschte, drehte er 2009 seine ganz eigene Fortsetzung:

Laurie Strode (Scout Taylor-Compton) leidet unter fürchterlichen Alpträumen, in denen ihr immer wieder Michael Myers erscheint und ist nach den Ereignissen aus Teil 1 ein ziemliches Nervenbündel. Sie lebt zusammen mit Sheriff Bracket (Brad Dourif, „Chucky – Die Mörderpuppe“) und dessen Tochter Annie (Danielle Harris) und ist in psychologischer Behandlung. Die kann ihr allerdings spätestens dann nicht mehr wirklich helfen, als sie erfährt, dass sie Michael Myers Schwester ist. Dr. Loomis (Malcolm McDowell, „A Clockwork Orange“) hat mittlerweile ein Buch über Myers veröffentlicht und gerät mit seiner zynischen Art und der Weise der kommerziellen Ausschlachtung des Themas ins Kreuzfeuer der Kritik. Michael indes ist mitnichten tot, sondern vegetiert in den um Haddonfield herum liegenden Wäldern vor sich hin – die Visionen seiner verstorbenen Mutter (Sheri Moon Zombie, „Haus der 1000 Leichen“) jedoch lassen ihn sich erneut auf die Suche nach Laurie begeben – ohne Rücksicht auf Verluste...

Zunächst scheint „Halloween II“ tatsächlich an die originale Fortsetzung anzuknüpfen, die überwiegend im Krankenhaus spielte: Michael sucht im Krankenhaus nach Laurie und hinterlässt eine Blutspur der Vernichtung. Dieser Auftakt jedoch entpuppt sich nach einiger Zeit als einer von Lauries Alpträumen. Während dieser Reminiszenz an Rosenthals „Halloween 2“ aus dem Jahre 1981 geht Zombie eigentlich direkt in die Vollen, jedoch fällt auf, dass er das Terrorkino aus der zweiten Hälfte des Vorgängers nicht so recht erneut umsetzen konnte. Trotz des Gewaltexzesses wirkt Michaels Krankenhausbesuch akzentarm und wabert beinahe einschläfernd vor sich hin (Ja, hier spricht der abgestumpfte, sozialethisch desorientiere Horrorfreak, geschenkt!). Sehr eigenartig und ich kann gar nicht genau beschreiben, worin das begründet liegt. Anschließend jedoch geht Zombie seine individuellen Wege und löst sich zu einem großen Teil von der Originalfilmreihe und ihren Regeln.

Konsequent führt er die Vermenschlichung Myers’ fort, macht aus ihm nicht den „schwarzen Mann“, das unerklärliche Böse, sondern einen psychisch derangierten Serienkiller, einen geistig verwirrten Mann. Dabei sorgt er bei Genrefans zunächst einmal für blanken Entsetzen, indem er sich der Metaphorik eines weißen Pferdes bedient, das auftaucht, während seine ebenfalls komplett in weiß gekleidete Mutter zu ihm spricht. Das ist verstärkter Kitschalarm – den Zombie möglicherweise bewusst gewählt hat, um mit der Erwartungshaltung des Publikums zu spielen? Ich weiß es nicht und glücklicherweise lässt einen der übrige Film diese an den Haaren herbeigezogene Symbolik schnell vergessen. Denn ganz gleich, was man inhaltlich von „Halloween II“ hält, Zombie verstand es, eine unheimlich düstere, triste Stimmung aufzubauen, mithilfe ganz wunderbarer Bilder eine morbide Ästhetik zu erschaffen und eine ausweglose, pessimistische Atmosphäre zu erzeugen, wie sie die Originalfilmreihe in dieser Form nicht zu bieten hatte. Beinahe wütend erscheint Zombies Umgang mit der Rolle des Dr. Loomis, den er kurzerhand zum geldgeilen Nutznießer und Unsympathen macht, als wolle er bewusst alte Fans vor den Kopf stoßen und althergebrachte, bewährte Muster zerstören, um unmissverständlich Platz für etwas Neues zu schaffen. „Seht her, das ist nicht mehr eurer alter kauziger Donald Pleasence, das ist Malcolm McDowell und er ist ein Arschloch! Es ist 2009 und dies ist ein vollkommen neuer Film, also nervt mich nicht mit euren überholten Vorstellungen davon, wie ein ‚Halloween’-Film zu sein hat!“, könnte durch Zombies Kopf geschossen sein und stand ich ihr zunächst neutral gegenüber, gefällt mir mittlerweile diese Radikalität richtiggehend, die es mir erleichtert, mich von meiner Erwartungshaltung zu befreien.

Eindeutig zum Positiven gewandt haben sich die psychologischen Motive des Films (Seht ihr? Das Pferd habe ich schon vergessen!), die bei Weitem nicht so plump wie noch im Vorgänger ausgefallen sind. Sie nehmen weder Alibifunktion als halbherzige Erklärungsversuche ein, noch tragen sie weiter zur Entmystifizierung Myers’ bei – vielmehr versehen sie die derben Gewaltausbrüche, mit denen Rob Zombie wahrlich nicht geizt, mit einer beängstigenden psychologischen Ebene, bedienen menschliche Ängste vor psychischen Defekten, die sich in rasenden Gewaltexzessen ihr Ventil suchen und sich nicht kontrollieren lassen. Dazu passt hervorragend, wie Lauries Gemütszustände durch Kamera- und Schnitttechniken visuell wiedergegeben werden. Die Charaktere Laurie, Annie und Sheriff Bracket wurden angenehm und ehrlich gesagt überraschend ambivalent konzipiert, als Menschen, die zwar grundsätzlich die Sympathieträger des Films, aber auch mit erfahrungs- und situationsbedingten wankelmütigen Stimmungen und Verhaltensweisen gestraft sind, die verletzt wurden und selbst verletzen, die – im Falle der beiden Mädchen – sichtlich mit ihrem Leben, mit ihrer Bürde überfordert sind. Das ist bereits ein Grad an Realismus, wie er für einen Slasherfilm ungewöhnlich ist und auf Unverständnis bei einem Publikum stoßen dürfte, das entweder so etwas partout nicht in einem blutigen Unterhaltungsfilm sehen will oder dem es an Empathie mangelt, um diese Verhaltensmuster nachvollziehen zu können. Meines Erachtens trägt all das aber in nicht unbedeutendem Maße zum Funktionieren des Films bei, der den Schulterschluss mit der Realität sucht. Störend wirken sich für dieses Unterfangen jedoch einige erneut arg stumpfsinnige Dialoge aus.

Nun handelt es sich bei „Halloween II“ aber selbstverständlich nicht um ein psychologisches Drama, sondern um einen harten Horrorfilm und was diese dominante Eigenschaft betrifft, greift Zombie dann doch auf Altbewährtes zurück und lässt Michael Myers in „unsittlichen“ Kreisen und Situationen blutigst ebenso morden wie auf sadistische Rednecks losgehen. Währenddessen ist er nicht mehr das mit übermenschlichen Kräften ausgestattete, abgeklärte Monstrum, sondern ein aggressiver Psychopath, der in hasserfüllter Raserei gleich mehrmals hintereinander zusticht, der Geräusche absondert, die auf körperliche Anstrengung schließen lassen und dem diese unnahbare Aura seines Äquivalents aus den vorherigen Jahrzehnten weitestgehend abgeht. Zombie hatte ein Händchen dafür, wann es sich lohnt, voll auf die durchweg gelungenen Spezialeffekte draufzuhalten und wann man lieber im Off agieren lässt und schneller wegschneidet, um die Stimmung der jeweiligen Szene nicht zu gefährden, aber auch um nicht allzu inflationär und selbstzweckhaft das Stilelement der Gewalt einzusetzen.

Wenn Myers in einem weniger harten als im Vorgänger, jedoch von eskalierendem Wahnsinn geprägten Finale seine Maske abnimmt und sein zotteliges, menschliches Antlitz offenbart, fühle ich diesmal keinen Groll gegen eine (um abermals dieses Wort zu verwenden, mir fehlt ein Synonym) „Entmystifizierung“, sondern eine Art Genugtuung, die beweisen dürfte, dass ich als Zuschauer dort angekommen bin, wo Zombie mich haben wollte: Auf seiner persönlichen Halloween-Party, die anders ist als die von Carpenter & Co., auf der ich mich dann aber doch noch herrlich (un)wohl gefühlt habe. Myers ungepflegtes Äußeres fügt sich gut in das dreckige Ambiente des Films ein, der in einer anderen gesellschaftlichen Klasse angesiedelt wurde als das Original, der die Verzweiflung der Unterschicht symbolisiert und damit eine ganz andere Ausrichtung als unter Carpenter erfährt – die ich mittlerweile zu akzeptieren bereit bin. Die finale Auslöschung sämtlicher Hauptcharaktere unterstreicht nicht nur die pessimistische Ausrichtung des Films, sondern fügt ihr ein dickes Ausrufezeichen an, begeht damit bewusst einen weiteren Bruch mit den ungeschriebenen Gesetzen der Filmreihe.

Wie bei Rob Zombie üblich ist „Halloween II“ gespickt mit Popkulturzitaten, angefangen beim „Alice Cooper“-Poster über die Performance einer „Captain Clegg and The Night Creatures“ betitelten Rock’n’Roll-Combo bis hin zu einem amüsanten Auftritt des Parodisten Weird Al Yankovic in einer Talkshow, neben Dr. Loomis sitzend. Dabei muss ich zugeben, dass es mir wie bereits beim Vorgänger nicht ganz leicht fällt, die filmische Gegenwart zeitlich einzuordnen, wenngleich Yankovics Erscheinungsbild und das Auftauchen eines Flachbildfernsehers auf den Drehzeitpunkt als selbige schließen lassen. Der rockige, abwechslungsreiche Soundtrack ist sehr hörenswert und greift natürlich auch auf Carpenters zeitlose Titelmelodie zurück. Doch all das wäre nebensächlich, würden die schauspielerischen Leistungen nicht mitziehen. Besonders gefreut habe ich mich über ein erneutes Wiedersehen mit Danielle Harris als Annie, die bereits in den Teilen IV und V der Originalreihe als kleine Jamie wunderbar mitspielte und wie in Zombies Vorgänger eine interessante junge Frau überzeugend verkörpert, die abseits sämtlicher Slasherklischees anzusiedeln ist. Scout Taylor-Compton als Laurie Strode muss die meiste Zeit über ziemlich mitgenommen und gegen ihre Erinnerung ebenso wie gegen ihre inneren Dämonen ankämpfend wirken – sicherlich keine leichte Aufgabe für ein eigentlich hübsches junges Mädchen, das es in anderen Filmen als naives Teenieblondchen bestimmt hätte leichter haben können. Jedoch meistert sie ihre Aufgabe mit Bravour und setzt sich mit ihrer Leistung längerfristig im Gedächtnis fest. Vergleiche mit Jamie Lee Curtis verbieten sich aufgrund der gänzlich unterschiedlichen Rollenauslegungen grundsätzlich. Auch McDowell als Dr. Loomis werden einige wenige Facetten abverlangt, aber längst nicht in diesem Ausmaße. Er macht seine Sache souverän, wird aber locker von den Jungdarstellerinnen an die Wand gespielt. Brad Dourif verleiht seiner Rolle als Sheriff Leigh Brackett rauen, aber aufrichtigen Charme und erscheint als am noch am festesten in der Normalität verankerter Charakter des Films. Ex-Wrestler Tyler Mane muss als Michael Myers in erster Linie seinen hünenhaften Körper unter Kontrolle haben, was vermutlich kein größeres Problem für ihn darstellte. Seine Leinwandpräsenz unter Zombies Regie ist wie beabsichtigt beeindruckend.

Fazit zum von mir gesehenen ungekürzten Director’s Cut: Rob Zombie drehte mit „Halloween II“ einen bösartigen, desillusionierenden Serienkillerfilm, einen Psycho-/Horrorthriller, der nach wie vor die Original-„Halloween“-Filme auf den Kopf stellt, jedoch behutsamer und überzeugender mit seinen Änderungen und Neuerungen umgeht, als es im Vorgänger der Fall war. Um Zombies Film genießen zu können, sollte man sich von jedweder von der Originalreihe beeinflusster Erwartungshaltung weitestmöglich befreien. Da dies aber verständlicherweise sehr schwer fällt, frage ich mich, weshalb man einen solch guten und eigenständigen, aber auch bisweilen eigenartigen Film überhaupt noch ins „Halloween“-Franchise presste und damit negative Reaktionen provozierte. Das hätte es nicht gebraucht und im Falle einer kompletten Loslösung vom Slasherklassiker die Akzeptanz des Films erleichtert, unnötige Vergleiche überflüssig werden lassen. Wie auch immer, „Halloween II“ ist ein im positiven Sinne moderner Horrorstreifen von einem, der spürbar die alte Schule als Fan aufgesogen hat. Doch die Fußstapfen sind groß und die atmosphärische Meisterleistung wird getrübt von einigen Ungereimtheiten, einem nicht so recht funktionieren wollendem Beginn und eigenartigen Fremdkörpern im psychologischen Ansatz, der hingegen dafür, dass er nun wahrlich nicht Zombies Metier ist, dann doch versöhnlich gut funktioniert. In jedem Falle ist es ein Film, der alteingesessene Fans vor einige Denksportaufgaben stellt und extreme Reaktionen hervorruft, sich dabei jedoch nicht so einfach vom Tisch fegen lässt.