Lange angekündigt, noch länger mir vorgenommen, endlich fertig: Meine flammende Lobrede auf den Blob!
Blob – Schrecken ohne Namen
Nach dem Einschlag eines Meteoriten aus dem All in der Nähe einer amerikanischen Kleinstadt wird eine gallertartige Masse freigesetzt, die sich sofort daran macht, sämtliches organisches Material, daß mit ihr in Berührung kommt (vorzugsweise Menschen), sich einzuverleiben und zu verdauen. Dazu hat der Blob dann auch ausreichend Gelegenheit, wobei er nach jedem Freßvorgang ein hübsches Stück wächst, bis der für einen Teenager schon ein wenig alte Steve McQueen herausfindet, daß es nur eine Waffe gegen den Blob gibt: Kälte!
Irgendwann 1990, Sat.1-Nachprogramm: Ich hatte erst kürzlich den Umgang mit dem elterlichen Videorekorder erlernt, meine ersten eigenen Leerkassetten bekommen und gerade eine Phase, in der ich alles, was nach Horrorfilm aussah, aus dem TV mitschnitt. Pädagogisch gänzlich unhysterisch ließ mir mein Elternhaus freie Hand und so wurde mit dem unabhängig produzierten US-Science-Fiction-Horror-B-Movie-Klassiker „Blob – Schrecken ohne Namen“, dessen Charme ich als 10-jähriger Knirps sofort erlag, der Grundstein für meine Begeisterung auch für die ollen Kamellen des Genrekinos gelegt. Gedreht wurde er 1958 von Regisseur Irvin S. Yeaworth Jr. („Der 4D-Mann“), der damit anscheinend seine erst zweite Spielfilm-Regiearbeit ablieferte – bereits in knallbunten Farben und mit einem Hauptdarsteller, der später zu Ruhm und Ehren gelangen und diesen Film fortan als Kuriosum innerhalb seiner Filmographie führen sollte: Steve McQueen.
Im Wald einer US-amerikanischen Kleinstadt schlägt ein Meteorit ein, der ein glibberiges, extraterrestrisches Etwas beherbergt, das sich sofort über die Hand des alten Mannes zieht, der es findet. Das Teenager-Pärchen Steve (Steve McQueen, „Bullitt“) und Jane (Aneta Corsaut, „Der Bohrmaschinenkiller“) findet den Mann, der über starke Schmerzen klagt, und bringt ihn zu einem Arzt. Was sie noch nicht ahnen: Die gallertartige Substanz ernährt sich von menschlichem Gewebe, wird dabei immer größer und bedroht bald die gesamte Stadt...
Der „Blob“ ist einer dieser Filme, die mit einem äußerst niedrigen Budget auskommen mussten, aus den vorhandenen Mitteln aber das Beste machten. Die Unerfahrenheit des Regisseurs jedenfalls merkt man diesem Kleinod nicht an, stattdessen weht ein wenig der kreative Pioniergeist und der Spaß daran, eine damals neuartige Kreatur zu erschaffen und sich damit tatsächlich ins kollektive Bewusstsein auch über Genrekenner hinaus einzubrennen. Für manch Irritation dürfte gesorgt haben, dass auf den fröhlichen und in die Charts eingestiegenen, von den „Five Blobs“ gesungenen Titelsong kein leichtfüßiger Teenage-Horrorfilm mit Tanz- und Gesangseinlagen oder alberner Science-Fiction/Komödien-Crossover folgte, sondern ein um Ernsthaftigkeit bemühter Genrebeitrag – doch das steht dem „Blob“ unheimlich gut zu Gesicht. Da wäre zum einen Steve McQueen, der mit bereits Ende 20 zwar den vermutlich ältesten Teenager der Welt spielt, mit seinem variationsreichen, ausdrucksstarken Mienenspiel jedoch nichts mit der Eindimensionalität manch anderer B-Movie/Drive-in-Hauptdarsteller gemein hat und den Film ungemein aufwertet. Zuvor lediglich in TV-Serien und als Statist aktiv gewesen, nimmt McQueen seine Rolle ernst und versieht sie mit einer Emotionalität wie man sie einerseits aus derartigen Produktionen selten kennt, wie sie andererseits aber auch das Drehbuch zulässt. Denn zum anderen nutzte man die Thematik zur Darstellung eines handfesten Generationskonflikts nach „...denn sie wissen nicht, was sie tun“-Vorbild innerhalb einer allgegenwärtigen Ultraspießigkeit der 1950er, in denen zwischen den Ehebetten mind. ein Meter Sicherheitsabstand herrscht und die Autoritäten den „Kindern“, wie zumindest in der deutschen Synchronisation spaßigerweise die fast allesamt wesentlich älter aussehenden Mitglieder der Clique Steves genannt werden, partout keinen Glauben schenken wollen und erst eingreifen, als es schon fast zu spät ist.
Natürlich verfügt auch der „Blob“ über Humor und ein gewisses Augenzwinkern, primär überwiegt jedoch die Atmosphäre des ungesunden Misstrauens zwischen den Generationen sowie das Porträt des damaligen Zeitgeists. Die Erwachsenenwelt wirkt dabei, bedingt durch die Steifheit ihrer Charaktere und die düstere oder ausbleibende musikalische Untermalung, mitunter regelrecht trist und lebensfeindlich, wobei ich aber nicht weiß, inwiefern dies in diesem Ausmaß beabsichtigt war, da auch jene Generation differenziert gezeichnet wird. In jedem Falle aber schlägt sich „Blob“ auf die Seite der Jugend und lässt sie versöhnlicherweise gegen Ende Hand in Hand mit den endlich wachgerüttelten Älteren gegen die außerirdische Bedrohung kämpfen. Die Frauen stehen hier übrigens stets am Rande des Nervenzusammenbruchs, in einer wundervoll romantischen Szene jedoch wird die Rollenverteilung bewusst umgekrempelt: So steht Steve, der als einziger beobachtet hatte, wie der Blob den Doktor verschlang, allein mit seiner Jane unterm Sternenfirmament und hadert mit sich, fühlt sich einsam und verlassen, weil ihm niemand Glauben schenkt. Hier ist es Jane, die erkennt, wie Steve um Hilfe und Verständnis fleht und ihn letztlich aufbaut, ihn stützt. Und dies ist nicht die einzige Szene, über der die wundersame Melancholie einer schicksalhaften Sommernacht hängt.
Da verzeiht man es gern, dass die Kreatur streng genommen über weite Strecken nicht allzu oft zum Einsatz kommt. Wenn sie es tut, wurde sie meines Erachtens aber stets sehr geschickt und effektiv in Szene gesetzt. Ist man erst einmal in der Lage, einen immer größer werdenden rosafarbenen Wackelpudding als Gefahr zu akzeptieren, unterstreichen die Stop-Motion-Effekte, rückwärts abgespielten Bewegungen, farbige Silikon-Beschichtungen, Ballons oder was auch immer sonst noch Verwendung fand, aber gut durch ihre Künstlichkeit verbunden mit der Plastizität eines amorphen Klumpens bei aller Durchschaubarkeit den Eindruck einer fremdartigen, unberechenbaren Bedrohung. Szenen, wie der Aufenthalt in weiten, dunklen Supermarktgängen, in denen auch irgendwo der Blob umherwabert, sind spannend inszeniert und wenn Steve sieht, wie sich der Doktor von innen an der Jalousie des verschlossenen Fensters festzukrallen versucht, während der Blob ihn niederringt und verschlingt, sind bestes Kopfkino, zeigen sie doch weit weniger, als man daraufhin in seiner Phantasie zusammensetzt. Höhepunkt ist aber sicherlich, wie der Blob, mittlerweile auf gigantische Ausmaße angewachsen, durch ein Kino quillt, in dem gerade ein Bela-Lugosi-Streifen läuft, und damit eine Massenpanik auslöst. Ein unvergessliches Motiv! Interessant auch, dass der Blob in seiner Ursprungsform transparent ist und an den Naseninhalt bei Erkältung erinnert, so dass man sich denken kann, woher die spätere rötliche Färbung rührt.
Mit dem sehr knappen Budget wurde aber auch die statische Kameraführung begründet, die manch Dialogszene langwieriger erscheinen lässt, als sie eigentlich ist. Zudem wurde offensichtlich häufig gleich die erstbeste Aufnahme verwendet, so dass bei genauerem Hinsehen – oder ehrlich gesagt vielmehr, wenn der Regisseur im Audiokommentar explizit darauf hinweist – der eine oder andere „Goof“ ersichtlich wird. Ein weiterer Pluspunkt jedoch ist der orchestrale, punktgenau eingesetzt Soundtrack, der auch weiß, wann er einfach mal zu verklingen hat, um der Stimmung einer Einstellung zuträglich zu sein. Darstellerisch hat McQueen natürlich die Nase vorn, doch auch die an seiner Seite spielenden Nebendarsteller wurden sorgfältig ausgewählt, wenn sich auch keine bekannteren Namen unter ihnen finden. Und ein süßer Hund kommt auch noch vor und hat seine rührenden Auftritte.
Das Finale verdient diesen Namen, denn dramaturgisch spitzt sich die Situation scheinbar ausweglos zu, bis endlich ein wirksames Mittel gegen den Blob gefunden wird. Das Ende indes ist offen und lädt den interessierten Zuschauer durchaus zu weitergehenden Spekulationen ein. Intelligenterweise ließ man nämlich nicht das vermeintlich allmächtige Militär den Konflikt kurzerhand mit einem „sauberen“ Nuklearschlag lösen, ging aber auch nicht zum anderen Extrem über, die Menschen (über den Generationskonflikt hinaus) selbst für ihr Schicksal verantwortlich zu machen und als Feinde eigentlich friedlicher Außerirdischer oder Initiatoren eines Umwelt-GAUs zu brandmarken. Diesbzgl. wählte man also einen durchaus angenehmen Mittelweg. Yeaworth Jr. erzählte, sein Film wäre bewusst familientauglich angelegt worden, doch ich war heilfroh, als er von 10-jährigen Kiddies berichtete, denen der Blob schlaflose Nächte bereitete – ich war nämlich eines von ihnen und wähnte nachts so manch verräterischen Schatten an der Wand als einen kauernden Blob-Ableger und war in Sorge, dass er sich über das Kopfende meines Bettes anschleichen und über mich herfallen könnte
(siehe Avatar). In Anbetracht dieses heutzutage so harmlos wirkenden Filmchens mag das lächerlich erscheinen; ein leichtes Kribbeln, zaghafte Erinnerungen an meine damalige Wahrnehmung des Films, verspüre ich aber noch immer, wenn ich an ihn denke, und auch ohne masochistisch veranlagt zu sein ist das doch ein schöner Nebeneffekt, der einen solchen Film unweigerlich zum Kultobjekt macht.
Und wer nun meint, das wäre ja alles an den Haaren herbeigezogener Unfug, der solle sich doch bitte mal über Schleimpilze und ähnliche seltsame Lebewesen informieren. Ob die wirklich irdischen Ursprungs sind? Ich bin mir nicht sicher...