bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Ich habe sie gut gekannt
Adriana (Stefania Sandrelli) arbeitet als Friseurin und als Platzanweiserin in einem Kino, träumt aber von einer Schauspielkarriere, weshalb sie vom Land nach Rom gezogen ist. Ihre Wünsche scheinen sich zu konkretisieren, als sie Cianfanna (Nino Manfredi) kennenlernt, der sie als Agent betreut und für sie Engagements vereinbaren will. Zudem nimmt sie Barbara (Karin Dor) unter ihre Fittiche, besorgt ihr eine Stadtwohnung und Einladungen auf angesagten Partys. Allerdings gibt es da noch Dario (Jean-Claude Brialy), einen charmanten jungen Mann, in den sie sich verliebt hat, der sie aber nach einer Nacht in einem schicken Hotel, ohne zu bezahlen zurück lässt. Als sie bei einem Schauspielunterricht umfällt, erfährt sie, dass sie von ihm schwanger ist. Barbara rät ihr, das Kind abzutreiben...
„Ich habe sie gut gekannt“ ist ein in italienisch-deutsch-französischer Koproduktion 1965 entstandenes, in Schwarzweiß gedrehtes Drama und der vorletzte Film des italienischen Regisseurs Antonio Pietrangeli vor seinem Tod. Adriana (Stefania Sandrelli „Desideria“), ein hübsches, junges Ding vom Lande, träumt von einer Schauspielkarriere und „la dolce vita“, weshalb sie ihren Lebensmittelpunkt nach Rom verlagert. Dort gerät sie allerdings an windige Zeitgenossen und muss feststellen, dass es so einfach, wie die schillernde Fassade suggeriert, leider nicht ist, in der Welt der Blitzlichtgewitter Fuß zu fassen. Nachdem sie auch noch ungewollt schwanger wurde, droht sie, in die Verzweiflung zu stürzen.

Pietrangeli fängt in diesem mit Namen wie Karin Dor, Mario Adorf und Joachim Fuchsberger populär besetzten Film sehr bewusst das vordergründig leichte Leben an der sonnendurchfluteten Adria ein und versteht, seine attraktiven Darstellerinnen erotisch in Szene zu setzen, ohne wirklich etwas zu zeigen. Zunächst könnte man glatt meinen, man befände sich in einer leichten Sommerkomödie. Passend zum sarkastischen Filmtitel erfährt man dabei nicht wirklich viel über die liebenswürdig-naiv wirkende, von Sandrelli sinnlich gespielte Adriana, was über ihre Ziele und ihren sozialen Hintergrund hinausgeht. Was aufgrund ihrer Misserfolge in ihr vorgeht, bleibt weitestgehend verborgen. Im episodenhaften Aufbau wirkt es jedoch, als würde sie sich ihre Lebensfreude bewahren und weiter an ihrem Ziel festhalten. Ihre positive Ausstrahlung und unbedarfte Menschlichkeit, die sie zur Sympathieträgerin machen, wird besonders in einer Szene mit Mario Adorf deutlich, der kurz zuvor einen Boxkampf verloren hatte, durch seine Begegnung mit Adriana aber kurzzeitig vorbehaltlose, ehrliche Zuneigung erfährt.

Das tragische Ende jedoch offenbart, dass die von ihr auserkorene Karriere für eine arglose junge Frau zu viel ist und dass ihr einfach gestrickter, blauäugiger Charakter – so liebenswürdig er auch erscheinen mag – sie nicht vor den psychischen Auswirkungen negativer Erfahrungen zu schützen vermag, sie letztlich auf sich allein gestellt keinen verarbeitenden Umgang mit ihren Enttäuschungen findet und schließlich nur noch einen Ausweg sieht. Die Bewertung dessen obliegt dabei dem Zuschauer, denn so selbstverständlich Pietrangeli zuvor die Sonnenseiten des Lebens zeigte, so wertungsfrei konfrontiert er den Zuschauer mit ihrem Gegenteil. Ist Adriana Opfer ihrer Leichtgläubigkeit? Ist ihre Entscheidung die infantile Trotzreaktion eines sich von der Glitzerwelt blenden lassen habenden, auf Karriere und Oberflächlichkeit fixierten, unreifen Menschen? Oder hat man ihr in einem nicht zu verantwortenden Maße übel mitgespielt? Kam sie unter die Räder einer egozentrischen Ellbogengesellschaft? Darüber nachzudenken lohnt sich, nicht zuletzt, weil die Thematik an ihrer Aktualität nichts eingebüßt hat. Und so stilvoll und angenehm, wie Pietrangeli sein Publikum durch das sonnige Rom der 1960er-Jahre führt, in dieser Mischung aus Leichtfüßigkeit und tödlichem Ernst, wie er es Anteil nehmen lässt an den Vorzügen des leichten Lebens, um es letztlich zu desillusionieren, so sehr lässt sich dieser Film genießen – auch heute noch, wenn er auch seine seinerzeit evtl. provokante, schockierende Wirkung im Laufe der Jahrzehnte weitestgehend verloren haben dürfte (weil das Gezeigte allgemein hingenommene Normalität geworden ist?).
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Batman hält die Welt in Atem
Die Vereinigte Unterwelt möchte am liebsten die Welt zerstören. Wenn nur dem Katzenweib, dem Joker, dem Pinguin und dem Rätselknacker nicht immer der geheimnisvolle Batman und sein junger Assistent Robin einen Strich durch die Rechnung machen würden! Die beiden besitzen nämlich nicht nur eine Menge phantastischer technischer Einrichtungen, sie sind auch mutig, listenreich und - leider - nur dem Guten der Welt verpflichtet. Doch jetzt haben sich die Vereinigten Bösewichte etwas ganz Besonderes ausgedacht: Sie kidnappen eine sensationell neue Erfindung, mit der man Menschen zu Staub verwandeln kann. Das Hauptquartier der Vereinigten Weltorganisation ist ihr erstes Ziel. Nur Batman kann den Terror verhindern - doch der hat sich in seiner bürgerlichen Identität als Bruce Wayne ausgerechnet in das Katzenweib verliebt...
„Manchmal kann man eine tödliche Bombe einfach nicht loswerden...“

Nachdem die „Batman“-US-Serie aus den 1960er-Jahren bereits eine ganze Weile lief, setzte man mit dem Spielfilm-Ableger „Batman hält die Welt in Atem“ im Jahre 1966 unter der Regie des US-Regisseurs Leslie H. Martinson („Quincy“) noch einen drauf und lockte die Kids vom TV-Gerät in die Kinos, wodurch viele von ihnen in Ermangelung eines Farbfernsehgeräts ihre Helden zum ersten Mal in Technicolor bestaunen durften. In diesem Abenteuer bekommen es Batman und Robin gleich mit vier der fiesesten Schurken auf einmal zu tun: Catwoman, der Pinguin, der Joker und der Riddler planen, die Weltherrschaft zu übernehmen, indem sie mittels der Erfindung des entführten Wissenschaftlers Commodore Schmidlapp die Mitglieder der vereinigten Weltorganisation durch Dehydration in bunte Pulverchen verwandeln. Doch Batman und Robin sind ihnen schon auf den Fersen...

Für diese Verfilmung wurde „Comic“ mit „Komik“ übersetzt und ein unfassbares Kostüm-Action-Trash-Feuerwerk abgebrannt. Der direkte Vergleich mit der TV-Serie fehlt mir, denn dass ich die sah, ist einfach zu lange her. Hier dürfte aber alles noch eine Nummer übertriebener, gewaltiger, mit Absurditäten und Albernheiten vollgepackter sein. Auf etwaige Hintergründe zu Bruce Waynes Doppelleben als Millionär und maskierter Verbrecherjäger wird gar nicht erst lange eingegangen, es geht direkt in die Vollen und das Drehbuch überschlägt sich mit unglaublichen Ideen und Gags. Dabei persifliert der Film die Batman-Comics aus dem DC-Verlag, lässt Batman und Robin die abstrusesten Antworten auf Riddlers Rätsel finden, sie mit den außergewöhnlichsten „Bat-dies, Bat-das“-Gadgets fuhrwerken und die schlausten, pädagogisch wertvollsten Weisheiten absondern, während die Schurken die perfidesten Pläne aushecken, über die aberwitzigsten Eigenschaften, Macken und Ticks verfügen und die extravagantesten Kostüme tragen

Nichts, aber auch gar nichts ist dabei ernst zu nehmen. Es wird gern behauptet, dass bevor die Batman-Comic-Reihe ihre „Comic noir“-Ausrichtung erhielt, genau dieses Überkandidelt-Groteske der Ton der Hefte gewesen wäre. Mir mangelt es an Belegexemplaren, jedoch halte ich es durchaus für möglich, dass man alte Batman-Comics sowohl in die eine, ernsthaftere, als auch in die andere, humoristische Richtung interpretieren konnte. Die höchst erfolgreiche TV-Serie soll die Comics seinerzeit stark in die Spaßrichtung beeinflusst haben. Ob sie auch diesen parodistischen Charakter hatte, wage ich jedoch zu bezweifeln, denn „Batman hält die Welt in Atem“ zieht Batman & Co. in erster Linie so gnadenlos durch den Kakao, dass manch konservativem Liebhaber der Reihe das Lachen im Halse stecken bleiben dürfte.

In kunterbunten Kulissen gibt Adam West („Gnadenlos schön“) den stets souveränen, ernsten Batman und verzieht trotz allen Unfugs keine Miene – was maßgeblich zum Vergnügen beiträgt. Burt Ward („Horde des Schreckens“) als Robin gibt sich emotionaler, aber nicht minder „seriös“; er mimt den ungestümen Jüngling, während West zur väterlichen, introvertierten Figur wird. Dieses Element wurde – wie vieles andere ebenfalls – durchaus sorgfältig aus den Comics übernommen. Die Schurken indes sind, von der grazilen und als Einzige zurechnungsfähig wirkenden Catwoman einmal abgesehen, ein überdrehter Haufen hyperaktiver Soziopathen, permanent kichernd, lachend und feixend und einfach vollkommen durchgeknallt. Einer schräger als der andere, unterstützt durch ebenfalls schräge Kameraperspektiven, in knallbunten Anzügen, mit beinahe übermäßig offensichtlicher Spielfreude dargeboten von Burgess Meredith („Rocky“), Cesar Romero („Das Testament des Magiers“) und Frank Gorshin („Meteor Man“), die aufspielen, als gäbe es kein Morgen mehr und sich freiwillig zum Affen machen wie im Prinzip fast jeder in diesem Film. Respekt! Catwoman wird übrigens von Lee Meriwether („Große Lüge Lylah Clare“) gespielt, da die aus der Serie bekannte Julie Newmar anderen Verpflichtungen nachzukommen hatte, macht ihre Sache aber ganz ausgezeichnet und bringt Grazie und ein wenig erotische Ausstrahlung in diesen wahnsinnigen Zirkus ein. Neil Hamilton („Im Bann der Puppe“) als ohne Batman und Robin reichlich hilflos erscheinender Commissioner Gordon und sein bauernschlauer Chief O’Harra, herrlich overactend verkörpert von Stafford Repp („Blutige Hände“), sind diejenigen Nebenrollen, die die Normalität unter all den kostümierten Gestalten vertreten und damit wichtiges Kontrastprogramm, bevor die Handlung wieder zur Bathöhle oder ins Quartier der „vereinigten Unterwelt“ überschwenkt

Der Film legt insgesamt ein unheimliches Tempo vor und kompensiert damit vorzüglich das komikbedingte Fehlen klassischer Spannung. Ausgebremst wird das bunte Treiben lediglich ein wenig von einer etwas aufgesetzt wirkenden und Batman nicht sonderlich intelligent aussehen lassenden Romanze zwischen Bruce Wayne und Catwoman in zivil. Über wenige Sekunden hinausgehend konstruierte Gags wie der legendäre Versuch Batmans, eine Bombe loszuwerden, sind eher episodenhaft und funktionieren auch außerhalb des losen Handlungsgerüsts. Die Gagdichte ist verdammt hoch, wobei das Kunststück gelang, das Niveau grundsätzlich stets beizubehalten: Wer über einen der Witze lacht, lacht über alle. Die fiktive Welt, in der sich alles abspielt, wurde bewusst plakativ, eindimensional und naiv gezeichnet, was ebenso Teil der Persiflage ist wie das Aufgreifen comicbedingter Logiklücken, die durch ihre selbstverständliche Darstellung ad absurdum geführt werden. Die „vereinigte Weltorganisation“ ist eine wild in allen Akzenten durcheinander plappernde Tischrunde – ja, so mag sich eine Zielgruppe so jung, diesen Film vielleicht doch für voll zu nehmen, globale Politik tatsächlich vorstellen. „Batman hält die Welt in Atem“ aber ist zielgruppenübergreifend und in jedem Alter goutierbar – ein gewisses Humorverständnis vorausgesetzt. Eine größere Menge beachtenswerter Details in der Ausstattung fehlt genauso wenig wie das nach wie vor unerreicht coole Batmobil, die im Comicstrip-Stil visualisierten Geräuscheffekte während einer sehr ungefährlich choreographiert aussehenden (um es einmal vorsichtig auszudrücken...) Massenschlägerei und die Titelmelodie von Nelson Riddle, die zu einem großen, im kollektiven Gedächtnis fest verankerten Klassiker der Popkultur wurde.

Martinsons Film ist hervorragend gealtert, hat – schnell zum Kult geworden – sämtliche Jahrzehnte und Modifizierungen des DC-Universums überdauert und stellt die wohl eigenwilligste Interpretation Batmans dar – überraschend für manch mit den düsteren, jüngeren Comics und Filmen Aufgewachsene, ein schweres Sakrileg für all jene, denen es sich verbietet, Batman zu veralbern und ein riesiger Spaß für Freunde grotesken Humors sowie zur Selbstironie fähige und willige Comic-Liebhaber. Muss man zumindest mal gesehen haben und gewinnt dadurch noch immer stetig neue Freunde dazu, die sich rund 105 Minuten lang prächtig amüsiert haben. Für mich als Fan der düstereren, anspruchsvolleren Batman-Comics der 70er und 80er und großen Skeptiker, was Comicverfilmungen betrifft, eine der besten Comicadaptionen überhaupt – so paradox das klingen mag.
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The Woman
Die Wilde ohne Namen ist noch das letzte verbleibende Mitglied eines altertümlichen und gewaltätigen Clans der seit Dekaden an der Nordost Küste umherwanderte. Nachdem der letzte der Familie im Kampf mit der Polizei verstarb, ist die Frau allein, schwer verletzt und angreifbar. Unglücklicherweise ist sie nun mehr denn je eine leichte Beute für den lokalen Jäger, erfolgreichen Anwalt und ernsthaft gestörten Familienvater Christopher Cleek. Mit seinen verzerrten Idealen versucht er die Frau zu ergreifen und in seinem Keller zu erziehen...
„The Woman“ aus dem Jahre 2011 ist eine weitere Verfilmung eines Romans des US-amerikanischen Schriftstellers Jack Ketchum, der auch zusammen mit US-Regisseur Lucky McKee („May – Die Schneiderin des Todes“) das Drehbuch verfasste. Thematisch kann er als Fortsetzung von „Jack Ketchums Beutegier“ verstanden werden, dessen Kenntnis aber nicht erforderlich ist. Gemeinhin als Horrordrama gelistet, handelt es sich im Prinzip um Rape’n’Revenge-Stoff, wenn auch nicht unbedingt typischen, klassischen.

Anwalt und Familienvater Christopher Cleek beobachtet im Wald eine wilde, abseits der Zivilisation lebende Frau. Eines Tages entführt er sie, kettet sie im Keller des Eigenheims fest und versucht fortan, sie unter Zuhilfenahme von Misshandlungen und Vergewaltigungen zu zähmen...

„The Woman“ führt den Zuschauer ein in die US-amerikanische Mittelklassenfamilien-Hochglanz-Idylle und dekonstruiert diese Stück für Stück nach allen Regeln der Kunst. Cleek ist ein mehr oder weniger erfolgreicher Anwalt mit Häuschen im Grünen, einer treusorgenden Ehefrau, zweier Töchter, einem Sohn und einem Hund. Sein Äußeres ist gepflegt und er trägt gern ein Lächeln im rasierten Antlitz spazieren. Ein echter Saubermann, eine echte Vorzeigefamilie also. Doch hinter der Fassade lauern finstere Abgründe. Cleek ist ein übler Sexist, die Erniedrigung von Frauen – ob nun der Wilden, seiner Ehefrau oder seiner Tochter – ist unverzichtbarer Teil seiner Lebenseinstellung. Seine Frau steht eingeschüchtert unter seinem Pantoffel, seine pubertierende Tochter hat er allem Anschein nach geschwängert. In seinem selbstgefälligen Narzissmus sieht er es als Experiment an, die Wilde zu züchtigen und nach seinen Vorstellungen zu formen – indem er sie wesentlich mieser hält als seinen Hund. So sieht sich die anachronistisch wie aus grauer Vorzeit wirkende Exotin der geballten Ignoranz und Unmenschlichkeit vermeintlich zivilisierter Wesen ausgesetzt, die sich sowohl im Sadismus Cleeks als auch in der Passivität und Ignoranz seiner Familie äußern.

Doch während die kommunikativ lediglich zu unidentifizierbaren Lauten fähige Einzelgängerin von der älteren Tochter Peggy bemitleidend und vom Sohnemann neugierig beäugt wird und jener ganz nach seinem Vater kommende sich an ihr ebenso wie an anderen Mitgeschöpfen vorzugsweise weiblichen Geschlechts als Ventil für seinen persönlichen Frust vergreift, ahnt Peggys offen mit ihrer Homosexualität umgehende Lehrerin, dass Peggy schwanger ist. Blauäugig auf Familie Cleeks Vernunft vertrauend, sucht sie diese auf, wodurch die Situation eskaliert und gegenseitige Verachtung und Hass sich in nackter Gewalt entladen. Auf diesen Moment hat McKee in zunächst gemächlichem, das Publikum mit den Charakteren vertraut machendem Erzähltempo, aber unter ständigem neuen Ausloten der Erträglichkeitsgrenze hinsichtlich des Gezeigten sorgfältig hingearbeitet, bis der Gewaltausbruch geradezu erlösend auf den Zuschauer wirkt.

Endlich wird die Fassade unwiederbringlich eingerissen, wird Rache geübt an der kranken, verlogenen, perversen Welt, die Cleek stellvertretend für Millionen andere bigotte Familienoberhäupter errichtet hat, die Ketchum und McKee mit ihren antipatriarchalischen, veranschaulichenden Übertreibungen innerhalb des Rahmens eines als Parabel dienenden, splatterigen Horrorfilms heftigst abwatschen. Die Wilde steht dabei für das Individuelle und Ungezähmte, das eine degenerierte, sich aber für das Nonplusultra haltende Gesellschaft zu bezwingen, seinen Regeln zu unterwerfen und zu zerstören versucht – letztlich aus gut überspielter Angst davor, dass es das aus selbiger gegossene, zitternde Fundament zum Einsturz bringen könnte. Was nicht sein darf, darf es nicht geben, was das Zahnpastalächeln gefährden könnte, wird totgeschwiegen und verscharrt. Der Rache-Teil des Films hält dabei noch die eine oder andere Überraschung und Wendung parat und dürfte letztlich selbst für manch einen sich als „liberal“ verstehenden Zuschauer ein kräftiger Tritt in die Magengrube sein und auch an dessen moralischen Grenzen kratzen. Gefangene werden nicht gemacht, auch uncouragierte Passivität bekommt ihre Strafe.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: „The Woman“ reitet trotz seiner Sadismen keinesfalls auf der abebbenden „Torture Torn“- bzw. Folterfilmchen-Welle mit, sondern ist ein außer vielleicht für manch Kleingeist unmissverständlich als pro-feministisch zu verstehender, intelligenter Film, der spekulativen Selbstzweck auf Kosten des Opfers konsequent ausspart, vor blutigen Details und expliziter Gewaltdarstellung aber dennoch nicht zurückschreckt – stets innerhalb seines Kontexts. Handwerklich einwandfrei und mit fantastischen schauspielerischen Leistungen gesegnet, kann der ohnehin bereits für seine stilistisch eigenwilligen, schwarzhumorigen Werke zumindest in Genrefachkreisen bekannte McKee nach meinem Dafürhalten erstmals auf ganzer Linie überzeugen. Sean Bridgers (evtl. aus diversen US-TV-Serien bekannt) spielt das Oberarschloch mit voller Hingabe und vermeidet dabei fast gänzlich übertriebenes Overacting, so dass „The Woman“ trotz gewisser auch hier vorhandener schwarzhumoriger bzw. vielmehr zynischer Tendenzen stärker seinen ernsten Ton beibehält als McKees andere mir bekannte Filme. Pollyanna McIntosh (spielte bereits in „Jack Ketchums Beutegier“ die wilde Frau) gibt unter einer zentimeterdicken Schlammkruste eine archaische Erscheinung, die zu so etwas Ähnlichem wie einer Identifikationsfigur wird, obwohl man schlichtweg nichts über sie weiß – was eben immer noch besser ist als das, was man über Clee und Konsorten erfährt. Zur Hoffnungs- und Sympathieträgerin taugt lediglich die schwangere Peggy, der man ein Eingreifen aufgrund der heillosen Überforderung in ihrer prinzipiell der Situation der Wilden nicht unähnlichen Lage aber weder zutraut noch abverlangt und dass es früher oder später zur offenen Konfrontation zwischen ihrer Lehrerin und ihrem Vater kommen würde, ist zumindest bei aufmerksamer Betrachtung der Charakterentwicklungen vorprogrammiert.

Diverse Filmemacher machten bereits vor, dass Rock- und Indie-/Alternative-Klänge wohlplatziert in Genrefilmen durchaus eine echte Alternative zu sphärischen Prog- oder Orchester-Klangkulissen darstellen können. Sean Spillane kreierte einen nach modernem Folkrock klingenden Soundtrack für „The Woman“, der sich ungewöhnlich, aber sehr gut in das Geschehen integriert, die LP ist schon geordert. Für manchen Geschmack dürfte er vielleicht etwas zu vorherrschend eingesetzt worden sein, da er zeitweise droht, die Aufmerksamkeit primär auf sich zu lenken, was mich aufgrund seiner Qualitäten aber nicht im Geringsten stört.

Was möglicherweise plakativ und vorhersehbar klingen mag, versetzte selbst mich als Genrekenner des Öfteren in Erstaunen und schürte meine Emotionen, ohne dass ich mich für einen zweifelhaften Zweck benutzt gefühlt hätte. „The Woman“ trifft in nahezu allen Belangen meinen Geschmack, erfüllt fast alle Ansprüche an zeitgemäßen Horror mit dominantem Subtext und ist ein satter Schlag in die feist grinsende Fresse des konservativen Amerikas und seines auf patriarchalischen Traditionen aufgebauten Familienfetisches, seines klassischen Gesellschaftskonstrukts bzw. dessen Pervertierung durch eine oberflächliche, von Status und Egozentrik bestimmte Lebenskultur. Ich ziehe meinen Hut und bin gespannt, was man in Zukunft noch von McKee wird erwarten können.
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Dread
Eine Zufallsgemeinschaft: an der Uni treffen der recht rabiate Ansichten vertretende Quaid (Shaun Evans) und der junge und sich treiben lassende Stephen (Jackson Rathbone) zufällig aufeinander. Gemeinsam starten sie auf Quaids Anraten eine Videostudie als Semesterarbeit, bei der angeworbene Teilnehmer vor der Kamera von ihren tiefsten Ängsten erzählen. Quaid geht es jedoch nicht um eine gute Note, er leidet an einem entsetzlichen Kindheitstrauma, bei dem in seiner Anwesenheit seine Eltern ermordert wurden und steht unter Medikamenten. Während Stephen sich in die Cutterin Sheryl (Hanne Steen) verliebt und gleichzeitig von der Kommilitonin Abby, die mit einem Ganzkörpermuttermal leben muß, angeschmachtet wird, ist Quaid das Experiment zunehmend wenig radikal genug. Also entwirft er eine neue und drastische Versuchsanordnung, die jedoch nur furchtbare Folgen für alle Beteiligten hat...
Achtung: Enthält Spoiler!

„Dread“ – das ist eine weitere Clive-Barker-Verfilmung, offenbar eine sehr ausgeschmückte Interpretation einer Kurzgeschichte aus den „Büchern des Blutes“. Der Film ist eine britische Produktion aus dem Jahre 2009, die Regie führte Debütant Anthony DiBlasi (wat’n Name).

Die Studenten Quaid (Shaun Evans, „Gone – Lauf um dein Leben“) und Stephen (Jackson Rathbone, „Twilight - Biss zum Morgengrauen“) beschließen, gemeinsam an einer Semesterarbeit zum Thema Angst zu arbeiten. Vor laufender Heimvideokamera sollen diverse Menschen den Seelenstriptease vollziehen und von ihren tiefsten Ängsten berichten. Da beide selbst in jungen Jahren tiefe Traumata erlitten haben, wird das Experiment auch zu einer Konfrontation mit ihren eigenen Ängsten – und als Quaid sich immer weiter in die Versuche hineinsteigert, geht er zu weit und das Projekt gerät außer Kontrolle...

„Dread“ fällt zunächst einmal positiv durch sehr durchkonzipierte und durchdachte Ausleuchtungen seiner Kulissen und Szenen auf. Dominante, kräftige Farben und dezidierte Hervorhebungen von Teilbereichen wie Hintergrundelementen und Details folgen einer eigenen, interessanten und einnehmenden Ästhetik, ohne artifiziell und verfremdend zu wirken. Neugierig macht auch die Charakterkonstellation, die Quaid und Stephen als gegensätzliche Typen zeigt, die dennoch zusammenarbeiten, wobei es unweigerlich zu Reibungen und Konflikten kommt. Von Quaid geht es etwas Manisches aus; er wirkt unsympathisch und suspekt, während Stephen den passiveren Part übernimmt und sich von Quaids Eifer antreiben lässt. Diverse mehr oder weniger bedeutsame Nebenrollen geben sich ein Stelldichein, von denen die von der Natur mit einem Ganzkörpermuttermal versehene Abby den größten Raum einnimmt. Von ihrer Erscheinung geht eine beinahe exotische Faszination aus, was nicht zuletzt in der zwischen Selbstbewusstsein und Verletzlichkeit pendelnden, überzeugenden schauspielerischen Leistung der attraktiven Nordirin Laura Donnelly („Right Hand Drive“) begründet liegt. Zunächst einmal passiert nicht unbedingt viel, doch „Dread“ erscheint unberechenbar; eine Aura permanenter Gefahr, die jederzeit zum Ausbruch kommen kann, bricht sich bahn.

Als es jedoch ans Eingemachte geht und „Dread“ unverkennbar zu einem härteren Psycho-/Horror-Thriller wird, offenbaren sich Schwächen in der Nachvollziehbarkeit des Drehbuchs. Stephens Beweggründe, die ihn sein Experiment ohne Rücksicht auf seine Teilnehmer in sadistischer Weise übers Ziel weit hinaus schießen lassen, bleiben diffus. Das wirkt sich besonders deshalb unglücklich auf den Gesamteindruck aus, da „Dread“ von nun an in seiner Thematik deutlich von Filmen wie den zahlreichen „Saw“-Fortsetzungen inspiriert scheint, indem individuelle Schwächen der Opfer in radikalem Ausmaße gegen sie verwandt werden. Das ist ohne Zweifel eine schwer erträgliche Zuspitzung der Dramatik und wird seinem Horror-Sujet damit gerecht, lässt aber wie diverse Folterfilmchen der jüngeren Vergangenheit den gewissen comicartigen (nicht komischen!) bzw. moritatischen oder zumindest metaphorischen Kniff vermissen, der Genrefilme zu vergnüglichen Erlebnissen macht. Dem über weite Stecken erkennbaren (evtl. nur vorgegaukelten?) künstlerischen und investigativen Anspruch des Films folgt eine selbstzweckhaft anmutende Aneinanderreihung von Scheußlichkeiten, die handwerklich ohne Tadel umgesetzt wurden, den Zuschauer in seinem herausgeforderten Gerechtigkeitsempfinden jedoch nicht befriedigen, ihm keine Möglichkeit bieten, die kruden Bilder mit etwas darüber Hinausgehendem dauerhaft in Verbindung zu bringen und entsprechend verknüpft im Langzeitgedächtnis abzulegen.

Das düstere, von Hoffnungslosigkeit und Zynismus geprägte Finale und seine „Pointe“ stehen für sich und scheinen keinen weiteren Zweck zu verfolgen, als den Zuschauer zu verstören. Aufgrund der unausgegorenen Handlung dürfte „Dread“ aber in erster Linie als unbefriedigend und letztlich belanglos aufgenommen werden, da der psychologische Hintergrund zu wenig Beachtung findet und die anfangs vielversprechende Auseinandersetzung mit tief sitzenden persönlichen Traumata Gefahr läuft, lediglich Alibicharakter zu erhalten.

Fazit: Visuell wie handwerklich auf der Höhe der Zeit, inhaltlich durchwachsen und zwiespältig.
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Alien Autopsy – Das All zu Gast bei Freunden
Eigentlich wollten die beiden Freunde Ray und Gary nur Original-Andenken von Elvis Presley erwerben, um diese zu dann später für teure Preise zu verschachern. Durch Zufall bekommen sie aber die Aufnahmen der angeblichen Alien-Autopsie von 1947 in Roswell / New Mexico angeboten was das ganze schnell ändern soll...
Seit Jahrzehnten hält sich die urbane Legende, dass in Roswell, New Mexico / USA, 1947 ein Ufo abgestürzt sein soll. Wasser auf die Mühlen gutgläubiger Ufologen waren die verwackelten Schwarzweiß-Aufnahmen, die Ray Santilli 1995 der Öffentlichkeit präsentierte und eine vermeintliche Autopsie eines ebensolchen Außerirdischen zeigten. Nach einem gewaltigen Medienrummel gab Santilli zu, dass es sich gefälschte Aufnahmen handelte, bestand aber darauf, lediglich nachgedreht zu haben, was er im echten Autopsie-Video sah, das, nachdem es ihm vorgeführt wurde, aufgrund des Materialverschleißes angeblich nicht mehr zu gebrauchen war.

Die britische Komödie „Alien Autopsy“ von Regisseur Jonny Campbell („Death In Holy Orders“) aus dem Jahre 2006 nimmt sich dieses Themas an und versieht es sowohl mit Schenkelklopferhumor als auch satirischen Elementen. Dabei werden die Ereignisse in ausgedehnten Rückblenden erzählt, die in eine Rahmenhandlung eingebettet wurden, innerhalb derer Ray Santilli (Declan Donnelly, „Tatsächlich… Liebe“) und sein Kompagnon Gary Shoefield (Ant McPartlin, ebenfalls „Tatsächlich… Liebe“) während eines konspirativen Treffens mit einem Regisseur ihre Erlebnisse Revue passieren lassen. So erfährt der Zuschauer, wie es dazu kam, dass zwei wenig erfolgreiche, junge Männer mit einer versammelten Mannschaft amateurhafter Dilettanten eine gefälschte Außerirdischen-Autopsie in einer Privatwohnung drehten und damit nicht nur den großen Reibach machten, sondern auch das Interesse der Weltöffentlichkeit auf sich lenkten. Weshalb man um ein Treffen mit dem Regisseur bat, erfährt man indes zunächst nicht…

„Alien Autopsy“ erhebt keinerlei Anspruch auf eine authentische Wiedergabe der wahren Ereignisse, sondern erkennt das komische und medienrealsatirische Potential der aberwitzigen Vorgänge und überzeichnet diese so stark, dass man in Sachen Humor auf Nummer sicher geht. Das funktioniert auch in der Tat einwandfrei, der sympathische Loser-/Buddy-Humor mit seinen zielsicheren Pointen in Verquickung mit plakativen Seitenhieben auf sensationslüsterne Medien klappt hervorragend kurzweilig. Die Dreistigkeit auf Seiten aller Beteiligter und die daraus resultierende Absurdität mancher Situation beschert viele wunderbar humoristische Momente. Genretypisch ergehen sich dabei einige Charaktere in Overacting und klischeehafter Eindimensionalität, was sich aber nicht sonderlich negativ auswirkt. Donnelly und McPartlin sind ohnehin ein eingespieltes Team, treten sie als Duo „Ant & Dec“ doch häufig im britischen Fernsehen auf. Sie machen ihre Sache ebenso einwandfrei wie der Rest der Belegschaft.

Angereichert wurde die Geschichte um mit Ruhm und Reichtum einhergehende charakterliche Veränderungen. Während Gary als vernunftbetonter Bedenkenträger und eher introvertierter Typ gezeichnet wird, ist Ray der Lautsprecher, derjenige, der ohne den Anflug von Zweifeln oder Gewissensbissen das ungewohnte Lotterleben in vollen Zügen genießt. Dadurch wird es sein Gesicht, das mit dem Autopsie-Film in Verbindung gebracht wird, während man Gary gar nicht erst erkennt. Ray fliegt erster Klasse von TV-Auftritt zu TV-Auftritt und bringt das gemeinsame Projekt in Gefahr, wenn er keine passenden Antworten parat hat, Gary hingegen bleibt im Hintergrund und läuft Gefahr, paranoid zu werden. Zwar wird auch diese Entwicklung komödiantisch dargestellt, hat jedoch einen ernsten Hintergrund, der sich problemlos auf die Gesellschaft übertragen lässt.

Während „Alien Autopsy“ also hier und da tatsächlich ein wenig an über den reinen Unterhaltungsfaktor hinausgehenden Anspruch gewinnt, fiebert der Zuschauer – sofern es ihm wie mir ergeht – richtiggehend mit den Beiden mit, denen man den Erfolg zunächst von Herzen gönnt. Besonders spannend ist der Film natürlich dann, wenn man gar nicht mehr so genau vor Augen hat, was damals ablief. So sehr „Alien Autopsy“ auch augenzwinkernd den Mythos um die angeblichen Originalaufnahmen nährt: Man sollte ihn als das sehen, was er ist und was auch das vermeintliche Autopsie-Video seinerzeit war: Eine unterhaltsame Farce, eine willkommene Ablenkung vom Alltag. „I Want to Believe“-Ufo-Fanatiker hingegen werden sich ob der Verulkung des Themas vermutlich erbost abwenden.

Eine Bemerkung sei mir noch gestattet: 1995 wirkte der Autopsie-Film, der unter Mitarbeit eines Spezialeffektkünstlers für Horrorfilme entstand, immerhin so authentisch, dass lange und ausgiebig über ihn diskutiert wurde. Ob das im Falle von CGI auch passiert wäre? Ein Hoch auf die gute, alte, manuelle, plastische Spezialeffektkunst – ein besseres Argument für ihre Verwendung als einen Film wie jene Ray-Santilli-Produktion kann es gar nicht geben!
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Somniac – Tödliche Träume
Für ein geheimes Projekt wirbt ein ehemaliger Professor die brillante und zugleich äußerst attraktive Neurologin Andrea an, die eine Versuchsreihe betreuen soll, bei der es darum geht, während verschiedener Traumphasen Informationen vom Computer ins Gehirn zu transformieren. Dafür muss natürlich aus rein ethischen Gründen ein Affe herhalten, der auch gleich den ersten Versuch mit seinem Leben bezahlt. Als dann noch wilde Alpträume und Visionen die hübsche Ärztin zu peinigen beginnen und ein Andrea vage bekannter Junge immer wieder aufs dem Nichts auftaucht, obgleich er sich doch im Koma befindet, und ihr rätselhafte Botschaften hinterlässt, beginnt sie sich zu fragen, wie weit das Projekt in Wirklichkeit schon gediehen ist ... [Quelle: Wicked-Vision.com]
“Somniac – Tödliche Träume” ist ein spanischer Science-Fiction-/Mystery-Thriller von Regisseur Isidro Ortiz („Fausto 5.0“, „Shiver – Die düsteren Schatten der Angst“) aus dem Jahre 2005. Neurologin Andrea (Goya Toledo, „A Real Friend“) wird in ein geheimnisvolles Wissenschaftsprojekt involviert, das zum Ziel hat, Menschen während ihres Schlafs gezielt Informationen ins Gehirn zu schleusen. Der Versuch mit einem Affen geht schief, das Tier stirbt. Doch woher rühren Andreas rätselhafte Alpträume und Horrorvisionen? Und was hat es mit dem im Koma liegenden Jungen auf sich, der ihr immer wieder begegnet und mit ihr zu kommunizieren versucht?

Nach dem eine Verfolgungsjagd zeigenden, bis zum Ende nicht näher erläuterten Prolog erinnert mich der Beginn der eigentlichen Handlung ein wenig an George A. Romeros „Der Affe im Menschen“, doch dieser erste Eindruck täuscht. Primär geht es in Ortiz‘ Film um die Auswirkungen auf das menschliche Bewusstsein durch unnatürliche Eingriffe von außen. Um seinen letztendlichen Plottwist, einer von vielen seinerzeit so beliebten „Mindfuck“-Momenten, weitestmöglich zu verschleiern, erzählt das Drehbuch seine Geschichte reichlich kompliziert und lebt lange Zeit lediglich von Andeutungen, verschiedensten Puzzlestückchen und einigen wohlplatzierten gruseligen Momenten. Dem unbedarften Zuschauer, der ohne Vorwissen an den Film herangeht und versucht, einen roten Faden zu entdecken, dürfte das evtl. zu abstrakt sein. Das wäre aber sicherlich gar nicht so schlimm, wäre die eigentliche Geschichte etwas interessanter. Ich kann leider nicht behaupten, dass das Projekt der Informationstransfusion mich sonderlich fasziniert hätte. Ehrlich gesagt stand ich ihm eher gleichgültig gegenüber. Ob sich hier die grundsätzlich eher unprätentiöse Ausführung des Stoffs bemerkbar machte?

Sichtlich um eine düstere Atmosphäre bemüht, ist auch „Somniac“ ein Vertreter des ruhigeren Erzähltempos, was zunächst einmal zu begrüßen ist. Wenn sich einige gruselige Szenen und Schockmomente jedoch erst einmal abgenutzt haben, tritt man auf der Stelle und versucht, durch die Beziehung Andreas zu Gabriel (Óscar Jaenada, „Das Novembermanifest“) Spielzeit zu schinden. Das „große Finale“ wirkt dann trotz tempo- und spannungssteigernder Paranoia-Komponente leider eher unspektakulär und scheint selbst die Lust daran zu verlieren, sämtliche zur vorsätzlichen Verwirrung des Publikums zuvor aufgeworfenen Fragen befriedigend zu beantworten. Ortiz‘ Potential ist unschwer zu erkennen, jedoch holpert es an zu vielen Punkten, um mehr zu bieten als durchschnittliche, pseudowissenschaftliche Mystery-Kost iberischer Prägung.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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His Name Was Jason: 30 Years of Friday the 13th

Horror-Dokumentationen-Regisseur Daniel Farrands („Never Sleep Again: The Elm Street Legacy“) widmete sich mit „His Name Was Jason: 30 Years of Friday the 13th”, die 2009 pünktlich zum Remake erschien, der Kult-Slasher-Reihe “Freitag, der 13.” um Machetenschwinger und Eishockeymaskenträger Jason Voorhees. Spezialeffektkünstler Tom Savini, der bereits beim Original für die Umsetzung der blutigen Morde verantwortlich zeichnete, führt durch den Dokumentarfilm, indem er schwarzhumorig Szenen der Filme nachstellt. In erster Linie aber besteht „His Name Was Jason: 30 Years of Friday the 13th” aus Interviews und Filmausschnitten. Interviewt wurden zahlreiche direkt an den Filmen Beteiligte, angefangen bei Regisseur/Produzent Sean S. Cunningham, über die verschiedenen Jason-Darsteller und andere Schauspieler bis hin zu den Regisseuren der zahlreichen Fortsetzungen. Doch auch Fans und andere nicht direkt Beteiligte wurden befragt, so z.B. die Genre-Regisseure Adam Green („Hatchet“) und Joe Lynch („Wrong Turn 2“). Insgesamt handelt es sich um eine beinahe unübersichtliche Anzahl verschiedenster Gesichter, die allesamt mit kurzen Statements zu Wort kommen. Dementsprechend temporeich zusammengeschnitten ist der lediglich 87 Minuten lange Film – eine Spielzeit, die selbstverständlich nicht ausreicht, um eine zwölfteilige Filmreihe ausgiebig zu beleuchten.

Ich nehme aber sehr wohlwollend zur Kenntnis, dass man versucht hat, soviel wie möglich unterzubringen. Produktionsnotizen, Trivia, Zeitgeist, Spezialeffekte, Jasons Wandlung im Laufe der Zeit, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Filme, Ärger mit der Zensur, Erfolge und Kritik. Letzteres dabei jedoch nur in sehr eingeschränktem Maße. Teil 9 wird wie so oft meines Erachtens zu Unrecht harsch kritisiert, einige Ideen erweisen sich im Nachhinein als nicht die allerbesten, aber ansonsten hält man sich mit Selbstkritik doch stark zurück. Das ist alles soweit in Ordnung; was mir wirklich übel aufstößt, ist, dass man es nicht für nötig hält, mit nur einer Silbe auf die Vorbilder „Im Blutrausch des Satans“ von Mario Bava, von dem man dreist kopierte, und John Carpenters „Halloween“ einzugehen. Zur Entstehung von „Freitag, der 13.“ heißt es lediglich, dass man einen erfolgversprechenden Low-Budget-Horrorstreifen drehen sollte. Aus den Worten Cunninghams wird deutlich, dass man sich seinerzeit überhaupt nicht recht bewusst war, was man mit eher bescheidenen Mitteln da eigentlich erschaffen hat, wie offensichtlich die perfekte Rezeptur für einen solchen Slasher gefunden und handwerklich sorgfältig umgesetzt sowie mit dem gewissen Etwas, einer unheimlichen, faszinierenden Aura, versehen wurde. Mitunter etwas hilflos um zwei Ecken formuliert empfinde ich auch die Interpretationsmöglichkeit der Filme aus Außenseiter-Rachegeschichten, die in gewisser Weise die Identifikation des Publikums mit Jason Vorhees ermöglichen und damit beste Voraussetzungen für Popcorn-Horror-Kino sind. Was das leidige Thema des angeblichen Sexismus der Filme betrifft, freue ich mich über eine ausgewogene Berichterstattung sowohl über entsprechende Slasher-Klischees als auch starke Frauenbilder innerhalb der Reihe. Meine persönliche Betrachtungsweise der Filmmorde als genretypisch überspitzt aufgegriffene und exploitativ wiedergegebene, spießige Moralvorstellungen, die in ihrer blutigen, oft erschreckenden Umsetzung sowohl das jüngere Publikum erschrecken, das sich mit einer entsprechenden Moral der Erwachsenenwelt konfrontiert sieht, als auch die ältere, tatsächlich derartige Auffassungen von Sitte und Anstand vertretende Zuschauerschaft vor sich selbst erschrecken lässt, die in Jasons Taten ihren eigenen verlängerten Arm erkennt, bleibt leider komplett unerwähnt und lässt mich befürchten, damit zu viel in diese einfachen Slasher hineingedeutet zu haben.

Unterm Strich ist „His Name Was Jason: 30 Years of Friday the 13th” ein kurzweiliger und interessanter Blick hinter die Kulissen sowie ein prinzipiell schöner Überblick über die gesamte Reihe, bleibt allerdings recht oberflächlich – was zum Teil sicherlich der knappen Spielzeit geschuldet ist. Ein „Halloween: 25 Years of Terror“ beispielsweise ging da im direkten Vergleich weit mehr in die Tiefe. Sowohl für Freunde der Reihe als auch für Neueinsteiger bestimmt eine Empfehlung wert, wenn Farrands Film auch verdeutlicht, dass man eigentlich allein schon über die ersten beiden „Freitag, der 13.“-Filme eine Dokumentation in Spielfilmlänge drehen könnte...
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Lange angekündigt, noch länger mir vorgenommen, endlich fertig: Meine flammende Lobrede auf den Blob!

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Blob – Schrecken ohne Namen
Nach dem Einschlag eines Meteoriten aus dem All in der Nähe einer amerikanischen Kleinstadt wird eine gallertartige Masse freigesetzt, die sich sofort daran macht, sämtliches organisches Material, daß mit ihr in Berührung kommt (vorzugsweise Menschen), sich einzuverleiben und zu verdauen. Dazu hat der Blob dann auch ausreichend Gelegenheit, wobei er nach jedem Freßvorgang ein hübsches Stück wächst, bis der für einen Teenager schon ein wenig alte Steve McQueen herausfindet, daß es nur eine Waffe gegen den Blob gibt: Kälte!
Irgendwann 1990, Sat.1-Nachprogramm: Ich hatte erst kürzlich den Umgang mit dem elterlichen Videorekorder erlernt, meine ersten eigenen Leerkassetten bekommen und gerade eine Phase, in der ich alles, was nach Horrorfilm aussah, aus dem TV mitschnitt. Pädagogisch gänzlich unhysterisch ließ mir mein Elternhaus freie Hand und so wurde mit dem unabhängig produzierten US-Science-Fiction-Horror-B-Movie-Klassiker „Blob – Schrecken ohne Namen“, dessen Charme ich als 10-jähriger Knirps sofort erlag, der Grundstein für meine Begeisterung auch für die ollen Kamellen des Genrekinos gelegt. Gedreht wurde er 1958 von Regisseur Irvin S. Yeaworth Jr. („Der 4D-Mann“), der damit anscheinend seine erst zweite Spielfilm-Regiearbeit ablieferte – bereits in knallbunten Farben und mit einem Hauptdarsteller, der später zu Ruhm und Ehren gelangen und diesen Film fortan als Kuriosum innerhalb seiner Filmographie führen sollte: Steve McQueen.

Im Wald einer US-amerikanischen Kleinstadt schlägt ein Meteorit ein, der ein glibberiges, extraterrestrisches Etwas beherbergt, das sich sofort über die Hand des alten Mannes zieht, der es findet. Das Teenager-Pärchen Steve (Steve McQueen, „Bullitt“) und Jane (Aneta Corsaut, „Der Bohrmaschinenkiller“) findet den Mann, der über starke Schmerzen klagt, und bringt ihn zu einem Arzt. Was sie noch nicht ahnen: Die gallertartige Substanz ernährt sich von menschlichem Gewebe, wird dabei immer größer und bedroht bald die gesamte Stadt...

Der „Blob“ ist einer dieser Filme, die mit einem äußerst niedrigen Budget auskommen mussten, aus den vorhandenen Mitteln aber das Beste machten. Die Unerfahrenheit des Regisseurs jedenfalls merkt man diesem Kleinod nicht an, stattdessen weht ein wenig der kreative Pioniergeist und der Spaß daran, eine damals neuartige Kreatur zu erschaffen und sich damit tatsächlich ins kollektive Bewusstsein auch über Genrekenner hinaus einzubrennen. Für manch Irritation dürfte gesorgt haben, dass auf den fröhlichen und in die Charts eingestiegenen, von den „Five Blobs“ gesungenen Titelsong kein leichtfüßiger Teenage-Horrorfilm mit Tanz- und Gesangseinlagen oder alberner Science-Fiction/Komödien-Crossover folgte, sondern ein um Ernsthaftigkeit bemühter Genrebeitrag – doch das steht dem „Blob“ unheimlich gut zu Gesicht. Da wäre zum einen Steve McQueen, der mit bereits Ende 20 zwar den vermutlich ältesten Teenager der Welt spielt, mit seinem variationsreichen, ausdrucksstarken Mienenspiel jedoch nichts mit der Eindimensionalität manch anderer B-Movie/Drive-in-Hauptdarsteller gemein hat und den Film ungemein aufwertet. Zuvor lediglich in TV-Serien und als Statist aktiv gewesen, nimmt McQueen seine Rolle ernst und versieht sie mit einer Emotionalität wie man sie einerseits aus derartigen Produktionen selten kennt, wie sie andererseits aber auch das Drehbuch zulässt. Denn zum anderen nutzte man die Thematik zur Darstellung eines handfesten Generationskonflikts nach „...denn sie wissen nicht, was sie tun“-Vorbild innerhalb einer allgegenwärtigen Ultraspießigkeit der 1950er, in denen zwischen den Ehebetten mind. ein Meter Sicherheitsabstand herrscht und die Autoritäten den „Kindern“, wie zumindest in der deutschen Synchronisation spaßigerweise die fast allesamt wesentlich älter aussehenden Mitglieder der Clique Steves genannt werden, partout keinen Glauben schenken wollen und erst eingreifen, als es schon fast zu spät ist.

Natürlich verfügt auch der „Blob“ über Humor und ein gewisses Augenzwinkern, primär überwiegt jedoch die Atmosphäre des ungesunden Misstrauens zwischen den Generationen sowie das Porträt des damaligen Zeitgeists. Die Erwachsenenwelt wirkt dabei, bedingt durch die Steifheit ihrer Charaktere und die düstere oder ausbleibende musikalische Untermalung, mitunter regelrecht trist und lebensfeindlich, wobei ich aber nicht weiß, inwiefern dies in diesem Ausmaß beabsichtigt war, da auch jene Generation differenziert gezeichnet wird. In jedem Falle aber schlägt sich „Blob“ auf die Seite der Jugend und lässt sie versöhnlicherweise gegen Ende Hand in Hand mit den endlich wachgerüttelten Älteren gegen die außerirdische Bedrohung kämpfen. Die Frauen stehen hier übrigens stets am Rande des Nervenzusammenbruchs, in einer wundervoll romantischen Szene jedoch wird die Rollenverteilung bewusst umgekrempelt: So steht Steve, der als einziger beobachtet hatte, wie der Blob den Doktor verschlang, allein mit seiner Jane unterm Sternenfirmament und hadert mit sich, fühlt sich einsam und verlassen, weil ihm niemand Glauben schenkt. Hier ist es Jane, die erkennt, wie Steve um Hilfe und Verständnis fleht und ihn letztlich aufbaut, ihn stützt. Und dies ist nicht die einzige Szene, über der die wundersame Melancholie einer schicksalhaften Sommernacht hängt.

Da verzeiht man es gern, dass die Kreatur streng genommen über weite Strecken nicht allzu oft zum Einsatz kommt. Wenn sie es tut, wurde sie meines Erachtens aber stets sehr geschickt und effektiv in Szene gesetzt. Ist man erst einmal in der Lage, einen immer größer werdenden rosafarbenen Wackelpudding als Gefahr zu akzeptieren, unterstreichen die Stop-Motion-Effekte, rückwärts abgespielten Bewegungen, farbige Silikon-Beschichtungen, Ballons oder was auch immer sonst noch Verwendung fand, aber gut durch ihre Künstlichkeit verbunden mit der Plastizität eines amorphen Klumpens bei aller Durchschaubarkeit den Eindruck einer fremdartigen, unberechenbaren Bedrohung. Szenen, wie der Aufenthalt in weiten, dunklen Supermarktgängen, in denen auch irgendwo der Blob umherwabert, sind spannend inszeniert und wenn Steve sieht, wie sich der Doktor von innen an der Jalousie des verschlossenen Fensters festzukrallen versucht, während der Blob ihn niederringt und verschlingt, sind bestes Kopfkino, zeigen sie doch weit weniger, als man daraufhin in seiner Phantasie zusammensetzt. Höhepunkt ist aber sicherlich, wie der Blob, mittlerweile auf gigantische Ausmaße angewachsen, durch ein Kino quillt, in dem gerade ein Bela-Lugosi-Streifen läuft, und damit eine Massenpanik auslöst. Ein unvergessliches Motiv! Interessant auch, dass der Blob in seiner Ursprungsform transparent ist und an den Naseninhalt bei Erkältung erinnert, so dass man sich denken kann, woher die spätere rötliche Färbung rührt.

Mit dem sehr knappen Budget wurde aber auch die statische Kameraführung begründet, die manch Dialogszene langwieriger erscheinen lässt, als sie eigentlich ist. Zudem wurde offensichtlich häufig gleich die erstbeste Aufnahme verwendet, so dass bei genauerem Hinsehen – oder ehrlich gesagt vielmehr, wenn der Regisseur im Audiokommentar explizit darauf hinweist – der eine oder andere „Goof“ ersichtlich wird. Ein weiterer Pluspunkt jedoch ist der orchestrale, punktgenau eingesetzt Soundtrack, der auch weiß, wann er einfach mal zu verklingen hat, um der Stimmung einer Einstellung zuträglich zu sein. Darstellerisch hat McQueen natürlich die Nase vorn, doch auch die an seiner Seite spielenden Nebendarsteller wurden sorgfältig ausgewählt, wenn sich auch keine bekannteren Namen unter ihnen finden. Und ein süßer Hund kommt auch noch vor und hat seine rührenden Auftritte.

Das Finale verdient diesen Namen, denn dramaturgisch spitzt sich die Situation scheinbar ausweglos zu, bis endlich ein wirksames Mittel gegen den Blob gefunden wird. Das Ende indes ist offen und lädt den interessierten Zuschauer durchaus zu weitergehenden Spekulationen ein. Intelligenterweise ließ man nämlich nicht das vermeintlich allmächtige Militär den Konflikt kurzerhand mit einem „sauberen“ Nuklearschlag lösen, ging aber auch nicht zum anderen Extrem über, die Menschen (über den Generationskonflikt hinaus) selbst für ihr Schicksal verantwortlich zu machen und als Feinde eigentlich friedlicher Außerirdischer oder Initiatoren eines Umwelt-GAUs zu brandmarken. Diesbzgl. wählte man also einen durchaus angenehmen Mittelweg. Yeaworth Jr. erzählte, sein Film wäre bewusst familientauglich angelegt worden, doch ich war heilfroh, als er von 10-jährigen Kiddies berichtete, denen der Blob schlaflose Nächte bereitete – ich war nämlich eines von ihnen und wähnte nachts so manch verräterischen Schatten an der Wand als einen kauernden Blob-Ableger und war in Sorge, dass er sich über das Kopfende meines Bettes anschleichen und über mich herfallen könnte (siehe Avatar). In Anbetracht dieses heutzutage so harmlos wirkenden Filmchens mag das lächerlich erscheinen; ein leichtes Kribbeln, zaghafte Erinnerungen an meine damalige Wahrnehmung des Films, verspüre ich aber noch immer, wenn ich an ihn denke, und auch ohne masochistisch veranlagt zu sein ist das doch ein schöner Nebeneffekt, der einen solchen Film unweigerlich zum Kultobjekt macht.

Und wer nun meint, das wäre ja alles an den Haaren herbeigezogener Unfug, der solle sich doch bitte mal über Schleimpilze und ähnliche seltsame Lebewesen informieren. Ob die wirklich irdischen Ursprungs sind? Ich bin mir nicht sicher...
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Frankenstein ’80

„So ein Scheißkram!“ – „Genau das ist es! Ein elender Scheißdreck!“

Eigentlich eine gute Idee: Eine Variation des bekannten Frankenstein-Themas unter verstärkter Berücksichtigung der medizinischen Problematik der Abstoßung transplantierter Organe. Was der Italiener Mario Mancini in seinem Sleazehorrorflick „Frankenstein ’80“ aus dem Jahre 1972 (nicht 1980) daraus gemacht hat, steht aber auf einem anderen Blatt. Dr. Schwarz (Bob Fiz) hat ein neues Serum entwickelt, das genau dieses Risiko weitestgehend ausschließen soll (blaue Flüssigkeit im Fläschchen, verdeutlicht durch bildausfüllende Zooms auf selbiges, wann immer es bewegt oder verwendet wird), doch der sinistere Dr. Otto Frankenstein (Gordon Mitchell, „Der große Schwarze mit dem leichten Knall“, „The Cross of the Seven Jewels“) stibitz ihm dieses klammheimlich, um sein passenderweise Mosaic genanntes humanoides Puzzle (Xiro Papas, „SS Hell Camp“) damit zu versorgen. Dieses zieht daraufhin fröhlich und grunzend meuchelnd durch eine deutsche Stadt (Hamburg?), während die schwerkranke Frau des Reporters Karl Schein (John Richardson, „Torso“, „Men in Black II“) in Ermangelung des Serums das Zeitliche segnet. Mehr oder weniger zusammen mit der stümperhaften Polizei begibt er sich auf die Suche nach dem Dieb...

„Na wie fein, Fräulein Schwein!“ (mit dem Nachnamen „Schein“ ist man zumindest in der deutschen Synchro nicht vor Verballhornungen gefeit, egal, wie krank man ist...)

Mancinis Film ist ein weiniger blutiges, vielmehr extrem sleaziges, weil mit reichlich nackter Damenhaut gesegnetes, delirierendes Kuriosum von Horrorfilm, wie es nur die Italiener fertig brachten. Der zusammengestückelte Mosaic sucht ständig die Nähe gut bestückter Damen und fällt mal mehr, mal weniger mit seiner fiesen Narbenfresse negativ auf. Betritt er eine Metzgerei, wird der Fleischereifachverkäuferin durch sein Gegrunze sofort klar, dass er nach Leber fragt, woraufhin sie mit einem Knochen erschlagen wird. Sucht er Prostituierte auf (!), läuft die eine noch angewidert davon, während ihn die nächste mit aufs Zimmer nimmt, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Klar, dass auch das blutig ausgeht – und die Polizei auf den Plan ruft. Diese besteht aus einem permanent lauthals fluchenden Choleriker und zwei Schießbudenfiguren von Dilettanten, auf die der Chefbulle sein selbst auferlegtes Rauchverbot sogleich überträgt, bis der Fall gelöst ist. So funktioniert Mitarbeitermotivation!

„Überprüfung des Hodentransplantats: Assimilierung perfekt, mit Steigerung der Potenz.“ (Aha! Deshalb so notgeil, der Gute.)

„Frankenstein ’80“ ist einer dieser aufgrund ihres Trash-Gehalts unterhaltsamen Filme, die von einer Aneinanderreihung von Absurditäten leben, die größtenteils unfreiwilliger Natur sein dürften und deshalb schon bald dem geeichten Zuschauer ein debiles Schmunzeln auf die Lippen zaubern, das bis zum Eintreten des Abspanns anhält. Das beginnt in etwa mit dem Auftritt von Dr. Schwarz, der wie ein schmieriger Quacksalber aussieht und ein Hütchenspielergrinsen spazieren trägt, hält sich über die hirnrissig konstruierte Handlung und lässt erst nach, nachdem sich Mosaic gegen seinen Erschaffer wandte und fortan noch ca. 20 Minuten lang seine etwas unmotivierte Meucheltour fortsetzt, um den Film über die Distanz zu bringen und die depperten Polizisten weiter vorzuführen.

„Warum musst du immer töten? Was hab ich falsch gemacht? Das muss ich herausfinden!“ (Zu spät, Dr. Frankenstein...)

Viele (potentielle) Goreszenen wurden sehr durchschaubar im seitlichen Profil gefilmt, während hinter dem jeweilige Körper herumfuhrwerkt wird. Gordon Mitchell sieht als Mad Scientist dabei so pervers aus, dass man nie so recht weiß, wer nun eigentlich gemeint ist, wenn von einem „hässlichen Mann“ die Rede ist – Mosaic oder Doc himself? Die Darsteller spielen jeweils auf, wie sie es gerade für richtig halten, von Under- bis Overacting wird die komplette Palette des „Neben der Spur Spielens“ abgedeckt. Die Handlung ist simpel und verläuft recht linear, wobei etwas verwundert, dass der Name „Frankenstein“ auf keinerlei Vorbehalte stößt. Anscheinend spielt „Frankenstein ’80“ in einer Parallelwelt, in der es Mary Shelleys Roman nie gegeben hat. Doch glücklicherweise haben wir ja unseren findigen Journalisten: „In das Haus dieses gewissen Dr. Frankenstein! Ich habe da einen Verdacht“ – und kurz darauf geht es Mitchell auch schon an den Kragen, denn alle Beteiligten kommen hier grundsätzlich zu spät. Gut möglich, dass die krawallige deutsche Synchronisation ihren Teil zum Spaßfaktor dieses Trash-Spektakels beigetragen hat und noch mal einen draufsetzte.

Anscheinend hat Mario Mancini nur diesen einen Film als Regisseur gedreht. Warum bloß? Ein Andrea Bianchi beispielsweise hat schließlich auch mehrere Produktionen auf dem Kerbholz! Wer mit Filmen wie „Rückkehr der Zombies“, „Patrick lebt!“, „Labyrinth des Schreckens“ oder vermutlich auch „Das Grauen kommt nachts“, dessen Sichtung mir noch bevorsteht, bestens vertraut ist, wird auch hieran seine helle Freude haben – am besten zusammen mit Gleichgesinnten und die eigene (Fremd)schamgrenze senkenden Substanzen. Oder um es mit Dr. Frankensteins Worten zu sagen: „Hoffentlich ist die Leber noch brauchbar!“ – das sollte man sich nach dem alkoholgeschwängertem Genuss dieses Machwerks nämlich ebenfalls fragen.
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C.H.U.D. – Panik in Manhattan
Unter den Straßen von New York verschwinden einige Obdachlose, die sich dort ein neues Zuhause eingerichtet haben. Erst interessiert sich niemand für diese Vorfälle, aber als die Frau eines Kommissars verschwindet, wird dieser neugierig. Zusammen mit dem Koch einer Armenküche und einem Fotografen, der einige Zeit unter den Obdachlosen gelebt hat, kommt er einer Verschwörung auf die Spur, die ihn ganz nach oben ins Rathaus führt.
„Ein Monster kam aus dem Gulli und hat ihren Opa aufgefressen!“

Douglas Cheeks einzige Spielfilm-Regiearbeit ist der US-Horrorfilm „C.H.U.D. – Panik in Manhattan“ aus dem Jahre 1984. In einem urbanen Rahmen behandelt man mit den Folgen nuklearer Verseuchung und daraus resultierender Mutationen ein typisches Thema des 1980er-Jahrzehnts – wenngleich das Vorbild hierfür vor allem Wes Cravens einzigartiger Backwood-Terror „Hügel der blutigen Augen“ gewesen sein dürfte, der bereits 1977 erschien. Nun kann man diese Produktion aber keinesfalls als Plagiat bezeichnen, zu unterschiedlich sind beide in fast allen Belangen. Es wird sich hier einfach ebenfalls jemand kritisch mit der unkontrollierbaren Atomkraft in den Händen skrupelloser Geschäftemacher auseinandergesetzt haben: Die Atomindustrie lagert ihren radioaktiven Müll in den Kanalisationsschächten unter den Straßen New Yorks, in denen zahlreiche Obdachlose Zuflucht suchen. Dort kommt es zu Mutationen, die aggressive Monstren mit grell leuchtenden Augen hervorbringen. Es verschwinden immer mehr Menschen, doch im Großstadtmoloch interessiert sich kaum jemand für ein paar Obdachlose mehr oder weniger. Erst als die Frau des Kommissars ebenfalls verschwindet, beginnt dieser zusammen mit A.J. „The Reverend“ (Daniel Stern, „Leviathan“, „Kevin – Allein zu Haus“), Koch einer Armenküche, und dem Fotografen George Cooper (John Heard, „Katzenmenschen“) zu ermitteln...

„C.H.U.D.“, was sowohl für „Cannibalistic Humanoid Underground Dwellers“ als auch für „Contamination Hazard Urban Disposal“ steht, vermengt urbane Ängste vor einer Parallelwelt in den ausladenden Untergrundkatakomben mit dem Misstrauen in Nukleartechnologie und ihre Verantwortlichen und übt Kritik an der Polizei sowie der Situation Obdachloser in Großstädten. In die richtige Stimmung versetzen sofort die atmosphärischen Bilder eines schmutzigen, räudigen Manhattans, in dem soziale Gegensätze aufeinanderprallen. In diesen Aufnahmen schwingt stets die Traurigkeit des anonymen, vereinsamten Individuums mit, das in den Menschenmassen untergeht. Recht offensiv thematisiert werden Konflikte zwischen der Polizei und der Straßensozialarbeit, wobei Christopher Curry („Starship Troopers“) als schnauzbärtiger Bulle Bosch nicht sonderlich gut wegkommt, seine ihm Untergebenen, die anscheinend nicht einmal die elementarsten Grundsätze der Polizeiarbeit berücksichtigen, allerdings noch viel weniger. Und um überhaupt irgendetwas zu erreichen, muss gegenüber Autoritäten permanent mit der Presse gedroht werden. Diese Autoritätskritik ist elementarer, ernst gemeint statt alibimäßig wirkender Bestandteil von „C.H.U.D.“, der sich auch in Frauenrechtsfragen fortschrittlich gibt, indem er Abtreibungen nicht verteufelt.

Doch was ist denn nun mit dem Wichtigsten, den Kreaturen? Selbstverständlich ist die Handlung in erster Linie auf sie ausgerichtet, lässt den Zuschauer aber recht lange zappeln, bis er mehr als ein paar Gliedmaßen zu sehen bekommt. Prinzipiell folgt „C.H.U.D.“ seiner prä-apokalyptischen Nuklearästhetik auch für die Darstellung der leuchtäugigen Monster, doch müssen diese bei Nahaufnahmen doch reichlich Federn lassen und sehen arg nach „Mann im Gummikostüm“ aus – ein mittelprächtiger Eindruck, der sich bei Zooms auf abgeschlagene Monsterköpfe etc. zusätzlich verstärkt, denn so richtig überzeugend sieht das alles nicht aus. Sonderlich blutig gestaltete man „C.H.U.D.“ ohnehin nicht, wirklich krude Szenen gibt es kaum.

Dafür weiß aber die zwar dialoglastige, aber nicht ganz doofe (s.o.) Handlung gut und vor allem ernst zu unterhalten, die gegen Ende mehrere parallel verlaufende Handlungsstränge zusammenführt. David Stern als selbstbewusster, aber freakiger und keinen Wert auf saubere Kleidung legender, für bzw. mit den Armen kämpfender A.J. und Christopher Curry als pflichtbewusster, aber aus einer völlig anderen Welt stammender Saubermann Captain Bosch bilden ein wunderbares Kontrastprogramm und zeigen deutlich die Klassenunterschiede und –gegensätze bereits zwischen diesen beiden Berufsgruppen auf. Unterstützt wird das alles von einem gelungenen Synthesizer-Soundtrack, wie er passgenau in einen Film wie diesen gehört.

Fazit: Atmosphärisch düsterer, sarkastischer Großstadt-Öko-Horror mit eindeutiger und intelligenter Aussage in prinzipiell guter Umsetzung, dem es bei seiner dramaturgischen Zielsetzung auf das Erscheinen der Kreaturen etwas an der Beschaffenheit eben jener mangelt. Das Thema indes hat an Aktualität kein Stück eingebüßt, wie z.B. hierzulande das verbrecherische Treiben der Atommafia hinsichtlich der Zwischen- und Endlagersuche für ihren hochgefährlichen Abfall zu auf die Allgemeinheit abgewälzten Kosten beweist. Für eine seriöse Auseinandersetzung damit empfehle ich selbstverständlich andere Quellen, Freunde des ’80er-US-Horrors machen mit „C.H.U.D.“ aber nichts falsch.
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