Karin Slaughter: Cop Town - Stadt der Angst (Blanvalet, 2017)
Atlanta 1974. Ein Cop-Killer geht um und tötet Streifenpolizisten. Wie ein Geist taucht er irgendwann in der Nacht auf, vollzieht eine regelrechte Hinrichtung an einem Team, und verschwindet wieder spurlos. Der hochrespektierte Cop Jimmy Lawson entgeht dem Killer nur durch ein Wunder, und nun beginnt die Jagd erst recht. Die Polizisten Atlantas wollen Blut sehen, und allen ist klar, dass es das Blut eines Schwarzen sein muss. Oder eines Schwulen. Oder eines Juden. Oder eines Schlitzauges. Aber wenn man es sich recht überlegt muss der Cop-Killer ein Schwarzer sein! Die Taktik der Cops ist diese: Alle Zuhälter verhaften, zusammenschlagen und für einen Tag einsperren. Deren Stuten werden diesen freien Tag nutzen um zu schlafen und Drogen zu nehmen. Wenn die Luden wieder freikommen verprügeln sie ihre Mädchen, daraufhin nehmen die Cops wieder sämtliche Zuhälter fest und verprügeln diese. Und so weiter, bis irgendwann einer die Schnauze voll hat und das Schweigen bricht, denn irgendeiner muss ja was gesehen haben.
Mittendrin in dieser Hölle ist die Streifenpolizistin Kate Murphy, die heute ihren ersten Tag hat, und als Partnerin Maggie Lawson zugeteilt bekommt, Jimmy Lawsons Schwester. Frau bei der Polizei in Atlanta zu sein, das bedeutet dass
Fotze noch ein freundliches Wort ist. Und dass man keine, aber auch wirklich gar keine Befugnisse hat einen Fall zu lösen, wenn die weißen Detectives beschlossen haben, dass eben ein Schwarzer der Täter sein muss und irgendwo schon ein Schuldiger zu finden sein wird. Man muss nur lange genug zuschlagen, dann gesteht der nicht-weiße Abschaum alles …
Grundstimmung ist klar? OK, aber die Autorin schafft es tatsächlich, noch mal ein paar Briketts draufzulegen. Ich war mir beim Lesen nicht immer sicher, ob ich das Buch wirklich durchhalte, und musste ein paar Pausen einlegen an Stellen, die wahrscheinlich nicht für Pausen gedacht waren. Die wesentlichen Bestandteile einer Ermittlung, das lernen wir hier, sind exzessives Saufen, Prügeln, und Weiber. Und ein gesunder Hass auf alles was nicht weiß und männlich ist. Dass Atlanta zumindest in dieser Zeit anscheinend fast ausschließlich aus Ghettos bestand, dass die Mordrate extrem hoch war, und dass viele Menschen in dieser Stadt unter absolut menschenunwürdigen Zuständen dahinvegetieren mussten? Geschenkt, Hauptsache es gibt noch ein Six-Pack, ein paar Titten und irgendjemanden zum Draufschlagen. Die Weißen hassen die Schwarzen, die Männer hassen die Frauen, und die schwarzen Frauen hassen die weißen Frauen. Noch Fragen?
Ich glaube, ich habe noch nie ein so düsteres und nihilistisches Buch gelesen, das so spannend ist und gleichzeitig so sehr den Magen umdreht. Die Actionszenen sind inszeniert wie in den US-Filmen der 70er-Jahre, was bedeutet dass sie hart sind, blutig, spannend und verdammt realistisch. Die Actionszenen sind aber nur das Salz in der Suppe, einen weitaus größeren Teil nehmen die Schilderungen der alltäglichen Erniedrigung ein. Dass Frauen, egal ob in Uniform oder zivil, nichts zu denken haben, und im Zweifelsfall ein paar Schläge ins Gesicht helfen, das eigenständige Handeln zu stoppen. Dass die reiche Oberklasse Atlantas das Geld und die Beziehungen hat, um den Fall eines massakrierten 13-jährigen Mädchens einfach mit den Worten „
Sie wollte es doch so“ zu übergehen. Dass die gute alte Zeit vergeht, in der die weißen Männer das Sagen hatten, und dass die neue Zeit, mit Schwulen und Hippies und so ‘nem Scheiß, dass diese neue Zeit zum Kotzen ist.
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„Vor noch nicht allzu langer Zeit war die Stadt voll gewesen von Männern, die Sachen bauten. Fabriken waren Tag und Nacht in Betrieb gewesen. Züge ratterten die Gleise entlang. Sattelschlepper brausten in alle Windrichtungen. Inzwischen kam all das Geld, das durch Atlanta floss, über irgendeinen Draht. Fremde verstopften die Bürgersteige vor den glänzenden neuen Bürogebäuden. Winzige, billige Autos verstopften die Straßen. Manchmal sah Fox zu den Wolkenkratzern auf, zu den neuen Hotels, und fragte sich, was zum Teufel dort drinnen eigentlich vor sich ging. Wie konnten diese Kerle in ihren Zweihundertdollaranzügen so viel Geld verdienen, einfach nur indem sie den ganzen Tag hinter einem Schreibtisch saßen? Und wie kam es, dass Männer wie Fox sich vor ihnen verantworten mussten? Die Welt hatte das Unterste nach oben gekehrt. Keiner schien mehr seinen Platz zu kennen.“
Und gleichzeitig, und das macht das Buch ganz besonders stark, die Motivation für das Verhalten der weißen Polizisten, genauso wie die Motivation für den Killer, darzustellen, und dem geneigten Leser zu erklären, warum diese Menschen so geworden sind wie sie sind. So menschenverachtend. So brutal. Und gleichzeitig tatsächlich so hilfsbereit.
Die Richtung geht ein wenig zum frühen Joseph Wambaugh, aber ohne sich dessen Humor anzunähern, kombiniert mit dem Gewaltpegel eines Simon Beckett. Humor ist hier tatsächlich gar keiner vorhanden, außer man findet es lustig, was die Verwaltung der Polizeibehörde mit weiblichen und/oder schwarzen Rookies anstellt. COP TOWN ist schwärzester und bitterster Lesestoff mit hohem Realitätsanspruch, und es ist einer der verdammt härtesten Cop-Thriller die ich jemals gelesen habe. Ganz große Empfehlung für alle die es blutig roh mögen …