Ich war gestern da. Nachdem ich also ein wenig durch Hamburg geschlendert bin und mir den Wanst mit lecker Nudelsuppe vom richtigen Chinesen vollgeschlagen habe, habe ich mich auf den Weg nach Altona gemacht. Das Kino war nicht allzu schwer zu finden, aber es war schon duster und die schmale Gaußstraße quoll über vor dicken Fahrzeugen - überall waren Zettel angebracht, die darauf hinwiesen, dass eine Filmproduktion im Gange war. Spannend, allerdings wurde hier natürlich keine derbe Sleaze-Kost auf Film gebannt, sondern eine Folge der ZDF-Krimiserie Bella Block - Gefallener Engel. Was man aber vom Titel her auch ein Film aus dem Keßler'schen Buch halten könnte.
Nunja, ich druckste noch etwas vorm Kino rum und ging dann so zwanzig vor rein. Drinnen war ich erstmal ein wenig irritiert, denn das Publikum bestand zum Großteil aus elegant gewandeten Herren und Damen etwas gehobenen Alters, die ich so eher auf einer Vernissage erwartet hätte. Letztendlich schien es sich dabei vor allem um Pressevolk zu handeln. Es wurde sich angeregt unterhalten und erst als die ersten Fotos geschossen wurden dämmerte es mir, dass es sich bei dem adretten Herrn im feinen Zwirn tatsächlich um Christian Keßler handelte. Einzig sein spitzbübisches Grinsen ließ erkennen, dass es tatsächlich dieselbe Person war, die man seinem Promofoto zum aktuellen Buch kennt (von den anderen Bildern mal ganz zu schweigen, man denke an das Foto in der letzten Splatting Image).
Da ich die Pressearbeit selbstredend nicht behindern wollte, versuchte ich einen ruhigen Moment abzupassen um Christian nach der Dauer seines Vortrags zu fragen (ich mußte ja noch meinen Zug kriegen), und ob er mir eine Widmung und/oder schmutzigen Witz in mein Buch schreiben würde. In diesem Moment stieß dann auch unser Ugo Piazza dazu. Wir hatten uns im Vorfeld schon gegenseitig beäugt, da wir unter all den Leuten wohl noch am ehesten nach Internet-Foren-Usern aussahen, aber sicher waren wir uns wohl beide nicht so ganz. Der Christian erwies sich als glücklicherweise als grundsympathischer Zeitgenosse, der uns mit viel Elan und zeichnerischer Hingabe individuelle Widmungen in die Leinwand-Bücher schrieb. Doch Ugo hatte noch ein As im Ärmel bzw. Rucksack und zückte seine Ausgabe des legendären Jess-Franco-Buches der Herren Blumenstock und Keßler. Da war ich natürlich sehr angetan, aber das wissen wir ja alle: wenn man einen Mann wie Ugo Piazza trifft, dann muß man den Hut vor ihm ziehen.
Wir plauderten noch ein wenig mit Christian. Dabei stellte sich unter anderem auch heraus, dass er unser schönes Forum hier sehr wohl kennt. Insbesondere Nello, den er sofort namentlich erwähnte ob seines genialen Flyers. In der Zwischenzeit hatte sich auch einiges an "normalem" Publikum eingefunden, sprich Personen, die man auch beim Bizarre Cinema erwarten würde. Einige der Organisatoren des Bizarre Cinema waren übrigens auch da. Der leicht nervöse Christian mußte noch eine rauchen, und ich setzte mich mit Ugo und meinem Kumpel Jochen in die letzte Reihe, wo es am wenigsten auffällt, wenn man sich die Hose öffnet
Kurz darauf wurde die Veranstaltung von einem Filmjournalisten aus Gelsenkirchen eröffnet. Er erzählte zunächst, wie es Christian gelang, bei seiner Zeitung Interesse für das Buch zu wecken, die daraufhin für ihren Artikel von der Leserschaft nicht nur begeisterte Zuschriften erhielt. Nach dieser kurzen Einleitung ergriff Christian das Wort. Er stellte gleich klar, dass er nicht vorhatte, lang und breit aus seinem Nachschlagewerk vorzulesen. Stattdessen erzählte er frei, atemlos und höchst unterhaltsam davon, worum es in seinem Buch geht, wie er selbst mit Pornografie in Berührung kam und wie das Buch durch die Hilfe seines Freundes Sam überhaupt erst entstehen konnte. Im Grunde also viele der schönen Geschichten und Anekdoten, die das Buch so lesenswert machen. Das ganze aber wie gesagt frei und anders formuliert und dadurch keinesfalls langweilig, auch wenn man das Buch schon kennt.
In den Filmausschnitten zeigte er herausragende Beispiele für die stilistische Bandbreite und den Einfallsreichtum der Pornoindustrie. Die Ausschnitte waren etwas länger, jeweils so 6 - 10 Minuten, und bestanden meist aus ausgewählten Momenten eines einzelnen Filmes. Nacktheit gab es schon, explizite Details wurden jedoch ausgelassen. Es ging los mit dem ausgelassenen Musical-Spaß "Alice in Wonderland", danach folgte mit Christians Favorit "The Devil in Miss Jones" Kontrastprogramm, das mit Suizid anfängt und mit eindringlichem Wahnsinn aufhört. Und so folgten weitere Beispiele, meist in englischer Sprache, in ausgewählten Fällen wurde aber auch der deutschen Synchro die Ehre gegeben. Beim ohnehin schon völlig unfassbaren "It happened in Hollywood" lag die Zuschauerschaft angesichts der deutschen Synchro kollektiv am Boden vor Lachen.
Leider mußte ich schon um 22.05 Uhr raus, und so endete mein Abend mit Christian mit einem Coitus Interruptus. Trotzdem, hat Spaß gemacht. Lohnt sich.
PS: Fotos gibt's leider keine. Meine Freundin hat die Knipse mitgenommen, mein Handyakku war alle, es hat nicht sollen sein. Auch Ugo hat leider nicht geknipst, also müsst ihr wohl doch mal selber hingehen