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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: So 8. Dez 2024, 10:03
von Reinifilm
phantom hat geschrieben: ↑Sa 7. Dez 2024, 22:19
Morgen im Bremer Tatort:
In der Rolle der Rechtsmedizinerin Edda Bigley
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Helen Schneider!
Hui, das ist jetzt mal eine überraschende Besetzung…
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Mo 9. Dez 2024, 17:37
von buxtebrawler
Alle 16 "Tatort"-Episoden um die Berliner Ermittler Karow und Rubin erscheinen voraussichtlich am 12.12.2024 bei Fernsehjuwelen als 8-DVD-Box:
Extras:
Digitales Booklet (online abrufbar) mit Hintergrundinformationen und Episodenführer; Trailer; weitere Highlights; Schuber; Wendecover
Episoden:
01. Das Muli (22. März 2015)
02. Ätzend (15. Nov. 2015)
03. Wir – Ihr – Sie (5. Juni 2016)
04. Dunkelfeld (11. Dez. 2016)
05. Amour Fou (5. Juni 2017)
06. Dein Name sei Harbinger (10. Dez. 2017)
07. Meta (18. Feb. 2018)
08. Tiere der Großstadt (16. Sep. 2018)
09. Der gute Weg (5. Mai 2019)
10. Das Leben nach dem Tod (10. Nov. 2019)
11. Das perfekte Verbrechen (15. März 2020)
12. Ein paar Worte nach Mitternacht (4. Okt. 2020)
13. Die dritte Haut (6. Juni 2021)
14. Die Kalten und die Toten (14. Nov. 2021)
15. Das Mädchen, das allein nach Haus’ geht (22. Mai 2022)
16. Das Opfer (18. Dez. 2022)
Quelle:
https://www.ofdb.de/vorabfassung/275503 ... -Das-Muli/
Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Verfasst: Mi 11. Dez 2024, 09:36
von sid.vicious
buxtebrawler hat geschrieben: ↑Fr 2. Mär 2018, 09:45
Tatort: Verbrannt
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Nachdem rassistische Dessauer Bullen am 7. Januar 2005 den Asylbewerber Oury Jalloh aus Sierra Leone in ihrer Zelle auf der Wache bei lebendigem Leib verbrannten, wurden die Verantwortlichen in einem Justizskandal zunächst freigesprochen. Gegen den Dessauer Mörderbullenklüngel, der mindestens zwei weitere Tote auf dem Gewissen hat, kam es bis heute zu keiner Verurteilung wegen Mordes. Dieses reale Vorbild nahm Autor Stefan Kolditz zum Anlass für ein Drehbuch zur „Tatort“-TV-Krimireihe, das für das Hamburger Ermittlerduo Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) in seinem sechsten Fall geschrieben und von Regisseur Thomas Stuber („Teenage Angst“) in seinem bisher einzigen Beitrag zur Reihe verfilmt wurde. Die Erstausstrahlung erfolgte am 11.10.2015.
Der Ort wurde ins niedersächsische Salzgitter verlagert: Dort halten sich Lorenz und Falke gerade auf, um den afrikanischen Asylbewerber Gibril Bali (Ibrahima Sanogo, „Irina Palm“) wegen des Verdachts zu beschatten, er würde mit gefälschten Ausweisen handeln. Als Lorenz ihn festnehmen will, wehrt er sich, woraufhin Falke wie von Sinnen auf ihn einschlägt. Am nächsten Tag stellt sich die Unschuld des Verdächtigten heraus. Als beide die örtliche Wache aufsuchen, in der Bali in einer Gewahrsamszelle festgehalten wurde, müssen sie erfahren, dass er die Nacht nicht überlebt hat: Der mit Händen und Füßen an das Bett Fixierte ist verbrannt. Während Lorenz und Falke in Salzgitter bleiben, um den Fall aufzuklären, stoßen sie auf viele Ungereimtheiten, eine Mauer des Schweigens – und Lorenz an ihre psychischen Grenzen…
„Verbrannt“ orientiert sich für einen Krimibeitrag mit fiktionaler Handlung lange Zeit relativ eng am realen Fall, eingebettet ins Hamburger „Tatort“-Format. Falkes Kurzschlussreaktion, in der er selbst Polizeigewalt verübt, scheint seiner emotionalen Bindung zu Lorenz geschuldet und führt zu einem ausgeprägten schlechten Gewissen, das seinen Teil dazu beiträgt, nicht nur dem Mord auf den Grund zu gehen, sondern sich auch verstärkt in die Welt des Opfers zu begeben. Besuche im Asylbewerberheim, bei denen man sich den Reaktionen der Freunde und Bekannten Balis aussetzt, sind ebenso die Konsequenz wie eine vorsichtige Rekonstruktion seines Lebens, die ihm ein Gesicht gibt. So stellt sich heraus, dass Bali – wie auch Jalloh – Vater eines mit einer Deutschen gezeugten Kindes war, was die Handung zu einer falschen Fährte ausbaut, die bereits einen Eindruck von der allgegenwärtigen ablehnenden Haltung gegenüber Asylbewerbern vermittelt.
Erste Ermittlungsergebnisse sind, dass die in der Nacht diensthabenden Polizisten Maria Sombert (Annika Kuhl, „Herr Lehmann“) und Mehmet Mutlu (Taner Sahintürk, „Der Kuaför aus der Keupstraße“) viel zu spät auf den Alarm reagiert haben – absichtlich? Kabarettist Serdar Somuncu tritt als Anwalt des Opfers in Erscheinung und legt mit einem seriösen Auftritt den Finger in die Wunde des institutionellen Rassismus, während manch Polizist in branchenübliches Gejammer über die Arbeitsbedingungen verfällt. Verdächtig macht sich insbesondere Mutlu, der als türkischstämmiger Polizist derart überintegriert scheint, dass er seine gewonnene Akzeptanz offenbar nicht aufs Spiel setzen möchte und deshalb gute Miene zum bösen Spiel macht. Seine weniger dickhäutige Kollegin Sombert gerät unter Druck sowohl seitens der Ermittler als auch der dies argwöhnisch beobachtenden Kollegen und zeigt sich in einer Szene splitternackt – was auf mich wie eine Mischung aus Fanservice und Metapher für ihre Schutzlosigkeit beim Ablegen des Mantels des Schweigens wirkt.
Überwiegend ist all das ziemlich gut gelöst und mit der nötigen Sensibilität in Szene gesetzt, ohne auf klassischen Spannungsaufbau zu verzichten. Der Korpsgeist der sich nach außen hin als soziales Team präsentierenden Polizisten, die jedoch ein ganz eigenes, überaus eigenwilliges Verständnis von Recht und Gesetz entwickelt haben, verursacht ein durchgehend äußerst unangenehmes Gefühl, Wut paart sich mit Ohnmacht und einem mit Füßen getretenen Rechtsbewusstsein. Kameramann Alexander Fischerkoesens Bilderwelt illustriert diese Stimmung entsprechend, visualisiert Tristesse, Frust und Nachdenklichkeit und arbeitet immer wieder mit Rauch- und Qualmmotiven, die den Mord symbolisieren.
Nun muss auch dieser „Tatort“ natürlich zu einer Conclusio kommen – und sich damit zwangsläufig vom realen Fall emanzipieren, dessen genaue Tatumstände noch immer unklar sind, da die involvierten Dessauer Polizisten die konstruktive Mitarbeit verweigern. Und exakt dies ist der Punkt, an dem dieser „Tatort“ zu schwächeln beginnt: Das Falke zugespielte Polizeiparty-Video, auf dem eine hinzugezogene Lippenleserin irgendeinem Gestammel um einen gewissen „Hagen“ entziffert, was Falke auf die Nibelungensage schließen lässt, woraus er wiederum Rückschlüsse auf Tathergang und Motiv zieht, woraufhin der damit konfrontierte Mörder sich selbst richtet und dessen Vorgesetzter gegen Ende den großen Erklärbärtanz steppt, während er platt und klischeebehaftet den Filmpsychopathen mimt, ist leider einmal mehr ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Man hätte gut daran getan, mit der letzten Einstellung vor Beginn der Beweissichtung zu schließen, denn diese brachte alle oben genannten Gefühle noch einmal perfekt auf den Punkt und hätte das Publikum nachdenklich gestimmt entlassen. Aber der durchschnittliche „Tatort“-Zuschauer braucht ja anscheinend seine Katharsis und so wird konstruiert um des Konstruierens willen…
Doch bis zu jenem Punkt verzichtete dieser „Tatort“ auf überzeichnete Figuren und stellte den eigentlichen Fall in den Vordergrund, für den es eigentlich gar keine Katharsis geben kann: Wer auch nur über einen Hauch Abstraktionsvermögen verfügt, wird begreifen, welche Gefahr von einer Institution wie der Polizei ausgeht, die sich über das Gesetz stellt, statt dieses zu verteidigen, deren Mitglieder sich gegenseitig decken und vor Gericht generell kaum etwas zu befürchten haben. Gleichzeitig ist es diese schwerbewaffnete, mit zahlreichen Privilegien ausgestattete Exekutive, die beständig ihr Leid über vermeintlich unzureichende Befugnisse klagt und sich in Lobby-Verbänden wie der euphemistisch betitelten „Gewerkschaft der Polizei“ organisiert, um noch mehr Rechte, noch mehr Macht bei gleichzeitiger weiterer Aushöhlung der Verfolgung von Straftaten im Dienst für sich zu erstreiten. Eben jene GdP entblödete sich dann auch nicht, auf die Ausstrahlung dieses „Tatorts“ mit einem öffentlichen Statement beleidigt zu reagieren und sich „vorgeführt“ zu wähnen, statt sich einmal kritisch damit auseinanderzusetzen, welchen Nährboden für rechtsextremistische Umtriebe und Faschismus die autoritären Polizeistrukturen bieten und ob es wirklich eine so gute Idee ist, diese immer weiter hochzurüsten …
Für Petra Schmidt-Schaller war dies der Ausstieg aus der „Tatort“-Reihe, seit 2016 macht Falke mit einer neuen Kollegin weiter. Es bleibt die vage Hoffnung, dass es dem von antidemokratischen Kräften unterlaufenen deutschen Justizsystem in naher Zukunft doch einmal gelingen wird, den Dessauer Sauhaufen mit seinen feigen Mördern zu zerschlagen, zur Rechenschaft zu ziehen, sämtliche Todesfälle aufzuklären – und damit ein für alle Mal zu demonstrieren, dass auch die Polizei geltendem Recht untersteht. Man wird ja wohl noch träumen dürfen…?
Das nenne ich (wie den kürzlich ausgestrahlten „Schweigen“) einen sehr mutigen Tatort. Bei allem Mut wird auch die Spannung nicht vergessen, da mich „Verbrannt“ von der ersten bis zur letzten Minute packen konnte. Die Leistungen der Darsteller/innen muss ich dito loben. Was mir missfällt ist der Ausstieg von Petra Schmidt-Schaller als Katharina Lorenz, einem Charakter den ich (ich habe drei ihrer sechs Falke-Tatorte geschaut) äußerst lieb gewonnen habe.
Fazit: Auch Tatort-Muffel sollten ruhig mal in die Mediatheke reinschauen und sich „Verbrannt“ (solang der Tatort noch verfügbar ist) anschauen.
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Do 12. Dez 2024, 10:04
von buxtebrawler
Tatort: Stille Nacht
„Absolut keiner mag ,Last Christmas‘!“
Für „Stille Nacht“, den sechsten Fall des Bremer Ermittlerinnen-Duos Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram), führte „Tatort“-Routinier Sebastian Ko zum zweiten Mal an der Hansestadt Regie. Von November bis Dezember 2023 verfilmte er ein Drehbuch Daniela Baumgärtls und Kim Zimmermanns, das einen Todesfall mit einem Familiendrama in weihnachtlichem Ambiente verquickt. „Stille Nacht“ wurde am 7. Dezember 2024, also genau ein Jahr und einen Tag nach Abschluss der Dreharbeiten, erstausgestrahlt.
„Manchmal vergisst man, dass man ‘n Körper hat…“
Familie Wilkens feiert im großzügigen Kapitänshaus am Deich Weihnachten: Kapitän Hendrik Wilkens (Matthias Freihof, „All You Need“) und sein Mann Bjarne (Rainer Sellien, „Der Usedom-Krimi“) haben eingeladen und die erwachsenen Kinder Fabienne (Pia Barucki, „Dünentod – Ein Nordsee-Krimi“) und Marco (Robert Höller, „Wut“) sowie Schwiegertochter Nahid (Rana Farahani, „9 Tage wach“) kamen. Fabienne brachte zudem den philippinischen Matrosen Andy Malinao (Jernih Agapito) mit, dessen Schiff gerade in Bremen ankert. Am nächsten Morgen jedoch wird Hendrik erschossen im Souterrain aufgefunden. Er habe früher als die anderen ins Bett gehen wollen, und wegen der „Last Christmas“-Karaoke will niemand etwas gehört haben. Dies kommt den Kommissarinnen der Mordkommission, Liv Moormann und Linda Selb, seltsam vor, wenngleich gerade eine Einbruchswelle grassiert und das Kellerfenster eingeschlagen wurde…
„Niemand in dieser Scheißfamilie erzählt mir hier irgendwas!“
Ein Weihnachts-„Tatort“ und Familiendrama zugleich, der zudem zur Normalisierung homosexueller Ehen beiträgt. Wir erfahren, dass Hendrik Kinder hat, deren Mutter verstorben ist, aber schon seit Langem mit einem Mann verheiratet ist. Punkt. Dieser Umstand wird in keiner Weise exotisiert und wird auch nichts mit der Auflösung des Falls zu tun haben. Also rasch weiter zu eben diesem: Eine Art False Scare im Prolog geht nahtlos in die weihnachtliche Idylle der Familie über. Innerhalb eines toll gemachten Schneekugeleffekts wird der Titel dieses „Tatorts“ eingeblendet. Es wird heimelig. Als Kontrast dienen zunächst die Ermittlerinnen, die Feiertagsdienst schieben und in ihrem Büro über Weihnachten lästern. Der Mord, Totschlag oder was auch immer genau passiert ist wird nicht gezeigt, ein Überblendeffekt offenbart den Leichnam auf dem Fußboden.
„Ich liebe meine Familie, aber ich liebe auch meine geistige Gesundheit!“
Dass es sich bei der Erwähnung der Einbruchserie um einen roten Hering handelt, riecht man zehn Meter gegen den Wind, wodurch man sich aber gut aufs klassische Whodunit? und die Motivrätselei konzentrieren kann. Verschiedene Theorien der Ermittlerinnen werden visualisiert durchgespielt – ein gelungener Kniff, der die Dialoglastigkeit reduziert und das Medium Film besser nutzt. Ein weiteres Medium sind die Bilder der neuen 360°-Kamera, von der Selb ganz fasziniert ist und anhand derer sie den Tatort in aller Ruhe auf der Wache untersucht. Tatsächlich liefert diese Technik den entscheidenden Hinweis, der einen Einbruch ausschließen lässt. Damit bietet dieser „Tatort“ nicht uninteressante Einblicke in aktuelle Ermittlungsmethoden. Eine ganze Weile zeigt „Stille Nacht“ parallel die stattfindende Ermittlungsarbeit und den Umgang der Familie mit dem, was vorgefallen ist. Erwartungsgemäß bekommt die Familienidylle dabei einige Risse. Selb bricht aus der Spuren- und Hinweissuche und auch aus ihrer angestammten Rolle aus, als sie im Seemannsheim mit ausländischen Seemännern feiert und sogar Mariah Careys Weihnachtshit singt. Etwaige Klischees wie etwa jenes, dass Selb im weiteren Verlauf der Feier belästigt werden würde, bleiben aus, Ressentiments werden nicht bedient.
Der eigentliche Fall bekommt etwas mehr Würze, als sich – wenn auch ungewöhnlich spät – herausstellt, dass Matrose Andy nicht wirklich so heißt und zudem von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben ist. Die Anzahl der Verdächtigen ist unabhängig davon hoch und sogar ein Cold Case scheint mit diesem Fall in Verbindung zu stehen. Was wirklich geschehen ist, dröseln Rückblenden am Schluss auf. Bis dahin spielt „Stille Nacht“ zu großen Teilen in Hendriks Kapitänshaus, während einer kurzen Verfolgung bekommt man aber etwas vom Bremer Ostertorviertel zu sehen. Sängerin Helen Schneider heuerte als Rechtsmedizinerin Edda Bingley in Bremen an, wo die Herausforderung anscheinend eine versöhnliche, weihnachtliche Geschichte über Schuld und Vergebung war, die trotzdem einen oder mehrere Tote auffährt und Anlass für einen kniffligen Kriminalfall ist. Dieser Spagat ist über weite Strecken gelungen, wenngleich man das vom Vorweihnachtsstress geplagte Publikum keinem allzu aufregenden Nervenkitzel aussetzt. Der anfängliche Anflug von Zynismus – es waren tatsächlich Hendriks „last Christmas“ – wird rasch fallengelassen, die musikalische Untermalung mit diversen Weihnachtsliedern indes beibehalten. Auch ausufernde Melodramatik verkneift man sich, gut und zuweilen emotional geschauspielert ist’s dennoch.
Kann man so machen und war vielleicht schwieriger zu realisieren, als es sich fürs Publikum anfühlt.
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Mo 16. Dez 2024, 12:38
von karlAbundzu
Tatort Münster: Man stirbt nur zweimal
Mann tut so, als ob er tot wäre, um mit seiner Frau die Lebensversicherung auszulösen. Nach gewonnem Rechtsfall stirbt der Anwalt.
An sich klassische Konstellation übers gegenseitige betrügen, sich veränderten Machtverhältnissen, und Überraschungen. Dazu soziale Themen wie toxische Beziehung, und auch klassisch: die Einsamkeit der Ermittler.
Tja, aber irgendwie alles unelegant verbunden. Wie Börne zu Beginn als Experte für Versicherungsbetrug etabliert wird, witzig, aber unpassend. Ebenso der rant gegen woke Sprache. Oder der Ausversehen - Schuss vom Assistenten, dem ich dann den finalen Heldenauftritt gegönnt hätte, den bekommt aber Silke Haller.
Insgesamt unbefriedigend, gute Ansätze, hätte aber alles besser funktionieren können.
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Fr 20. Dez 2024, 12:50
von sid.vicious
buxtebrawler hat geschrieben: ↑Mi 4. Dez 2019, 14:13
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Tatort: Querschläger
Aktion Sorgenkind
„Spätestens Weihnachten bin ich tot.“
Achtung, Schnapszahl: Die 1.111. Episode der öffentlich-rechtlichen Fernsehkrimireihe „Tatort“ ist Polizeihauptkommissar Thomas Falkes (Wotan Wilke Möhring) zwölfter Einsatz, sein sechster mit Polizeioberkommissarin Julia Grosz (Franziska Weisz) an seiner Seite. Die Regie des bereits im Herbst 2018 gedrehten, am 15.06.2019 auf dem 30. Internationalen Filmfest Emden-Norderney uraufgeführten, aber erst am 01.12.2019 erstausgestrahlten Falls übernahm „Tatort“-Neuling Stephan Rick („Die dunkle Seite des Mondes“) nach einem Drehbuch Oke Stielows.
„Weihnachten ist eh Mist.“
Bei einer LKW-Kontrolle auf einer Autobahnraststätte durch die Bundespolizisten Falke und Grosz schießt ein Heckenschütze aus einem angrenzenden Waldgebiet mehrmals auf das Fahrzeug. Die zweite Kugel wird zum Querschläger und verletzt einen unbeteiligten Fernfahrer tödlich. Weshalb hatte es der Schütze auf den von Efe Aksoy (Deniz Arora, „Milk & Honey“) geführten LKW abgesehen? Als Falke und Grosz das Waldstück durchkämmen, finden sie ein starkes Schmerzmittel, das in Deutschland nicht zugelassen ist. Die Spur führt zum Zollbeamten Steffen Thewes (Milan Peschel, „Tatort: Weil sie böse sind“), der es für seine an einer unbehandelt tödlich verlaufenden Halswirbelsäuleninstabilität leidenden Tochter Sara (Charlotte Lorenzen, „Kästner und der kleine Dienstag“) besorgt hatte und verzweifelt versucht, die Summe von 300.000 EUR für eine lebensrettende Operation in den USA aufzutreiben, die von der Krankenkasse nicht übernommen wird. Seine Tat entpuppt sich als Erpressungsversuch gegen den Spediteur Cem Aksoy (Eray Egilmez, „Tatort: Sturm“), Bruder des Fahrers, der einst ins Visier des Zolls wegen illegaler Mülltransporte geraten war. Cem Aksoy jedoch verdächtigt seinen Schwiegervater Roland „Rolle“ Rober (Rudolf Danielewicz, „Tatort: Liebeshunger“). Tatsächlich scheint Thewes einen Komplizen zu haben…
„Wenn du einmal Opfer bist, dann bleibst du Opfer!“
Bei „Querschläger“ handelt es sich um ein Kriminaldrama mit melodramatischen Zügen, das sich gängigen Gut/Böse-Schemata verweigert. Das Motiv des sogar noch intensiver und nahegehender als gewohnt durch Milan Peschel verkörperten Zollbeamten ist die nachvollziehbare Verzweiflung angesichts seiner im Sterben liegenden Tochter, deren mögliche Rettung am fehlenden Mammon und sturen Krankenkassen zu scheitern droht. Einerseits ist es also erfreulich, den Täter nicht als kaltblütigen Schwerverbrecher zu zeichnen, andererseits trägt es indes nicht gerade zur Spannung bei, das BKA lange Zeit beim Verfolgen falscher Fährten zu beobachten, wenn sowohl Täter als auch Motiv bereits kennt. Bezeichnenderweise ist es letztlich der versehentliche Verlust des Medikaments am Tatort, der erst zu erfolgreichen Ermittlungen führt. In deren Rahmen werden die Hintergründe Thewes‘ und seiner Familie so weit wie nötig beleuchtet und somit Verständnis für die Tat geweckt.
„Ich bring‘ euch alle um!“
Ähnlich ambivalent fällt dankenswerterweise die Charakterisierung seines Gegenspielers Cem Aksoy aus, der offenbar recht erfolgreich eine Spedition betreibt, einen sog. Migrationshintergrund hat und auch mal in illegale Geschäfte verwickelt war, die jedoch keine Kapitalverbrechen darstellen. Zudem ist auch er ein liebender Familienvater und somit keine Bösewicht, der „es eigentlich verdient hätte“. Andererseits befindet er sich aber auch im geschäftlichen Clinch mit seinem Schwiegervater, der ihn aus diesem Grunde verachtet. Über zwischenmenschlichen Sprengstoff verfügt dieser „Tatort“ also durchaus, wenngleich die Versuche, daraus Spannung in Hinblick auf die Suche nach Thewes‘ Komplizen zu generieren, nicht zünden, da dessen Rolle generell zu unbedeutend erscheint. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei dessen Enttarnung nach einer Stunde um einen überraschenden Kniff, der zusätzlich (bitter nötige) Dramatik einbringt.
„Die Kinder können nichts für die Fehler ihrer Eltern.“
Wunderbar geglückt ist das visuelle Erscheinungsbild dieses Falls, in der eine diverse kreative Möglichkeiten ausschöpfende Kamera die Tristesse südlich gelegener Gewerbegebiete Hamburgs stimmig einfängt, die zur verzweifelten emotionalen Lage des Täters passt. Dass schließlich noch ein weiterer Toter auf seine Rechnung geht, hätte es jedoch nicht gebraucht. Übertreibung soll hier anscheinend veranschaulichen, irritiert im Endeffekt jedoch lediglich, zumal der Tote im Anschluss gar keine Rolle mehr spielt. Ein spannendes, hochdramatisches Finale aber zieht dann in bewährter Krimimanier sämtliche Register und mündet in eine Schlusspointe, die konstruiert und kitschig erscheinen mag, der genannten Tristesse und scheinbaren Ausweglosigkeit jedoch ein wenig durchaus dankbar entgegengenommene Hoffnung gegenüberstellt. Leider bereiten einige vernuschelte Dialoge Kopfzerbrechen – hier wäre etwas mehr Aufmerksamkeit in der Postproduktion angebracht gewesen. Deutlicher zu vernehmen ist der von der Indie-Pop-Gruppe Giant Rooks zur Verfügung gestellte Soundtrack.
Am Ende leider etwas kitschig. Höchstwahrscheinlich als Versöhnung mit einem vornehmlich angeschlagenem TV-Publikum (ich habe in einigen Momenten dito mit dem Filmcharakteren gelitten) gedacht und deshalb zur Pflicht geworden.
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Di 24. Dez 2024, 00:33
von karlAbundzu
Tatort Zürich: Fährmann
Altbekannte Zutaten: Mordfall verweist auf alten, hier den ersten Durchbruchsfalls der Kommissarin, die macht einen Alleingang und hält Infos zurück, die Kollegin kommt irgendwann drauf. Wegen Betroffenheit kommt sie nicht auf den Täter (diesmal wirklich beinahe unerklärlicher Weise) , Wissensvorsprung Zuschauer, Krankenhaus vorzeitig verlassen, Nahtoderfahrung... Aber das gemischt mit einer Story um Alleinsam an Weihnachten und eben um den Fährmann des Todes: da gibt es immer stimmungsvolle Gothic Horror Bilder. Die Serienmörder Geschichte ist auch ganz spannend und mit Lukas Gregorowicz auch gut besetzt. Und die drei Züricher Frauen und ihre Chemie mag ich auch.
Gute Unterhaltung.
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Mo 30. Dez 2024, 16:06
von karlAbundzu
Polizeiruf München: Jenseits des Rechts
Dritter Fall für Blohm und Eden. Der erste gefiel mir nicht, den zweiten sah ich nicht, der dritte lockte mit der Regie von Dominik Graf.
Eine junge Frau aus reichen Hause ist schwer verliebt und dreht mit ihrem neuen Freund Pornos für das Internet. Dieser wird tot aufgefunden....
Tja, so richtig Spannung will kaum aufkommen. Die grundsätzliche Disposition ist einerseits generisch ( reiche Tochter in einer Art Rebellion gegen reichen Vater, der skrupelloser Kapitalist und alleinerziehend), andererseits Chancen mit dem Sujet des Amateurporno da ein bisschen tiefer einzusteigen, bleibt aber bis auf ein paar spekulative Schauwerte halt austauschbar, zu anderen Zeiten wären es Drogen und/oder schlimme Jugendkultur gewesen. Das privat und kommerziell Pornos zu drehen im Umfeld vollkommen okay ist, fand ich dann schon gut.
Graf konzentriert sich auf die Polizeiarbeit, so wird versucht mittels Split Screen und Spannungsmusik einem DNS Test etwas dramatisches zu verleihen, wirkt aber wie eine Parodie. Sonst sitzen sie gerne und warten. Bis der Computer etwas ausspuckt, oder man eine Kammer verlassen kann.
Das Problem bei den Polizeiruf sind tatsächlich auch die Ermittler, die haben so gar nichts, sind vollkommen uninteressant. Hier schlägt die Kommissarin dann plötzlich und recht unmotiviert (und auch unnötig) über die Strenge (der Titel verrät es ja schon).
Sowieso ist das Drehbuch wirklich nur für Krimianfänger, dass ist alles früh und leicht durchschaubar. Ich dachte eher, das sind falsche Fährten, so easy kann es nicht gewesen sein.
Was bleibt? Recht gute Leistungen von Emma Preisendanz und Martin Rapold. Und ein schöner jazzy Soundtrack.
Ansonsten kann ich die Münchner Polizeirufe auslassen.
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Do 2. Jan 2025, 15:44
von buxtebrawler
Polizeiruf 110: Jenseits des Rechts
„Er macht Pornos.“
Die Münchner Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) ermittelt zusammen mit ihrem Kollegen Dennis Eden (Stephan Zinner) in ihrem dritten Fall. Dieser wurde von Dominik Graf (sein bereits siebter Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe) nach einem Drehbuch Tobias Kniebes inszeniert und am 29. Dezember 2024 erstausgestrahlt, nachdem er seine Premiere bereits am 25. Oktober 2024 auf den Hofer Filmtagen hatte feiern können.
„Ich hab‘ mich stark gefühlt!“
Die junge Mia (Emma Preisendanz, „Tatort: In der Familie“) muss den Verlust ihres Freunds Lukas Bärwein (Florian Geißelmann, „Seid einfach wie ihr seid“), einem von allen nur „Lucky“ genannten Amateurpornofilmer, der in einem Wohnwagen in einem Münchner Künstlerquartier lebte und arbeitete, verkraften. Er hatte auch Mia in die Welt der Amateurpornos eingeführt, nun wurde er ermordet. Alles Grund, gegen diese Liaison und die Aktivitäten Luckys mit Mia zu sein, hatte ihr Vater Ralph Horschalek (Martin Rapold, „Cargo“), ein vermögender Unternehmer aus der Oberschicht, der sein Geld als Leiter der Munich Gold AG verdiente – und dies offenbar nicht immer ganz sauber, wie die Proteste gegen das Unternehmen nahelegen und aufgrund derer er gerade einige Kundinnen und Kunden verliert…
„Ist eigentlich alles fake?“
Ein Stylo-Vierer-
Splitscreen-Vorspann geht mit einem Gespräch zwischen Mia und ihrem Therapeuten (Michael Roll, „Herz“) einher, das sich um ihre Beziehung zu Lucky dreht. Mia ist eine hübsche junge Frau, die durch den frühen Tod ihrer Mutter schon Verlusterfahrungen durchmachen musste. Durch die Beziehung zu Lucky und den Sex mit ihm vor dessen Kamera habe sie sich befreit gefühlt. Der „Polizeiruf“ wirft die Frage auf, ob Lucky dies ausgenutzt habe, ohne sie abschließend zu beantworten. Es geht ihm nicht darum, Amateurpornographie zu dämonisieren, und dieses Sujet wird auch nicht sexploitativ ausgeschlachtet. Vielmehr vermischen sich unter Grafs Regie ein Kriminalfall, ein Familiendrama, subkulturelle Milieueinblicke, Kapitalismuskritik und eine Art Justizposse miteinander – insgesamt ein bisschen viel für einen knapp 90-minütigen Fernsehfilm, weshalb manches nur angerissen bleibt und Graf neben wunderschönen sommerlichen Bildern zu Zeitsprüngen und unvermittelten Rückblenden, teilweise inklusive
Jumpcuts, greift, um möglichst viel erzählen zu können. Der Schnitt ist modern und rasant.
Daran gemessen steigt er ungewöhnlich früh in die Handlung ein: Lucky lebt noch, Mia und Blohm/Eden begegnen sich auf der Straße – Szenen, die offenbar der Charakterisierung der Figuren dienen. Nach dem Leichenfund steht kurzzeitig auch die Frage im Raum, ob es sich anstelle eines Mords um einen Unfall, Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlag gehandelt haben könnte. Eine DNA-Spur führt einerseits zu einem männlichen Familienmitglied Mias und andererseits zu einer Besonderheit des deutschen Rechts, die die Rechtsmedizinerin (Jule Gartzke) in einen argen Gewissenskonflikt treibt und Blohm derart belastet, dass sie sich gar von einem Rechtsanwalt, der so etwas normalerweise gegen die Polizei verwenden würde, beraten lässt. Der Umstand, dass Blohm durch Informationen, die sie eigentlich gar nicht haben dürfte, den Täter zu kennen glaubt, den sie aufgrund dieser Informationen aber weder belasten noch verhaften darf, avanciert zum neben moderner Polizeiarbeit justiziales Spezialwissen vermittelnden Herzstück des Falls. Ihr Wissensvorsprung erweist sich als problematisch in der Zusammenarbeit mit Eden und mündet schließlich in eine spannend gemachte
Home Invasion inmitten der Geburtstagsfeier einer 16-jährigen Social-Media-Daueronlinerin (Falka Klare, „Tonio & Julia“).
Die zur Auflösung führende Pointe ist für die einen vorherseh- und erratbar, für andere sicherlich überraschend. Vollgepackter hätte diese „Polizeiruf 110“-Episode dann auch wirklich nicht sein dürfen; umso bemerkenswerter, dass es Graf gelungen ist, den sommerlichen Bildern zum Trotz melancholische Atmosphäre zu erzeugen und mit interessanten, ambivalenten Figuren zu arbeiten. Von diesen hätte ich gern mehr gesehen; dafür vielleicht etwas weniger Polizeiarbeit, die menschlich wirken soll, mitunter aber eher befremdet. Zu guter Letzt: Der Stranglers-Evergreen „Golden Brown“ wird mehrfach ehrenvoll hervorgehoben – er hat es verdient!
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Sa 4. Jan 2025, 15:42
von karlAbundzu
Tatort Ludwigshafen: Der Stelzenmann
Ein Kind wird entführt, eine Zeugin wird dabei umgebracht. Neben der Mordabteilung ermittelt das LKA. Ein ehemaliges Entführungsopfer könnte helfen.
Lenas 81. Fall! Inzwischen bildet sie ein eingespieltes Team mit Johanna Stern, neu dazu gekommen (anscheinend schon letztes Mal, den verpasste ich aber) zwei junge Kommissariatsanwärter*innen: Nico und Mara. Die machen ihre Sache gut, werden auch Fehler zugestanden.
Das ist von Anfang an spannend inszeniert, die Welt des Zeugen nachvollziehbar und trotzdem mit Falltüren. Irgendwann hat der Zuseher einen Wissensvorsprung und nach circa einer Stunde wissen wir das meiste, doch er bleibt trotzdem spannend. Ein Thriller mit horriblen Einschüben.
Im Vergleich mit letzter Woche sieht man hier den Vorteil eines guten Buches, das dann nur noch Standardniveau bei allem anderen verlangt, um ein guter Sonntagsabend - Krimi zu werden. Einzig die Sache mit dem LKA findet kaum statt und wirkt aufgesetzt, vielleicht noch Nachhall der Folge davor.
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Toll übrigens, dass am Ende alles gut ausgeht....