Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Mo 25. Aug 2025, 17:18
Tatort: Ein Hauch von Hollywood
„Sind Sie akkreditiert?“ – „Nee, Deutscher.“
Mit „Ein Hauch von Hollywood“ machte das Berliner „Tatort“-Duo Ernst Roiter (Winfried Glatzeder) und Michail „Zorro“ Zorowski (Robinson Reichel) die Zehn voll: Der von Jiří Polák geschriebene und von Urs Odermatt („Zerrissene Herzen“) inszenierte Fall wurde im Juli 1998 erstausgestrahlt. Und wie bereits andere zuvor hatte auch dieser Berliner Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe wenig Glück: Die ARD befand ihn für nicht gut genug für die Hauptsendezeit und verbannte ihn auf einen Sendeplatz um 23:00 Uhr, weshalb die Einschaltquote ein Rekordtief aufwies. Das Schlimmste aber: Die ARD hatte Recht.
„Ein Verrückter!“ – „Ja, wer ist das nicht...“
Der junge deutsche Schauspieler Roland Haas (Johannes Brandrup, „Die Versuchung – Der Priester und das Mädchen“) hat in Hollywood Karriere gemacht und stattet Berlin nach fünf Jahren erstmals wieder einen Besuch ab. Anlass ist die Präsentation seines neuen Films auf der Berlinale. Während Haas‘ Pressekonferenz platzt ein offenbar verwirrter Mann (Michael Gwisdek, „Der Verdacht“) herein, lässt nationalistische Sprüche gegen Haas ab und hantiert mit einem Messer herum. Als Haas von einem Besuch bei seiner alten Liebe Laura (Marie-Lou Sellem, „Winterschläfer“), die zu Haas‘ Überraschung mittlerweile Mutter der vierjährigen Nadine (Leoni-Benice Baeßler) und mit ihrem Mann Kurt (Götz Schubert, „Zwei schräge Vögel“) verheiratet ist, ins Hotel zurückkehrt, erwartet ihn der verwirrte Hugo Kowalski und ersticht einen Sicherheitsmann. Daraufhin erhält Haas Polizeischutz, während die Mordkommission nach dem Täter fahndet. Haas jedoch wird flügge, sucht weiterhin Lauras Nähe, erfährt, dass nicht Kurt, sondern er Nadines Vater ist, und bringt mit alldem Kurt immer mehr gegen sich auf. Haas wird entführt und Kowalski gesteht, ihn ermordet zu haben, doch darauf fallen die Kommissare Roiter und Zorowski nicht herein: Haas lebt. Noch.
„Du sieht aus wie ein Schauspieler in einem schlechten Film...“
„Ein Hauch von Hollywood“ blieb bis heute Odermatts einziger „Tatort“. Ob er nicht mehr durfte oder nicht mehr wollte, weiß ich nicht, ebenso wenig wer verantwortlicher für die Misere zeichnet: der Autor oder der Regisseur. Ein experimenteller, satirischer „Tatort“ sollte es sein, hieß es. Es handelt sich um einen der Fälle, bei denen man dies dazuschreiben müsste – und selbst das würde es nicht besser machen. Konkret sieht das dann wie folgt aus: Kowalski fuchtelt drohend mit einem Messer herum, ohne dass die Polizei informiert würde, sodass er wiederkommen und tatsächlich jemanden umbringen kann. Roiter baggert erfolglos an einer Frau in seiner Stammkneipe herum, in der jedes Mal Extrabreits Anti-Bullen-Hit „Polizisten“ läuft.
„Mord stand nicht auf meinem Drehplan!“
Um Verwirrung zu stiften, wird eine Vielzahl kaum bedeutender Figuren eingeführt, beispielsweise Wildmoser (Michael Kind, „Küstenwache“), der von Zorowski beim Sex in einer Winterhütte überrascht wird. Zig Leute werden befragt, was eher konfus erscheint, zumal die Dialoge wie aufgesagt klingen und alle irgendwie ein Rad ab zu haben scheinen. Hier und da ergeben sich Hinweise auf ein mögliches Motiv, die aber alle nicht zu Kowalski passen wollen. Falls Glauben gemacht werden soll, Kowalski werde von jemand anderem manipuliert und „ferngesteuert“, erweist sich dies als absichtlich gelegte falsche Fährte. Eine ganz andere Richtung schlägt man ungefähr ab der Hälfte ein, wenn Kurt den Ex-Freund seiner Frau kurzerhand entführt und Kowalski sich der Polente stellt. Damit hat man quasi einen neuen Fall.
„Haas war immer nur die Nebenrolle!“
Odermatt hat seine Freunde an Großaufnahmen von Gesichtern und Gesichtspartien, insgesamt ist seine Arbeit aber ein eher misslungener Versuch einer überstilisierten Inszenierung. Der Verhörraum sieht aus wie eine riesige leere Lagerhalle, warum auch immer. Die Dialoge geraten immer stärker zum Austausch von Einzeilern und Zorowski glänzt plötzlich als Sprachgenie, der etliche Fremdsprachen beherrscht. Immerhin sind ein paar bissige Dialogzeilen darunter. Es fehlt, wie damals allerdings nicht unüblich, eine wirklich starke Frauenrolle, dafür wurden behelfsmäßig und unmotivierte ein paar Nackedeis eingebaut. Kurt macht innerhalb kürzester Zeit eine Entwicklung zum völligen Psycho durch; der entsprechende Showdown wird durch Slapstick-Einlagen konterkariert. Es handelt sich – Satire hin oder her – wohlgemerkt um keine Komödie! Roiter kommt sich noch mit einer Kollegin näher, was möglicherweise in den verbleibenden Episoden wiederaufgegriffen wird. Einigen hilflos angedeuteten Meta-Verweisen zum Trotz weiß zumindest der Zynismus im Epilog zu gefallen, wenn Haas durch das, was er erleiden musste, noch erfolgreicher wird,
Hier passt nicht viel zusammen, was ein sehr schräges Gesamtbild ergibt. Die Satire ist eher eine Sabotage, der Humor rar gesät und wenig bis gar nicht lustig, außer vielleicht für Filmschaffende, die zum Lachen in den Keller gehen. „Ein Hauch von Hollywood“ ist nicht einmal langweilig, dafür ist zu sehr neben der Spur, sodass man dranbleibt, wenn man nicht sofort abwinkt. Er ist stattdessen vor allem eines: in seinem missglückten Experiment, seinem eigenen Sujet – dem des TV-Krimis – satirisch zu begegnen, unfassbar arrogant.
„Sind Sie akkreditiert?“ – „Nee, Deutscher.“
Mit „Ein Hauch von Hollywood“ machte das Berliner „Tatort“-Duo Ernst Roiter (Winfried Glatzeder) und Michail „Zorro“ Zorowski (Robinson Reichel) die Zehn voll: Der von Jiří Polák geschriebene und von Urs Odermatt („Zerrissene Herzen“) inszenierte Fall wurde im Juli 1998 erstausgestrahlt. Und wie bereits andere zuvor hatte auch dieser Berliner Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe wenig Glück: Die ARD befand ihn für nicht gut genug für die Hauptsendezeit und verbannte ihn auf einen Sendeplatz um 23:00 Uhr, weshalb die Einschaltquote ein Rekordtief aufwies. Das Schlimmste aber: Die ARD hatte Recht.
„Ein Verrückter!“ – „Ja, wer ist das nicht...“
Der junge deutsche Schauspieler Roland Haas (Johannes Brandrup, „Die Versuchung – Der Priester und das Mädchen“) hat in Hollywood Karriere gemacht und stattet Berlin nach fünf Jahren erstmals wieder einen Besuch ab. Anlass ist die Präsentation seines neuen Films auf der Berlinale. Während Haas‘ Pressekonferenz platzt ein offenbar verwirrter Mann (Michael Gwisdek, „Der Verdacht“) herein, lässt nationalistische Sprüche gegen Haas ab und hantiert mit einem Messer herum. Als Haas von einem Besuch bei seiner alten Liebe Laura (Marie-Lou Sellem, „Winterschläfer“), die zu Haas‘ Überraschung mittlerweile Mutter der vierjährigen Nadine (Leoni-Benice Baeßler) und mit ihrem Mann Kurt (Götz Schubert, „Zwei schräge Vögel“) verheiratet ist, ins Hotel zurückkehrt, erwartet ihn der verwirrte Hugo Kowalski und ersticht einen Sicherheitsmann. Daraufhin erhält Haas Polizeischutz, während die Mordkommission nach dem Täter fahndet. Haas jedoch wird flügge, sucht weiterhin Lauras Nähe, erfährt, dass nicht Kurt, sondern er Nadines Vater ist, und bringt mit alldem Kurt immer mehr gegen sich auf. Haas wird entführt und Kowalski gesteht, ihn ermordet zu haben, doch darauf fallen die Kommissare Roiter und Zorowski nicht herein: Haas lebt. Noch.
„Du sieht aus wie ein Schauspieler in einem schlechten Film...“
„Ein Hauch von Hollywood“ blieb bis heute Odermatts einziger „Tatort“. Ob er nicht mehr durfte oder nicht mehr wollte, weiß ich nicht, ebenso wenig wer verantwortlicher für die Misere zeichnet: der Autor oder der Regisseur. Ein experimenteller, satirischer „Tatort“ sollte es sein, hieß es. Es handelt sich um einen der Fälle, bei denen man dies dazuschreiben müsste – und selbst das würde es nicht besser machen. Konkret sieht das dann wie folgt aus: Kowalski fuchtelt drohend mit einem Messer herum, ohne dass die Polizei informiert würde, sodass er wiederkommen und tatsächlich jemanden umbringen kann. Roiter baggert erfolglos an einer Frau in seiner Stammkneipe herum, in der jedes Mal Extrabreits Anti-Bullen-Hit „Polizisten“ läuft.
„Mord stand nicht auf meinem Drehplan!“
Um Verwirrung zu stiften, wird eine Vielzahl kaum bedeutender Figuren eingeführt, beispielsweise Wildmoser (Michael Kind, „Küstenwache“), der von Zorowski beim Sex in einer Winterhütte überrascht wird. Zig Leute werden befragt, was eher konfus erscheint, zumal die Dialoge wie aufgesagt klingen und alle irgendwie ein Rad ab zu haben scheinen. Hier und da ergeben sich Hinweise auf ein mögliches Motiv, die aber alle nicht zu Kowalski passen wollen. Falls Glauben gemacht werden soll, Kowalski werde von jemand anderem manipuliert und „ferngesteuert“, erweist sich dies als absichtlich gelegte falsche Fährte. Eine ganz andere Richtung schlägt man ungefähr ab der Hälfte ein, wenn Kurt den Ex-Freund seiner Frau kurzerhand entführt und Kowalski sich der Polente stellt. Damit hat man quasi einen neuen Fall.
„Haas war immer nur die Nebenrolle!“
Odermatt hat seine Freunde an Großaufnahmen von Gesichtern und Gesichtspartien, insgesamt ist seine Arbeit aber ein eher misslungener Versuch einer überstilisierten Inszenierung. Der Verhörraum sieht aus wie eine riesige leere Lagerhalle, warum auch immer. Die Dialoge geraten immer stärker zum Austausch von Einzeilern und Zorowski glänzt plötzlich als Sprachgenie, der etliche Fremdsprachen beherrscht. Immerhin sind ein paar bissige Dialogzeilen darunter. Es fehlt, wie damals allerdings nicht unüblich, eine wirklich starke Frauenrolle, dafür wurden behelfsmäßig und unmotivierte ein paar Nackedeis eingebaut. Kurt macht innerhalb kürzester Zeit eine Entwicklung zum völligen Psycho durch; der entsprechende Showdown wird durch Slapstick-Einlagen konterkariert. Es handelt sich – Satire hin oder her – wohlgemerkt um keine Komödie! Roiter kommt sich noch mit einer Kollegin näher, was möglicherweise in den verbleibenden Episoden wiederaufgegriffen wird. Einigen hilflos angedeuteten Meta-Verweisen zum Trotz weiß zumindest der Zynismus im Epilog zu gefallen, wenn Haas durch das, was er erleiden musste, noch erfolgreicher wird,
Hier passt nicht viel zusammen, was ein sehr schräges Gesamtbild ergibt. Die Satire ist eher eine Sabotage, der Humor rar gesät und wenig bis gar nicht lustig, außer vielleicht für Filmschaffende, die zum Lachen in den Keller gehen. „Ein Hauch von Hollywood“ ist nicht einmal langweilig, dafür ist zu sehr neben der Spur, sodass man dranbleibt, wenn man nicht sofort abwinkt. Er ist stattdessen vor allem eines: in seinem missglückten Experiment, seinem eigenen Sujet – dem des TV-Krimis – satirisch zu begegnen, unfassbar arrogant.