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Ghost - Kim Tae-kyeong (2004)

Verfasst: Mi 20. Apr 2016, 17:46
von buxtebrawler
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Originaltitel: Ryeong

Herstellungsland: Südkorea / 2004

Regie: Kim Tae-kyeong

Darsteller: Kim Ha-neul, Ryoo Jin, Nam Sang-mi, Shin-ee, Jeon Hye-bin, Lee Yoon-ji, Jeon Hee-joo, Park Grina, Joo Da-yeong, Kim Hae-sook, Choi Ran, Ki Joo-bong u. A.
Eine junge College-Studentin, die an Amnesie leidet, möchte ihre Vergangenheit erhellen und gerät dabei immer wieder an tote Mitschüler.
Quelle: www.ofdb.de

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Re: Ghost - Kim Tae-kyeong (2004)

Verfasst: Mi 20. Apr 2016, 17:46
von buxtebrawler
„Seien Sie froh, am Tagesende noch zu leben.“

Mit dem von Regie-Debütant Kim Tae-kyeong inszenierten „Ghost“ versuchte man 2004 in Südkorea, noch etwas vom ostasiatischen Horrorfilmkuchen abzubekommen, der einst von unübersehbaren Vorbildern wie der „Ju-on“- bzw. „Grudge“-Reihe und den „Ringu“-Filmen wohlschmeckend gebacken wurde. Für die Darstellerriege konnte man Schauspiel-Star Kim Ha-neul („Don’t Belive Her“) ebenso wie Pop-Sternchen Jeon Hye-bin gewinnen.

Der Spuk geht um in Südkorea: Junge Frauen leiden unter Schlafstörungen und Halluzinationen – und sterben unter mysteriösen Umständen. Sie scheinen zu ertrinken, jedoch fern jeden Flusses oder Sees. Studentin und Schwimmerin Min Ji-won (Kim Ha-neul) wiederum leidet unter Amnesie und versucht, nachdem sie von ihrem Arzt als grundsätzlich geheilt entlassen wurde, ihre Erinnerung wiederzufinden. Dabei erweist sich Eun-jeong (Lee Yun-ji) als Hilfe, die ihr ein Foto ihrer verstorbenen Schwester und ehemaligen Schülerinnen-Clique zeigt. Sowohl der Gedächtnisverlust als auch der Spuk scheinen mit dem Ableben der ungeliebten Schülerin Su-in (Nam Sang-mi, „A Spy Girl“) zusammenzuhängen...

„Wieso seid ihr noch auf?“

Drei Mädchen versuchen sich mittels Ouija-Bretts an einer Geisterbeschwörung, werden jedoch jäh unterbrochen von Eun-jeongs (Lee Yun-ji) älterer Schwester Eun-seo (Jeon Hye-bin), die die Nachwuchsokkultistinnen in ihre Schlafgemächer verweist. Eun-seo ist eines dieser unter Schlafstörungen leidenden Mädchen und als sie lange Haare im Küchenabfluss entdeckt, unheimliche Geräusche vernimmt und die Wasserleitungen plötzlich verrückt zu spielen scheinen, scheinen auch noch Halluzinationen hinzuzukommen. Am nächsten Morgen jedoch ist sie tot: ertrunken in der eigenen Küche.

„Ich hab' Angst vor meiner Vergangenheit!“

Nach diesem Prolog lernen wir Hauptdarstellerin Kim Ha-neul kennen, die besagte Studentin Min Ji-won spielt. Die Halbwaise ohne Gedächtnis tappt bzgl. ihrer Vergangenheit noch genauso im Dunkeln wie der Zuschauer, Narben an ihren Handgelenken weisen auf einen Suizidversuch hin. Sie möchte sich von ihrer Mutter (Kim Hae-sook, „Oh! Happy Day“) emanzipieren, worüber sie mit ihr und ihrem Freund Park Jun-ho (Jin Ryu,) in Streit gerät. Der Film präsentiert eine Rückblende in Min Ji-wons Kindheit, kurz darauf dann auch den Geist, zunächst auf dem Foto. Die Kamera zoomt auf das schreckerfüllte, zitternde Gesicht der Fotografin, auf ihre weit aufgerissenen Augen, die lange schwarze Haare mit einem Auge dahinter erblicken – spätestens jetzt wähnt man sich in Hideo Nakatas „Ringu“, wenngleich dieser noch wesentlich gruseliger ausgefallen war. Der Geist treibt fortan auch im Kino sein Unwesen (was dem Film jedoch keine Meta-Ebene verleiht) und die Fotografin schließlich ertrinkt in der Dunkelkammer – eigenartigerweise heißt es im Anschluss: „Es war ein ganz natürlicher Tod!“

Man kommt des Übels Wurzel durch einen kurzen Abstecher in Min Ji-wons Schulzeit an der Rang-Rim-Highschool näher, wo die finanziell unterprivilegierte Su-in von ihren Mitschülerinnen ausgeschlossen und gemobbt wurde. Min Ji-won erleidet mehr und mehr Visionen und Alpträume und der Film spielt seinen dramatischen Aspekt immer stärker aus, konzentriert sich auf Kindheitstraumata und verschütte Erinnerungen, von denen man gar nicht weiß, ob man sie zwingend wiederhaben möchte oder es nicht vielleicht doch besser wäre, sie ruhen zu lassen. Auf eine weitere Geisterattacke im Schwimmbad wird das in dieser Art Filmen ebenfalls beliebte Motiv aufgegriffen, die investigativ bis verzweifelt nachforschende Protagonistin eine Überlebende in der Psychiatrie aufsuchen zu lassen – was der Geist Min Ji-won gleichtut und die Patientin ans Bett gekettet ertrinken lässt. Die Hintergrundgeschichte wird nur langsam entsponnen; weitere Rückblenden zeigen, dass Min Ji-won am Mobbing Su-ins beteiligt war. Was aber genau vorgefallen ist, bleibt bis zum Finale offen.

In diesem wird dann endlich aufgedröselt, was zuvor allen Plagiatsvorwürfen, die man „Ghost“ sicherlich vor allem stilistisch zurecht man kann, zum Trotz doch zumindest für Subgenre-Freunde nicht uninteressant und bisweilen spannend, in jedem Falle neugierig machend so lange im Verborgenen gehalten wurde. Ein böser Mädchenstreich, ein Rettungsversuch im Wasser, eine Erklärung für Min Ji-wons Narben – und ein tragischer, unnötiger Tod. Doch „Ghost“ hätte den J-Horror nicht zu Ende studiert, wäre das berührende Ende nicht nur ein vermeintliches. Nachdem man zu berichten weiß, dass die Wasserleiche wegen des Arsens im Wasser nicht verwest sei, folgt das obligatorische Unhappy End mit einer hier wirklich überraschenden Wendung – und man darf sich sowohl entsetzt als auch bass erstaunt darüber zeigen, was Arsen im Wasser so alles bewirkt.

Ja, „Ghost“ ist einerseits wenig originell und käut geflissentlich hinlänglich bekannte, zu Klischees verkommene Motive seiner Vorbilder wieder. Andererseits aber ist es gelungen, dennoch eine letztlich überraschend ausgehende Geschichte zu erzählen, die mich die meiste Zeit aufmerksam bei der Stange hielt und Bewährtes auf angenehme Weise variierte. Leider bleibt die innere Logik hin und wieder ebenso auf der Strecke wie der beinharte, schockierende Horror, dafür ist „Ghost“ aber grundsolide geschauspielert, beherrscht weitestgehend seinen überproportionalen Drama-Anteil und wühlt mit seinen Verweisen auf die nicht immer angenehme Schulzeit auch in den eigenen Erinnerungen des Zuschauers, an dessen Empathie man appelliert. 6 von 10 Punkten daher aus Sicht eines Fans „solcher Filme“, von denen er anscheinend noch immer nicht genug hat.