L'acqua miracolosa - Eleuterio Rodolfi (1914)
Verfasst: Sa 12. Nov 2016, 14:29
Originaltitel: L'acqua miracolosa
Produktionsland: Italien 1914
Regie: Eleuterio Rodolfi
Darsteller: Eleuterio Rodolfi, Gigetta Morano
Chevalier Cornelio könnte der glücklichste Mensch der Welt sein. Er wohnt nicht schlecht, hat eine hübsche Frau, seine Kassen sind gefüllt – bloß mit dem Kindersegen will es nicht so recht klappen. Dr. Rodolfi, sein Untermieter, schlägt deshalb vor, die Angetraute doch zur Kur in ein bestimmtes Heilbad zu schicken, das noch jeden von seinen Mängeln befreit hat. Was Cornelio nicht ahnt: Schon lange tauschen Rodolfi und Madame heimlich Liebesbriefe über ein Seil aus, das von seinem Balkon hinab zu ihrem verläuft. Deshalb schöpft er auch nicht den geringsten Verdacht, als der Doktor seine Patientin in den Kurort begleiten, und es dort sicher nicht bei ausgiebigen Spaziergängen durch die Lustgärten bewenden lässt. Kaum ist Cornelios Frau zurück, beginnt ihr Bauch schon dick zu werden. Zwei süße Kinder sind das Ergebnis, Cornelios ganzer Stolz. Aber dass es weniger die Zauberkräfte des Wunderwassers gewesen sind, die Madame so gebärfreudig haben werden lassen, sondern ein ganz andere magische Flüssigkeit, nämlich Rodolfis Sperma, dürfte zu diesem Zeitpunkt jedem klar sein, außer dem Chevalier selbst…
L’ACQUA MIRACOLOSA ist einer dieser knapp zehnminütigen frühen narrativen Filme, die derart voller kreativer Ideen stecken, dass man das banale Drehbuch über ihnen liebend gerne vergisst. Produziert wurde die luftig-leichte Ehebruchskomödie von der Turiner Ambrosio Film, geschrieben von Arrigo Frusta, dessen LA MADRE E LA MORTE ich kürzlich ziemlich abgefeiert habe, und in Szene gesetzt von dem äußerst umtriebigen Eleuterio Rodolfi, auf dessen Konto bis in die 20er Jahre hinein weit über hundert Werke als Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler gehen. Interessanterweise tritt Rodolfi auch in L’AQUA MIRACOLOSA auf, und zwar unter seinem eigenen Namen, lediglich den Doktortitel scheint er sich angedichtet zu haben. Er ist dann auch Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, ein schürzenjagender Frauenarzt, der listig genug ist, einen vermeintlich harmlosen Kuraufenthalt zum Verteilen des eigenen Samens auf eine Weise zu nutzen, dass am Ende alle involvierten Parteien glücklich sind: Don Cornelio hat seine ersehnten Erben und seine Frau wenigstens einmal ungestört ihren Liebhaber genießen können. Den eigentlichen Ehebruch verhandelt L’AQUA MIRACOLOSA mit putziger Subversion und einem Augenzwinkern nach dem Motto: Nur was jemand weiß, macht jemanden heiß.
Neben dem frivolen, ungezwungenen Treiben auf der Inhaltsebene versteht es L’AQUA MIRACOLOSA aber vor allem, all das auch auf die visuelle zu übersetzen. Schon der Eröffnungsshot ist ein Traum: Im Querschnitt wird uns dort das Haus gezeigt, in dem, unter anderem, Rodolfi und die Cornelios wohnen. Rechts unten scheint sich Madame in ihrem Eheleben und in ihren Alltagspflichten ziemlich zu langweilen. Direkt darüber ist der Doktor dabei, irgendwelche Essenzen zusammenzumixen, die diesmal noch nichts mit seinen eigenen Körperflüssigkeiten zu tun haben. In der Mitte verläuft die Treppe, die diese beiden Parteien auf der rechten Seite von denen der linken separiert, wo, unten, ein verwaistes Kinderbettchen steht, und darüber eine Gruppe ungezogener Bengel dabei ist, ihre Spielsachen zu zertrümmen und irgendwann das halbe Zimmer auseinanderzunehmen. Die gesamte Komposition erinnert sowohl an ein Puppenhaus als auch an eine archaische Form des split-screens, wie ihn zum Beispiel Andy Warhol in seinem Experimentalfilmklassiker CHELSEA GIRLS eingesetzt hat. Jede der vier Wohnungen bildet ein eigenes Segment, einen eigenen Bildkader oder –schirm, deren Inhalte zwar synchron zueinander verlaufen, die unserem Auge aber dennoch die Wahlmöglichkeit geben, ob es nun lieber bei Rodolfi, bei Madame Cornelio oder bei den randalierenden Gören verweilen möchte.
Das ist nicht die einzige hübsche Idee in L’AQUA MIRACOLOSA. Es gibt außerdem eine witzige Traumszene, in der Cornelio, während seine Gattin schon in den Armen von Rodolfi im Kurbad liegt, sich eine Bande Kinder imaginiert, die sein Bett stürmen, auf ihm herumturnen, ihn mit Küsschen herzen. Dass Rodolfi und Madame intim miteinander werden, veranschaulicht der Film, indem er sie beim Flanieren in erotisch knisternder Natur zeigt. Zum ersten und einzigen Mal bewegt sich hierbei die sonst statische Kamera: Eine Anspielung darauf, dass, sobald unsere Helden hinter der nächsten Wegkreuzung verschwunden sind, auch bei ihnen die starren Floskeln und Gesten endlich enden werden? Dem Fass endgültig den Boden schlägt jedoch die allerletzte Szene aus. Für alle, die es noch nicht verstanden haben, dass keine Heilige Quelle die Lenden von Frau Cornelio befruchtet hat, unterstreicht Rodolfi die aktive Partizipation des Arztes noch einmal mit einem Spezialeffekt. Madame ist allein in ihrer Stube, neben sich ein Glas mit dem angeblichen Wunderwasser. In diesem erscheint nun der Doktor als kleines Männchen und lässt keinen Zweifel mehr daran, wo besagte Heilige Quelle in Wirklichkeit zu finden ist. L’AQUA MIRACOLOSA unterstreicht für mich einmal mehr vor allem eins: Früher war nicht alles besser oder schlechter, sondern einfach anders.
L’ACQUA MIRACOLOSA ist einer dieser knapp zehnminütigen frühen narrativen Filme, die derart voller kreativer Ideen stecken, dass man das banale Drehbuch über ihnen liebend gerne vergisst. Produziert wurde die luftig-leichte Ehebruchskomödie von der Turiner Ambrosio Film, geschrieben von Arrigo Frusta, dessen LA MADRE E LA MORTE ich kürzlich ziemlich abgefeiert habe, und in Szene gesetzt von dem äußerst umtriebigen Eleuterio Rodolfi, auf dessen Konto bis in die 20er Jahre hinein weit über hundert Werke als Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler gehen. Interessanterweise tritt Rodolfi auch in L’AQUA MIRACOLOSA auf, und zwar unter seinem eigenen Namen, lediglich den Doktortitel scheint er sich angedichtet zu haben. Er ist dann auch Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, ein schürzenjagender Frauenarzt, der listig genug ist, einen vermeintlich harmlosen Kuraufenthalt zum Verteilen des eigenen Samens auf eine Weise zu nutzen, dass am Ende alle involvierten Parteien glücklich sind: Don Cornelio hat seine ersehnten Erben und seine Frau wenigstens einmal ungestört ihren Liebhaber genießen können. Den eigentlichen Ehebruch verhandelt L’AQUA MIRACOLOSA mit putziger Subversion und einem Augenzwinkern nach dem Motto: Nur was jemand weiß, macht jemanden heiß.
Neben dem frivolen, ungezwungenen Treiben auf der Inhaltsebene versteht es L’AQUA MIRACOLOSA aber vor allem, all das auch auf die visuelle zu übersetzen. Schon der Eröffnungsshot ist ein Traum: Im Querschnitt wird uns dort das Haus gezeigt, in dem, unter anderem, Rodolfi und die Cornelios wohnen. Rechts unten scheint sich Madame in ihrem Eheleben und in ihren Alltagspflichten ziemlich zu langweilen. Direkt darüber ist der Doktor dabei, irgendwelche Essenzen zusammenzumixen, die diesmal noch nichts mit seinen eigenen Körperflüssigkeiten zu tun haben. In der Mitte verläuft die Treppe, die diese beiden Parteien auf der rechten Seite von denen der linken separiert, wo, unten, ein verwaistes Kinderbettchen steht, und darüber eine Gruppe ungezogener Bengel dabei ist, ihre Spielsachen zu zertrümmen und irgendwann das halbe Zimmer auseinanderzunehmen. Die gesamte Komposition erinnert sowohl an ein Puppenhaus als auch an eine archaische Form des split-screens, wie ihn zum Beispiel Andy Warhol in seinem Experimentalfilmklassiker CHELSEA GIRLS eingesetzt hat. Jede der vier Wohnungen bildet ein eigenes Segment, einen eigenen Bildkader oder –schirm, deren Inhalte zwar synchron zueinander verlaufen, die unserem Auge aber dennoch die Wahlmöglichkeit geben, ob es nun lieber bei Rodolfi, bei Madame Cornelio oder bei den randalierenden Gören verweilen möchte.
Das ist nicht die einzige hübsche Idee in L’AQUA MIRACOLOSA. Es gibt außerdem eine witzige Traumszene, in der Cornelio, während seine Gattin schon in den Armen von Rodolfi im Kurbad liegt, sich eine Bande Kinder imaginiert, die sein Bett stürmen, auf ihm herumturnen, ihn mit Küsschen herzen. Dass Rodolfi und Madame intim miteinander werden, veranschaulicht der Film, indem er sie beim Flanieren in erotisch knisternder Natur zeigt. Zum ersten und einzigen Mal bewegt sich hierbei die sonst statische Kamera: Eine Anspielung darauf, dass, sobald unsere Helden hinter der nächsten Wegkreuzung verschwunden sind, auch bei ihnen die starren Floskeln und Gesten endlich enden werden? Dem Fass endgültig den Boden schlägt jedoch die allerletzte Szene aus. Für alle, die es noch nicht verstanden haben, dass keine Heilige Quelle die Lenden von Frau Cornelio befruchtet hat, unterstreicht Rodolfi die aktive Partizipation des Arztes noch einmal mit einem Spezialeffekt. Madame ist allein in ihrer Stube, neben sich ein Glas mit dem angeblichen Wunderwasser. In diesem erscheint nun der Doktor als kleines Männchen und lässt keinen Zweifel mehr daran, wo besagte Heilige Quelle in Wirklichkeit zu finden ist. L’AQUA MIRACOLOSA unterstreicht für mich einmal mehr vor allem eins: Früher war nicht alles besser oder schlechter, sondern einfach anders.