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Panik im Tokio-Express - Jun'ya Satô (1975)

Verfasst: Sa 19. Nov 2016, 08:46
von jogiwan
Panik im Tokio-Express

Bild

Originaltitel: Shinkansen daibakuha

Alternativtitel: Bullet Train

Herstellungsland: Japan / 1975

Regie: Jun'ya Satô

Darsteller: Ken Takakura, Sonny Chiba, Kei Yamamoto, Eiji Go, Raita Ryu

Story:

Okita ist ein Techniker und ehemaliger Firmeninhaber der pleite gegangen ist und auch von Frau und Kind verlassen wurde. Am Tiefpunkt seines Lebens beschließt er mit mehreren Freunden eine perfekt durchgeplante Erpressung: Er entwickelt eine Bombe, deren Zünder automatisch losgeht, wenn ein Zug auf unter 80 km/h verlangsamt und platziert diese am Hochleistungs-Schnellzug Tokio-Express 109, der mit 1500 Passagieren in Tokio startet und neun Stunden später in Hakatu seinen Zielbahnhof erreichen wird. Zuerst scheint der Plan auch aufzugehen und als Okita der Bahngesellschaft demonstriert, wie ernst er es meint, geht diese unter Zeitdruck auf die Millionenforderung ein um das Leben der Passagiere zu schützen, während die Polizei versucht, den Erpressern auf die Spur zu kommen…

Re: Panik im Tokio-Express - Jun'ya Satô

Verfasst: Sa 19. Nov 2016, 08:49
von jogiwan
Bei „Panik im Tokio-Express“ habe ich mir eigentlich eine hübsche und funktionale Mischung aus Drama, Action-, und Katastrophenfilm erwartet und die Inhaltsangabe hört sich auch sehr vielversprechend an und wurde ja Jahre später für den US-Blockbuster „Speed“ geringfügig modifiziert. Der Fokus des Streifens aus dem Jahr 1975 liegt aber weniger auf der möglichen Zug-Katastrophe und ihre vermuteten Auswirkungen, sondern verzettelt sich etwas in seiner Geschichte um eine Erpresserbande, die Bestrebungen der Polizei und Bahngesellschaft und den Vorgängen an Bord des Zuges. So rücken die übertrieben dramatisch erscheinenden Vorgänge im Zug im Mittelteil auch in den Hintergrund, während sich der Streifen viel zu lange auf mehrere Lösegeldforderungen und dem Hintergrund seiner Verbrecherfiguren versteift, die das Tempo eher unnötig bremsen. Statt Potential aus der Verzweiflung und Hilflosigkeit im Zug zu schöpfen, schießt man hier gleich völlig übers Ziel hinaus und lässt die Passagiere gleich von Beginn an ordentlich am Rad drehen, dass im späteren Handlungsverlauf kein Potential mehr nach oben besteht. Herausgekommen ist ein Streifen zwischen Ernsthaftigkeit, Drama und Trash, der auch dank seiner Darsteller, Optik und dem flockigen Soundtrack zwar immer noch viel Spaß macht, aber schätzungsweise in der 156minütigen Originalfassung auch mindestens eine halbe Stunde zu lang ausgefallen ist und bei dem man sicherlich vieles spannender machen hätte können. Wie man es richtig(er) macht, zeigt ja unter anderem auch der ähnlich gelagerte „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“, der anscheinend bereits ein Jahr zuvor an den Start ging.

Re: Panik im Tokio-Express - Jun'ya Satô (1975)

Verfasst: Sa 19. Nov 2016, 10:53
von Adalmar
Ich finde es gerade das Bemerkenswerte an dem Film, dass er das Thema so facettenreich angeht und sowohl die Seite des Zugpersonals als auch die der Verbrecher und der Eisenbahngesellschaft berücksichtigt. Man darf dann nur nicht auf einen reinen Actionfilm eingestellt sein.

Re: Panik im Tokio-Express - Jun'ya Satô (1975)

Verfasst: Sa 19. Nov 2016, 11:20
von jogiwan
Ich fand es schade, dass man sich zwar die Mühe gemacht hat, den Hintergrund der Erpresser zu beleuchten, aber beim Verhalten der Passagiere und Lokführers im Zug kein dramaturgisches Feingefühl bewiesen hat. Anstatt langsam zu zeigen, wie die Passagiere unruhig werden und merken, dass irgendwas nicht stimmt, schmeißen die ja gleich zu Beginn die Nerven weg und auch die Sache mit der Schwangeren, der Band, dem Häftling und dem Reporterteam an Bord des Zuges fand ich etwas unglücklich und viel zu theatralisch umgesetzt. Ist aber sicher Geschmackssache - der Film ist ja dennoch gut und vielleicht wäre die deutsche Fassung für die Erstsichtung auch etwas besser gewesen.

Re: Panik im Tokio-Express - Jun'ya Satô (1975)

Verfasst: So 20. Nov 2016, 19:53
von buxtebrawler
„Wir wollen das perfekte Verbrechen – mehr nicht!“

Der japanische „Speed“-Vorläufer „Panik im Tokio-Express“ von Regisseur Jun'ya Satô aus dem Jahre 1975 ist ein relativ unterhaltsamer, aber nicht allzu gut gealteter Action-Thriller, der aus heutiger Sicht statt vieler „Thrills“ eher ein gewisses Pensum unfreiwilliger Komik bietet. Allerdings musste die deutsche Kinofassung anscheinend viele Federn lassen; so fehlt ca. eine knappe Stunde (!) an Handlung, was sich möglicherweise negativ und verfälschend auf den Gesamteindruck auswirkt.

In dieser Form jedenfalls bekommt man einen inhaltlich durchwachsenen Film geboten, dessen vorgegaukelten Realismusgrad ihm heute niemand mehr abkaufen dürfte, während der gezeigte Dilettantismus beider Seiten, sowohl der Spitzbuben als auch der Eisenbahngesellschaft in Zusammenarbeit mit der Polente, bisweilen schwer mit anzusehen ist. Zudem sorgen einige Kapriolen des Drehbuchs, z.B. das zufällige Auftauchen einer backpfeifengesichtigen Karategruppe beim Outdoor-Konditionstraining, für Zwerchfellzuckungen, ebenso wie manch fragwürdige schauspielerische Leistung.

Auf der anderen Seite haben wir aber die Charakterisierung der Erpresser positiv zu verbuchen, die nämlich nur wenig klischeehaft, stattdessen überraschend differenziert ausfiel. So überzeichnete man sie nicht als vollkommen skrupellose Monster, wie ärgerlicherweise so oft in Hollywood-Actionproduktionen zu beobachten, sondern zeigt sie von einer durchaus (im positiven Sinne) menschlichen Seite. Über die Hinter- und Beweggründe erfährt man indes nur wenig, was aber vermutlich der verstümmelten Schnittfassung geschuldet ist. Ebenfalls überrascht hat mich ein dann doch ziemlich gelungener Stunt, als einer der Gangster einen Motorradunfall erleidet.

Und dann wäre da noch das Ende, das in seiner fast schon poetischen, düsteren Symbolhaftigkeit und schweren Tragik im Prinzip so gar nicht zum Film passen will. Da „Panik im Tokio-Express“ zudem einen nicht unerheblichen 70er-Charme ausatmet, was sicherlich auch auf den zeitgemäßen Soundtrack zurückzuführen ist, dürfte sich manch Zuschauer mit einem Faible für derartige Filme durchaus gut unterhalten fühlen.

Re: Panik im Tokio-Express - Jun'ya Satô (1975)

Verfasst: So 20. Nov 2016, 20:08
von Adalmar
Man sollte natürlich die Originalversion gucken und nicht so eine Stümmelfassung (vermutlich auch noch mit schnodderiger Synchro).

Re: Panik im Tokio-Express - Jun'ya Satô (1975)

Verfasst: Mo 20. Mai 2024, 10:50
von fritzcarraldo
The Bullet Train
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438083359_3333670890362778_7306854503643870366_n.jpg (201.08 KiB) 1669 mal betrachtet
Ich gebe zu, dass ich einen etwas anderen Film erwartet hatte. Wahrscheinlich bei einem Titel wie BULLET TRAIN ein zweieinhalbstündiges Daueractionfeuerwerk. Das ist BULLET TRAIN nun wirklich nicht, auch wenn es schon auch dahingehend einiges zu bestaunen gibt.
Mit dem Brad Pitt Film gleichen Namens von 2022 hat dies auch alles nichts zu tun. Was aber die Prämisse angeht, dass die am Zug angebrachte Bombe bei der Unterschreitung einer gewissen Geschwindigkeit ihrer Bestimmung nachkommt, so wurde BULLET TRAIN sicherlich als Vorlage zum Keanu Reeves Kracher SPEED von 1994 genutzt.
BULLET TRAIN (1975) erfüllt nun eher die Kriterien eines Katastrophenfilms und vielleicht noch des Action-Dramas. Es stehen dabei die Story des Erpressers (großartig Ken Takakura) und irgendwann auch die Schicksale der Fahrgäste inklusive Zugpersonal (viel zu kurz: Sonny Chiba als Lokführer) im Vordergrund. Der Film lässt sich dabei sehr viel Zeit, dies alles zu beleuchten. Wenn man sich darauf einlässt, bekommt man Action bei der Suche nach den Erpressern und schöne Miniaturen des Bullet Trains zu sehen. Mir hat das alles gefallen.
Die mit vorliegende VÖ von Eureka macht schon Laune. Sie enthält haufenweise Extras und auch die kürzere internationale Fassung.