Am Strand von Sydney wird eine halb verbrannte Frauenleiche in einem gelben Pyjama gefunden. Die Polizei setzt alles daran, das Opfer zu identifizieren. Sogar eine öffentliche Zurschaustellung der Leiche wird initiiert, führt aber, wie die übrigen Nachforschungen, zu keinem Erfolg. Erst der pensionierte Inspektor Thompson (Ray Milland) scheint eine Spur zu finden. In einem zweiten Erzählstrang hat die junge, lebenshungrige, ehemalige Prostituierte Glenda (Dalila Di Lazzaro) ein Problem. Sie unterhält gleichzeitig drei Liebhaber: Den reichen Professor Douglas (Mel Ferrer), den prolligen Roy (Howard Ross) und den sensiblen Antonio (Michele Placido). Sie heiratet Antonio, doch auch mit ihm wird sie nicht glücklich. Sie fühlt sich eingesperrt und ihre Vergangenheit lässt sie auch nicht los..
Ein Film, der es einem nicht leicht macht und sein Publikum erst einmal verwirrt. Und dies nicht nur aufgrund seines unpassenden deutschen Titel, der Assoziationen an einen Gangsterfilm hervorruft. Was wohl durchaus beabsichtigt war, weist doch auch das Cover der alten deutschen VHS in diese Richtung. Noch verwirrter dürften allerdings diejenigen gewesen sein, die ihn später unter seinem Alternativtitel „Ein Mann gegen die Mafia“ sahen. Dieser blödsinnige und vollkommen sinnlose Titel (weder kommt hier die Mafia, noch ein sie bekämpfender Mann vor) sollte wohl von der ungeheuren Popularität Michele Placidos profitieren, der gerade auch im deutschen TV „Allein gegen die Mafia“ kämpfte. Im Originaltitel geht es um ein Mädchen im gelben Pyjama, und tatsächlich beruht der Film auf dem in Australien recht bekannten „Gelber Pyjama“-Fall, der sich in den 30er Jahren zugetragen hatte.
Aber vor allem die Handlung sorgt zunächst für Verwirrung und macht es dem Zuschauer nicht leicht, sich mit dem Film anzufreunden. Er beginnt mit dem Fund einer teilweise verbrannten Leiche an einem Strand in Australien. Diese Szene ist noch ausgesprochen stimmungsvoll und durchaus gialloesque gefilmt. Nun beginnen die Polizeiarbeiten, um die Identität der Leiche herauszufinden und auf die Spur des Mörders zu kommen. Wenn sich Ray Milland als alter, bereits pensionierter Ex-Kommissar einmischt, bekommt das Ganze fast schon Colombo-ähnliche Züge. Milland spielt den Ex-Inspektor Thompson mit einem permanenten Augenzwinkern. Man merkt ihm an, dass er viel Spaß am Set hatte, aber den Film nicht besonders ernst genommen hat. Giallo-Elemente sucht man nun fast vergeblich. Am Ehesten erinnert noch Riz Orlandis wunderbare Musik, die zwischen Keyboard-Beats und klassischem Score wechselt, an einen Giallo. Eine Szene, in der die verbrannte Leiche vor Hunderten von Schaulustigen ausgestellt wird, ist hervorragend in Szene gesetzt. Sie zeigt das Ausgeliefertsein der Toten, und wie ihr von den Blicken der Gaffer die letzte Würde genommen wird.
Doch immer wieder schneidet der Film zu einer Parallelhandlung, die auf dem ersten Blick scheinbar gar nichts mit dem Mord zu tun hat. Hier folgt man auf einmal der Geschichte einer junge Frau, die drei Liebhaber hat und letztendlich denjenigen der Drei heiratet, der als einziger romantische Gefühle für sie hegt und von den beiden Anderen nichts weiß. Der junge Michele Placido spielt diesen italienischen Einwanderer mit viel Schmerz in den samtenen Augen. Auch seine Wandlung zur konservativen Sofakartoffel gelingt ihm sehr gut. Die junge Frau wird von Dalila Di Lazzaro gegeben, die man als dekoratives Beiwerk in diversen Genreproduktionen kennt. Fiel sie dort nur durch ihr gutes Aussehen auf, muss man ihr in „Blutiger Zahltag“ bescheinigen, dass sie eine wirklich gute Schauspielerin ist, deren Leistung sich zum Ende des Filmes hin kontinuierlich steigert. Ihren älteren Liebhaber spielen Mel Ferrer, der nicht viel zu tun hat und mehr oder weniger nur seinen Namen fürs Filmplakat zur Verfügung gestellt hat. Der andere Liebhaber wird von Howard Ross recht überzeugend als unangenehmer, proletenhafter Macho gespielt.
Trotzdem fragt man sich die ganze Zeit, warum der Film immer wieder für längere Zeit zu diesem Liebesdrama zurückkehrt, wo doch die Krimigeschichte ungleich interessanter ist. Natürlich ahnt man, dass beide Geschichten miteinander zu tun haben, die Zusammenhänge weiß Regisseur Flavio Mogherini aber lange Zeit gut zu verschleiern. So gut, dass man einige „Fehler“ für Unzulänglichkeiten der Inszenierung hält und manchmal von der „schlampigen“ Erzählweise etwas genervt ist. An dieser Stelle muss ich leider etwas deutlicher werden, was Menschen, die den Film noch nicht gesehen haben, den Spaß nehmen könnte. Daher schnell ein Kurzfazit: Der Film hat mich überrascht und nachdem ich lange dachte, er wäre gedankenlos konstruiert und seine Dramageschichte ausgesprochen belanglos, wurde ich im letzten Drittel eines Besseren belehrt und litt mit den Protagonisten förmlich mit. Jetzt möchte ich aber des Filmes unkundigen Lesern raten, zur nächsten Rezension zu wechseln.
Für alle anderen noch ein paar Anmerkungen. Mich störte zunächst extrem, dass in der „Dramahandlung“ die zeitlichen Abläufe überhaupt nicht mit denen aus der „Krimihandlung“ übereinstimmten. Wenn man am Ende weiß, dass die beiden Handlungen nicht parallel ablaufen, sondern das Drama die Vorgeschichte zum Krimi ist, macht das natürlich wieder Sinn. Aber in den ersten zwei Dritteln habe ich mich über diese scheinbare Nachlässigkeit schon geärgert. Das letzte Drittel hat es dann mächtig in sich. Wenn man erkennt, wie die Zusammenhänge sind, und dass Glenda ihrem Tod entgegen geht, zieht nicht nur die Spannungsschraube kräftig an, sondern man empfindet auch tiefes Mitleid für diese verzweifelte Person, die nach und nach erkennen muss, dass sie von allen nur ausgenutzt und als reines Sexobjekt betrachtet wurde. Vor diesem Hintergrund macht die bereits oben schon einmal beschriebene Szene, in der ihr toter Körper ausgestellt und von Hunderten Neugierigen beglotzt wird, einen noch viel stärkeren Eindruck. Und wenn sie in einem Akt der Verzweiflung, Trauer und Resignation ihren Körper für ein paar lumpige Dollar an zwei widerwärtige Typen und deren minderjährigen Neffen verkauft, so tut das Zusehen fast schon weh. Flavio Mogherinis Regie und Dalila Di Lazzaros Schauspielkunst gehen hier eine kongeniale Liaison ein. „Blutiger Zahltag“ ist ein Film der überrascht und begeistern, wenn man sich auf ihn einlässt. Als Krimi oder gar Giallo funktioniert er aber nur bedingt, was durchaus in der Intention von Flavio Mogherini gelegen haben kann. Es geht eben um die Höllenfahrt einer freiheits- und lebensliebenden Frau, die nicht in gesellschaftliche Konventionen von Moral und Anstand passt und auch nicht passen will.
Screenshots:
http://www.filmforum-bremen.de/2013/11/ ... 2/#zahltag