The Whispering star
Hiso hiso boshi
Japan 2015
Regie: Sion Sono
Megumi Kagurazaka, Kenji Endô, Yûto Ikeda, Kôko Mori
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OFDB
Irgendwann in der Zukunft (also eher morgen als übermorgen …) sind die Tage der Menschheit gezählt. Die Wissenschaft entwickelt sich nicht weiter und die Menschen sind zwischen den Sternen zerstreut. Das Ende der menschlichen Rasse. Das Ende? Nein, nicht ganz. Denn mittels SPS, dem Space Parcel Service, können die Menschen Kontakt miteinander halten. Sich nicht zueinander teleportieren, sondern sich gegenseitig Päckchen schicken in denen Dinge sind. Und Yoko Suzukis Aufgabe ist es, ein Raumschiff des SPS zu navigieren, auf fernen Planeten zu landen, und den Menschen diese Päckchen gegen eine Erhaltsbestätigung zu übergeben.
Das Raumschiff selber macht dabei gelegentlich einmal Schwierigkeiten, und eine verspätete Lieferzeit von 2 bis 3 Jahren ist dabei durchaus im Rahmen (wer lacht da?). Es hat eigenartige und surreale Begegnungen auf den Planeten, und auch Yoko Suzukis Batterien müssen regelmäßig ausgewechselt werden. Denn Yoko Suzuki ist eine Maschine, genauso wie das Raumschiff. Nur so kann sie die mehr als 14 Jahre an Bord des Raumschiffes überstehen, und sich den alltäglichen Routinearbeiten widmen: Boden putzen, Staub wischen, ein Tagebuch auf ein Tonband sprechen.
Und es stellt sich die Frage, was den Menschen zu Menschen macht. Die Fähigkeit, nicht miteinander zu kommunizieren? Die Möglichkeit, auch in desolaten und einsamen Landschaften leben zu können? Sich erst dann zu einem höheren Wesen entwickeln zu können, wenn man die Beziehung zu seinen Wurzeln vergisst? Sion Sono liefert natürlich keine Antworten auf mögliche Fragen, er zeigt. Er zeigt einsame Lebewesen die alle für sich leben, und selbst wenn sie ein Paar ergeben wie die Spaziergänger, trotzdem nur nebeneinanderher laufen, ohne sich in irgendeiner Weise zu treffen. Gedreht wurde THE WHISPERING STAR in der Präfektur Fukushima, und einige Bewohner der Präfektur spielen in dem Film mit. Die Stimmung dort, die mit Händen greifbare Einsamkeit, ist überwältigend – Eine Zivilisation in Auflösung begriffen. Häuser, Geschäfte, Straßen aus unserem heutigen Alltagsleben, die die Katastrophe des Tsunamis und des auseinanderbrechenden Atomkraftwerks überlebt haben, und sich jetzt allmählich in den Zustand des Verfalls begeben. Und zwischen den „Kulissen“ eben diese Reste von Menschen, die wie Geister durch etwas gehen, das einmal ihr Zuhause war. Die letzte Auslieferung Suzukis zeigt dann nicht einmal mehr die Menschen sondern tatsächlich nur noch deren Eindrücke. Wie Seelen, die auf ewig ihr Menschsein feiern und Dinge wiederholen die ihr Leben geprägt haben. Geburt und Tod, Geburtstagsglück und Schreckensnachricht, Familienleben und zufriedener Rückzug.
Wie wohltuend ist es da doch stattdessen, zurück auf das Raumschiff zu kommen. Das innen den Charme einer sowjetischen Wohnküche aus den 50er-Jahren hat, und außen aussieht wie eine Mischung aus dem kleinen japanischen Teehaus und der Hütte der Baba Yaga. Das ein Steuerrad neben dem Schaltpult hat, und dessen Zentraleinheit aussieht wie ein altmodisches Röhrenradio. Motten flattern hinter der Abdeckung der Neonröhre, und überall sind Kabel und Schläuche. Nein, unter Science Fiction stellt sich der moderne Filmfan, sozialisiert mit STAR TREK und ALIEN, definitiv etwas anderes vor.
Ich persönlich, und das ist meine ganz eigene Meinung, habe mir auch etwas anderes vorgestellt. Ich hatte Mühe den Film durchzuhalten, und habe oft und regelmäßig auf die Uhr geschaut. THE WHISPERING STAR ist großes philosophisches Erzählkino in der Tradition eines, sagen wir, STALKER, und die wunderschöne Ehefrau von Regisseur Sion Sono, Megumi Kagurazaka, bringt mit ihrem ausdrucksstarken Gesicht und ihrer Persönlichkeit den Film in einen sicheren Hafen. Aber ich weiß genau, warum ich mich immer um 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM gedrückt habe. THE WHISPERING STAR ist, in der richtigen Stimmung genossen, ein wundervoller Film, der viele Fragen aufwirft, und sowohl mit seiner herausragenden Schwarzweiss-Fotografie und den träumerischen Bildern wie auch mit den angeschnittenen Gedanken lange im Kopf des Zuschauers für Bewegung sorgen kann. In der falschen Stimmung allerdings kann er unglaublich langweilig sein. Und ich war in der falschen Stimmung. Entschuldigung …
4/10