... und nun noch mal etwas ausführlicher:
Lady in Black
Appuntamento in nero
Deutschland/Italien 1990
Regie: Antonio Bonifacio
Mirella Banti, Andy J. Forest, Mary Lindstrom, Daniele Stroppa, Roxana Cox, Sonia Viviani, Franco Citti, Marina Hedman, Johnny Lucas, Ann Margaret Hughes, Angela Fox, Laura Piattella
- Blind Date (a.k.a. Lady in Black).jpg (104.28 KiB) 416 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Maulwurf)
Angela betritt ein Kino (es läuft übrigens Borowczyks EMMANUELLE 5), geht auf die Toilette, und nur kurz darauf dringen Hilfeschreie nach außen – Sie wurde offensichtlich mit einer zerbrochenen Flasche verletzt und brutal vergewaltigt. Angela selber scheint das mit einiger Contenance wegzustecken, auffällig ist aber, dass das ihren Mann, den erfolgreichen Diplomanten John (im Original Gianni) relativ wenig kratzt, ist doch das Verhältnis zwischen den beiden längst abgekühlt und einer Beziehung zwischen John und Angelas heißer Freundin Eva gewichen. Zudem darf das Vorkommnis nicht an die Öffentlichkeit dringen – der Karriere Johns wegen! Bei einer Gartenparty allerdings munkeln sich die Gäste so einiges zu. „
… bei der Herkunft“ heißt es dann. Angela war halt nicht immer vom Erfolg verwöhnt, denn als 15-jähriges Mädchen wurde sie schon einmal vergewaltigt. Ihr Vater tötete den Mörder und kam dafür ins Gefängnis, wo er sich umbrachte. Wiederholt sich jetzt die Geschichte von damals, nur unter anderen Vorzeichen?
Nicht wirklich, denn der Filmvorführer des Kinos hat beobachtet, was auf der Toilette wirklich passiert ist: Angela hat sich die Verletzungen nämlich selber beigebracht und die Geschichte erfunden.
Und so steht das Leben mehrerer Menschen hart auf der Kippe: Der Filmvorführer erpresst Angela, wogegen sie sich wehrt. Vehement wehrt. Und Angela ihrerseits steht dem Glück von John und Eva im Weg, weswegen die beiden einen irren Mörder erfinden, der Angela beiseite räumen soll.
Ursprünglich bin ich an den Film rangegangen mit der Erwartungshaltung, einen belanglosen Tittenfilm mit aufgesetzter Krimihandlung zu sehen. Geliefert wurde stattdessen ein trickreicher Krimi mit wahllos eingestreuten Softsexszenen, der trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit durch Spannung und viel Atmosphäre wirklich Eindruck gemacht hat. Auch wenn der Beginn recht klischeelastig ist, sowohl was das Verhalten von gutaussehenden Damen in einem Mercedes betrifft wie auch in Bezug auf die Stereotypie von Spät-Gialli, so kriegt Regisseur Antonio Bonifacio in seinem Regieerstling doch recht schnell die Kurve, haut dem Bontempi-Experten was auf die Finger damit die Musik nicht gar zu dümmlich klingt, und zieht an der narrativen Reißleine um ein faszinierendes Vexierspiel um nackte Brüste und tödliches Verlangen zu inszenieren.
Eine Frau, die schwer vermutet dass ihr eigener Mann sie umbringen möchte. Ein gängiges Thrillersujet, und in den allermeisten Fällen kommt die Spannung aus der Ungewissheit, ob er nun, oder ob er nun nicht. Zweifel werden gesät, Verdächtigungen gestreut, rote Heringe ausgelegt, und der Zuschauer kann sich partout nicht entscheiden ob der Hauptverdächtige nun wirklich ein Spitzbube ist, oder ob das arme Unschuldslamm sich das nicht einfach alles nur einbildet.
LADY IN BLACK macht es sich nicht ganz so einfach, denn die Tatsache, dass Gianni den Tod seiner Frau will wird schon recht früh in Wort und Bild festgehalten (weswegen ich das in der Inhaltsangabe auch spoilern durfte). Das (sehr gutaussehende) Motiv wird erklärt, und der Zuschauer harrt des kommenden Mordanschlags. Pustekuchen, denn irgendwann wird er gleichzeitig der Tatsache gewahr, dass Angela mitnichten so unschuldig ist wie sie bislang eingeführt wurde, und ihr eigenes Süppchen am Kochen hat. Welches durchaus auch mit den gängigen Zutaten wie Terror oder Mord gewürzt sein könnte.
Dazu kommen männliche Sinistergestalten, deren Rolle teilweise erst spät im Film geklärt wird, und schöne Frauen, deren Motiv auch nicht immer ganz klar ist. Die Haushälterin Rosie zum Beispiel, die immer dann auftaucht wenn sie keiner bemerkt, und die viel mehr sieht und weiß als alle denken. Oder die gutaussehende Polizeiinspektorin, die erheblich misstrauischer ist als man vermutet, und die so gerne Columbo wäre …
LADY IN BLACK mag vielleicht nicht so elegant oder raffiniert sein wie die klassischen Gialli der frühen 70er-Jahre, aber er unterhält hervorragend, viel besser als gedacht, und ordnet die bekannten Zutaten wie viel nackte Haut, seltsame Vorgänge und noch viel mysteriösere Charaktere zu einem gut durchdachten Ganzen, dem man durchaus einen Blick gönnen sollte.
7/10