Der erfolgreiche Schriftsteller Bernard (Peter Baldwin) trennt sich nach einer schweren Identitäts- und Schaffenskrise von seiner Freundin und fährt an den Ort, den er seit seiner Kindheit besucht und zu dem er sich auch aus anderen Gründen sehr verbunden fühlt. Im Jahr zuvor hat er sich in dem Hotel am See in das Dienstmädchen Tilde (Virna Lisi) verliebt und möchte sie deswegen wieder sehen. Doch als er das übliche Zimmer bezieht, ist keine Spur von dem hübschen Mädchen auszumachen und ihren Posten hat mittlerweile eine andere Person übernommen. Obwohl sich Enrico (Salvo Randone) der Besitzer des Hotels und auch dessen Tochter Irma (Valentina Cortese) verschlossen geben, erfährt Bernard, dass Tilda unter mysteriösen Umständen Selbstmord begangen haben soll und die Polizei trotz eindeutiger Beweise die Ermittlungen eingestellt hat.
Durch den örtlichen Fotograf Francesco erfährt Bernard aber auch, dass Tilda vergiftet mit durchschnittener Kehle aufgefunden wurde und zum Zeitpunkt ihres Todes auch noch schwanger war. Bernard ist über den Tod der hübschen Frau erschüttert, ermittelt auf eigene Faust weiter und stößt dabei auf eine Mauer aus Schweigen. Die Bewohner des Ortes scheinen eingeschüchtert und obwohl alle die Wahrheit zu kennen scheinen, ist niemand bereit, diese dem Schriftsteller zu offenbaren. Als Adriane (Pia Lindström), die Schwiegertochter des Hotelbesitzers schüchtern den Kontakt mit dem Schriftsteller herstellen möchte, wird sie wenig später tot aus den Fluten des Sees gefischt. Als daraufhin das Hotel endgültig geschlossen werden soll, spitzt sich die Lage zu und es geschehen weitere Morde…
Regisseur Luigi Bazzoni ist ja eigentlich ein Phänomen, wenn auch von der etwas traurigen Sorte. Hat in seinem Leben sieben Filme realisiert, von denen ich gerade mal drei Stück kenne, aber alle drei sind so derartig vielschichtig und genial, dass man eigentlich gar nicht glauben kann, dass diese noch immer einer ordentlichen Veröffentlichung im deutschen Sprachraum harren und daher auch nur schwer zu bekommen sind. „Le Orme“ mit der grandiosen Florinda Bolkan ist ein bedrückend-beeindruckender Film, in dem die Hauptdarstellerin immer mehr in die Unzurechnungsfähigkeit abgleitet und „Ein schwarzer Tag für den Widder“ ein Hochglanz-Thriller, der zu 100 % das beinhaltet, was ich von einem Giallo erwarte. Daher war ich auf „La donna del lago“ natürlich umso gespannter.
Natürlich hat mich Herr Bazzoni mit der Hilfe seines Kollegen aufs Neue nicht enttäuscht, auch wenn man sich bei dem Streifen aus dem Jahre 1965 keine richtigen Giallo erwarten darf. Die Geschichte über den Schriftsteller in der Schaffenskrise, der in einem verschlafenen Ferienort einem düsteren Verbrechen auf die Spur kommt ist eigentlich auch sehr gelungen und wird mit fortlaufender Handlung zunehmend spannender. Doch die Geschichte dient auch dazu, ausgiebig die Traurigkeit und Verlorenheit seiner Protagonisten zu zeigen, was Bazzoni in „Le Orme“ ja nochmals perfektioniert hat. Der Schriftsteller Bernard lässt zu Beginn von „La Donna del Lago“ sein bisheriges Leben zurück um an dem Ort wieder zu sich selbst zu finden. Doch andererseits hofft er auch, wieder auf Tilda zu treffen, die er seit einem Jahr nicht vergessen konnte. Als das erhoffte Wiedersehen nicht stattfindet ist er maßlos enttäuscht und als er von ihrem ominösen Selbstmord erfährt, dienen seine Nachforschungen auch dem vergeblichen Versuch, das attraktive Mädchen und ihr Umfeld besser kennen zu lernen.
„La Donna del Lago“ wurde aber nicht von Luigi Bazzoni alleine eindrucksvoll in Szene gesetzt, sondern es wird auch Franco Rossellini als Co-Regisseur angeführt, der auch gemeinsam mit Bazzoni die Buchvorlage von Giovanni Comisso für seinen einzigen Film adaptierte. Wer jetzt welche Szenen realisiert hat, lässt sich mangels Informationen aber schwer einschätzen. Da der Streifen aber von vorn bis hinten durch choreografiert scheint und die karge Optik in Schwarz-weiß einfach grandios gelungen ist, schätze ich den Anteil von Luigi Bazzoni schon etwas höher ein. Da auch „La Orme“ und „Ein schwarzer Tag für den Widder“ perfekt in Szene gesetzt worden sind, ist die Handschrift des ehemaligen Dokumentar- und Kurzfilmfilmers Bazzoni nicht zu übersehen.
Auch bei den Darstellern glänzt „La donna del Lago“ mit einem guten Ensemble. Der mir bislang unbekannte Peter Baldwin (der offensichtlich mit den Baldwin-Brüdern verwandschaftlich nichts zu tun hat, glänzt als trauriger Schriftsteller, der sich an ein Idealbild einer flüchtigen Liebe zu klammert, auch stets glaubwürdig. Danach hat es den werten Herrn jedoch hinter die Kamera gezogen, wo er in zahlreichen Filmen und Serien Regie führte. Virna Lisas Rolle ist zwar Drehbuch-bedingt eher bescheiden, aber trotzdem hübsch anzusehen. Valentina Cortese spielt die verzweifelte Tochter des Hotelbesitzers ebenfalls sehr eindrucksvoll und wer die traurigen Augen von Pia Lindström jemals gesehen hat, wird diese auch nicht so schnell wieder vergessen. Abgerundet wird die Darstellerriege dann noch durch Philippe Leroy, den man ja auch immer wieder gerne sieht.
„La Donna del lago“ ist ein eigentlich sehr trauriger Film über Menschen ohne Hoffnung und über einen tragischen Mord, der auf einer wahren Begebenheit basiert und für alle Beteiligten schreckliche Konsequenzen hat. Ein ruhiger und schön in Szene gesetzter Streifen, bei dem die Optik an erster Stelle steht und der es schafft, die Verlorenheit der Protagonisten eindrucksvoll auf den Bildschirm zu zaubern. Dass die Träume und Vorahnungen des Schriftstellers den Zuschauer mitunter auf die falsche Fährte locken, hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Sicher ist das Tempo und Erzählfluss des Prä-Giallos heutzutage vielleicht etwas antiquiert, aber ich konnte mich der Magie des Streifens mit seinen kargen Bildern nicht entziehen. Auch wenn „La Donna del lago“ nicht so leicht erhältlich ist und leider auch vermutlich nie im deutschen Raum auf DVD veröffentlicht werden wird, lohnt es sich definitiv, nach der Scheibe Ausschau zu halten. 8/10 Punkten!