Breakdance Sensation 1984 - Vittorio de Sisti (1984)
Verfasst: So 4. Aug 2019, 19:26
Originaltitel: Dance Music
Produktionsland: Italien 1984
Regie: Vittorio de Sisti
Darsteller: Patrizia Pellegrino, Roberta Stefani, Luciano Melandri, Marcus Vesic, Maria Cristina Mastrangeli
Abt. Dem Kampfgigant sei Dank!
Nach der Sichtung des Italo-Disco-Streifens JOCKS auf dem diesjährigen Terza-Visione-Festival sind der Kampfgigant und ich uns einig gewesen: Mal abgesehen von der wahnwitzigen Schlusssequenz, in die dann wohl auch der Großteil des Budgets geflossen sein wird, hat die tranige Geschichte zweier sich immer mal wieder grundlos gegenseitig die Fresse polierenden Freunden namens DJ und Hi-Fi, die es in Rimini zu Disco-Königen bringen wollen, im Grunde nicht wirklich Memorables zu bieten. Hauptschuld hierfür kreide ich dem Drehbuch an, das es zu keinem Zeitpunkt verstanden hat, in mir Sympathien für unsere beiden Helden zu wecken, oder auch nur einen der Konflikte, die sie auf dem Weg zu Starruhm notwendigerweise auszustehen haben, dramaturgisch aufzuwerten. Stattdessen bleibt das Potential möglicher Konfliktherde scheinbar ganz bewusst linksliegen gelassen: Dass DJ einmal von verfeindeten Discjockeys entführt wird, tut der Film genauso schulterzuckend ab wie er die Tatsache, dass DJ und Hi-Fi sich beide in die gleiche Frau verguckt haben, irgendwann schlicht zu vergessen scheint. Im Endeffekt ist JOCKS deshalb ein seltsam konfliktbefreiter, nahezu harmloser Film, der nicht einmal noch so leise Zweifel aufkommen lässt, dass wir auf ein unabwendbares Happy End zusteuern. Ganz anders jedoch sei ein Werk ausgefallen, das auf dem vorjährigen Terza gelaufen ist, und thematisch in eine ähnliche Kerbe schlägt wie JOCKS: DANCE MUSIC heißt dessen wenig einfallsreicher Originaltitel, während der vom vorwiegend für seine Sexkomödien und Mondos bekannten Vittorio de Sisti inszenierte Streifen auf hiesigen Heimmedien als BREAKDANCE SENSATION 1984 firmiert. Die Kopie einer solchen VHS bekam ich dann gleich am nächsten Tag bereits dankenswerter vom Kampfgiganten zugesteckt, und kann nun, wo ich sie mir als Frühstückshappen zu Gemüte geführt habe, vollumfänglich bestätigen: Es gibt doch Italo-Filme mit Disco-Thematik, die es schaffen, mir mein Herz zu erwärmen…
Dabei unterscheidet sich DANCE MUSIC in seinem konfliktscheuen Blick auf die Fährnisse seiner Protagonisten gar nicht mal so sehr von JOCKS: Sechs Tanzmäuse, drei männlichen und drei weiblichen Geschlechts, leben zusammen in einer WG, die sie kurzerhand zum Tanzstudio umfunktioniert haben. Seine erste Hälfte bestreitet der lediglich knapp achtzig Minuten lange Film in Form kurzer Vignetten, in denen wir jedes Mitglied der Rasselbande näher kennenlernen dürfen, und deren grundsätzliche Tenor es ist, herauszustellen, mit was für einem leidenschaftlichen Feuer die irritierendweise allesamt englische Vornamen tragenden Protagonisten, (und das obwohl der Film zunächst in einer namenlosen italienischen Großstadt spielt), ihrem Traum von einer Tanzkarriere hinterherhecheln. Man verdient sich ein paar Kröten in einer Autowerkstatt, als Ladenverkäuferin, oder in der Eisdiele um die Ecke; man gaukelt dem Papa vor, dass man tief in seinem Medizinstudium knie, obwohl man die Uni seit Wochen nicht mehr von innen gesehen hat, nur damit der elterliche Geldhahn nicht zugedreht wird; man verliebt sich ineinander, eifersüchtelt ein bisschen, lässt sich den Hof von Typen machen, die einen wahlweise schmierig-stalkerhaft oder mit charmanter Aufdringlichkeit zum gemeinsamen Abendessen überreden wollen; nicht zuletzt stiehlt man sich an der Kasse vorbei in ein Kino, wo ein Film über den „Weltmeister im Breakdance“, einen gewissen Mr. Robot, gezeigt wird, der vor New-York-Silhouette und zu fetziger Elektronikmusik die Bewegungen eines Maschinenmenschen vollführt. Schon in dieser Szene kann man deutlich eine der Kernqualitäten von DANCE MUSIC ablesen: Statt uns nur kurz in besagte Tanz-Performance-Wochenschau hineinlinsen zu lassen, nimmt der Film dezidiert die Perspektive unserer faszinierten, entzückten Helden ein, und guckt selbst gefühlte fünf Minuten dem selbsternannten menschlichen Roboter bei seiner Körperakrobatik auf der Leinwand zu. Es ist, als würde die Begeisterung des Sextetts auf den Film selbst übergreifen, ihn regelrecht infizieren mit ihrer naiven Freude. Durch das Fehlen jedweder Distanz, mit der sich der Film auf diese naive Freude einlässt, (und ihr in der Folge einen ebenso naiven Ausdruck verleiht), fällt es zumindest mir schwer, nicht mit unseren Helden einer Meinung zu sein, dass es nichts Wichtigeres auf der Welt gibt als seine letzten Ersparnisse zusammenzukratzen, nach New York zu reisen und dort bei einem Tanz-Event den ersten Preis abzusahnen.
Dass unseren Freunden genau das gelingen wird, daran zweifelt DANCE MUSIC zu keiner Sekunde. Konflikte, retardierende Momente, nennenswerte Hindernisse hat auch hier niemand ernsthaft zu überstehen. Wenn die Miete fällig wird, räkelt man sich einfach halbnackt vor der Hausherrin, und lädt sich selbst bei ihr zum Abendessen ein, wobei die guten Gabe heimlich aus dem Fenster den Freunden zugeworfen werden, die unten mit dem Bettlaken warten; wenn der Papa etwas zu heftig insistiert, man solle endlich seine Praxis übernehmen, erinnert man ihn an die eigene Vergangenheit als Stepptänzer, und legt gemeinsam eine Einlage vorm Wandspiegel hin; auch wenn der neue Freund einem das Versprechen abringt, man würde die Tanzschuhe an den Nagel hängen, ist er doch ein Küsschen später bereit, einen in die USA zu begleiten. Wundervoll bringt folgende Szene die Harmonietrunkenheit des Films auf den Punkt, in dem noch jede Sorge mit einem breiten Grinsen und ein paar Takten Disco-Score beiseite gewischt werden kann: Eine unserer Tanzmiezen lässt sich von Mr. Robot durch New York führen. Regelrecht ertanzt wird der Großstadtdschungel, wobei Mr. Robot mehrere Minuten lang vor wechselnden Touristenattraktionen seine unnachahmlichen Terminatoren-Tango zum Besten gibt. Aber auch die schönste Stadtführung endet mal, und unsere Heldin muss zur U-Bahn, doch, oh weh!, keinen Heller hat sie mehr in ihren Taschen. Wie selbstverständlich bedient sie sich deshalb an Mr. Robots Klingelbeutel, was für den nicht nur kein Problem darstellt, sondern zu einem amüsierten Gesichtsausdruck veranlasst. Im Parallelkosmos dieses Films gibt es weder Regen noch Traufe. Freilich ist das ein Urteil, das man auch über JOCKS fällen kann. Was indes unvereinbar ist mit dem nüchtern-gehemmten Blick von Riccardo Sesanis Film, das sind die audiovisuellen Delirien, in die sich DANCE MUSIC mit zunehmender Laufzeit hineinsteigert. Etwa ab der Hälfte, nachdem wir vertraut genug sind mit unseren vielleicht nicht über Gebühr sympathischen, aber doch irgendwie herzigen Helden, und deren Großziel, nämlich die Reise gen New York, ausreichend etabliert ist, stagniert die Narration – und dabei bleibt es bis zum überraschend plötzlichen Finale dann auch. Im Grunde stellt die gesamte letzte Viertelstunde ein einziges elaboriertes Musikvideo dar, in dem handlungstechnisch nichts von Belang mehr passiert, und das, was seine juvenile Begeisterungsfähigkeit angeht, auf einer Linie mit dem bereits von mir skizzierten Kinobesuch der Freunde zu Beginn des Films schwimmt. Während sie dort noch vor der Leinwand sitzen, und ihr Idol Mr. Robot aus der Ferne bewundern, sind sie nun selbst Teil eines kunterbunten New-York-Films, und tanzen sich durch ein Arrangement aus Farben, Lichtern, pumpenden Bässen und flirrenden Synthies, die auf nichts anderes als auf sich selbst verweisen. Weit entfernt von den anti-narrativen Exzessen, die mich überhaupt erst für das italienische Genre-Kino eingenommen haben, ist das tatsächlich nicht, und schafft es, mich förmlich mit dem Tanzvirus zu infizieren, dem sämtliche Figuren in DANCE MUSIC verfallen sind – eben weil der Firm mir glaubhaft versichern kann: Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt als in New York einen Breakdance-Wettbewerb zu gewinnen, verdammt!
Nach der Sichtung des Italo-Disco-Streifens JOCKS auf dem diesjährigen Terza-Visione-Festival sind der Kampfgigant und ich uns einig gewesen: Mal abgesehen von der wahnwitzigen Schlusssequenz, in die dann wohl auch der Großteil des Budgets geflossen sein wird, hat die tranige Geschichte zweier sich immer mal wieder grundlos gegenseitig die Fresse polierenden Freunden namens DJ und Hi-Fi, die es in Rimini zu Disco-Königen bringen wollen, im Grunde nicht wirklich Memorables zu bieten. Hauptschuld hierfür kreide ich dem Drehbuch an, das es zu keinem Zeitpunkt verstanden hat, in mir Sympathien für unsere beiden Helden zu wecken, oder auch nur einen der Konflikte, die sie auf dem Weg zu Starruhm notwendigerweise auszustehen haben, dramaturgisch aufzuwerten. Stattdessen bleibt das Potential möglicher Konfliktherde scheinbar ganz bewusst linksliegen gelassen: Dass DJ einmal von verfeindeten Discjockeys entführt wird, tut der Film genauso schulterzuckend ab wie er die Tatsache, dass DJ und Hi-Fi sich beide in die gleiche Frau verguckt haben, irgendwann schlicht zu vergessen scheint. Im Endeffekt ist JOCKS deshalb ein seltsam konfliktbefreiter, nahezu harmloser Film, der nicht einmal noch so leise Zweifel aufkommen lässt, dass wir auf ein unabwendbares Happy End zusteuern. Ganz anders jedoch sei ein Werk ausgefallen, das auf dem vorjährigen Terza gelaufen ist, und thematisch in eine ähnliche Kerbe schlägt wie JOCKS: DANCE MUSIC heißt dessen wenig einfallsreicher Originaltitel, während der vom vorwiegend für seine Sexkomödien und Mondos bekannten Vittorio de Sisti inszenierte Streifen auf hiesigen Heimmedien als BREAKDANCE SENSATION 1984 firmiert. Die Kopie einer solchen VHS bekam ich dann gleich am nächsten Tag bereits dankenswerter vom Kampfgiganten zugesteckt, und kann nun, wo ich sie mir als Frühstückshappen zu Gemüte geführt habe, vollumfänglich bestätigen: Es gibt doch Italo-Filme mit Disco-Thematik, die es schaffen, mir mein Herz zu erwärmen…
Dabei unterscheidet sich DANCE MUSIC in seinem konfliktscheuen Blick auf die Fährnisse seiner Protagonisten gar nicht mal so sehr von JOCKS: Sechs Tanzmäuse, drei männlichen und drei weiblichen Geschlechts, leben zusammen in einer WG, die sie kurzerhand zum Tanzstudio umfunktioniert haben. Seine erste Hälfte bestreitet der lediglich knapp achtzig Minuten lange Film in Form kurzer Vignetten, in denen wir jedes Mitglied der Rasselbande näher kennenlernen dürfen, und deren grundsätzliche Tenor es ist, herauszustellen, mit was für einem leidenschaftlichen Feuer die irritierendweise allesamt englische Vornamen tragenden Protagonisten, (und das obwohl der Film zunächst in einer namenlosen italienischen Großstadt spielt), ihrem Traum von einer Tanzkarriere hinterherhecheln. Man verdient sich ein paar Kröten in einer Autowerkstatt, als Ladenverkäuferin, oder in der Eisdiele um die Ecke; man gaukelt dem Papa vor, dass man tief in seinem Medizinstudium knie, obwohl man die Uni seit Wochen nicht mehr von innen gesehen hat, nur damit der elterliche Geldhahn nicht zugedreht wird; man verliebt sich ineinander, eifersüchtelt ein bisschen, lässt sich den Hof von Typen machen, die einen wahlweise schmierig-stalkerhaft oder mit charmanter Aufdringlichkeit zum gemeinsamen Abendessen überreden wollen; nicht zuletzt stiehlt man sich an der Kasse vorbei in ein Kino, wo ein Film über den „Weltmeister im Breakdance“, einen gewissen Mr. Robot, gezeigt wird, der vor New-York-Silhouette und zu fetziger Elektronikmusik die Bewegungen eines Maschinenmenschen vollführt. Schon in dieser Szene kann man deutlich eine der Kernqualitäten von DANCE MUSIC ablesen: Statt uns nur kurz in besagte Tanz-Performance-Wochenschau hineinlinsen zu lassen, nimmt der Film dezidiert die Perspektive unserer faszinierten, entzückten Helden ein, und guckt selbst gefühlte fünf Minuten dem selbsternannten menschlichen Roboter bei seiner Körperakrobatik auf der Leinwand zu. Es ist, als würde die Begeisterung des Sextetts auf den Film selbst übergreifen, ihn regelrecht infizieren mit ihrer naiven Freude. Durch das Fehlen jedweder Distanz, mit der sich der Film auf diese naive Freude einlässt, (und ihr in der Folge einen ebenso naiven Ausdruck verleiht), fällt es zumindest mir schwer, nicht mit unseren Helden einer Meinung zu sein, dass es nichts Wichtigeres auf der Welt gibt als seine letzten Ersparnisse zusammenzukratzen, nach New York zu reisen und dort bei einem Tanz-Event den ersten Preis abzusahnen.
Dass unseren Freunden genau das gelingen wird, daran zweifelt DANCE MUSIC zu keiner Sekunde. Konflikte, retardierende Momente, nennenswerte Hindernisse hat auch hier niemand ernsthaft zu überstehen. Wenn die Miete fällig wird, räkelt man sich einfach halbnackt vor der Hausherrin, und lädt sich selbst bei ihr zum Abendessen ein, wobei die guten Gabe heimlich aus dem Fenster den Freunden zugeworfen werden, die unten mit dem Bettlaken warten; wenn der Papa etwas zu heftig insistiert, man solle endlich seine Praxis übernehmen, erinnert man ihn an die eigene Vergangenheit als Stepptänzer, und legt gemeinsam eine Einlage vorm Wandspiegel hin; auch wenn der neue Freund einem das Versprechen abringt, man würde die Tanzschuhe an den Nagel hängen, ist er doch ein Küsschen später bereit, einen in die USA zu begleiten. Wundervoll bringt folgende Szene die Harmonietrunkenheit des Films auf den Punkt, in dem noch jede Sorge mit einem breiten Grinsen und ein paar Takten Disco-Score beiseite gewischt werden kann: Eine unserer Tanzmiezen lässt sich von Mr. Robot durch New York führen. Regelrecht ertanzt wird der Großstadtdschungel, wobei Mr. Robot mehrere Minuten lang vor wechselnden Touristenattraktionen seine unnachahmlichen Terminatoren-Tango zum Besten gibt. Aber auch die schönste Stadtführung endet mal, und unsere Heldin muss zur U-Bahn, doch, oh weh!, keinen Heller hat sie mehr in ihren Taschen. Wie selbstverständlich bedient sie sich deshalb an Mr. Robots Klingelbeutel, was für den nicht nur kein Problem darstellt, sondern zu einem amüsierten Gesichtsausdruck veranlasst. Im Parallelkosmos dieses Films gibt es weder Regen noch Traufe. Freilich ist das ein Urteil, das man auch über JOCKS fällen kann. Was indes unvereinbar ist mit dem nüchtern-gehemmten Blick von Riccardo Sesanis Film, das sind die audiovisuellen Delirien, in die sich DANCE MUSIC mit zunehmender Laufzeit hineinsteigert. Etwa ab der Hälfte, nachdem wir vertraut genug sind mit unseren vielleicht nicht über Gebühr sympathischen, aber doch irgendwie herzigen Helden, und deren Großziel, nämlich die Reise gen New York, ausreichend etabliert ist, stagniert die Narration – und dabei bleibt es bis zum überraschend plötzlichen Finale dann auch. Im Grunde stellt die gesamte letzte Viertelstunde ein einziges elaboriertes Musikvideo dar, in dem handlungstechnisch nichts von Belang mehr passiert, und das, was seine juvenile Begeisterungsfähigkeit angeht, auf einer Linie mit dem bereits von mir skizzierten Kinobesuch der Freunde zu Beginn des Films schwimmt. Während sie dort noch vor der Leinwand sitzen, und ihr Idol Mr. Robot aus der Ferne bewundern, sind sie nun selbst Teil eines kunterbunten New-York-Films, und tanzen sich durch ein Arrangement aus Farben, Lichtern, pumpenden Bässen und flirrenden Synthies, die auf nichts anderes als auf sich selbst verweisen. Weit entfernt von den anti-narrativen Exzessen, die mich überhaupt erst für das italienische Genre-Kino eingenommen haben, ist das tatsächlich nicht, und schafft es, mich förmlich mit dem Tanzvirus zu infizieren, dem sämtliche Figuren in DANCE MUSIC verfallen sind – eben weil der Firm mir glaubhaft versichern kann: Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt als in New York einen Breakdance-Wettbewerb zu gewinnen, verdammt!