Filme von Jess Franco sind oft sehr stimmungsabhängig, und ein Film, der mir bei der Erstsichtung am Montag gründlich den Tag versaut hat, kann sich beim zweiten Sehen am Dienstag als Meisterwerk erweisen. Gerade die Filme der Golden-Phase, also ab den späten 70ern bis etwa Mitte der 80er, haben eine ganz spezielle Sprache, die man in der unpassenden Stimmung auch gerne mit derm Begriff
Langeweile übersetzen kann. Vielen Filmen aus dieser Zeit ist gemein, dass die Handlung auf ein Minimum reduziert wird, und dass die Erotik sehr dunkel dargestellt wird, sehr oft mit dem Tod verbunden.
Aus diesem Grund möchte ich dem überaus geschätzten Jogi gerne meine Sicht des Films entgegenhalten, geschrieben nach der Erstsichtung im Januar 2014. Die US-BD liegt nun aber auch schon seit mindestens wenn nicht noch länger hier herum, so richtig überwinden konnte ich mich zur Zweitsichtung noch nicht. Von daher sollte der Überschwang in den folgenden Zeilen vielleicht nicht unbedingt überbewertet werden ...
Maulwurf hat geschrieben:
Ein Proll mit seiner Freundin fährt in ein Haus an der Costa Sexo. Dort wird er von einer Angestellten begrüßt, und seine Frau kommt auch noch nach. Die nächsten 60 Minuten lang wird Sex simuliert, es gibt ein paar unaufregende Tote, und ansonsten passiert nichts.
Abgang Filmliebhaber der mit Jess Franco nichts anfangen kann. Auftritt Jess Franco-Fan.
Antonio und seine Freundin Julia fahren gemeinsam in Antonios Haus. Dort begrüßt sie Marta, eine Bedienstete, der Antonio schnell seine unerschütterliche Liebe gesteht bevor er Julia vernascht. Dann kommt Martina, Antonios Frau, die erstmal schaut wie Julia denn untendrunter so gebaut ist. Schlussendlich treibt es so ziemlich jede Frau mit allen anderen, Antonio sowieso mit allen Frauen, und wo soviel Eros zuhause ist, da ist auch Thanatos nicht weit.
Gemidos de placer kann man etwa übersetzen mit „Stöhnen der Lust“ oder „Seufzer der Lust“, und diese Dinge sind auch das, was hier in erster Linie zu hören und zu erfahren ist. Dialoge hat es nicht viele, Sex dafür umso mehr. Die Handlung spielt sich im Wesentlichen zwischen Sonnenuntergang und –aufgang in einer einzigen Nacht ab, und zeigt 5 Menschen in ihrer Beziehung zueinander. Diese Menschen lieben sich, sie hassen sich, und morgens hat sich eine Menge verändert.
Jess Franco bebildert diese einfache Geschichte auf grandiose Weise. Der Film mit seinen 82 Minuten Laufzeit besteht aus 20 Einstellungen, was rein rechnerisch zu etwa 4-minütigen Szenen führt. Tatsächlich sind einige Szenen erheblich länger: Die sexuelle Hybris Julias bei Sonnenaufgang wird 8 Minuten lang ohne Schnitt gezeigt, die mehrfache Liebeszene zwischen Antonio und Martina mit der onanierenden Julia im Vordergrund besteht aus einer 11-minütigen Sequenz ohne Schnitt. Die Leistungen der Schauspieler, aber auch des Teams hinter der Kamera, sind damit absolut herausragend und können gar nicht hoch genug gewürdigt werden. Und trotzdem bleibt die Sprache Francos dabei sehr einfach und poetisch, die Bilder sind schlicht und wunderschön gefilmt. Kein Sleaze oder Schmodder, aber auch kein Weichzeichner á la David Hamilton. Bestrickende, von spanischer Gitarrenmusik untermalte erotische Bilder, die einfach nur dahinfließen und den geneigten Zuschauer sanft entführen.
Hier liegt auch das Manko des Films, außer simuliertem Sex passiert nämlich tatsächlich gar nichts Weiteres. OK, zwei mehr oder weniger unspektakuläre Morde, aber so ab und zu würde vielleicht ein wenig Pep doch helfen das Interesse wach zu halten. Ungefähr nach einer Stunde wird der Blick auf die Uhr langsam penetrant, stimmungsvolle Erotik hin oder her. Die entspannte und erotisch flirrende Atmosphäre hält Franco dabei mühelos durch, aber hätte er ein paar deutlichere Akzente gesetzt, würde ich GEMIDOS DE PLACER glatt als eines seiner absoluten Meisterwerke preisen.
Lina Romay begeistert als reife Frau, die nicht mehr die kindliche Sexpuppe der 70-er Jahre ist, sondern hier auf dem Höhepunkt ihres Aussehens und ihrer Schauspielkunst ist (mein Gott, diese Reihenfolge der Argumente …). Die Kameraführung Juan Solers ist hervorragend und lässt einerseits dem Voyeurismus Francos viel Spielraum, wenn Aufnahmen durch Vorhänge oder Raumteiler hindurch gefilmt werden, spielt aber auch mal mit dem Angelpunkt und der Architektur. Überhaupt ist das Haus eigentlich der sechste Protagonist des Films. Viele verschachtelte Zimmer, geschmackvoll und nicht überladen eingerichtet, sehr einladend, gemütlich, entspannt wirkend. Alle Komponenten zusammen ergeben diese ganz besondere, schwer zu beschreibende Stimmung, die den Zuschauer ab dem ersten Augenblick in seinen Bann zieht. Oder abschreckt, je nach persönlicher Präferenz …