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Secret Rites - Derek Ford (1971)

Verfasst: Sa 7. Mär 2020, 10:56
von Salvatore Baccaro
Originaltitel: Secret Rites

Produktionsland: Großbritannien 1971

Regie: Derek Ford

Darsteller: Penny Beeching, Alexander Sanders, Shirley Harmer, Lee Peters, Jane Spearing
Es beginnt wie die Klimax eines Hammer Horrorfilm der frühen 70er: In einem verwunschenen Schloss haben sich Hexen und Hexer zusammengefunden, um unaussprechliche Sex-Orgien abzuhalten. Eine keusche Jungfrau ist den Bestien in Menschengestalt wehrlos ausgeliefert, als diese sie zum Opferaltar schleppen. Da reißt plötzlich die Tür des Festsaals aus den Angeln, und herein tritt entschlossenen Schrittes der Liebst der entführten Maid, um die Satansbrust mit gezücktem Kreuz in seine Schranken zu verweisen. Als seien es ordinäre Vampire, brechen die Ungeheuer beim Anblick des Allerheiligsten zusammen, sodass unser Heros sein Herzblatt unbehelligt aus der Gefahrenzone zu retten vermag. Freeze Frame. Nein, das sei alles Quatsch, erklärt uns Alexander Sanders, seinerzeit führender Wicca-Priester Großbritanniens mit Spitznamen „König der Hexen“: Das gemeine Volk mag sich das, was in modernen Hexenzirkeln stattfindet, möglicherweise so imaginieren wie in der Prologsequenz dargestellt; die Wahrheit aber sei ganz anders – und genau diese Wahrheit zu ergründen, mit Vorurteilen aufzuräumen, und dem Plunder der Populärkultur Aufnahmen eines authentischen Wicca-Initiationsritus entgegenzusetzen, das sei nunmehr die Agenda der knapp dreiviertelstündigen Filmreportage SECRET RITES.

Tja, aber wie weit her kann es sein mit der Authentizität eines Films, der keinen Hehl daraus macht, dass seine angeblich unverfälschten Zeremonielle offenkundig einzig und allein für das anwesende Filmteam inszeniert worden sind, und unter dessen vermeintlichen Wicca-Aposteln sich mehrheitlich britische Laiendarsteller befinden. Was Sanders und seine Apostel in einem geisterbahnartig ausstaffierten und beleuchteten Kellerraum so alles anstellen, das mag als Re-Enactments durchaus nahe an den Fakten sein, ist jedoch in vorliegender Form nichtsdestotrotz eine pure Fabrikation, bei der es im Grunde ausreicht zu wissen, dass von SECRET RITES eine Exportfassung mit Hardcore-Szenen vorliegen soll. Ganz sicher keine echte Friseuse jedenfalls ist Penny, die Heldin vorliegenden Schaustücks: Um ihrem tristen Alltag beim Haareschneiden etwas Pfeffer zu verleihen, entschließt sie sich kurzerhand, Sanders zu treffen, und um die Aufnahme in dessen Geheimloge zu ersuchen. Ihr dicht auf den Fersen: Das Kamerateam von Derek Ford, der hauptsächlich Sexstreifen auf dem Kerbholz hat, und auch in SECRET RITES wenige Gelegenheit auslässt, sich an den Brüsten und Schambereichen seiner modernen Hexen zu ergötzen. Penny trifft Sanders und dessen Crew in einer herkömmlichen Londoner Bar: Ob sie ganz sicher sei, fragt sie der, wie uns der Off-Sprecher erinnert, mächtigste Hexenmeister Europas. Penny zögert nicht: Ja, sie möchte ebenfalls gerne die gehörnte Gottheit verehren!

Wenn wir nicht in kurzen Zwischensequenzen gemeinsam mit Sanders in dessen okkulter Bibliothek voller Raritäten stöbern oder ihm und seinen Anhängern bei Gruppendiskussionen und Studienseminaren zu allen möglichen und unmöglichen spirituellen Themen beiwohnen, fast, als sei sein Coven eine Art schwarzmagisches Äquivalent zu marxistisch-leninistischen Lesekreisen der '68er, dann besteht SECRET RITES aus einer endlosen und trotz der knapp bemessenen Laufzeit alsbald ermüdenden Abfolge weitgehend unspektakulärer Rituale: Penny wird symbolisch der blanke Hintern mit Ruten geschlagen; Sanders Gefolge gewandet sich in historischen Kostümen und Masken; ein Pärchen wird symbolisch miteinander verehelicht. Dazu füttert uns die Erzählerstimme weniger mit Informationen, was denn nun genau dieses oder jenes Symbol repräsentiere, dafür mit umso mehr Worthülsen; parallel berichtet auch die Darstellerin der Penny aus der Ich-Perspektive, was sie während der einzelnen Stufen ihrer Initiation empfindet, als würde sie aus einem billigen Kioskheftchenroman rezitieren; der Soundtrack klingt mit seiner Mischung aus kakophonischem Hammond-Orgel-Geklimper, frenetischem Getrommel und strukturlosem Gejamme wie etwas, das auch auf einer obskuren Krautrock-Platte enthalten sein könnte, für die man heutzutage gebraucht einige hundert Pfund hinblättern muss, die aber niemals jemand ganz bis zum Ende hört. Wenigstens befindet sich auch eine Person unter den monoton ihre Handgriffe herabspulenden Nackedeis, die ihre Identität unter einem Ziegenkopf verbirgt: Hach, wie gerne hätte ich solch eine Maske!

Immerhin die letzten Minuten von SECRET RITES kratzen dann doch an einer unfreiwilligen Komik, die man unterhaltsam finden kann, wenn man nicht längt schon entschlummert ist: Selten sei das finale Ritual des ägyptischen Gotts Ra photographiert, und noch nie auf Film gebannt worden, eine Anrufung der Nilgötter, direkt aus einem verbotenen und streng geheimen „Buch der Toten“ – doch, natürlich, haben Sanders und sein Gefolge sofort zugestimmt, als ein zweifelhaftes Filmteam bei ihnen anfragte, ob sie denn nicht einfach mal deren wohlgehütestes Zeremoniell für einen ebenso zweifelhaften kommerziellen Film aufnehmen dürften. Dass dieser sagenumwobene Ritus sich von den vorherigen Schauspielen letztlich allein dadurch unterscheidet, dass die Sanders-Bande nunmehr in altägyptischer Garderobe agiert, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt. Nein, nicht nur im Vergleich mit dem mindestens visuell wundersamen LEGEND OF THE WITCHES, (mit dem zusammen das BFI SECRET RITES auf Blaustahl veröffentlicht hat), ist vorliegender Film dann wahrscheinlich eher für Hardcore-Hexen-Enthusiasten oder ausgemachte Alex-Sanders-Fanboys von Interesse. Bei all den knallbunten Beleuchtungen, den Verweisen aufs Alte Ägypten und den zahllosen okkulten Symbolspielerein habe ich aber immerhin Lust bekommen, zum hundertsten Mal Kenneth Angers INVOACTION OF MY DEMON BROTHER und LUCIFER RISING einen Besuch abzustatten.
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Berwerbungsgespräch in einer Bar: "Möchtest Du wirklich dem Gehörnten dienen?" - "Ja, gerne!"

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Ein wahrhaft satanischer Orgasmus, wenn es jemals einen gegeben hat!

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ANUBIS RISING, ein vergessenes Kenneth-Anger-Projekt from the vaults!

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Man lernt nie aus: Gegen Hexen und Hexenmeister hilft allein ein Kreuz, um diese sich in Todeskrämpfen winden zu lassen!

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Falls mir jemand mal eine Freude machen möchte: Genau eine solche Maske brauche ich, dringend!