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US-Beutezug in Afrika - Operation Kony - Jean-Baptiste Renaud (2019) [Doku]

Verfasst: Sa 2. Okt 2021, 12:48
von buxtebrawler
US-Beutezug in Afrika – Operation Kony.jpg
US-Beutezug in Afrika – Operation Kony.jpg (20.46 KiB) 367 mal betrachtet

Originaltitel: Croisade américaine en Afrique

Herstellungsland: Frankreich / 2019

Regie: Jean-Baptiste Renaud

Mitwirkende: Jean-Baptiste Renaud, Patrick Komakech, Milton Allimadi, Jolly Okot, Lisa Dougan, Bruce Wilson,Reagan Okumu, Jeff Sharlet, Ofwono Opondo, Guillaume Cailleaux, Joseph Bowo
Es war ein gigantischer Erfolg: Das Video „Kony 2012“ der NGO „Invisible Children“ wurde in nur sechs Tagen hundert Millionen Mal angeklickt. Der investigative Dokumentarfilm untersucht die Hintergründe dieser Social-Video-Kampagne: Das Video diente weniger als gedacht humanitären Absichten, als viel mehr den geopolitischen Interessen der USA. Es war der humanitäre Vorwand für eine militärische Operation in einer strategisch hochrelevanten Region Afrikas.
Der Dokumentarfilm entstand nach vierjähriger Zusammenarbeit mehrerer Investigativjournalisten. Im Frühjahr 2014 dokumentieren Étienne Huver und Boris Heger im äußersten Osten der Zentralafrikanischen Republik, wie die US-Armee dort Jagd auf Joseph Kony machte. Die amerikanischen Soldaten waren auf Befehl des damaligen US-Präsidenten Barack Obama entsandt worden.
Die Bilder machen deutlich, dass es politische, militärische und wirtschaftliche Interessen vor Ort gab. 2018 führte Jean-Baptiste Renaud die Investigation in zwei weiteren Ländern fort: in Joseph Konys Herkunftsland Uganda und in den USA, wo die ganze Operation ihren Ausgang nahm.
Der Film zeigt, wie ein Netzwerk aus religiösen Gruppen und Politikern, die der evangelikalen Bewegung nahestanden, die Tragödie um Joseph Konys Kindersoldaten benutzten. Ihr Ziel: In Uganda ihr zutiefst fundamentalistisches, evangelikales Gedankengut voranzubringen. Der Film enthüllt außerdem, dass dieses Netzwerk erste Spenden an die NGO „Invisible Children“ zahlte. War dieses Video, das so viele Menschen zutiefst berührte und aufrüttelte, letztendlich nichts weiter als eine großangelegte Manipulation?
Quelle: https://programm.ard.de/TV/arte/us-beut ... 2316305298


Re: US-Beutezug in Afrika - Operation Kony - Jean-Baptiste Renaud (2019) [Doku]

Verfasst: Sa 2. Okt 2021, 13:03
von buxtebrawler
„Der weiße Mann als Heilsbringer.“

Im Jahre 2012 ging das Video „Kony 2012“ des Regisseurs Jason Russell, Mitgebegründer der NGO „Invisible Children“, viral, das die Kriegsverbrechen des ugandischen Rebellenführers Joseph Kony öffentlich machen und Kräfte zu seiner Festnahme mobilisieren sollte. Es handelte sich anscheinend um das damals am schnellsten verbreitete Video einer Kampagne in den sozialen Netzwerken, in nur sechs Tagen erhielt es um die hundert Millionen Klicks. Dass es sich dabei jedoch um ein Propagandainstrument handelte, das humanitäre Absichten vortäuschte, tatsächlich aber dazu diente, die geopolitischen Absichten der USA im Verbund mit der korrupten ugandischen Regierung und fundamentalistischen US-Evangelikalen in jener Region Afrikas durchzusetzen, dokumentiert der rund einstündige französische Film „US-Beutezug in Afrika – Operation Kony“. Dieser entstand unter der Regie Jean-Baptiste Renauds nach vierjähriger Zusammenarbeit mit Journalisten wie Étienne Huver und Boris Heger und wurde 2019 auf Arte erstausgestrahlt.

„…Jesus und Business…“

Renaud, der persönlich als Sprecher durch seinen Film führt, begibt sich, ausgehend von besagtem Video Jason Russells über Konys Kinderarmeen und andere Gräuel, auf eine großangelegte Recherche zu den wahren Hintergründen der vermeintlichen Hilfsorganisation „Invisible Children“. Jenes Video hat er 2012 selbst gesehen, jedoch ist es beim ihm im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten, bis er 2014 eine Festplatte mit brisantem Material zugesteckt bekommt. Er fliegt daraufhin selbst nach Uganda und spricht mit ehemaligen Kindersoldaten, deren Erinnerungen in Form von Zeichnungen nachgestellt werden, sowie mit einer ehemaligen Direktorin von „Invisible Children“. Für das Video waren eigens Kinder angeheuert worden. „Invisible Children“ hat seinen Hauptsitz in Washington, das Video sollte die US-Armee nach Uganda locken – erfolgreich: US-Präsident Barack Obama entsandte bereitwillig seine Truppen. Kony allerdings hielt sich schon längst nicht mehr in Uganda auf und die US-Armee hat ihn in all den Jahren nicht gefasst.

Warum das so ist, berichtet ein Informant aus dem US-Militär sowie einer aus Konys Gefolgschaft: Die Mission diente anderen Zielen, Kony wurde gar nicht wirklich gesucht. Das „United States Africa Command“ (AFRICOM), Oberkommando über US-amerikanische Militäroperationen in Afrika, verfolgt vielmehr seine geopolitischen Interessen, die u.a. im Raub von Bodenschätzen wie Gold und Diamanten bestehen. Marc Pearson, bis vor Kurzem für das Diamantenbergbauunternehmen Gem Diamonds in Lohn und Brot stehend, wird offiziell als „Kulturberater“ eingesetzt – eine Funktion, die er vor Renauds laufender Kamera wenig überraschend kaum erklären kann. Howard Buffett und die Giftmischer Monsanto nutzen die Gelegenheit, genmanipulierten Mais einzuschleusen. Die ugandische Armee wurde ausgebildet, trainiert und hochgerüstet. Über Kony weiß ein ugandischer Oppositioneller zu berichten, dass er ein Produkt des ugandischen Staats war, das gegen andere Rebellengruppen eingesetzt wurde. Die ugandische Armee ist selbst ein übler Mörderhaufen, Berichte erschreckender Gräueltaten finden sich nicht nur in diesen Film.

Nach ungefähr der Hälfte positioniert Renaud einen Einschnitt, ein skeptischer Journalist – Experte für Evangelikale – äußert sich. Eines der korruptesten Regime Afrikas sei durch die Pseudo-Hilfsorganisation „Invisible Children“ und die USA aktiv gefördert worden. Mittels eines großen Funknetzes habe „Invisible Children“ Informationen fürs Militär besorgt, sich also unmittelbar nachrichtendienstlich engagiert. Der ehemalige Kindersoldat vom Filmbeginn wurde vom ugandischen Militär verhaftet, mit dem Tode bedroht und gefoltert – und schließlich freigesprochen. Laut Wikileaks-Dokumenten war er von „Invisible Children“ denunziert und verraten worden, was den Humanitätsanspruch dieser NGO weiter ad absurdum führt. Zwischen den vor Ort gefilmten Ereignissen und den eingestreuten Aussagen der Journalisten wird immer wieder die „Invisible Children“-Vertreterin in Washington mit diesen Ungeheuerlichkeiten konfrontiert, die sich mehr schlecht als recht herauszureden versucht. Schließlich liegt sogar ein Geständnis Jason Russells hinsichtlich der wahren „Invisible Children“-Strategie vor, das auf einer Tagung aufgezeichnet wurde und ihn als evangelikalen Hardliner entlarvt.

Geldgeber der Mission waren große evangelikale Stiftungen; Jeff Sharlet, Autor und Experte für religiöse Umtriebe in den USA, deckt gar auf, dass eine christliche Mafia den ugandischen Präsidenten zum US-Interessenvertreter vor Ort machte. Auf Russels Video hin wurden satte 17 Millionen US-Dollar Spendengelder gesammelt, die ebenfalls in diese Mission flossen. Kony und seine Kindersoldaten dienten also als Vorwand, Uganda mit fundamentalistischem religiösem Bullshit zu infiltrieren und auszuplündern, mit dem ugandischen Präsidenten als Verräter seines Volks und nützlichem Idioten. Überwunden geglaubte Missionierungen und Kolonialismen in ihrer modernen Form, durchgeführt von unfassbar mächtigen religiösen Organisationen – Brüder im Geiste islamistischer Fundamentalisten –, Hand in Hand mit US-Politik, -Militär und -Wirtschaft.

„US-Beutezug in Afrika – Operation Kony“ erfordert Konzentration, denn aufgrund seiner knappen Laufzeit wird manch Aspekt recht schnell abgehandelt und droht, bei Unachtsamkeit unterzugehen. Insbesondere der Abschnitt, der sich mit dem Abbau der Bodenschätze beschäftigt, hätte gern vertieft werden dürfen, um das damit zusammenhängende Netzwerk mit allen Nutznießenden zu skizzieren. Davon unabhängig ist Renaud eine beeindruckende, aufwühlende und wütend machende Dokumentation gelungen, die neben dem Wirken des Kapitalismus in seiner unheiligen Troika aus Religion, Waffengewalt und Kapital mediale Manipulation fokussiert und damit menschliche Verführbarkeit und unkritischen Medienkonsum ebenso mit als Ursache derartiger Machenschaft dokumentiert wie die arglistige Täuschung der Öffentlichkeit und das Ausnutzen ihrer Gutgläubigkeit. Filme wie dieser gehören als Pflichtstoff in einen hoffentlich bald flächendeckend eingeführten Medienkompetenzunterricht – und die USA raus aus Afrika!