Julietta 69 - Jess Franco (1975)
Verfasst: Fr 10. Dez 2021, 07:41
Julietta 69
Julietta 69
Frankreich 1975
Regie: Jess Franco
Lina Romay, Alain Petit, Ramon Ardid, Monica Swinn, Jesús Franco, Gilda Arancio, Marlène Myller, Vitor Mendes, Richard De Conninck, Lise Ferrère, Fernanda Franco, Caroline Rivière, Victor Costa, Jany Scott, Mel Rivers, Evelyne Scott, Yul Sanders, Olivier Mathot, Ilona Kunesova, Madeleine Quiquandou, Nicole Guettard
OFDB
Italo-Cinema (Gerald Kuklinski)
Julietta 69
Frankreich 1975
Regie: Jess Franco
Lina Romay, Alain Petit, Ramon Ardid, Monica Swinn, Jesús Franco, Gilda Arancio, Marlène Myller, Vitor Mendes, Richard De Conninck, Lise Ferrère, Fernanda Franco, Caroline Rivière, Victor Costa, Jany Scott, Mel Rivers, Evelyne Scott, Yul Sanders, Olivier Mathot, Ilona Kunesova, Madeleine Quiquandou, Nicole Guettard
OFDB
Italo-Cinema (Gerald Kuklinski)
Justine ist verzweifelt, entfernt sich ihr geliebter Chris doch immer mehr von ihr, und mutiert allmählich zum religiösen Eiferer. Sie sucht Trost bei einer alten Schulfreundin, Ingrid, aber mehr als ein Anker der Wärme ist das auch nicht. Sie versucht Chris mit anderen Männern zu provozieren, damit dieser seine Gefühle für sei wiederentdeckt, aber vergeblich. Chris gerät nur in Rage, fällt über Justine her und peitscht sie aus. Aus diesem Kreislauf aus fehlgeleitetem Verlangen und Alkohol scheint es keinen Ausweg zu geben …
Eigentlich eine hochinteressante Sache: Jess Franco drehte in den Jahren 1974 und 1975 unter anderem die Filme JULIETTA 69, HEISSE BERÜHRUNGEN und SHINING SEX, die alle drei mehr oder weniger hintereinander entstanden und auch fast den gleichen Cast hatten. JULIETTA 69 kam wohl zumindest in Frankreich in die Kinos und war anscheinend auch recht erfolgreich. Ende der 70er-Jahre verkaufte Franco die Rechte an den Filmen im Paket an einen italienischen Produzenten, der dann ob des expliziten Inhaltes recht schnell kalte Füße bekam, und von einer Veröffentlichung im Kino absah. Daraufhin setzte sich Joe D’Amato hin, und montierte aus Szenen dieser drei Filme einen neuen: JUSTINE.
Dieses Vorgehen führt dazu, dass der Film, so wie wir ihn heute sehen können, ein wenig, nun ja, uneinheitlich wirkt. Nicht nur, dass Lina Romay des Öfteren völlig unmotiviert ihre Frisur wechselt, auch die „Geschichte“ stolpert eher vor sich hin, als dass etwas Stringentes erzählt wird. Ja, sogar mehr als in anderen Franco-Filmen üblich, passt hier relativ wenig zusammen. JUSTINE, also diese italienische Fassung, hat eine Laufzeit von ungefähr 81 Minuten, davon sind 48 Minuten aus JULIETTA 69, und es lässt sich ungefähr erahnen, welch morbide und destruktiv-erotische Stimmung in diesem Film vorherrscht, der wohl leider als verloren gegangen angesehen werden muss. JULIETTA 69 besteht aus leeren, sinn-freien und melancholischen Sexszenen, die sehr glaubhaft die Suche nach Wärme und Liebe andeuten, aber in Wahrheit doch nur das Gegenteil zeigen. Die Liebe, als das Schönste des menschlichen Miteinanders, wird reduziert auf gefühllosen und dunklen Sex, und der Höhepunkt, der gottseidank in JUSTINE enthalten ist, ist der Selbstmord Chris‘ mit anschließender Fellatio von Lina an der aufgehängten Leiche. Harter Tobak, selbst für Jess Franco …
Man kann sich ein wenig vorstellen, wie der zugrundeliegende Film in etwa ausgesehen haben mag. Die Fassung, die D’Amato daraus geschnitten hat, ist sicher nicht schlecht, und transportiert diese Grundstimmung auf jeden Fall immer noch: Nach der nekromantischen Fellatio geht Justine ins Schlafzimmer, schiebt sich einen Revolver in die Vagina und drückt ab – Ende des Films. Wer danach noch gute Laune hat sollte sich definitiv untersuchen lassen. Die schlechte Nachricht: Der originale Score von Daniel White wurde von D’Amato durch Musik seines Leib- und Magenkomponisten Nico Fidenco ersetzt, genauer gesagt durch Scores aus den Filmen BLACK EMANUELLE und NACKT UNTER KANNIBALEN, und was dort wirklich hervorragend passt, zerstört hier durch die positive Notation sämtliche Stimmung. Die anfängliche Sexszene zwischen Lina Romay und Evelyne Scott zum Beispiel, ist im Original SHINING SEX ein melancholisches und mit bitteren Untertönen versehenes Drama, eine verzweifelte Annäherung zweier nach Lust hungernder Seelen. In JUSTINE hingegen macht der symphonische Score Fidencos etwas gewollt Positives daraus – Bilder und Musik passen einfach nicht zusammen, und die Wirkung wird zerstört. Für Filmstudenten sicher hochinteressant, für Filmfans ein mittleres Desaster …
Denn in Folge wird mit zunehmender Laufzeit der Blick zur Uhr immer häufiger, und die Unruhe wächst. Wollte ich heute nicht noch etwas Sinnvolles tun? Staubsaugen zum Beispiel? Erst nach dem Ende wächst die Erkenntnis, dass man hier einem außergewöhnlichen Drama beiwohnen durfte – In jedem Sinne, denn die Verhackstückelung der Originalfilme ist bemerkenswert, und wenn man darüber nachdenkt ist dabei auch durchaus etwas Sinnvolles herausgekommen. JUSTINE ist bei weitem nicht so schlecht, wie der erste Eindruck scheinen mag, ja fast erinnert er in seiner Grundstimmung an AL OTRO LADO DEL ESPEJO – Dieses düstere und traurige, diese fortwährende Depression in mitten blühenden Lebens, diese Einsamkeit in den Charakteren ...
Allein dass JULIETTA 69 wahrscheinlich verschollen ist stimmt sehr traurig, scheint dies doch ein Film zu sein der sich wirklich lohnen dürfte. Die „Ausschnitte“, die man hier bewundern kann, weisen auf einen typischen Franco dieser Zeit hin: Ein von Sex und Tod durchdrungenes und hochexplizites Drama, der Zusammenbruch von Vertrauen und Liebe und die Ersetzung dieser Gefühle durch Gewalt und Tod. JUSTINE kann davon nur noch eine Ahnung erzeugen, die aber ist durchaus sehenswert. Nur die Musik, die zerstört wirklich so einiges …
6/10
Edit: Den richtigen Link zur OFDB eingefügt ...