Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von jogiwan »

Crazy Thunder Road

01.PNG
01.PNG (94.55 KiB) 707 mal betrachtet
Originaltitel: Kuruizaki sandâ rôdo

Herstellungsland: Japan / 1980

Regie: Sogo Ishii als Gakuryû Ishii

Darsteller:innen: Tatsuo Yamada, Masamitsu Ohike, Koji Nanjo, Nenji Kobayashi

Story:

Aufgrund seiner Liebe zu Noriko und allerlei Repressalien von allen Seiten beschließt Ken gemeinsam mit anderen Anführern von Motorradgangs, alle Feindseligkeiten zu begraben und die Gangs ersatzlos aufzulösen. Jin, ein junger und rebellierender Heißsporn ist mit dieser Entscheidung aber gar nicht einverstanden und will sich mit seiner „Fuck You“-Attitüde und seinem Motorrad auch nicht von ehemaligen Gang-Mitgliedern, Polizei, Yakuzas und rechten Nationalisten sagen, was er zu tun hat. Gemeinsam mit dem letzten verbliebenen Rest an loyalen Gefährten zieht er in einen Quasi-Krieg gegen ehemalige Weggefährten, bürgerliche Moral und gesellschaftliche Zwänge um bis zur bitteren Konsequenz seine Vorstellung von selbstbestimmten Outlaw-Leben durchzuziehen.
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jogiwan
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von jogiwan »

Auf „Crazy Thunder Road“ war ich ja eigentlich schon sehr gespannt und ein kultiger Bikerfilm aus Japan mit Verweisen auf „Mad Max“ und Walter Hills „The Warriors“ tönt ja erst einmal nicht so schlecht. Leider erweist sich Sogo Ishiis Streifen aber als verworrenes Loblied auf ein jugendliches Außenseitertum voll mit falschem Pathos und toxischer Männlichkeit in der so etwas wie Vielschichtigkeit überhaupt keinen Platz hat. Die Figuren sind völlig eindimensional und overacten schreiend durch die Gegend, wobei es stets um Gang-Ehre, Loyalität und mit dem Kopf durch die Wand geht. Dazu Gang-Fights und Motorrad-Action, wobei hier alles sehr Low-Budget daherkommt und ohne viel Können vorwiegend auf irgendwelchen Industrie-Gelände gedreht wurde. Zwar kann die extravagante Kameraführung ab und an durchaus gefallen, aber die episodenhaft angelegte Geschichte wirkt verworren, überzogen und ist ohne Kenntnis der japanischen Gesellschaftsstrukturen der frühen Achtziger auch nur schwer zu durchschauen geschweige denn nachzuvollziehen. Es wird durch die Gegend gefahren, geschrien, gesoffen, geprügelt und beim ruppigen Ende bleiben dann doch nur Verlierer zurück. Völlig daneben ist eigentlich auch das tendenziöse Gaga-Auflösung der zart ins Szene gesetzten Liebesgeschichte, dass wieder einmal ein völlig fragwürdiges Frauenbild Japans zementiert und ich bin sicherlich niemand, der moralische Standards der Gegenwart auf Filme aus vergangenen Jahrzehnten projeziert. „Crazy Thunder Road“ glorifiziert aber auf seltsam anmutende Weise ein völlig antiquiertes Männerbild, dass ich so auch gar nicht mehr sehen möchte und ist dabei so unreflektiert, eindimensional und mit angezogener Handbremse, dass mir der Streifen insgesamt betrachtet auch so überhaupt nicht zugesagt hat. Schade!

PS: zu meiner Verwunderung entpuppte sich die Blu-Ray von Third Windows Film offensichtlich als Co-Produktion mit Rapid Eye Movies, hat das FSK16-Siegel auf der Scheibe und auch noch deutsche Untertitel (!) an Bord. Offensichtlich kommt hier wohl auch noch ein deutsches Release, auch wenn das anscheinend bislang noch nicht angekündigt ist.
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buxtebrawler
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von buxtebrawler »

jogiwan hat geschrieben: Mi 16. Mär 2022, 07:48 Es wird durch die Gegend gefahren, geschrien, gesoffen, geprügelt und beim ruppigen Ende bleiben dann doch nur Verlierer zurück.
Oder kurz: Das typische Wochenende eines jugendlichen Delinquenten :mrgreen:
jogiwan hat geschrieben: Mi 16. Mär 2022, 07:48Völlig daneben ist eigentlich auch das tendenziöse Gaga-Auflösung der zart ins Szene gesetzten Liebesgeschichte, dass wieder einmal ein völlig fragwürdiges Frauenbild Japans zementiert und ich bin sicherlich niemand, der moralische Standards der Gegenwart auf Filme aus vergangenen Jahrzehnten projeziert.
Das interessiert mich jetzt. Magst du mir das einmal spoilern?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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jogiwan
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von jogiwan »

buxtebrawler hat geschrieben: Mi 16. Mär 2022, 11:00 Das interessiert mich jetzt. Magst du mir das einmal spoilern?
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von buxtebrawler »

jogiwan hat geschrieben: Mi 16. Mär 2022, 11:33
► Text zeigen
Ok, danke! Entsprechend inszeniert, hätte man daraus ja auch eine individuelle tragische Geschichte stricken können. Das scheint hier ja aber misslungen zu sein... :-|
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von jogiwan »

es gibt ja quasi auch noch eine zweite Liebesgeschichte :wink:
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jogiwan
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von jogiwan »

Dieser Herr hier hatte definitiv mehr Spaß an dem Film - um die Ausgewogenheit zu wahren:



man beachte die Disk um 2:51 :wink:
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 19.05.2023 bei Rapid Eye Movies als Blu-ray/DVD-Kombination:

Bild

Extras:
- Essay von Jasper Sharp / Sogo Ishii Interview

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=124525
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von Arkadin »

Läuft demnächst auch auf der großen Leinwand.
Am 11. Juni um 19:00 Uhr bei Weird Xperience im Cinema Ostertor in Bremen.
Japanisch mit deutschen Untertiteln.
Früher war mehr Lametta
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Il Grande Racket
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Re: Crazy Thunder Road - Sogo Ishii (1980)

Beitrag von Il Grande Racket »

jogiwan hat geschrieben: Mi 16. Mär 2022, 11:33
buxtebrawler hat geschrieben: Mi 16. Mär 2022, 11:00 Das interessiert mich jetzt. Magst du mir das einmal spoilern?
► Text zeigen
Ähem, es deutet nichts darauf hin, dass Noriko sich in ihrem neuen Freund einen "Bad Boy" gesucht hat. Sie sagt ja zu ihm sogar, sie hätte Ken verlassen, weil er sonst verweichlicht wäre, und das würde nicht zu ihm passen. Also hat sie ihn eigentlich verlassen, damit er ein "Bad Boy" bleibt. Das Frauenbild in dem Film kann man aber trotzdem kaum als progressiv bezeichnen, das stimmt. Ach ja, aber Ken verrät nicht seine Freunde, es wird ihm ja sogar nahe gelegt, sein "Amt" aufzugeben und auszutreten, wenn er sich zu "alt" dafür fühlt. Und das macht er dann ja auch. Alle anderen können sich dann entscheiden, der großen Rocker-Verbindung beizutreten und damit den Frieden auf den Straßen zu sichern oder unter der Führung von Jin weiterzumachen wie bisher. Gut, als dann die Kacke am Dampfen ist, würden Jins Kumpane gerne Ken an ihrer Seite wissen und geraten dann an Tsuyoshi, Jins Vorgänger, jetzt Ultranationalist. Es ist ein Kette von Ereignissen, für die aber im Endeffekt niemand Ken verantwortlich macht. Schön sind auch die Szenen im dritten Akt, wenn
► Text zeigen
. Das wirkt dermaßen verkitscht und übertrieben, obwohl Ishii nur mit einfachsten Mitteln - zwei Menschen und ein Bett, etwas Weichzeichner - arbeitet. Da musste ich glatt laut loslachen (wie auch ein paar weitere Male im Film).

Mir hat der Film, davon ab, sehr gut gefallen. Es ist ja nicht einfach ein Bikerfilm, sondern eher gleichzeitig ein Abgesang darauf sowie ein Hoch auf das rebellische der Jugend und den Willen, sich mit dem Alter nicht einfach nur den gesellschaftlichen Konventionen zu unterwerfen. Jin etwa will einfach nicht erwachsen werden, er kämpft im wahrsten Sinne des Wortes dagegen an. Natürlich ist es schon etwas arg übertrieben, wenn Ishii den "funktionierenden" Japaner als Heuchler (der Verband der Biker, der ein Ende der Gewalt predigt, dann aber foltert und mordet) oder Nationalisten & Mitläufer abwatscht. Oder eben den Gebildeten, der seine gesellschaftliche und berufliche Stellung ausnutzt (der Arzt, der die Pflegerinnen-Mannequins begrabscht). Ishii war halt ein Punk und mit Anfang 20 damals selbst noch jung und wild.
Das ist ja alles andere als eine herkömmliche Geschichte und Dramaturgie, sondern sehr abstrakt gefasst. Im dritten Akt gestaltet sich der Film dann auch zunehmend surreal, bis zum großen Knall, dem Finale. Und es ist dann ja auch bezeichnend, dass die einzigen Menschen, die Jin beistehen, ein kleiner Junge und ein verrückter Dealer sind, er selbst befindet sich ja irgendwo dazwischen. Und dann das Ende,
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.

Dazu muss man natürlich auch im Blick haben, dass das ein Studentenfilm ist (nicht mal ein Abschlussfilm, wie oft zu lesen, denn Ishii hat sein Studium nie abgeschlossen). Deswegen hat er natürlich nur mit geringen Mitteln arbeiten können. Und das sieht man CRAZY THUNDER ROAD zweifellos an, keine Frage.

Meine ausführliche Besprechung findet sich übrigens auf Badmovies: https://badmovies.de/reviews/crazy-thunder-road
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