jogiwan hat geschrieben: ↑Mi 16. Mär 2022, 11:33
buxtebrawler hat geschrieben: ↑Mi 16. Mär 2022, 11:00
Das interessiert mich jetzt. Magst du mir das einmal spoilern?
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Das Ken aus Liebe zu Noriko die Gang aufgibt und bürgerlich zu werden, setzt ja die Kette an Ereignissen erst in Gang und am Ende gibt es vom Amoklauf über verbrannte Erde bis hin zu jeder Menge Leichen. Doch die etwas wankelmütige Noriko ist dann doch lieber mit einem "Bad Boy" als mit einem Langweiler zusammen um verlässt Ken um sich einen neuen bösen Buben zu suchen. So nach dem Motto wer sich dem Willen der Frau fügt und seine Kumpels verrät verliert auch alles, weil alle Frauen ehrlose Schlampen sind. Aber das wird so aufgesetzt und tendenziös als Epilog präsentiert, dass ich es als etwas ärgerlich empfand. Vor allem weil Noriko und auch jede andere weibliche Rolle bis dahin auch eine völlig untergeordnete bzw gar keine Rolle spielt.
Ähem, es deutet nichts darauf hin, dass Noriko sich in ihrem neuen Freund einen "Bad Boy" gesucht hat. Sie sagt ja zu ihm sogar, sie hätte Ken verlassen, weil er sonst verweichlicht wäre, und das würde nicht zu ihm passen. Also hat sie ihn eigentlich verlassen, damit er ein "Bad Boy" bleibt. Das Frauenbild in dem Film kann man aber trotzdem kaum als progressiv bezeichnen, das stimmt. Ach ja, aber Ken verrät nicht seine Freunde, es wird ihm ja sogar nahe gelegt, sein "Amt" aufzugeben und auszutreten, wenn er sich zu "alt" dafür fühlt. Und das macht er dann ja auch. Alle anderen können sich dann entscheiden, der großen Rocker-Verbindung beizutreten und damit den Frieden auf den Straßen zu sichern oder unter der Führung von Jin weiterzumachen wie bisher. Gut, als dann die Kacke am Dampfen ist, würden Jins Kumpane gerne Ken an ihrer Seite wissen und geraten dann an Tsuyoshi, Jins Vorgänger, jetzt Ultranationalist. Es ist ein Kette von Ereignissen, für die aber im Endeffekt niemand Ken verantwortlich macht. Schön sind auch die Szenen im dritten Akt, wenn
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Ken mit Noriko auf dem Bett sitzt und ein Brettspiel spielt und dies so dargereicht wird, als ob es das Paradies wäre, die beiden nur sich gegenseitig für ihr Glück bräuchten
. Das wirkt dermaßen verkitscht und übertrieben, obwohl Ishii nur mit einfachsten Mitteln - zwei Menschen und ein Bett, etwas Weichzeichner - arbeitet. Da musste ich glatt laut loslachen (wie auch ein paar weitere Male im Film).
Mir hat der Film, davon ab, sehr gut gefallen. Es ist ja nicht einfach ein Bikerfilm, sondern eher gleichzeitig ein Abgesang darauf sowie ein Hoch auf das rebellische der Jugend und den Willen, sich mit dem Alter nicht einfach nur den gesellschaftlichen Konventionen zu unterwerfen. Jin etwa will einfach nicht erwachsen werden, er kämpft im wahrsten Sinne des Wortes dagegen an. Natürlich ist es schon etwas arg übertrieben, wenn Ishii den "funktionierenden" Japaner als Heuchler (der Verband der Biker, der ein Ende der Gewalt predigt, dann aber foltert und mordet) oder Nationalisten & Mitläufer abwatscht. Oder eben den Gebildeten, der seine gesellschaftliche und berufliche Stellung ausnutzt (der Arzt, der die Pflegerinnen-Mannequins begrabscht). Ishii war halt ein Punk und mit Anfang 20 damals selbst noch jung und wild.
Das ist ja alles andere als eine herkömmliche Geschichte und Dramaturgie, sondern sehr abstrakt gefasst. Im dritten Akt gestaltet sich der Film dann auch zunehmend surreal, bis zum großen Knall, dem Finale. Und es ist dann ja auch bezeichnend, dass die einzigen Menschen, die Jin beistehen, ein kleiner Junge und ein verrückter Dealer sind, er selbst befindet sich ja irgendwo dazwischen. Und dann das Ende,
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wenn er alleine und verkrüppelt einfach wegfährt, ohne einen Platz in der Gesellschaft und ein Ziel im Leben; Jin lebt einfach nur für die Rebellion um der Rebellion willen
.
Dazu muss man natürlich auch im Blick haben, dass das ein Studentenfilm ist (nicht mal ein Abschlussfilm, wie oft zu lesen, denn Ishii hat sein Studium nie abgeschlossen). Deswegen hat er natürlich nur mit geringen Mitteln arbeiten können. Und das sieht man CRAZY THUNDER ROAD zweifellos an, keine Frage.
Meine ausführliche Besprechung findet sich übrigens auf Badmovies:
https://badmovies.de/reviews/crazy-thunder-road