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Kloster der 1000 Todsünden - Joe D'Amato (1986)

Verfasst: So 3. Okt 2010, 23:34
von Blap
Kloster der 1000 Todsünden (Italien 1986, Originaltitel: La monaca del peccato)

Susanna (Eva Grimaldi) wird von ihrem Stiefvater vergewaltigt, wenig später schiebt man sie gegen ihren Willen in ein Kloster ab. Die Mutter Oberin ist der jungen Schönheit zugetan, was die Eifersucht von Schwester Teresa (Karin Well) erregt. Teresa war bisher die "Lieblingsschwester" der Mutter Oberin, hat es gar bis zu deren Stellvertreterin gebracht. Obwohl Susanna auf Distanz zur Leiterin des Klosters bleibt, sich deren zudringlichen Begierden entzieht, konzentriert sich der Zorn der verschmähten Teresa auf die junge Nonne. Zunächst kann die Oberin ihre schützende Hand über Susanna halten. Doch als sich der Gesundheitszustand der Superiorin dramatisch verschlechtert, fährt die bösartige Teresa das volle Programm gegen Susanna auf. Die verzweifelte Novizin wird nach und völlig isoliert, lediglich Schwester Ursula (Jessica Moore) und Don Morel (Martin Philips) stehen auf ihrer Seite. Schwester Teresas Intrigen kennen keine Grenzen, geschickt sorgt sie bis weit über das Kloster hinaus für die Verleumdung Susannas. Selbst die Vertrauten der Unglücklichen werden in die Fall hereingezogen, geraten unter massiven Druck...

Die siebziger Jahre waren die Hochzeit des Nunploitation Genres. Ergo mutet "Kloster der 1000 Todsünden" wie ein Nachzügler an, seine Machart erinnert tatsächlich eher an die siebziger, denn an die achtziger Jahre. Joe D'Amato hat einen herrlich unmodernen Film gedreht. Man könnte glatt vermuten, das Material habe bereits einige Jahre auf Halde gelegen, bevor der Film 1986 veröffentlicht wurde. Neben der Regie besorgte D'Amato auch die Kameraarbeit, die bekanntlich schon vor dem Regiestuhl seine Heimat war. Der Streifen ist recht ansprechend ausgestattet, D'Amatos Kamera sowieso eine sichere Bank, die Darsteller liefern durchweg ordentliche Leistungen ab. Eva Grimaldi ist eine aussergewöhnlich schöne Frau. Man sollte aber nicht vergessen, dass sie auch schauspielerisch überzeugend agiert, einen nicht unerheblichen Teil des Films schultert. Ich muss trotzdem kurz auf ihre Schönheit eingehen. Diese Augen, diese sinnlichen und verführerischen Lippen, diese Nippel... (Contenance!!!) *räusper*

Wo waren wir noch stehengeblieben? Sehr ansprechend ist die Darbietung von Karin Well, der die Fiesheit geradezu aus den stechenden Augen zu springen scheint. Martin Philips ist ein schmächtiges, blasses Bürschlein, welches gut in die Rolle des jungen Pfaffen passt. Gabriele Tinti taucht mehrfach als Monsignore auf, der entscheidend die Weichen des Schreckens stellt. Die Damen dominieren naturgemäß das Treiben, nackte und halbnackte Nonnen überall. Klar, D'Amato lässt sich nicht lumpen, hier hüpfen die Nönnchen nackt durch die Waschbottiche, dort wird ein wenig unter dem Kreuz gefingert. Die Peitsche darf freilich nicht fehlen, lüstern lässt man das Leder auf die hübschen Körperteile knallen. Allzu wüst wird es aber zu keiner Zeit, der liebe Onkel Massaccesi lässt der Wildsau keine besonders lange Leine. Die unzähligen grausigen Untaten, die die katholische Kirche im Namen Gottes ausübt(e), werden besonders im Finale angeprangert. Allerdings funktioniert "Kloster der 1000 Todsünden" in dieser Hinsicht nur eingeschränkt. Einerseits werden die üblichen Genreklischees zu sehr ausgewälzt, andererseits erscheint die "Message" ein wenig zu beiläufig.

So sitzt der Film letztlich ein wenig zwischen den Stühlen. D'Amato -den ich sehr schätze- hätte gut daran getan, sich dem zügellosen Treiben hinzugeben, auf eine "wichtige Aussage" zu schei**en. Als wild-erotischer Nonnen-Exploiter mit Mettgut und blutiger Peitschenzucht, hätte das sündige Kloster IMHO deutlich besser abgeschnitten. In der vorhandenen Form ist der Film ein wenig zu brav, doch gleichzeitig zu wüst um als ernsthafte Kritik am "System Kirche" durchzugehen. Obwohl die Erwartungshaltung nur teilweise erfüllt wird, sollten sich Nonnen- und D'Amato-Sympathisanten den Streifen zu Gemüte führen!

Mir liegt "Kloster der 1000 Todsünden" als Scheibe von X-Rated vor. Der Film wird in englischer Sprache angeboten, die deutschen Untertitel sind leider nicht ausblendbar, aber zumindest vorhanden. Das Bild ist mittelprächtig, das Bonusmaterial nicht der Rede wert. Eine durchschnittliche Veröffentlichung... ...zu einem leicht überdurchschnittlichen Film.

6/10 + 0,5 Bonuspunkte für die Vorzüge der Frau Grimaldi...

Lieblingszitat:

"Put your faith in my methods."

Re: Kloster der 1000 Todsünden - Joe D'Amato

Verfasst: Mo 13. Jun 2011, 12:48
von Salvatore Baccaro
Things I've learned:

1. D'Amato verfilmt Diderot. Das allein war mir schon ein verwundertes Augenrollen wert, als ich im Vorspann lesen durfte, dass LA MONACA NEL PECCATO tatsächlich auf dessen Roman LA RELIGIEUSE basieren soll. Auf den zweiten Blick ist das dann aber schon weniger verwunderlich, dient dieses Ende des 18.Jahrhundert erst nach dem Tode Diderots erschienen Werk, das, zuweilen satirisch, zuweilen anklagend, eine Nonne namens Suzanne in Briefform von ihren wenig erbaulichen Erfahrungen hinter Klostermauern erzählen lässt, wie kein zweites als Stichwortgeber für das sogenannte Nunsploitation-Genre. Rein inhaltlich klaffen dabei gar nicht mal so viele Welten zwischen einem x-beliebigen Nonnen-Sex-Film der 70er Jahre und Diderots Schrift. Hier wie dort wird das System Kloster (oder auch gerne gleich die gesamte Römisch-Katholische Kirche) als ein Mikrokosmos dargestellt, in dem ganz bestimmte Machtmechanismen wirken, die, angetrieben von religiösem Fanatismus, darauf aus sind, das Individuum zu knechten und zu zerstören, und von Repressionen bestimmt sind, die unter anderem ein freies, ungehemmtes Ausleben von Sexualität verhindern und dadurch "pervertierte" Spielarten wie Sadismus und Masochismus fördern. Diderot im Speziellem ging es als aufklärerischem Geist, der selbst zeitweise unfreiwillig im Kloster aufwuchs, vor allem um Kritik an dem in seiner Zeit weit verbreitenem Mißstand, dass Menschen, die dafür nicht die geringste Veranlagung in sich spürten, fremdbestimmt dazu gebracht wurden, in Orden einzutreten, damit also, ihrer Mündigkeit beraubt oder ihre Mündigkeit freiwillig abgebend, gezwungen, ein Leben zu führen, für das sie sich überhaupt nicht berufen fühlten. Gerade dieser Aspekt ist einer, den wir in vielen Nunsploitation-Streifen wiederfinden, sind die Heldinnen doch meist junge Mädchen, die, aufgrund angeblicher moralischer Verfehlungen oder auch reinen finanziellen Erwägungen, von ihren Eltern in Kloster gesteckt werden, und sich dort dann dem Konflikt ausgesetzt sehen, einerseits ihre individuelle Freiheit zu bewahren (oftmals in Form von verbotenen Liebschaften), und sich andererseits genügend dem strikten Klosterleben anzupassen, dass ihnen keine größeren Schwierigkeiten erwachsen (worin sie zumeist scheitern).

2. Hat man Diderots Roman gelesen, stellt man schnell fest, dass D'Amatos LA MONACA NEL PECCATO keine sonderlich werkgetreue Verfilmung ist. D'Amato konzentriert sich auf den Kern von Diderots Text, seine allgemeine Aussage, konzentriert die weitschweifige, sich über mehrere Jahrzehnte hinziehende und sich oft monoton wiederholende Halung auf das Wesentliche. Suzanne kommt gegen ihren Willen ins Kloster, wo sie, da die Mutter Oberin, offenbar lesbisch veranlagt, ihr alsbald den Hof macht und sie zu ihrem neuen Liebling kürt, früh ins Kreuzfeuer von Intrigen, Eifersüchteleien und Verleumdungen gerät, und sich ihr das nach außen hin fromme und bescheidene Kloster schnell als wahrer Sündenpfuhl aus unterdrückter Sexualität und offen ausgelebter Machtgier präsentiert. Ihr einziger Verbündeter wird der Beichtvater der Nonnen, selbst nicht aus freien Stücken in seine Priesterrolle geraten, zu dem sie in lauterer Liebe entbrennt und der ihr seine Hilfe beim Entledigen ihres Schleiers anbietet. Dass das Ganze kein glückliches Ende findet, dürfte demjenigen, der schon mehr als einen Film dieses Subgenres konsumiert hat, klar sein.

3. Das gesamte Arsenal des Nonnen-Sex-Films ist auch hier vertreten. Im Grunde ist LA MONACA NEL PECCATO auf den ersten Blick ein völlig typischer Vertreter seiner Art. Obwohl im Jahre 1986 entstanden, wirkt der Film wie ein Überbleibsel aus den 70ern, und hätte in der Form wohl auch problemlos zehn Jahre zuvor veröffentlicht werden können. Auffallend ist allerdings, dass Diderot zwischen den Zeilen immer mal wieder durchscheint, und LA MONACA NEL PECCATO sich seinen Namen nicht bloß als reine Zierde, als seriöses Deckmäntelchen überstreifte. Nichtsdestotrotz ist die Machart des Films natürlich eine, die LA MONACA NEL PECCATO zu keinem Zeitpunkt in den Verdacht geraten lässt, eine wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit dem zugrundeliegenden Roman sein zu wollen. Dafür ist die Kirchenkritik dann über weite Strecken doch zu verkürzt und schlägt sich am Ende in Form einer dramatischen Texttafel gar zu übertrieben mit dem Holzhammer nieder. Allein die Eröffnungsszene torpediert schon jeden Verdacht, D'Amato könne den Versuch unternommen haben, sich während des Niedergangs des italienischen Genrekinos ins seriöse Fach hinüberzuretten. Suzannes Vater ist gerade dabei, seine Tochter zu vergewaltigen, da öffnet ihre Mutter die Stubentür und erspäht das Geschehen. Eher teilnahmslos, höchstens mit gerümpfter Nase, als ob sie zufällig zwei Schweine oder Esel beim Kopulieren erwischt hätte, tadelt sie ihren Gatten, dass er das nicht nur mit ihr mache, sondern sich jetzt auch noch an ihrem Kind vergehe. Suzanne soll ins Kloster kommen, so ihre Schlussfolgerung, damit endlich Ruhe mit den Sauereien ist. Daraufhin verlässt sie das Zimmer und lässt Suzanne weiter mit ihrem Väterchen allein. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was man sich DABEI gedacht hat.

4. Obwohl der Film einer von D'Amato sein soll, hat er wenig mit dem D'Amato zu tun, den wir kennen und lieben, trägt schlicht seine Handschrift nicht. Für eine Literaturverfilmung von Wert ist er zu schmuddelig, für einen Exploitation-Film dann allerdings wiederum zu unschmuddelig, hält der Film sich doch arg zurück, was alles betrifft, was man von einem Nonnen-Sexer sonst so erwartet (meine Vermutung wäre, dass das vorrangig dem Entstehungsjahr geschuldet ist, kann man im Italo-Genre-Film doch allgemein eine Verharmlosung Ende der 80er feststellen). Physische Gewalt beispielsweise findet sich kaum welche. Selbst wenn Nonnen sich gegenseitig auspeitschen, rückt D'Amato eher ihre wogenden Brüste ins rechte Bild, als sich um ihre zerfetzten Rücken zu kümmern. Durch und durch ist LA MONACA NEL PECCATO ein sexualisierter Film, dessen Grausamkeiten sich weitgehend auf psychischer Ebene abspielen. Das mag durchaus nicht schlecht sein und ich bin der Letzte, der seine Nonnen nur in Folterkellern zu sehen bekommen möchte, dennoch leidet der Film in gewisser Weise darunter, dass ihm gesteigerte Schauwerte fehlen, und D'Amato nun wirklich nicht der Regisseur dafür ist, aus einem Werk, das hauptsächlich aus Dialogszenen besteht, einen durchweg spannenden Film voller psychologischer Nuancen zu machen. Vielmehr dümpelt das Ganze recht unspektakulär vor sich hin, bringt es selten fertig, Empathie für seine Charaktere zu entwickeln, dafür sind die zumeist viel zu blass gestaltet, verliert sich in relativ unnötigen Sub-Plots (was nun der junge Mann, der als Findelkind ins Kloster kam, und den Nonnen nun in ausgewachsenem Zustand als Projektionsfläche ihrer unterdrückten Gelüste dient, mit der eigentlichen Handlung zu tun haben soll, frage ich mich heute noch), und endlosen Wiederholungen, die die dünne Story auf Spielfilmlänge strecken sollen. Wirklich trashig wird es dabei nie (na gut, eine, hust, "psychedelische" Szene, in der eine Nonne sich eine Jesus-Statue als aus Fleisch und Blut und weißgeschminkt imaginiert, worauf sie in wilde Masturbation ausbricht, war recht unfreiwillig komisch), wirklich bewegend allerdings auch nicht (obwohl mir das Finale, wenn auch teilweise ordentlich wirr, gar nicht schlecht gefallen hat).

5. Im Kanon eines D'Amato ist LA MONACA NEL PECCATO dann aber doch so etwas wie sein "bester" Film, rein objektiv betrachtet. Vom filmischen Standpunkt her steht das Werk schätzungsweise tausend Meter über Gurken wie ORGASMO NERO oder ATOR. Die Kameraführung sieht halbwegs professionell aus, die Kulissen sind zwar minmialistisch und karg, passen damit aber bestens zu der Handlung, die sich in ihnen abspielt, die Schauspieler geben sich Mühe, und selbst die Sexszenen halten sich im Zaum und werden nie sonderlich explizit oder selbstzweckhaft. Meiner Meinung nach war D'Amato nie derart nahe an "richtigem Kino" wie hier. Dass ich persönlich in Zukunft eher zum hundertsten Mal zu MAN-EATER oder PORNO HOLOCAUST greife, hat dann wohl eher mit meinem derangierten Geschmack zu tun.

Re: Kloster der 1000 Todsünden - Joe D'Amato

Verfasst: Mo 13. Jun 2011, 16:13
von dr. freudstein
WOW :thup:
So viele Worte für einen Film. Ja, das obliegt mir nicht und ist auch schon einige Jährchen her, daß ich ihn sah. Dank der Auffrischung hier kommen einige Fetzen wieder zurück, in jedem Fall mag ich bestätigen können, das hier ist wirklich ein kino-naher Film für Amato's Verhältnisse. Mir liegen die berüchtigten Filme genauso mehr am Herzen (MAN EATER, SADO etc.), weil eben dort seine Handschrift zu finden ist, die mir so gefällt. Dies hier ist durchaus ein sehr schöner Film, ich wollte den schon längst mal wieder gesehen haben, aber zu viele jungfräuliche Filme liegen noch rum. Na, und für lange Worte haben wir Bruder Blap und Kamerad Salvatore :prost:

Re: Kloster der 1000 Todsünden - Joe D'Amato

Verfasst: Mo 13. Jun 2011, 16:21
von buxtebrawler
dr. freudstein hat geschrieben:WOW :thup:
Zustimmung.

Re: Kloster der 1000 Todsünden - Joe D'Amato

Verfasst: Mo 13. Jun 2011, 21:00
von Salvatore Baccaro
*Knicks* :D

Re: Kloster der 1000 Todsünden - Joe D'Amato

Verfasst: Sa 26. Dez 2015, 16:48
von Salvatore Baccaro
Kürzlich bin ich in Joe D'Amatos erstem, wenn auch recht spätem, Beitrag zum Nunsploitation-Genre, IMMAGINI DI UN CONVENTO von 1979, auf eine dem Film vorangestellte Texttafel gestoßen, die behauptet, er beruhe auf dem in den 1760er Jahren verfassten, jedoch erst in den 1790er posthum veröffentlichten Roman LA RELIGEUSE von Denis Diderot, in dem der französische Aufklärer Kritik an einer Gesellschaft übt, die junge Frauen, da man keine andere Verwendung für sie hat, als Nonnen in Klöster gibt, obwohl sie hierfür weder freien Willen noch echte Berufung verspüren, und an einer Amtskirche, die dies nicht nur billigt, sondern aufgrund pekuniärer Motive auch noch fördert. Dass dem nicht so ist und D'Amato stattdessen sein, wohl bewusstes, Täuschungsspiel mit uns treibt, indem er die Aufklärung in IMMAGINI DI UN CONVENTO mit fortschreitender Laufzeit mehr und mehr gegen die Romantik, und das Christentum mehr und mehr gegen die Antike ausspielt, habe ich, hoffe ich, in meiner Kurzkritik zu besagtem Film anschaulich und verständlich beschrieben. Sechs Jahre später aber legt D'Amato seinen zweiten Nonnensexfilm vor, und obwohl er diesmal LA MONACA DEL PECCATO heißt, ist sein Motto das Gleiche geblieben: Auch dieses Werk soll auf Diderots Skandalroman basieren. Dass dem wirklich so ist und D'Amato tatsächlich offenbar daran gelegen, Diderot nun mehr oder minder gerecht zu werden, werde ich, hoffe ich, in meiner folgenden Kurzkritik zu LA MONACA DEL PECCATO anschaulich und verständlich beschreiben, während ich mit einem Auge immer wieder zu Diderots Originaltext und dessen erster Leinwandadaption durch Jacques Rivette schiele, und das andere steif und fest auf D'Amatos Unzucht-Nonnen halte.

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Abb.1: Im Gegensatz zu IMMAGINI DI UN CONVENTO spricht der Vorspann diesmal die Wahrheit - die Rechtschreibefehler darf er trotzdem behalten.

LA MONACA DEL PECCATO ist, wie gesagt, nicht die erste Verfilmung von Diderots Roman. Bereits 1966 hat Jacques Rivette sich dem Stoff mit dem gleichnamigen Film LA RELIGIEUSE angenommen, in dem die damalige Godard-Muse und Nouvelle-Vague-Heroine Anna Karina der Suzanne Simonin recht schmerzlichen körperlichen Ausdruck verleiht. Allerdings stellt sich die Adaption relativ demonstrativ mit dem Rücken zum restlichen Oeuvre ihres Regisseurs. Rivette, der später, in den 70ern, neben Godard, einer der radikalsten Erbverwalter der Nouvelle Vague werden und mit Filmen von extremer Exzellenz wie dem, in seiner vollständigen Fassung, knapp dreizehnstündigen (um genau zu sein: siebenhundertsechzigminütigen!) OUT 1: NOLI ME TANGERE (1971) oder dem immerhin dreistündigen CÉLINE ET JULIE VONT EN BATEAU (1974) sein Publikum für mehr als eine Voraussetzung stellen sollte, erweist sich in seinem zweiten Spielfilm vergleichsweise massenkompatibel, indem er Szene für Szene und Wort für Wort an der Diderot’schen Vorlage haftet und sich dabei selbst kaum Raum für kreative Entfaltung lässt. Ähnlich vielleicht wie Fassbinders Übersetzung von Fontanes EFFI BRIEST (1974) in bewegte Bilder scheint es Rivette nicht so sehr darum zu gehen, seine eigene Künstlerpersönlichkeit in das literarische Vorbild zu mischen, sondern diesem literarischen Vorbild einen visuellen Ausdruck zu verleihen, der es weder beschneidet noch umdeutet, sondern ihm derart angemessen ist, dass selbst der Autor persönlich, hätte er in den 60ern in einem Pariser Kinosaal sitzen können, es, wenn nicht beklatscht, so doch zumindest nicht als schamlose Pervertierung seiner Ideen verflucht hätte.

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Abb.2: D'Amato eröffnet mit einem tatsächlichen Diderot-Zitat - (in der deutschen Ausgabe von 1797 lautet es: "Wozu bedarf der Bräutigam so vieler thörichten Jungfrauen, und das menschliche Geschlecht so vieler Schlachtopfer!") -, die Rechtschreibefehler darf er trotzdem behalten.

LA RELIGIEUSE zeichnet den Lebens- und Leidensweg der Suzanne Simonin so detailgetreu nach, dass es sich für jemanden, der den Film aufmerksam geschaut hat, fast schon erübrigt, die Nase in die Romanvorlage zu stecken. Gegen ihren Willen von den Eltern ins Kloster geschickt – bzw. von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, denn einer der Gründe, weshalb sie unter Verschluss hinter die Heiligen Mauern soll, ist eben ein sexueller Fehltritt ihrer Mutter und ihre daraus erfolgende uneheliche Zeugung und Geburt -, widerruft sie dort zunächst das Gelübde, das man ihr mittels einschmeichelnder Reden abzuringen versucht, kehrt ins elterliche Haus zurück, wird von nun an vor allem von ihrem vermeintlichen Vater wie eine wandelnde Schande behandelt, und lässt sich schließlich durch die Tränen und salbungsvollen Worte ihrer verzweifelten Mutter doch dazu zu überreden, besser den Schleier zu nehmen als, von der Familie verstoßen, auf der Straße zu landen. Obwohl Suzanne, wie sie in den Briefen, aus denen sich Diderots Roman zusammensetzt, mehrmals betont, nicht die geringste Berufung fürs klösterliche Leben in sich verspürt – einmal klagt sie, dass sie der Welt und Gott doch viel mehr als liebende Ehefrau und Mutter nutzen könne als in der strengen Zucht und Ordnung des Nonnendaseins dahinzuwelken -, richtet sie sich mehr oder weniger gut in ihrem neuen Leben ein, was vor allem an der liebevollen, nahezu mütterlichen Zuwendung der Äbtissin Madame de Moni liegt, die sie umhegt und umsorgt wie sie nur kann. Letztlich ist diese innige Beziehung zur Mutter Oberin Grund für Missgunst und Zwietracht innerhalb der Schwesternschaft. Sister Sainte-Christine, die darauf spekuliert, aufgrund ihrer adligen Abkunft, nach dem Tode der bereits gesundheitlich angeschlagenen Madame de Moni die Führung des Klosters zu übernehmen, betrachtet Suzanne als Störenfried, die ihr den in Aussicht gestellten Rang abspenstig zu machen versucht. Als Madame de Moni bettlägerig wird und die Klostergeschäfte kaum noch selbst besorgen kann, plustert Sainte-Chistine sich noch zu ihren Lebzeiten zur neuen Äbtissin auf und lässt Suzanne die ganze Härte ihres Hasses spüren.

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Abb.3: D'Amatos Suzanne beim Gebet und Eva Grimaldi in ihrer ersten Filmrolle. Man beachte die stilvolle Ausleuchtung!

Für die kleinsten Vergehen – oder besser: Pseudo-Vergehen – wird Suzanne grausam bestraft, von ihren Mitschwestern gemieden, schließlich sogar des Umgangs mit Teufeln und Dämonen bezichtigt, vom Gottesdienst ferngehalten, in einem Kerker einquartiert, bespuckt und gegeißelt. Erst nach langem Martyrium kann die wehrlose junge Frau sich in der Außenwelt Gehör verschaffen. Ein Anwalt, der seit Jahren darum kämpft, sie aus dem Orden freizubekommen, und einige Geistliche werden auf ihren Fall aufmerksam. Man versetzt sie, um einen Skandal zu vermeiden, in ein anderes Kloster, und dort, unter der Regentschaft von Madame de Chelles, erlebt Suzanne plötzlich eine ganz andere Welt. Diese Äbtissin führt ihr Kloster wie einen Luxustempel. Die Nonnen kichern, schäkern, kleiden sich in kostbare Stoffe, die Mutter Oberin selbst thront zwischen ihnen wie eine weltliche Fürstin. Sex und Erotik stehen ebenfalls auf der Tagesordnung, und da Madame de Chelles Suzanne offenbar für einen schmackhaften Bissen hält, ist sie schnell den sexuellen Avancen der Dame ausgesetzt, für die Suzanne aber so wenig Sinn hat, dass es sie ein zweites Mal in bodenlose Verzweiflung stürzt.

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Abb.4: Bilder, die zum Schwelgen einladen. Stilvollere Kompositionen - und diese Ausleuchtung! - hat D'Amato wohl nirgendwo sonst vorgelegt.

Am Ende von LA RELIGEUSE fügt Jacques Rivette seinem Film dann aber doch noch eine eigene, tragische Note hinzu. Was in Diderots Roman nämlich nicht vorkommt, das ist eine finale Episode, in der Suzanne, endlich der Freiheit wiedergegeben, in der Welt außerhalb der Klostermauern so wenig Halt findet, dass ihr ein Bordell als letzter Strohhalm dient. Dort stürzt sie sich während eines ausschweifenden Maskenballs, bei dem sie ihre Unschuld verlieren soll, aus einem Fenster und landet tot auf der Gasse. Allerdings fügt sich dieser schreckliche Schluss nahtlos in die kühle, fast theaterhafte Inszenierung Rivettes, die, auf den ersten Blick, wie ein Rückfall in das von der Nouvelle Vague in den 50ern so sehr geschmähte cinéma de qualité, d.h. steife, gekünstelte, melodramatische Literaturverfilmung in steifen Kostümen, voller gekünstelter Dialoge und untermalt mit melodramatischer Musik, wirken könnte, sich dann aber, mit zunehmender Laufzeit, als absolut naturalistische Herangehensweise an den Stoff entpuppt. Rivettes Kamera betrachtet Suzanne und die ihr selbst in ihrer Freundlichkeit feindlich gegenüberstehende Umwelt unbarmherzig, meist frontal, ordnet die Personen wie willenlose Schachfiguren an, deren Handlungen allesamt von gesellschaftlichen Konventionen bestimmt werden, die sie sich selbst nicht ausgesucht haben. Besonders spannend ist die Darstellung der Geschlechter in LA RELIGIEUSE, was den Film, meiner Meinung nach, zumindest subtil zu einem feministischen macht, wenn man Feminismus denn so verstehen will, dass darin Anklage gegen die Unterdrückung der Frau durch den Mann über die Jahrhunderte hinweg geübt werden soll. Die Herren, die über Suzannes Schicksal beraten, sitzen in teuren Roben ungezwungen an ihren Tischen, während Suzanne selbst demütig vor ihnen knien und die Entscheidung abwarten muss, ob ihr Leben sich nun zum Besseren oder Schlimmeren wenden wird. Zugleich ist LA RELIGIEUSE aber, dem Geist seiner Zeit geschuldet, eine (linke) Anklage gegen Staat, Herrschaft, Autorität, die Rivette aber dadurch klug verschleiert, indem er sich der (kinematographischen) Mittel dieses Staats, dieser Herrschaft, dieser Kino-Autorität bedient, um seine Kritik zu äußern. Wäre LA RELIGEUSE inszeniert wie ein poppiges, unterhaltsames, versponnenes Avantgarde-Vergnügen von Francois Truffaut, dem jungen Godard oder im hypnotischen Stil von Rivettes Debut-Langfilm PARIS NOUS APPARTIENT (1961), wäre seine Aussage wohl kaum so schwer im Magen liegend wie sie es nun tut. LA RELIGIEUSE das ist ein zweieinhalbstündiges ziemlich hartes, ziemlich trockenes Brot, das einem manchmal schon beim Kauen im Mund wehtut – und damit wird er Diderots Roman ebenfalls wenig spaßigem, teilweise ordentlich herzzerreißenden Roman mehr als gerecht.

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Abb.5: Suzanne im Bade. Der zugehörige Dialog, in dem die Mutter Oberin (rechts im Bild) unsere Heroine zur Sünde überreden will, muss gehört werden, um ihm seine Theatersprache auf Stelzen aus dem achtzehnten Jahrhundert abzukaufen.

Kann D’Amato mit LA MONACA DEL PECCATO zwei Dekaden später dieses Niveau halten? Oder anders gefragt: muss, soll und will er das überhaupt? Schon bei meiner Erstsichtung vor Jahren sind mir folgende Dinge aufgefallen: 1. Anders als bei IMMAGINI DI UN CONVENTO ist der Diderot-Verweis im Vorspann kein leeres Versprechen oder das bewusste Führen des Zuschauers auf eine falsche Fährte. D’Amato mag der Vorlage nicht mit solcher Ehrfurcht gegenüberstehen wie Rivette, doch er fasst sie immerhin soweit mit Samthandschuhen an, dass sie, trotz stellenweisen Auseinanderrupfens und Plünderns, für mich dennoch eindeutig im fertigen Film erkennbar bleibt. 2. LA MONACA DEL PECCATO gleicht Rivettes LA RELIGIEUSE auch darin, dass für beide Regisseure ihre jeweilige Beschäftigung mit Diderot zu ihrem vergleichsweise zuschauerfreundlichsten Werk geführt haben. Für D’Amato heißt das: er ist geordnet und moralisch gesittet wie selten. Natürlich tauchen in LA MONACA DEL PECCATO Frauenbrüste auf, und natürlich, es wird auch einmal eine Peitsche über einen entblößten weiblichen Rücken gezogen, und ja, sogar Sex darf on screen ausgeübt werden. Trotzdem: gerade im Kontext eines vor Intimflüssigkeiten nur so triefendem Oeuvre wie das des Aristide Massaccessi wirkt LA MONACA DEL PECCATO tatsächlich wie die sprichwörtliche echte Klosterschülerin. Über weite Strecken vergisst D’Amato scheinbar völlig seine Exploitation-Sensibilitäten, und lässt den Film aussehen wie ein ernstgemeintes und ernstzunehmendes Kostüm- und Liebesdrama, dem man sein geringes Budget zwar immer mal wieder anmerkt, das aber sowieso mehr Wert auf seine kohärente, emotionsgeladene, zum Mitfühlen und Mitleiden anregende Geschichte legt, die D’Amato, sonst sicher keiner der großen Erzähler der Filmgeschichte, zum Besten gibt, als habe er nie etwas anderes getan als von anrührenden Schicksalen zu berichten. 3. LA MONACA DEL PECCATO ist stilvoll, geschmackvoll, was seine Ästhetik betrifft. Weichzeichner, delikate Beleuchtung, ein sauberer, weicher Schnitt, hübsche Kulissen, tragische Musik: das alles vereint sich zu einem Festschmaus, der, würde man die eine oder andere doch etwas expliziere Fleischbeschau herauskürzen, von mir aus auch gut und gerne im Nachmittagsprogramm irgendeines Privatsenders laufen könnte.

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Abb.6: Auspeitschung einer vollbusigen Nonne - eine der skandalöseren Szenen des Films, denn viel schlimmer wird es D'Amato diesmal nicht treiben.

Ein Aspekt von LA MONACA DEL PECCATO vereint den Film mit Diderots Vorlage und Rivettes Verfilmung, während ein anderer ihn von diesen radikal scheidet. Ich beginne mit letzterem: D’Amatos Film nimmt sich etwa der ersten beiden Drittel des Diderot-Textes an. Suzanne wird bis zu dem Punkt begleitet, an dem die Intrigen gegen sie die Heilige Inquisition auf den Plan rufen, um herauszufinden, ob die Anschuldigungen, sie habe Verkehr mit dem Teufel, der Wahrheit entsprechen. Zuvor hat sie, ganz wie im Roman, zunächst gegen das Klosterleben aufbegehrt, eine mütterliche Freundin in der Äbtissin gefunden, diese dann aber durch Krankheit verloren, und sich den Hass der neuen Mutter Oberin zugezogen – die übrigens kongenial augenrollend und finstermimend von Karin Well dargestellt wird, von der es mir aber schwerfällt, sie mir nicht in einer Bärenfalle steckend und wie am Spieß schreiend vorzustellen. Ein paar Änderungen hat D’Amato in die Geschichte eingeflochten. Dass Suzanne im Kloster landet, hat einen noch handfesteren Grund als bei Diderot: ihre Mutter erwischt sie beim Sex mit ihrem Stiefvater, den das junge Mädchen indes nicht freiwillig über sich ergehen lässt. Trotzdem kommt der Vergewaltiger ungeschoren davon, und die Geschändete wird ins Konvent-Exil geschickt. Ebenfalls neu sind einige Nebenhandlungen, die D’Amato um die ziemlich in die Länge gezogene und in außerordentlich ruhigem, nahezu behäbigem Tempo erzählte Hauptgeschichte gruppiert. Zum einen ist da eine offenbar sexuell ausgehungerte Nonne, die sich eine Heiligenstatute stets als weißgeschminkten, nackten Jüngling imaginiert, was sie zu wilder Masturbation verleitet – ein Element, das sowohl zurückverweist auf D’Amatos ersten Klosteraufenthalt IMMAGINI als auch möglicherweise ein anerkennendes Kopfnicken Richtung Mingozzis FLAVIA (1974) darstellt, dessen Heldin ebenfalls in Heiligenbildern ständig einen ihr einst freundlich zulächelnden und dann vor ihren Augen geköpften Muslim vor sich sieht. Zum andern ist da eine taubstummer Jüngling, von den Nonnen als Waise im Kloster aufgenommen, nun aber zum stattlichen Mannsbild herangewachsen, den zu baden und zu waschen sich die Nonnen heimlich streiten. Eine der Nonnen wird an einer Stelle des Films, als die Situation für Suzanne sich zuspitzt, beim leidenschaftlichen Knutschen und Kopulieren mit dem jungen Mann gezeigt. Da diese Handlung ungeahndet bleibt und außerdem der wohl einzige Geschlechtsakt des ganzen Films ist, bei dem es den Anschein hat, beide Parteien seien gleichermaßen mit ihm einverstanden, eröffnet D’Amato mit dieser Szene einen Riss Hoffnung innerhalb des eher pessimistischen Films, der zumindest die vage Möglichkeit andeutet, man könne auch als Nonne wider Willen mit Eros‘ Hilfe noch sein Glück finden.

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Abb.7: Statuenfetisch. Diesmal jedoch, im Gegensatz zu IMMAGINI DI UN CONVENTO, psychologisch selbst für den Laien erklärbar.

Der Aspekt aber, der LA MONACA DEL PECCATO diese Hoffnung wiederum nimmt, und ihn mit dem Anklagecharakter von Diderots Schrift verschwistert, sieht zunächst gar nicht nach einem solchen aus. Suszanne nämlich hat sich, entgegen der Romanvorlage, in den ebenfalls jungen und hübschen Klosterpriester verliebt. Der, ebenfalls ein Mann, der nicht aus freien Stücken den Predigerrock trägt, erwidert diese offenkundig romantische Liebe. Im Beichtstuhl tauscht man Zärtlichkeiten aus, erträumt sich, wenn Suzanne erstmal ihres Eides gegenüber Gott entbunden ist, eine gemeinsame Zukunft. Leider wird Suzanne von einer Mitschwester dabei bespitzelt, und als man sie offiziell als Ketzerin und Teufelsmetze bezichtigt, erinnert sich diese Mitschwester ihrer zufälligen Beobachtungen. Vor versammelter Mannschaft – D’Amato hat es sich erneut nicht nehmen lassen, einen fanatischen Inquisitor ins Geschehen zu werfen, der allerdings Donald O’Brien in IMMAGINI kaum das Wasser reichen kann – wird unsere Heldin als Hexe gebrandmarkt und ihr ihre lasterhafte Beziehung zu einem Priester vorgeworfen. Gabriele Tinti, der als besonnener Kardinal dem Tribunal vorsitzt, fragt Suzanne, was an diesen Vorwürfen dran sei, und freimütig gibt die psychisch und physisch am Ende ihrer Kräfte angelangte Frau zu: ja, es stimme, sie liebe den besagten Geistlichen, doch eine Hexe sei sie deshalb nicht, vielmehr hätten in ihrer Liebe lediglich zwei Seelen zueinandergefunden, die Gott nicht abgeschieden von der Welt in einem Kloster wissen will, sondern als Ehepaar miteinander verbunden. Was beim Verhör des Priesters, der als Nächster vorgeladen wird, erfolgt, ist eine unangenehme Überraschung, mit der D’Amato mich nun schon zum zweiten Mal beeindruckt hat. Suzannes Liebster nämlich, bis hierhin ein edler Held, der ihr Herz voll und ganz verdient, zieht angesichts der Inquisition seinen Kopf aus der Schlinge, indem er behauptet, Suzanne, die eine Hexe sei, habe ihn verführen wollen, er selbst sei an allem, was zwischen ihnen vorgefallen sei, jedoch vollkommen unschuldig. Dieser Vertrauensbruch gibt Susanne den Rest, der ihr noch fehlt, um sie den Verstand verlieren zu lassen: Sie bricht zusammen, reißt sich die Kleider vom Leib und schreit die Selbstanklage heraus, dass sie wirklich mit dem Teufel Unzucht getrieben habe. Das Bild friert ein, der Abspann läuft über ihren nun sogar von ihr selbst malträtierten Körper hinweg.

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Abb.8: Eine rätselhafte Texttafel beschließt den Film. In Gänze lautet sie: "The noble famalies and benevolent societies that patronised these convents where a cruel discipline isolated all within from the world and frustrated their natural desires, were the ones responsible for her death. Susanne Simon was the last victim of the dark period which began with the inquisiton... But was she indeed the last martyr?"

In diesem Finale finden D’Amato, Rivette und Diderot schließlich zueinander. Wo Suzanne in Rivettes Verfilmung vom Regen in die Taufe kommt, sprich: von einem Kloster, in dem Frauen gewissen Systemregeln unterworfen sind, die sie ihrer Freiheit berauben und in das Korsett (männlicher) Vorstellung davon wie sie zu sein haben gepresst werden, in ein Bordell, in dem Frauen gewissen Systemregeln unterworfen sind, die sie ihrer Freiheit berauben und in das Korsett (männlicher) Vorstellung davon wie sie zu sein haben gepresst werden, hält sie den Anschuldigungen und Anfeindungen bei D’Amato letztlich nicht mehr stand und stimmt in den Chor derer ein, die sie vernichten wollen. In beiden Fällen bleibt Suzanne Opfer der ihr übergeordneten Hierarchien, bei denen es im Prinzip gar keinen Unterschied macht, ob sie sich in Form eines Klosters oder irgendeiner anderen Institution manifestieren. Ob nun also Rivettes Adaption oder die D’Amatos die objektiv „bessere“ ist, das kann man wohl nur mittels ästhetischer Kategorien entscheiden, denn rein inhaltlich nehmen sich beide, wie ich finde, nicht das Geringste - und Signore Massaccessi ist doch einmal tatsächlich ein wirklich im klassischen Sinne schöner Film gelungen.