Ich muss leider ebenfalls aufgrund Krankheit das Bett hüten, und nutzte die Lägerigkeit einmal, um mich innerhalb der brasilianischen Literatur des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts auf die Suche nach Vampiren zu begeben.
Die anscheinend frühste Erwähnung des Worts "Vampirs" lässt sich ins Jahr 1799 datieren, als nämlich der Dichter Manuel Inácio da Silva Alvarenga seinen verheißungsvoll im Untertitel "Poemas Eroticos" betitelten Gedichtband "Glaura" veröffentlicht. Im dort abgedruckten Poem "A Noite" lassen sich folgende Zeilen finden:
"Ouve, ó Glaura, o som da Lira,
que suspira lagrimosa,
amorosa em noite escura,
sem ventura, nem prazer.
Melancólico agoireiro
solta a voz Mocho faminto,
e o Vampir de sangue tinto,
que é ligeiro em se esconder.
Voa a densa escuridade,
o silêncio, horror e espanto:
e as correntes do meu pranto
a saudade faz verter."
Als eigene holprige Übersetzung aus dem Portugiesischen würde ich folgendes anbieten:
"Höre, o Glaura, auf den Klang der Leier,
die träge seufzt,
verliebt in die dunkle Nacht,
ohne Glück oder Vergnügen.
Ein melancholisches Vorzeichen
lässt die Stimme der hungrigen Eule erklingen,
und des rotblütigen Vampirs,
der sich schnell versteckt.
Die dichte Dunkelheit flieht,
Stille, das Entsetzen und das Staunen:
und die Ströme meiner Tränen
werden von der Sehnsucht zum Fließen gebracht."
Ebenfalls von Interesse scheint mir das Langgedicht "Octavio e Branca Ou A Maldição Materna" von João Cardoso de Menezes e Souza aus dem Jahre 1849, das die Geschichte zweier Liebender erzählt, die, wie einst Romeo und Julia, von ihren Familien getrennt werden, auf tragische Weise ums Leben kommen, und aus dem Grab zurückkehren, um sich am Vater der jungen Frau zu rächen, indem sie ihm die Seele aussaugen. Im Finale heißt es dementsprechend, ohne das Wort "Vampir" explizit zu nennen, aber immerhin eine Fledermaus kreisen lassend:
"Após momentos nada mais se ouvia
Pelas longas abobadas antigas;
Só o sussurro d'asa dos morcegos
Voando em torno à lâmpada, quebrava
Essa mudez solene e aterradora."
Zu Deutsch erneut, da all diese Texte anscheinend nicht mal jemals ins Englische übersetzt wurden:
"Nach ein paar Augenblicken war nichts mehr zu hören
in den langen alten Gewölben;
Nur das Flüstern der Fledermausflügel.
Sie flog um die Lampe herum und zerriss
diese feierliche und erschreckende Stille."
Und zu guter Letzt noch Sonett von Augusto dos Anjos aus dem Jahre 1912, gewidmet ebenfalls einem Fledermäuschen, das hier allegorisch für das menschliche Gewissen zu stehen scheint, (und mich, wie das Tier poetisch instrumentalisiert wird, ein bisschen an Poes "Raven" erinnert:
"O Morcêgo
Meia noite. Ao meu quarto me recolho.
Meu Deus! E este morcêgo! E, agora, vêde:
Na bruta ardencia organica da sêde,
Morde-me a guéla igneo e escaldante môlho.
«Vou mandar levantar outra parêde.»
— Digo. Ergo-me a tremer. Fecho o ferrolho
E olho o tecto. E vejo-o ainda, igual a um olho,
Circularmente sobre a minha rêde!
Pégo de um pau. Esforços faço. Chego
A tocal-o. Minh’alma se concentra.
Que ventre produziu tão feio parto?!
A Consciência Humana é este morcêgo!
Por mais que a gente faça, á noite, elle entra
Imperceptivelmente em nosso quarto!"
Dieses Gedicht wiederum wurde ins Englische übertragen, weswegen ich euch hierbei meine mangelhaften Übersetzungsfähigkeiten ersparen kann:
"The Bat
Midnight. To my room I draw back
Oh God! And this bat! Now look
On the rough burning of natural thirst
The scorching sauce bite off my neck
'Another wall I'll have built'
I say. Shaking I rise. I latch
Stare at the ceiling, see it still, just like a watch
I cling to a bat. Efforts, no match. Come
To touch it. My very soul is focused
How could a womb give birth to such?!
The Human Consciousness be this bat!
Try as you may, at night it breaks in
On our room, sneaking!"
In diesem Sinne: Kommt fledermausreich ins Neue Jahr und nur das Beste für 2024!
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