Onkel Joe frug, ob ich mich mal wieder beteiligen könnte..
Den Artikel hab ich neulich im VIRUS veröffentlicht. Da das Heft aber nicht jeder kauft (warum bloß
), hier für umme meine diskreten Notizen zu einem Meisterfilm aus Indien. Wenn mehr Texte erwünscht sind, sagt mir das..
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Disco Dancer
Als pflichtbewusster Wichtigtuer in Sachen Idiotenfilme aus aller Welt, führte mich bereits vor Jahren kein Weg an Indien und dem tausendfarbig wütenden Moloch Bollywood vorbei. Ungefähr so viele Filme, wie es dort Menschen gibt, na ja, fast, findet sich unter den unzähligen Musicals und Historienfilmen auch so mancher Schunder, der sich vor der internationalen Trashkonkurrenz nicht verstecken braucht.
Bis dato war Indrajeet mit Amitabh Bachchan mein Favorit. Ein brutaler Polizeistinker mit viel Gesang, der zwar von 1991 ist, aber 25 Jahre älter aussieht. Der Film, nicht Bachchan. Der ist mehr sowas wie der bengalische George Hamilton, der aber die Rollen von Charles Bronson spielt.
Disco Dancer von 1983 löst Indrajeet wahrhaftig ab. Eine ekelhaft wie am Faden aufgezogene Aufsteigergeschichte in der noch ekelhafteren Welt des Musikgeschäfts. Der kleine Anil, gespielt vom überfahrenswürdigsten Kinderschauspieler aller Zeiten, epilepsiert sich mit einem väterlichen Sangesfreund zu einem Song über Bescheidenheit durch die Straßen von Bombay. Wenn man überlegt, dass es Theorien gibt, in welchen die Übermäßigkeit der Gesangseinlagen in Bollywood als Ersatzhandlung für Liebesszenen verkauft wird, wirkt das Gehoppel des perversen Zwergs um so degoutanter. Im Garten des reichen Mr. Oberoi, der aussieht wie Alfred Edel, was ich während der großen Schlingensief-Nacht auf 3Sat verifizieren konnte, freundet sich der Ekelgnom mit dessen Tochter an und wird dafür von Standesdünkler verdroschen und des Diebstahls beschuldigt. Er schwört Vergeltung für die Demütigung.
Sprung in die Zukunft. Anil lebt immer noch bei Muttern und liebt es, von ihr gefüttert zu werden. Er sieht jetzt aus wie der junge Costa Cordalis und singt auf Hochzeiten. Hier auf der von Behinderten. Durch schicksalhafte Zufälle verliert der arrogante Schnurrbartträger Sam Oberoi (na, gemerkt?) seinen Job als größter Superstar der Discowelt und Sie dürfen raten, wer seine Nachfolge übernimmt und auch wieder zu Tochter Oberoi findet. Genau. Er adaptiert den Namen Jimmy und singt seltsame Lieder, zu denen er Superheldenkostüme mit Federn oder ein Hörnerstirnband trägt und wo zu Kraftwerk-Synthesizern Glatzkopfträger würdelos als Perkussionsintrument dienen müssen. Mächtige Actionsequenzen mit Pappmauern und berührungslosen Schlägereien folgen, als Oberoi Brutalos auf Jimmy ansetzt. Durch eine unter Strom gesetzte Gitarre stirbt Jimmys Mutter in buntem Stroboskopranzlicht und er entwickelt ein Gitarrentrauma (!). Ja, er kreischt weibisch, sobald er eine Gitarre sieht und bekommt in einer weiteren Actionschlacht die Beine gebrochen. Bei finalen Discotanzwettbewerb kommt alles zum guten Ende und auch Jimmys Vater trifft endlich seinen Sohn.. und stirbt ein halbes Lied später.
Tante Wikipedia versorgte mich mit der kopfkratzenmachenden Information, Disco Dancer sei aufgrund seines Soundtracks ein in Russland und der Türkei überaus beliebter Film. Das ist eine allein mit Logik kaum zu verarbeitende Information, führt mich aber geradewegs zum Zeugnis ablegen über eben diesem Soundtrack. Bappi Lahiri, dessen Name mir bereits ein Begriff war (und das macht mir Angst), hat sich einen Sampler mit Discohits gekauft und diese von Studiomusikern nachspielen lassen. So dröhnt Dreck wie „One For You, One For Me“ oder „Video Killed The Radio Star“ auf hindi durch die verzerrten Mikros während der hochhaarige Mithrun Chakraborty, zwischen oft zombifiziert wirkenden Statisten, an einen halbseitig gelähmten Breakdancer erinnernde Choreographien zum Einsatz bringt. Adam Sandler hat einen Song für den Soundtrack seines recht lustigen Zohan-Films benutzt. Ein Kenner.
Disco Dancer ist sogar jüngst zur zweifelhaften Ehre der Deutsch-Veröffentlichung, dafür wenigstens bei den Guten von Rapid Eye Movies gekommen. Mit Untertiteln und der „einfallsreichen“ Tagline „Saturday Night Fever auf Acid“. Man muss nehmen, was kommt, wenn man schon nicht mehr jeden antiseptischen Liebesschmonzetten B-Rotz mit oder ohne Shah Rukh Khan an gleichgeschaltete deutsche Hausfrauen verdealen kann, Hauptsache es steht in Bonbonschrift Bollywood drauf. Dabei ist die Welt doch so groß.