Derrick: Folge 29 - Der Mann aus Portofino
Verfasst: Mi 2. Mär 2011, 10:34
Cover der Derrick Collectors Box 2, welche die Folgen 16-30 enthält
Folge 29 - Der Mann aus Portofino (Deutschland 1976)
Auf dem Weg in den Gerichtssaal, ergreift ein Untersuchungsgefangener die Flucht. Doch er kommt nicht weit, als der den vermeintlichen Fluchtwagen besteigen will, fällt aus dem Auto ein tödlicher Schuss. Derrick wundert sich über den waghalsigen Fluchtversuch, denn das Mordopfer sollte "nur" wegen eines Autodiebstahls belangt werden. Allerdings ist der Eigentümer des gestohlenen Fahrzeugs seit ca. drei Monaten spurlos verschwunden. Der Wagen gehört Dr. Pinaldi, einem Arzt aus Italien. Derrick und Klein wollen den Weg nachzeichnen, die letzten Tage vor dem Verschwinden des Medizinier rekonstruieren. Die Ermittlungen führen ins bayrische Hinterland, wo man auf abweisende Gestalten trifft, denen man jedes Wort aus der Nase ziehen muss. Luise Bachler (Maresa Hörbiger) scheint mehr zu wissen, doch die junge Frau hat panische Angst vor ihrem tyrannischen Onkel (Alexander Golling). Auf dem Gut der Familie Parenge hofft Derrick auf weitere Hinweise, aber er trifft erneut auf eine Mauer aus Schweigen...
Der Blick ins Landleben des Bergvolks fällt erschreckend aus. Ein Klima aus Angst, Terror und Gewalt regiert, unliebsame Vorfälle werden um jeden Preis vertuscht. Die erste Hälfte der Episode mutet nahezu bizarr an, da die Charaktere stark überzeichnet wirken (vermutlich sind sie sogar recht realistisch ausgeführt, aber ich bin kein "Bayernkenner", grins). Zu den abweisen Knarzschädeln gesellen sich absurde Momente, die teils von elektronischen Klängen untermalt werden. Derrick trifft aus Schnupftabak, das Ergebnis muss man gesehen (bzw. gehört) haben! Schaut euch den Gesichtsausdruck von Horst Tappert an, den er bei den Befragungen auflegt. Die letzte halbe Stunde ist konventioneller ausgeführt, die musikalische Untermalung passt sich der Ausrichtung an.
Vor lauter Begeistung habe ich glatt ein paar Zeilen zu den Mitwirkenden unterschlagen. Alexander Golling darf fies und abstossend aufspielen, Maresa Hörbiger ist als verängstigte Nichte glaubwürdig. Kurt Meisel sehen wir als wohlhabenden Gutsherrn, Eva Rieck als dessen Tochter. Günther Stoll und Gerhard Bormann rücken später als Verstärkung an. "Der Mann aus Portofino" ist eine dieser Folgen, in der die Schauspieler von Atmosphäre und Plot dominiert werden. Hätte man den Irrsinn der ersten halben Stunde durchgehalten, wäre die Folge ein Überflieger geworden. In der vorhandenen Form eine gute bis sehr gute Episode, die das Potential zum Serienklassiker teils verschenkt. Aber sehen wir es positiv, das Glas ist halbvoll, nicht halbleer.
7,5/10 (gut bis sehr gut)