Le Viol du Vampire
Akt I: Die Vergewaltigung des Vampirs
Der Psychologe Thomas und das befreundete Pärchen Marc und Brigitte erhalten von einem mysteriösen Gutsbesitzer den Auftrag, sich um vier Schwestern zu kümmern, die in einem heruntergekommenen und abgeschiedenen Schloss am Lande leben und sich seltsamerweise für Vampire halten. Doch für Marc scheint es klar, dass Aberglaube und die Ächtung der Dorfbevölkerung dazu geführt hat, dass sich die attraktiven Frauen für Blutsauger halten und versucht dem Ganzen mit Ursachenforschung und moderner Psychoanalyse zu begegnen.
Thomas versucht die jungen Frauen mit Tageslicht und Gottessymbolen zu vertrauen und auch der blinden Frau zu erklären, dass der Sehverlust lediglich psychosomatische Gründe hat. Und tatsächlich gelingt es dem jungen Mann, die Frauen zu überzeugen und das Schloss zu verlassen, wo diese jedoch auf die aufgebrachte Dorfbevölkerung stoßen, die bereits mit Waffen Jagd auf die vermeintlich verfluchten Damen macht. Als auch Brigitte vom wütenden Dorfmob getötet wird, dreht Marc durch und es kommt zur tödlichen Konfrontation….
Akt II: Die Vampir-Frau
Thomas und eine der Schwestern liegen ermordet am Strand, als überraschend die Königin der Vampire mit ihrem vermummten Gefolge erscheint, einen vermeintlicher Komplize ermordet und den Auftrag gibt, alles Zeugen zu beseitigen und die Körper der Leichen so zu entsorgen, dass diese nicht mehr als Vampire weiterleben können. Doch dem Auftrag wird nicht Folge geleistet und durch das Blut des Komplizen erwachen Thomas und der weibliche Vampir zu neuem Leben.
Zur gleichen Zeit führt ein namenloser Arzt im Auftrag der Vampir-Königin ein Krankenhaus und ist auch eigenmächtig damit beschäftigt, ein Heilmittel für Vampire zu erforschen. Thomas ist für die Forschungen der fehlende Schlüssel und mit vereinten Kräften wird tatsächlich ein Heilmittel geschaffen. Als auch Brigittes Leichnam aus der Gruft entführt wird und sich Marc hinter den Vampiren hermacht, kommt es wenig später bei einem Ritual zu einem Aufstand, bei dem sich auch einige der Vampire offen gegen ihre selbstgefällige Königin stellen und die Schreckensherrschaft ein für alle Mal beenden wollen…
Im Jahre 1967 erhielt der Regisseur Jean Rollin, der bis zu diesem Zeitpunkt bereits einige Kurzfilme und Dokumentationen realisiert hatte, von einem französischen Vertrieb das Angebot, einen Prolog zu einem amerikanischen Film zu drehen, der für eine europäische Kino-Auswertung schlicht und ergreifend zu kurz ausgefallen war. Für ein Budget von knapp 200.000, das von französischen und amerikanischen Investoren stammte, sollte der ambitionierte Filmemacher daher eine Art Vor-Film realisieren, der dann vor dem eigentlichen Hauptfilm gezeigt werden sollte.
Irgendwie hat man sich dann offensichtlich dennoch anders entschieden und Rollin bekam die Möglichkeit, mit weiteren 300.000 Franc seinen ersten Spielfilm zu realisieren, der sich um den bereits gedrehten, halbstündigen Film drehen sollte. Herausgekommen ist letztendlich „Le Viol du Vampire“ – ein Vampirfilm in zwei Akten, der sich aus 31minütigen „Die Vergewaltigung des Vampirs „und dem knapp 55 minütigen „Die Vampir-Frau“ zusammensetzt und von echten und unechten, sowie freiwilligen und unfreiwilligen Blutsaugern handelt.
„Le Viol du Vampire“ bietet neben bekannten Gesichtern und Locations dann auch eigentlich alle Elemente, die die Filme des französischen Regisseurs so besonders machen. Weibliche Vampire mit Hang zur Freizügigkeit, nackten Menschen, die durch menschenleere Strände irren und eine Erzählweise, die wohl nicht gerade als geradlinig zu beschreiben sind. Surrealistische Momente wechseln mit wunderbaren Bildern und wenn die zauberhafte Brigitte in einem Acker erschöpft zusammenbricht und diese traurige Szene aus vier Perspektiven gezeigt wird, ist die künstlerische Ambition des jungen Filmemachers offensichtlich.
Dennoch ist der Debüt-Film nicht gänzlich gelungen und auch wenn mir der erste Akt mit seiner Mischung aus mysteriöser Geschichte, schicken Locations und hübschen Menschen sehr gut gefallen hat, so hat mich der zweite Akt nicht so überzeugt und war mir mit seinen zahlreichen Charakteren auch etwas zu verworren. Die langsame und entrückte Erzählweise ist danach auch nicht so zu vernehmen und wirkt mit seinen überzeichneten Charakteren im direkten Vergleich auch eher experimentell, hysterisch überzeichnet und für Rollin´sche Verhältnisse sogar ungewohnt aggressiv.
Das sah das Publikum bei seinerzeitigem Kinostart wohl ähnlich und ortete in der kryptischen Geschichte eine wütende Metapher auf Unterdrückung und die blutigen Pariser Studenten-Proteste im Mai 1968, die wochenlang das Land lahmlegten und die kulturelle Landschaft Frankreichs maßgeblich veränderten. Der Streifen löste kontroverse Reaktionen aus und es soll während der Vorführungen in den Kinosälen zu Tumult-artigen Szenen gekommen sein, bei denen die Polizei einschreiten musste und in dessen Zuge auch der Regisseur bedroht wurde, der – so erzählt man sich – seine Karriere als Regisseur angesichts der Feindseligkeit sogleich wieder an den Nagel hängen wollte.
Zu unserem Glück ist das ja nicht passiert und Rollin realisierte mit „Die nackten Vampire“, „Le Frisson des Vampire“ und „Requiem für einen Vampir“ in den darauffolgenden Jahren noch drei weiteren Filme mit ähnlicher Thematik, die auch zu den schönsten Werken des Regisseurs zählen. „Die Vergewaltigung des Vampirs“ ist daher nicht nur ein interessantes Erstlingswerk und Rollins einziger Spielfilm in Schwarz-Weiß, sondern bietet bereits seine unverkennbare Handschrift und eine wunderbare Variation klassischer Vampir-Motive, die Cineasten und Genre-Fans friedlich vereinigt und daher auch in keiner Sammlung fehlen sollte. Für den ersten Akt zücke ich locker die volle Punktezahl, während der zweite losgelöst lediglich eine 6/10 erreichen würde. Macht unterm Strich dann dennoch 8/10 Punkten, für ein Werk, das auf ungewöhnliche Art etappenweise realisiert wurde und zum überwiegenden Teil faszinierend ausgefallen ist.