Derrick Collectors Box 7 (Folge 91-105)
Folge 98 - Ein unheimliches Erlebnis (Deutschland 1982)
Anita Schneider (Louise Martini) ist sauer, ihr Gatte schenkt ihr auf einer Betriebsfeier zu wenig Aufmerksamkeit. Charmeur Answald Hohner (Claus Biederstaedt) nutzt die Gelegenheit, bietet der attraktiven Frau seine Dienste als Fahrer an. Freilich möchte Hohner sich eindringlicher mit der von ihm begehrten Dame befassen, ergo sucht man in einem Hinterhof ein unbeobachtetes Eckchen. Doch bevor die Körpersäfte fliessen können, fährt den Lüstlingen mit Nachdruck der Schrecken ins Gebein. Drei finstere Gestalten zwingen Hohner mit Waffengewalt dazu, eine offensichtlich verletzte vierte Person umgehend ins Krankenhaus zu transportieren. Als Anita und Answald einen etwas genaueren Blick auf den Fahrgast werfen, können sie nur noch den Tod des Mannes feststellen. Um nicht in Schwierigkeiten zu geraten, platziert man die Leiche dekorativ auf einer Parkbank und sucht das Weite. Derrick und Klein übernehmen die Ermittlungen, denn der Banksitzer weist eine Schusswunde auf. Für Derrick ist der Tote kein Unbekannter, er hatte vor seiner Zeit bei der Mordkommission mehrfach mit dem Berufseinbrecher zu tun. Frau Engler (Agnes Fink), die Witwe des Getöteten, legt keinen Wert auf die Zusammenarbeit mit der Polizei. Lieber ruft sie ihren ältesten Sohn Udo (Michael Wittenborn) herbei, der junge Mann studiert seit einiger Zeit in Heidelberg. Mutter Engler will Rache, drängt Udo zu Nachforschungen auf eigene Faust. Steuert die Familie auf eine weitere Katastrophe zu...???
Zunächst stehen Louise Martini und Claus Biederstaedt im Mittelpunkt, die im Verlauf der Folge noch mehrfach zu sehen sind. Während die von Martini dargestellte Anita Schneider in erster Linie um ihren Ruf besorgt ist, wird Biederstaedt in der Rolle des Answald Hohner nicht müde, die Frau seiner lüsternen Wünsche weiter zu umgarnen. Biederstaedt umgibt stets dieser Hauch eines durchschnittlichen Spiessbürgers, oft unangenehm schleimig, hinter dessen Fassade
"unanständiges" Verlangen wütet. Angenehmerweise wurde Answald Hohner nicht so flach und einseitig angelegt, wie es der Zuschauer auf den ersten
(und zweiten) Blick vermutet, Claus Biederstaedt meistert diese Aufgabe souverän. Interessante und erschreckende Einblicke in die Familie des Opfers dominieren nach der Frühphase, vor allem Agnes Fink spielt als
"Albtraum-Mutter" großartig auf, fies, verbittert und fehlgeleitet. Ohne Skrupel drängt sie ihren ältesten Sohn zur Selbstjustiz, bemängelt mit Ausdauer dessen Wunsch nach einem Leben abseits krimineller Umtriebe. Michael Wittenborn hat es nicht leicht gegen die nahezu dämonische Präsenz seiner Filmmutter anzukommen, zieht sich aber durchaus achtbar aus der Affäre. Pascal Breuer und Viola Seth sehen wir als jüngere Geschwister Wittenborns, während Breuer starke Momente für sich beanspruchen kann, bleibt Seht unscheinbar und austauschbar, ihre Rolle gibt nicht viel her. Dirk Dautzenberg und Dieter Eppler wirken als Gauner und Komplizen des Erschossenen mit, Dautzenberg spielt erwartungsgemäß sehr launig auf, Eppler gibt kaum weniger überzeugend den kernigen Bösewicht.
Wie weit geht Familie? Wie ausgeprägt kann der Wunsch nach Rache sein? Würde eine Mutter die Zukunft ihres Kindes opfern, es als Werkzeug für die eigenen Vergeltungswünsche mißbrauchen?
"Ein unheimliches Erlebnis" gibt klare und unmißverständliche Antworten auf diese Fragen. Sicher, die Phantasie des Betrachters wird in diesem Fall nicht gefordert, ihre Wirkung verfehlt die Folge dennoch nicht. Sehr positiv fällt auf, dass der erhobene Zeigefinger diesmal in der Tasche bleibt, eine Gängelung des Zuschauers findet nicht statt. Sogar dem windig-schleimigen Burschen dem Claus Biederstaedt Leben einhaucht, gesteht das gut gelungene Drehbuch eine gewisse Ambivalenz zu. Schön anzusehen das stimmungsvoll eingefangene Hinterhof-Milieu, in dessen Herz sich weite Teile des Daseins der Famlie Engler abspielen. Frank Duval legte seine Musik elektronisch geprägt an, mit gefällt der Soundtrack zu dieser Folge sehr, sehr gut, für meinen Geschmack hätte die Musik häufiger zum Zuge kommen dürfen. Regisseur Theodor Grädler liefert solide Arbeit ab, vielleicht hätte hier und da ein wenig mehr Schmutz und Popanz für zusätzliche Freude gesorgt, nötig hat
"Ein unheimliches Erlebnis" dies jedoch nicht. Stark!
7,5/10 (gut bis sehr gut)