Tödliche Ferien - Robert Fuest (1970)
Verfasst: Do 19. Mai 2011, 23:15
Tödliche Ferien (Großbritannien 1970, Originaltitel: And soon the darkness)
Englische Angst auf französischem Boden
Die jungen Engländerinnen Jane (Pamela Franklin) und Cathy (Michele Dotrice), wollen gemeinsam einen schönen und erholsamen Urlaub in Frankreich verbringen. Per Fahrrad bewegt man sich entspannt durch das französische Hinterland. Während Jane den Trip ohne Vorbehalte geniesst, ist Cathy zunehmend gelangweilt und lechzt nach ein wenig "Action". Als die Freundinnen eine kleine Pause einlegen, fällt der Cathy ein knackiger Bursche (Sandor Elès) auf, der ihre Gedanken sofort in feucht-fröhliche Bahnen lenkt. Ohne den attraktiven Unbekannten angesprochen zu haben, setzt das Duo seine Reise auf den Drahteseln fort. Wenig später überholt sie der junge Mann auf seinem Motorroller, noch ein wenig später begegnen sie ihm erneut, diesmal steht still er am Strassenrand. Cathys Unzufriedenheit nimmt zu, sie besteht darauf eine kleine Pause einzulegen. Jane drängt nach einiger Zeit zur Weiterfahrt, es kommt zum Streit, Jane fährt ohne ihre Freundin weiter. Bald beschleicht Jane ein ungutes Gefühl, schliesslich fährt sie zu dem kleinen Wäldchen zurück, an dessen Rand sie ihre Begleiterin zurückgelassen hatte. Jane findet Cathy nicht mehr vor, nach und nach verstärkt sich die Angst um ihre Freundin. Plötzlich taucht der Unbekannte Rollerfahrer wieder auf, stellt sich als Paul vor, und bietet der verunsicherten Touristin seine Hilfe an. Immer tiefer wird Jane in ein Geflecht aus Sorge und Angst verstrickt, schnappt zu allem Überfluß erschreckende Sprachfetzen der Einheimischen auf. Vor ein paar Jahren wurde in der Gegend ein junge Frau ermordet, die offenbar vom Typ her der verschwundenen Cathy sehr ähnlich war...
Regisseur Robert Fuest erfreute mich mit den beiden herrlichen Dr. Phibes Filmen, in denen Vincent Price als durchgedrehter Rächer Angst und Schrecken verbreitete ("Das Schreckenscabinett des Dr. Phibes" (1971) & "Die Rückkehr des Dr. Phibes" (1972)). "And soon the darkness" aka "Tödliche Ferien" entstand kurz zuvor, beschreitet allerdings völlig andere Wege. Geschickt lockt uns der Film auf eine falsche Fährte, was in der heutigen Zeit vermutlich noch besser als vor 40 Jahren funktioniert, weil inzwischen viele Zuschauer auf typische Schlitzereien konditioniert sind. Alles deutet zunächst auf einen frühen Slasher mit "Backwood-Feeling" hin. Tatsächlich nimmt "Tödliche Ferien" viel von der Atmosphäre entsprechender Werke vorweg, funktioniert aber als reinrassiger Thriller, verzichtet (fast) vollständig auf Gewalt und Gegeifer, lediglich das Finale zeigt "sanft-rustikale" Ansätze.
Mit recht einfachen Mitteln wurde ein intensiver und packender Film auf die Beine gestellt, der in allen Disziplinen rundum zu überzeugen vermag. Während des Vorspanns verbreitet der beschwingte Titelsong gute Laune, Kameramann Ian Wilson fängt prächtige Bilder ein. Überhaupt ist die Kameraarbeit erstklassig, man lässt der wundervollen Landschaft viel Raum zur Entfaltung, doch die überschaubare Anzahl der Figuren verliert sich nicht in diesen Bildern, sondern kommt gleichberechtigt zum Zuge. Geschickt dreht Robert Fuest an der Spannungsschraube, zieht den Filmfreund mit vermeintlichen Kleinigkeiten tiefer und tiefer in den Strudel. Plötzlich ist ein Kleidungsstück verschwunden, dann ein Fahrrad zerstört, aus dem Unterholz ertönen leise Geräusche... Aufgrund ihre geringen Kenntnisse der französischen Sprache, fühlt sich Jane noch hilfloser und isolierter. Wie ich bereits schrieb kommt der Film ohne Brutalitäten aus, wer auf eine Schlachtplatte hofft ist an der falschen Adresse. Suspense ist der passende Begriff, in dieser Disziplin ist "Tödliche Ferien" geradezu ein Lehrstück!
Die Besetzung besteht aus drei zentralen Figuren, die durch eine überschaubare Anzahl Nebenfiguren ergänzt wird. Michele Dotrice und Pamela Franklin spielen vortrefflich zusammen, Dotrice hinterlässt einen bleibenden Eindruck, obschon sie bereits frühzeitig aus dem Spiel genommen wird. Ob sie wieder auftaucht? Das erfahrt ihr bei der Sichtung des Streifens! Pamela Franklin fällt somit die grösste Rolle zu, die sie mit ihrer natürlichen Ausstahlung sehr ansprechend ausfüllt. Mir fiel im Verlauf des Films mehr und mehr die hübsche Erscheinung der jungen Dame auf, die auf den ersten Blick fast unscheinbar anmutet. Vielleicht ein "psychologischer Effekt", da ich mit Pamela um die Wette fieberte, das Rätsel um die verschwundene Freundin lösen wollte, Angst um die knuffige Hauptdarstellerin hatte. Bezüglich Sandor Elès war ich skeptisch, denn in der Hammer Produktion "Comtesse des Grauens" (Countess Dracula, 1971), kackte er im Schatten der göttlichen Ingrid Pitt massiv ab. Aber meine Befürchtungen wurden von Elès mit erstaunlicher Souveränität hinweg gewischt. Der aus Ungarn stammende Schauspieler liefert eine tadellose Leistung ab, erweist sich sogar als geradezu perfekte Wahl für die Rolle des rätselhaften Fremden. Ja, Elès verkörpert gewissermaßen den interessantesten Charakter des Films. Nach und nach wirft man dem gebannten Zuschauer Informationen hin, aber kann man diesen Erkenntnissen trauen? Welches Spiel spielt der Bursche? John Nettleton sehen wir als knarzigen, hüftsteifen Gendarm, Hana Maria Pravda als unfreundliche Gastwirtin, Claude Bertrand als unheimlichen Gatten der Dame, Clare Kelly als hilfsbereite -in Frankreich lebende- Engländerin. Jeder Figur bringt eine Portion beunruhigende Charakterzüge ins Spiel, mal offensichtlich, mal hintergründig. Erneut: Suspense vom Feinsten!
Sucht man mit dem Willen zur Nörgelei nach einem Schwachpunkt, kann man eventuell das eher gewöhnlich anmutende Finale bemängeln. Dort bricht dann doch noch kurzzeitig ein wenig Gewalt aus dem Unterholz hervor, die Geschichte mündet in eine nicht allzu kreative Auflösung. Mir steht der Sinn allerdings nicht nach Genörgel. Vielleicht hätte man das Ende offener gestalten können, doch ich finde den Kontrast interessant, der sich in den letzten Minuten zu dem restlichen Werk gesellt (Ich benutze ganz bewusst nicht das Wort "entgegenstellt").
Schon länger stand die britische DVD von Optimum auf meiner Einkaufsliste, doch dank der Veröffentlichung von Kinowelt konnte ich nun zu einer deutschen Scheibe greifen. Die DVD bietet den Film in guter Qualität an, neben der deutschen Synchronisation ist auch der englische Originalton an Bord. Der Bonusbereich gibt lediglich diverse Trailer her, Flatschenfeinde dürfen sich über das Wendecover freuen.
Von meiner Seite verdient sich "And soon the darkness" aka "Tödliche Ferien eine ganz dicke Empfehlung! Mit Sicherheit werde ich mir auch das 2010 produzierte Remake anschauen, welches sich dem Vergleich mit einem sehr starken Orignal stellen muss!
Sehr gut = 8/10 (da geht noch mehr...)
Lieblingszitat:
Cathy: "Hat man dir in den Hintern gekniffen?"
Jane: "Nein, so etwas machen sie nur in Italien."
Cathy: "Was machen wir dann in Frankreich?"