Der rote Rausch - Wolfgang Schleif (1962)
Verfasst: Do 14. Jul 2011, 09:32
Originaltitel: Der Rote Rausch
Alternativtitel: Flucht ohne Wiederkehr, Das Geheimnis des Roten Baumstammes (Was? )
Land: Deutschland, Deutschland
Jahr: 1962
Regie: Wolfgang Schleif
Darsteller: Klaus Kinski, Brigitte Grothum, Sieghadt Rupp, Jochen Brockmann, Dieter Borsche,…
Handlung:
Ein Insasse einer Irrenanstalt (Kinski, who else) entfleucht dem unangenehmen Gemäuer und findet bei einer Bauernfamilie Unterschlupf, die ihn für einen Grenzflüchtling haltet. Doof nur, dass ihm in der Anstalt seine Erinnerungen ausgelöscht wurden, er ist davon überzeugt unschuldig dort gewesen zu sein. Doch immer, wenn er eine Perlenkette sieht, kommt der Bedauernswerte in Mörderlaune, ihm überkommt DER ROTE RAUSCH…
Kritik:
Betrachten wir zunächst das, wofür der Film berühmt ist: Klaus Kinski, der hier in seiner ersten Hauptrolle zu sehen ist. Spielt er wirklich so gut, um ihn als großen Schauspieler, würdig eines Fitzcarraldo oder Loco, zu entlarven? Absolut! Er ist grandios und präsentiert eine der besten, wenn nicht die beste Performance seiner Karriere:
Anfangs, wenn er von der Anstalt flüchtet, bekommen wir den üblichen Kinskerich-Wahnsinnigen unrasiert, keuchend, mit unruhigem Blick. Dies verwirrt den Zuseher, da wir nicht genau wissen wie wir ihn einschätzen sollen. Als er aber von den Bauern aufgenommen wird, verändert sich sein Schauspiel und Aussehen. Er ist nun rasiert, gekämmt, ruhiger und spricht erstmals. Er legt eine unsagbar sanfte Stimme an den Tag und in Szenen wie der, wo er für die Bauerntochter ein Puppenspiel aufführt, vergessen wir sofort seine Vergangenheit und uns überkommt eine Welle von Sympathie für den jungen Mann. Er ändert sein Spiel erneut, als er von seiner Vergangenheit als vierfacher Frauenmörder erfährt. Er wird zu keiner bösen Figur, schließlich mordet er nicht aus freiem Willen heraus, er zeigt sich einfach unsagbar heruntergekommen. Mehr torkelnd als gehend mit kränklichen Blick, womit er uns sofort massenhaft Mitleid entzieht. Das ganze zusammen ist wirklich eine großartige Figurenzeichnung, die durch die Wendungen die Zuseher in die passenden Stimmungen versetzt.
Unterstützt wird er von einer Reihe guter Nebendarsteller, die uns teilweise von Wallacen bekannt sein dürften. Zunächst wäre da Brigitte Grothum. Leider spielt sie nicht das junge nette nachvollziehbare Mädchen, das sie in „Das Gasthaus an der Themse“ oder „Die seltsame Gräfin“ verkörperte, sondern gibt die personifizierte Unschuld, immer verständnisvoll immer auf der richtigen Seite und da die Welt schlecht ist auch immer leidend. So gut mir der Film sonst gefallen hat, diese Personenzeichnung nervte auf die Dauer ein wenig. Sieghardt Rupp gibt als ihr Verehrer den Mistkerl, den er am besten kann und die durch Wallace vertrauten Jochen Brockmann und Dieter Borsche sind auch zu erkennen.
Der Film ist sehr geschickt aufgebaut. Die erste Szene zeigt die Flucht Kinskis, was ihn als gefährliches Subjekt erscheinen lässt. Dafür sprechen auch die harten Töne, die der sonst so zurückhaltende Soundtrack immer ausstößt, wenn Kinski irgendjemanden zum erstenmal sieht oder von jemanden gesehen wird. Dann folgt jedoch diese lange Phase in der uns Kinski sympathisch wird, wir sehen ihn mit Brigitte Grothum liebäugeln und sich mit deren Tochter anfreunden.
Ein Höhepunkt liegt in der Szene, in der er bei der Polizeistation eine unangesehene Fahndungsakte seiner selbst sieht und sie einsteckt. Die rassige Gastwirtin entdeckt das Papier in seinem Mantel und hält es für einen Liebesbrief. Neckend entreißt sie es ihm und hält es lachend aus seiner Reichweite. Schon hat er die Hände an ihrem Hals als sie durch einen Hereinkommenden gerettet wird, der den Angriff für Zärtlichkeiten hält.
Wir bekommen weiter Hinweise, dass irgendwas mit Kinski nicht in Ordnung ist. Als er in die namenlose Hauptstadt fährt (die Straßenbahn hatte das Wiener Wappen, es ist Wien, WIEN) und sich zunächst beinah an einer Ladenbesitzerin vergeht um dann einer Puppe den Kopf abzudrehen und einen Steckbrief seiner selbst zu entdecken, erfahren wir mit ihm nach zwei Drittel des Filmes über seine Verbrechen.
Von Polizei und ehemaligen Freunden gejagt kommt es zu einem mitreißenden ergreifenden und spannenden Finale das man so schnell nicht wieder vergessen wird. Dabei bietet die flache Seelandschaft (Neusiedler See), die düsteren schwarz-weiß Töne und das häufige Fernbleiben von Musik eine deprimierende perfekt passende Stimmung.
Fazit: Ergreifend inszeniertes Psychodrama mit einem jungen Kinski, der eine grenzgeniale Performance als bemitleidenswerter Frauenmörder ohne Gedächtnis abliefert. 9/10