Handlung:
Während es Herman (Adriano Celentano) als sadistischer Frauenmörder in eine hohe Position bei der SS schafft, versucht sein bettelarmer Bruder Gustav (auch Adriano Celentano) Hitlers Regime mittels Sprengstoff zu beenden. Dieser Bruderzwist kann selbstverständlich nur auf eine Weise gelöst werden: Mit Russischem Roulette…warum? Weil irgendein Italiener „Die durch die Hölle gehen“ gesehen hat und fand, das hätte großartiges Comedy-Potential.
Kritik:
So eine schreckenserregende Zeit wie der Nationalsozialismus ist nicht lustig. Doch sie kann lustig gemacht werden, sofern ein im Komödiengenre hochklassiger Spaßvogel sich ihr annimmt. Das Publikum kann also selbst über eines der dunkelsten Kapitel der Menschheit lachen, solange es von Leuten wie Charlie Chaplin, Mel Brooks oder Walt Disney vermittelt wird…so…nachdem das gesagt wurde: Wer führt Regie bei „Onkel Addi – Gib dem Führer Saures“? Enzo Barboni? Stefano Vanzina?…
ohh…die beiden Typen, welche „Wild trieben es die alten Hunnen“ gemacht haben…
ohh…OK…ich erwarte lieber das Schlimmste.
Nachdem ich den Film nun gesehen habe muss gesagt werden: Das Schlimmste war noch untertrieben. Wogegen nämlich Filme wie „Wild trieben es die alten Hunnen“ zwar durch ihren dunklen Ton als Komödie völlig versagen, aber wenigstens mit trashiger Naivität bestechen, übertreibt es „Onkel Addi“ so krass mit den Grausamkeiten und Perversionen, die in dieser angeblichen Komödie gebracht werden, dass man einfach nicht mehr drüber lachen kann.
Um dies zu spezifizieren, hier ein paar kleine Tipps an die Herren Regisseure: Nazis sind nicht lustig. Krieg ist nicht lustig. Erschießungskommandos sind nicht lustig. Russisches Roulette ist nicht lustig. Archivaufnahmen von dem durch Bomben zerstörtem Berlin sind nicht lustig. Kollektiver Selbstmord ist nicht lustig. Sodomie mit einem Hund ist nicht lustig. Ein Jude, der von Jagdhunden gehetzt wird ist nicht lustig. Die Vergewaltigung eines zirka zehnjährigen Mädchens ist nicht lustig. Ein Mann, der eine Frau vor versammeltem Publikum langsam massakriert, während diese kläglich um Hilfe schreit ist nicht lustig.
Das Schlimme bei all diesen Sachen ist die Art wie sie vermittelt werden. Es wirkt nämlich nicht wie eine bewusst schwarze Komödie und auch nicht wie trockener Sarkasmus, sondern es wirkt so, als ob die Leute, die den Film inszeniert haben, wirklich dachten all diese Abarten hätten Comedy-Potential. Ich gehe fast so weit zu sagen, dass „Onkel Addi“ dadurch einer der verstörendsten Filme ist, den ich je gesehen habe. Sicher, in Sachen Gore und Zeigefreudigkeit sind diverse Vertreter des Kannibalen-, Nazi- und Caligulasploitationgenres wesentlich härter, aber bei diesen Filmen habe ich wenigstens nicht das Gefühl, dass Brass, Deodato, D’Amato und Co. sich hinter der Kamera einen ablachen über das kranke Zeugs, was sich vor ihnen abspielt. Und das ist es, was mich verstört, nicht die bloße Existenz von derlei Grausamkeiten, sondern die Tatsache, dass es tatsächlich Leute gibt, die das lustig finden.
Entfernen wir uns mal ein wenig von diesem einen gewaltigen Minuspunkt und betrachten ob der Rest des Filmes mich wenigstens über den durch den Streifen erlittenen psychischen Schaden hinwegtrösten kann. Spoiler: Er kann es nicht.
Wenn sie nicht gerade mit Filmen wie „Asso“ oder „Der gezähmte Widerspenstige“ (relative) Glückstreffer landen, zeichnet sich die Komik der Herren Castellano und Moccia einerseits dadurch aus, dass sie recht originelle und innovative (wenn auch nicht immer gelungene) Ideen haben, die halbwegs bei Laune halten, jedoch die einfachsten Gags durch ihren gewaltigen Dilettantismus versauen.
Für ersteres sprechen auch hier eine Vielzahl von verschiedensten Handlungssträngen und einige Originalitäten, wie die neusynchronisierten Archivaufnahmen von Hitler, die über weite Strecken hinaus Langeweile verhindern. Um ihre Unfähigkeit als Regisseure zu veranschaulichen sei hier eine Szene als Beispiel beschrieben: Nach dem Krieg sieht sich ein junges Liebespaar endlich wieder. Mit offenen Armen laufen sie in einem weiten Feld aufeinander zu. Es ist offensichtlich, dass sie irgendwann auf eine Mine steigen werden, ich wusste, dass sie irgendwann auf eine Mine steigen werden, jeder Mensch der das sieht weiß, dass sie irgendwann auf eine Mine steigen werden; kein guter Gag, ein alter Gag und kein besonders gelungener noch dazu, aber zumindest ein Gag. Doch unsere beiden Regieeumel sahen sich genötigt, den jungen Mann bei einem Schild vorbeilaufen zu lassen, auf dem „Minenfeld“ steht, nur um noch die letzte Möglichkeit auf einen Überraschungseffekt zu vernichten. Ihr Idioten!!! Humor braucht das Unerwartete. Zwei Leute, die auf eine Mine treten, können nicht lustig sein, wenn es uns auf die Nase gebunden wird, dass sie auf eine Mine treten werden! Man nennt das Überraschungseffekt, Humor funktioniert so, hört auf Komödien zu machen, wenn ihr das nicht kapiert! Bei Mel-Brooks-Filmen befindet sich schließlich auch keine Tafel im unteren Bildrand, die anzeigt, wie viele Sekunden es noch bis zur nächsten Pointe sind!
Nach diesem Wutausbruch muss Fairerweise gesagt werden, was ich an dem Film mochte: Ich mochte die Szene, in der ein Schneider über die modischen Besonderheiten, die er für „Addi“ angefertigt hat spricht, während man Archivaufnahmen von Hitler in teilweise alberner Aufmachung sieht (ich musste bei dieser Szene lachen; ein Umstand, dem ich bei italienischem Klamauk nur sehr selten verfalle). Und ich mochte vor allem Adriano Celentanos Performance. In der Doppelrolle tut er sich wirklich gut, scheint Spaß am Drehen gehabt zu haben und macht wunderbar einen Wellensittich nach. Nur leider wird all sein Bemühen von der Unfähigkeit des Regie-Duos zu Nichte gemacht. Nehmen wir beispielsweise seinen ersten Auftritt: Er spielt einen Bühnenzauberer, der im Stande ist eine eingekistete Frau durchzusägen. Unter die Kiste stellt er eine Schüssel und sagt: „Das ist für das Blut.“ Die trockene Kälte, mit der er diesen Satz vermittelt hat, ließ mich grinsen. Ein wirklich guter Gag. Aber er wird sofort ruiniert, durch das klägliche Geschrei der Frau und die Tatsache, dass sie bei dem Bühnenakt wirklich ihr Leben lassen musste.
Mit Gustavs Attentaten auf Hitler habe ich auch so meine Probleme:
- Anscheinend ist es furchtbar leicht ein Sprengstoffattentat auf Hitler zu verüben, denn alle Anschläge werden nur durch Gustavs grenzenlose Dummheit vereitelt.
- Selbst wenn das Attentat gelänge, würde es keinen Sinn machen, denn da Gustav sämtliche Explosionen, die nach hinten losgehen und ihn treffen, unbeschadet übersteht, scheint dies sowieso nicht tödlich zu sein.
- Selbst wenn Hitler bei einem der Anschläge ums Leben käme, wäre dies auch nicht weltbewegend, denn der Film vertritt die Botschaft, dass Hitler der Messias ist und wieder auferstehen kann oder so.
Apropos: In den letzten fünf Minuten schlägt der Film endlich eine deutliche Anti-Nazi-Haltung ein und tut so, als hätte er tieferen Sinn, aber hey, Hitler wurde im Laufe des Filmes vier mal mit Jesus verglichen, ein wenig Moral am Schluss kann mich da nicht mehr überzeugen, dass die Regisseure und Drehbuchautoren keine abartigen Hyperdoofköpfe sind.
Fazit: Nicht mal die Laune, die Adriano Celentanos Doppelrolle verbreitet, kann über den dilettantischen Humor hinwegtrösten mit dem hier abstoßende Grausamkeiten in Szene gesetzt wurden. Ich meine Filme wie „Ilsa“ sind zwar auch voll kranker Abarten, aber sie vermitteln diese wenigstens mit Seriosität…Moment mal, habe ich gerade ernsthaft „Ilsa – Die Hündin von Liebeslager 7“ als seriösen Film bezeichnet?
Da seht ihr, was „Onkel Addi“ mit mir gemacht hat, ich werde mich nie wieder über leichtsinnige Exploitation lustig machen können, da ich mir auch bei den dämlichsten Filmen eingestehen werden muss: „Wenigstens besser als ,Onkel Addi’“!
-1/10