Das Alien aus der Tiefe - Antonio Margheriti (1989)
Verfasst: So 21. Aug 2011, 19:08
Originaltitel: Alien Degli Abissi
Regie: Antonio Margheriti
Darsteller: Daniel Bosch, Marina Giulia Cavalli, Robert Marius, Luciano Pigozzi, Charles Napier
Für einen Film, den ich für 3 Euro im Grabbelkasten des DVD-Kellers meines Vertrauens aufstöberte, nimmt ALIEN DEGLI ABISSI seinen Mund ordentlich voll: nicht nur, dass sein italienischer Originaltitel marketingstrategisch wohl eher weniger erfolgreich versucht, gleich zwei James-Cameron-Werke in sich zu vereinen, und seine Zuschauer dahingehend zu täuschen, das vorliegende Machwerk könne auch nur ansatzweise etwas mit Blockbustern wie ALIENS oder THE ABYSS zu tun haben, auch das, was großspurig auf der Rückseite der DVD verkündet wird, lässt staunen: "Im Sci-Fi-Schocker DAS ALIEN AUS DER TIEFE nimmt das Grauen neue Dimensionen an. In einem Feuerwerk aus Spannung, gigantischen Explosionen und fesselnden Schockmomenten ist dieser Film nicht nur für Horror-Fans beste Unterhaltung." Ich werde wohl nicht zu viel vorwegnehmen, wenn ich schon jetzt sage, dass ALIEN DEGLI ABISSI das Schlechteste ist, was ich von Antonio Margheriti, der mir immerhin leidlich unterhaltsame Stunden mit hirnlosen Action-Kloppern wie JÄGER DER APOKALYPSE oder COMMANDO LEOPARD bescherte, bis jetzt zu Gesicht kriegte, und dass keiner der angeführten Punkte dem, was einen in den folgenden neunzig Minuten erwartet, auch nur ansatzweise gerecht wird.
Die Helden des Films sind zwei Greenpeace-Aktivisten, Lee und Jane, die es auf eine abgelegene (Südsee?)-Insel verschlägt, wo sie dem Treiben eines Konzerns namens E-CHEM auf den Grund gehen wollen, der dort in nächster Nähe eines friedlichen Eingeborenenstammes mitsamt christlichem Missionar und bedrohlich brodelndem Vulkan eine Kernkraftanlage unterhält. Zu diesem Unternehmen haben Lee und Jane nichts weiter mitgenommen als ihre Körper und eine Kamera, mit der sie für die Nachwelt festhalten wollen, was ihnen auf der Insel Verbrecherisches begegnet. Ohne weitere Schwierigkeiten schaffen die Beiden es, sich Zutritt zur Anlage zu verschaffen. Während ein eingeweihter Eingeborenenjunge zwei Lebensmittellieferanten mit Bier ablenkt, steigen unsre Helden einfach in deren Lastwagen ein und lassen sich auf das angeblich sorgsam bewachte und abgeschirmte Gelände fahren, wo sie dann in aller Seelenruhe herumspazieren, Photos schießen und bis ins Herz der Anlage vordringen können, das ihren diffusen, nicht näher begründeten Verdacht bestätigt: Colonel Kovacks, seines Zeichens Vietnam-Veteran und Chef der Anlage, hat einen leichten, sparsamen Weg gefunden, sich radioaktiven Abfall aus aller Welt vom Hals zu schaffen: man kippt ihn nämlich einfach in den aktiven Vulkan hinein (!). Lee und Jane dokumentieren das alles noch immer seelenruhig, witzeln sogar noch darüber, dass ihre Körper gerade höchst aggressiver radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind, als dann aber eine, nicht wirklich versteckte, Überwachungskamera sie erspäht, sehen sie sich gezwungen, sich zu trennen und die Flucht anzutreten. Das Videoband mit den komprimittierenden Details legt Lee, statt es mit nach draußen zu bringen, spontan auf eine Dekontaminierungsschleuse (!), was nur insofern Sinn ergibt, dass der Film irgendeinen Grund braucht, unsre Helden noch einmal in die Anlage zurückzuschicken, sonst erschließt es sich mir nicht im Geringsten, dass man wichtiges Beweismaterial genau dort zurücklässt, wo es einem am wenigsten Nutzen bringt. Sowieso wird in den folgenden Minuten erst mal nicht mehr nachgedacht, sondern geflohen und geballert. Während Lee alsbald von Kovacs Schergen geschnappt wird, rettet Jane sich in einen Hubschrauber, den man aussendet, um sie im Dschungel zu suchen (wo sie, wenn man bedenkt, dass man sie erst kurz zuvor entdeckte, nun höchstens hätte sein können, wenn sie die Fahigkeit hätte, sich beamen zu können). Aus mindestens 30 Meter Höhe (!) wirft sie sich in einen See (bzw. ein äußerst schlechter Dummy übernimmt das für sie), und trifft im Urwald einen gewissen Bob, von Beruf Schlangenjäger, deren Gift er entimmt, um es an Pharmakonzerne zu verkaufen, und eine bizarre Mischung aus billiger Indiana-Jones-Kopie und grusligem Nerd abgibt, der die erstbeste Gelegenheit nutzt, Jane an den Busen zu grapschen, während sie von ihren Verfolgern in Beschuss genommen werden, und so blöd ist, seinen eigenen Munitionsgurt aus mir unerfindlichen Gründen an den Ast eines Baumes zu hängen und dort zu vergessen (!). Immerhin bringt Bob Jane und uns Zuschauern etwas über Schlangen bei, das kein wissenschaftliches Handbuch bisher verriet: die beste Waffe, um ihnen beizukommen, sind Kaugummis. Ganz recht, Bob demonstriert es auch gleich, als sie auf ihrer Flucht mit einer konfrontiert werden: man spucke ihnen das Kaugummi einfach ins Gesicht und schon nehmen sie die nicht vorhandenen Füße in die Hand (!). Auch dass Schlangen wie die Ratten in Matteis THE RIFFS III springen und sich durch Schutzanzüge und die darunter liegenden menschlichen Körper fräsen können, weiß der Film zu berichten, als Bob Janes Jägern eine Falle in einer Schlangengrube stellt, wo diese elendig und äußerst amüsant ihr Leben lassen müssen.
Okay, bis hierhin sind etwa 45 Minuten des Films ins Land gezogen, und von einem Tiefen-Alien ist noch nichts zu sehen, stattdessen hat Margheriti einen reinen Actionfilm mit aufgesetzten Öko-Obertönen inszeniert, bei dem ich bis jetzt weder Spannung noch gigantische Explosionen noch Schockmomente ausmachen konnte, und sich dafür mit einer viel zu langen Exposition aufhielt (was sollen die Szenen mit den Eingeborenen und dem Priester? weshalb zeigt Margheritit uns etwas, das ich mal laienhaft als Voodoozeremonie interpretiere? wieso wird der Eingeborenenjunge, der Jane und Lee auf den Lieferwagen verhilft, eingeführt, als sei er im Folgenden der kindliche Sidekick unsrer Helden, taucht dann aber im weiteren Verlauf nie wieder auf? nichtsdestotrotz kann der Bursche einen der besten Sprüche des ganzen Films abgeben, wenn er auf die Frage, wie der Voodoo-Ritus mit dem Christentum zu vereinbaren sei, das sein Stamm schon lange angenommen habe, antwortet, dass Magie für alle Götter gut sei (!) ), und dessen Actiongehalt sich im Grunde auf flüchtende und schießende Menschen beschränkte. Das Ganze wirkt, als habe Margheriti zunächst einen seiner typischen Action-Klopper abdrehen wollen, bevor ihm plötzlich bewusst wurde, dass das allein wohl kaum ausreicht, den Zuschauer noch eine weitere Dreiviertelstunde bei der Stange zu halten, weshalb ein Alien hermuss, wie auch immer. Tatsächlich nimmt das, was jetzt folgt, die hust - "Erklärung", wie aus dem Öko-Thriller auf einmal ein "Sci-Fi-Schocker" wird, keine Gefangenen und ist selbst für eine italienische Genreproduktion des Jahres 1989 schlicht unfassbar. Kovac bekommt von seinem Haus-und-Hof-Wissenschaftler Dr. Geoffrey mitgeteilt, dass "etwas" vor der Insel ins Meer stürzte (zu sehen bekommen wir das nicht: offenbar reichte das Budget nicht dafür aus, eine der im Grunde wichtigsten Szenen des Films optisch umzusetzen), worauf er seine Männer losschickt, die untersuchen sollen, um was es sich handelt, und sich alsbald mit dem titelgebenden Alien konfrontiert sehen, eine Mixtur aus einer Riesenkrabbe mit schicken Scheren bzw. Klauen, und einem stählernen Androiden, dessen Aufmachung man sich wohl ein bisschen bei PREDATOR abschaute. Dieses Vieh, so weiß es Dr. Geoffrey, kann nur durch Energiestrahlen angelockt worden sei, die der Vulkan absondert. Da man diesen seit geraumer Zeit mit radioaktivem Müll fütterte, habe er diesen in reine Energie verwandelt, die, einem Strahl gleich, zum Firmament ins All geworfen wurden, wo sie schließlich auf diese fremde Lebensform trafen, und sie regelrecht magnetisch anzogen. Wie dem auch sei: das Alien, das ja mitnichten aus der Tiefe kommt, sondern aus den Weiten des Universums, ist jetzt vor Ort, und an einer harmonischen Koexistenz mit den E-CHEM-Leuten nicht interessiert. Doch auch unsre Helden legt es Steine bzw. Klauen in den Weg, als die versuchen, sowohl den gefangenen Lee als auch das brandheiße Videoband aus der Kernkraftanlage zu entwenden.
In seiner zweiten Hälfte hat ALIEN DEGLI ABISSI nun viel von einem naiven Godzilla-Filmchen der 60er, was nicht nur an dem eher possierlichen Monstrum liegt, das man gesehen haben muss, um an seine Existenz zu glauben, sondern vor allem an Margheritis Verständnis von atemberaubenden Actionszenen. Sein liebstes Mittel, mit wenig Geld größtmöglichen Schaden anzurichten, sind Modelle. Alles darf nur im Kleinformat zerlegt werden. Nicht mal für stock footage reichte das Budget scheinbar aus, sogar den Vulkan musste man wenig überzeugend nachbauen. Gigantische Explosionen? Zumindest in Form von kostengünstigen Modellen. Spannung? Nicht wirklich, dafür ist der Film nun wirklich zu dröge inszeniert, sodass selbst potentielle Spannungsmomente nie sonderlich an Rasanz gewinnen. Fesselnde Schockmomente? Was den Gewaltgehalt betrifft, trägt der Film sein FSK-16-Logo zurecht, besonders grausam, blutig oder schockierend ist hier nichts. ALIEN DEGLI ABISSI ist dafür lupenreiner Trash, vielleicht nicht einer, den man dem Olymp zurechnen muss, für mich persönlich aber noch immer unterhaltsamer, belustigender und wertvoller als die oben genannten Cameron-Filme, auf seine Art verspielt und sympathisch in seiner grenzenlosen Naivität, wie er Genreversatzstücke aneinanderreiht und sich zuweilen, in der Schlangenszene, in der Herbeizitierung des Aliens, in einem Chaos seiner eigenen Ideen verirrt, die es schwer machen, ihm dafür zu grollen, dass er permanent in einem Halbdämmerzustand vor sich hin träumt, und offenbar nicht mal versucht, etwas mehr Drive zu entwickeln.