buxtebrawler hat geschrieben:jogiwan hat geschrieben:Meine damalige Kritik war aber vielleicht rückblickend doch etwas zu überschwänglich formuliert.
Wo ist die eigentlich?
Die hab ich 2008 noch für eine andere Seite getippelt... und wie gesagt, damals war ich schwer begeistert!
Das Wort “Revanche” bedeutet in der deutschen Sprache nicht nur Genugtuung aus einem erlittenen Leid zu verschaffen, sondern auch so etwas wie eine zweite Chance zu erhalten um eine Niederlage wett zu machen. Und von beiden Dingen handelt der österreichische Film vom Götz Spielmann. Es verknüpft die Schicksale von sehr unterschiedlichen Personen aus zwei sehr unterschiedlichen Welten. Alex und Tamara leben im Rotlichtmilieu und ihr Leben ist beherrscht von bezahlbarer Liebe, Drogen und Loyalität gegenüber dem Chef. Robert und Susanne hingegen leben ein scheinbar biederes Leben mit tollen Job und eigenen Häuschen auf dem Lande. Doch auch hier trügt der Schein und das Leben der Beiden ist von der Angst um den Partner und vom unerfüllten Kinderwunsch geprägt. Durch das tragische Unglück bzw. den Tod der ukrainischen Prostituierte prallen beide Welten unvermittelt aufeinander und das Leben von Alex, Robert und Susanne ändert sich nachhaltig.
Filme mit Rache-Thematik gibt es ja eigentlich wie Sand am Meer. Doch auch wenn sich der Film diesem schon etwas ausgelutschten Thema bedient, so ist “Revanche” doch meilenweit von vergleichbaren amerikanischen Holzhammer-Werken a la “Death Sentence” oder “Die Fremde in mir” entfernt. Denn “Revanche” lebt im Grunde davon, dass fast jeder der Beteiligten nicht das tut, was das Genre und der Zuschauer eigentlich von ihnen erwarten würde. Daher möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht auf die Entwicklungen der Geschichte eingehen. Jedoch gibt es auch im Gegensatz zu anderen Werken auch keine klaren Opfer oder Täter, keinerlei Klischees und durch die distanzierte Inszenierung wird auch keine Positionierung des Zuschauers geschaffen. Robert hat Tamara nicht absichtlich erschossen und hadert an deren Tod genauso wie deren Geliebter. Das Erlebnis lässt Versagensängste aus der Vergangenheit wieder aufleben und führen sogar zu Panikattacken. Roberts Frau Susanne wiederum ist ein guter und gläubiger Mensch und kümmert sich rührend um den Großvater von Alex und auch auf den introvertierten Ex-Knacki mit düsterer Vergangenheit geht sie offen und ohne Scheu zu. Doch Alex will seine Rache und die Frage ist nur wann, ob und an wen er seine Rache nehmen wird.
Götz Spielmann gelingt mit seinem 2008 entstandenen Film über knapp 2 Stunden mit ruhigen Bildern und langsamer Erzählweise Spannung aufzubauen, die wohl niemanden unberührt lassen wird. Wenn nach knapp 40 Minuten der Überfall über die Bühne geht, weiß der Zuschauer instinktiv, dass etwas schief gehen muss. Der Film und seine Figuren bleibt jedoch trotz ein paar unerwarteter Wendungen und Handlungen der Darsteller aber zu jeder Sekunde glaubwürdig und bis zum Ende unberechenbar. Weiters vermeidet es Spielmann, seinen Film zu sehr in dramatische und düstere Gefilde abdriften zu lassen. Und auch wenn der Streifen auch aufgrund der realitätsnahen Inszenierung sehr an vergleichbare Werke von Ulrich Seidl (u.a. “Hundstage”, “Import / Export”) erinnert, so sind trotz aller tragischen Entwicklungen immer wieder optimistische Tendenzen zu vernehmen. Und auch wenn so etwas wie ein Happy-End den Protagonisten verwehrt ist, so geht man doch nicht vollkommen bedrückt aus diesem Film heraus.
Das “Revanche” aber so sensationell gut funktioniert liegt neben der zurückhaltenden Inszenierung Spielmanns und kargen Bildern, die von Kameramann Martin Gschlacht (“Hotel”) eingefangen wurden, an den grandiosen Darstellern. Und grandios kann man in diesem Zusammenhang auch tatsächlich verwenden. Burgtheater-Schauspieler Johannes Krisch bzw. seine Darstellung als Alex ist eindringlich und unglaublich emotional ausgefallen. Da seine Rolle eher wortkarg ist, vermittelt er seine Gefühlswelt größtenteils über Gesten und Gesichtsausdrücke. Auch Ursula Strauss als Susanne ist in ihrer Rolle eine mittlere Sensation und überzeugt auf der ganzen Linie. Irina Potapenko ging zur Recherche für ihre Rolle ins Puff, tanzte an der Stange und trank mit Kunden Sekt, während Andreas Lust zur Vorbereitung seiner Rolle eine Woche auf dem Polizeiposten in Gföhls verbrachte.
Götz Spielmanns Streifen startet trotz guten Kritiken im Vorfeld und eher mageren Kinoeinsatz in Österreich jetzt allerdings erst jetzt so richtig durch. Ausschlaggebend dafür natürlich doch die etwas unerwartete Oscar®-Nominierung in der Kategorie “Bester fremdsprachiger Film”. Neben Preisen bei der Diagonale und Berlinale werden aber so oder so wohl noch zahlreiche weitere Preise für dieses grandiose Werk folgen. Aber selbst wenn es mit dem Oscar® schlussendlich nicht klappen sollte, so ist selbst ein amerikanischer Kinoeinsatz und die anschließende Auswertung auf DVD durch das renommierte Arthouse-Label Criterion garantiert. In Österreich gibt es zwar seit Mitte Jänner 2009 bereits eine empfehlenswerte DVD mit Ländercode “0″, allerdings startet der Film, nach seinem Erst-Einsatz in kleineren Kinos, dank der erwähnten Nominierung neuerlich in größeren Häusern. Und so ist zu erwarten, dass zu den bisher 18.000 Zusehern in Österreich wohl noch erheblich mehr dazu kommen werden. Wer jedenfalls die Möglichkeit hat, den Film in einem Kino seiner Nähe zu sehen, der sollte diese Chance auch ergreifen.
Götz Spielmann ist mit seinem Werk über Schuld und Sühne ein intensiver und intelligenter Film gelungen, das der Zuschauer wohl nicht so schnell vergessen und wohl auch nach einer Sichtung noch länger beschäftigen wird. “Revanche” zeigt ebenso wie die Werke eines Alejandro González Iñárritu (u.a. “Amores perros” / “21 Gramm” / “Babel”) wie eine unüberlegte Tat oder ein kurzer Moment das Schicksal aller Beteiligten miteinander verknüpft und nachhaltig verändern kann. Und auch wenn Spielmann weniger Budget und ein weniger international namhafter Cast zur Verfügung stand, das Ganze auch nicht so weltumspannend ausgefallen ist, so muss - imho - “Revanche” keinesfalls Vergleiche scheuen. Ganz im Gegenteil: für mich spielt Movie “Revanche” in der obersten Liga und zählt zweifelsfrei zu den intensivsten und berührendsten Filmen der letzten Jahre. Und wer die Filme von Ulrich Seidl so wie ich ebenso schätzt, der sollte sowieso keinen Augenblick länger zögern. “Revanche” ist ein absolut grandioser und authentischer Film, mit großartigen Darstellern, der bis zum Schluss fesselnd und unberechenbar bleibt. Daher auch an dieser Stelle auch ohne Patriotenbonus verdient die volle Wertung.