Ich will nicht sagen, dass der Film technisch gut ist, sowohl einige darstellerische Leistungen, wie auch die Inszenierung lassen einiges zu Wünschen übrig, dennoch hat mich dieser Film zu tiefst beeindruckt. Die Fachwelt ist gespalten, ich hörte, wie ihn Leute in höchsten Tönen loben und wie ihn andere mit niedrigsten Beschimpfungen belegen. Und ich kann diesen Zwiespalt gut verstehen, denn wenn „Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“ eines nicht ist, dann ein traditioneller Italowestern. Wer das Hauptaugenmerk auf Spannung oder witzig-coole Helden legt, wie wir sie bei den meisten guten Spaghettiwestern vorfinden wird sicherlich enttäuscht werden. Wer sich allerdings, wie ich, mehr mit den Film beschäftigt, einzelne Szenen zu interpretieren versucht, über Handlungsverläufe nachdenkt und sich einzelne Stellen zweimal durch den Kopf gehen lässt, wird erkennen, dass der Film viel mehr bietet als man anfangs meinen könnte.
Besonders beeindruckend und interessant fand ich eine Szene, welche gegen Ende kommt, ich werde also einiges spoilern und weil es so mickrig aussieht wenn ich den ganzen Text verdecke, weise ich einfach jetzt darauf hin: WENN IHR DEN FILM NOCH NICHT GESEHEN HABT, NICHT WEITERLESEN!!!
Ich spreche von den Szenen um die Geburt des Kindes. Sehen wir uns zuerst an, wie diese Sequenz eingeleitet wird. Testi und Frederick irren allein durch eine apokalyptische Landschaft und sie ist obendrein noch schwanger. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die beiden durch die Hölle gegangen, der Film beinhaltet einiges an Grausamkeiten, die Fulcis späteren Werdegang erahnen lassen. Nur furchtbare Dinge sind bis jetzt geschehen und wir ahnen, dass die Sache mit der Schwangeren Frau nicht gut ausgehen wird. Wie wir von Fulcis späteren Filmen wissen hat er ja keinen wirklichen Skrupel, wenn es um Brutalität gegen Kinder geht.
Die beiden treffen einen mit Testi befreundeten Priester. Als das Kind droht zur Welt zu kommen verweist sie der Priester auf ein kleines Bergdorf, in das sie gehen könnten. Er fügt jedoch hinzu, dass die Leute dort „komisch“ sind.
Die Zuseher erwarten das Schlimmste und sehen mit entsetzen, dass das Pärchen wirklich in das verschneite Dorf geht und dort sehen wir…oh mein Gott, Bruno Corazzari ist einer der Bürger
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, oh mein Gott
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, die sind so was von Tod
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, Bruno Corazzari ist immer böse
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, er wird sie töten
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, Bruno Corazzari verheißt nichts Gutes
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, er wird sie so was von abschlachten
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, oh mein Gott.
Noch dazu reden einige Dorfbewohner darüber, dass sie bei sich keine Frauen brauchen und überlegen die Schwangere wieder loszuwerden. Und als Höhepunkt wird Corazzari als Geburtshelfer eingestellt…doch siehe da…Bruno leistet einen wunderbaren Job, das Kind kommt gesund zur Welt, all die Dorfbewohner sind von dem Kleinen begeistert, kein schlechtes Wort fällt mehr, sie alle kommen das Kind zu sehen und sammeln Geld ein, um ihm ein schönes Leben zu sichern.
Ich kann kaum ausdrücken, wie genial diese ganze Sequenz ist. Wir haben eine sehr lange Einleitung, die uns das Schlimmste vermuten lässt. Dies verhindert, dass während den kitschigen Folgeszenen Langeweile aufkommt, da wir mit der Angst leben, dem Kind wird noch was Furchtbares geschehen. Das es dazu nicht kommt befriedigt ist und die übertriebene Freundlichkeit der Leute, denen wir noch Szenen vorher Mord und Totschlag zugetraut haben, erwärmt unsere Herzen.
Es gibt selten Filme, in denen der Regisseur inmitten einer Hölle eine heile Welt aufbauen kann, in denen Endzeitstimmung so gekonnt von Kitsch abgelöst wird und in denen dies vor allem geschieht ohne langweilig zu werden. Da wir eine plötzliche Katastrophe erwarten, folgen wir gespannt dem Geschehen, welches uns gleichzeitig durch Spannung fesselt, als auch unser Bedürfnis nach einem positiven Ausgang befriedigt.
Das ist das tolle an diesem Film, er ist nur äußerlich ein normaler Italowestern, sein Kern besteht aber aus einem Gebilde aus Ideen und Symbolen, aus Metaphern und Weltansichten, man muss sich einfach ein wenig damit beschäftigen um diese zu entdecken, man sollte sich die einzigen Figurengruppen ansehen, ihr Auftreten untersuchen und ihre Motivationen herausfinden und man wird einige Parallelen zur Wirklichkeit ziehen können…ich mag das.
Filmtechnisch nicht perfekt, aber ein sehr liebenswerter Film, mit dem man sich länger beschäftigen sollte. Für mich einer der tollsten Italowestern der je gedreht wurde.