#9 der Koch Media Western Collection
Der letzte Zug nach Durango (Italien, Spanien 1967, Originaltitel: Un treno per Durango)
Herr Steingesicht macht Spass
Gringo (Anthony Steffen) und Lucas (Enrico Maria Salerno) schlagen sich mühevoll durchs Leben, gerade haben sie einen erfolglosen Trip auf der Suche nach Platin hinter sich. Nun soll die Reise per Zug nach Durango führen, für die Tickets gehen Gäule und Knarren drauf, denn die Taschen des Duos sind völlig leer. Im Zug trifft Gringo auf die äusserst anziehende Journalistin Elène (Dominique Broschero), in die er sich Hals über Kopf verliebt. Plötzlich knallt und scheppert es gewaltig, eine wilde Bande mexikanischer Schurken überfällt den Zug, Ziel ihrer Begierden ist ein Tresor voller Gold. Es kommt jedoch nicht dicker, Gringo wird von einem Banditen niedergeschossen, Elène fällt in die Hände der ruchlosen Verbrecher. Immerhin hat Gringo Glück im Unglück, die Kugel des Killers wurde durch ein zuvor gestohlenes Zigarrenetui gestoppt. Auch Lucas überlebt die Attacke der wüsten Horde, ferner finden die ungleichen Freunde die beiden zum Tresor gehörigen Schlüssel. Nun beginnt ein aufregendes Abenteuer für unsere Helden, die sich umgehend an die Fersen der Mexikaner heften, zumindest unternehmen sie den Versuch dazu. Selbstverständlich geraten Gringo und Lucas in jede Menge brenzlige Situationen, aus denen sie immer wieder ein rätselhafter Bursche (Mark Damon) rettet...
"Der letzte Zug nach Durango" nutzt die mexikanische Revolution als "Hintergrundszenario", beschäftigt sich aber nur am Rande mit Politik. In erster Linie ist der Streifen ein typischer Italowestern, der durch die Zugabe einer ordentlichen Portion Humor in Richtung Komödie tendiert. Im Vorfeld sorgte das Wort "Komödie" für Sorgenfalten auf meiner alten Stirn, denn mit den üblichen Klamaukreissern kann ich
(oft) nicht allzu viel anfangen. Glücklicherweise war meine Sorge unbegründet, der Humor rasselt hier nicht mit dem Vorschlaghammer samt "Kalauer-Synchronisation" auf den Zuschauer hernieder. Nein, dieser Film kann tatsächlich mit wirklich lustigen Momenten aufwarten, besonders die herrlich selbstironische Darbietung von Anthony Steffen sorgt für jede Menge Schmunzler
(der Vollständigkeit halber: Antonio Luis von Hoonholtz de Teffè. Oder in der Kurzform: Antonio De Teffè). Regisseur Mario Caiano wirkte bei der Entstehung der Story mit, auch Duccio Tessari war involviert, der Fan des italienischen Genrekinos nimmt es mit Wohlgefallen zur Kenntnis.
Anthony Steffen ist noch immer für viele Italowestern-Fans ein Reizthema, oft wirft man ihm seine eingeschränkte Mimik vor, stempelt ihn als hüftsteif und hölzern ab. Unbestritten ist jedoch, dass Steffen zur grossen Zeit des Genres einer der gefragtesten Akteure war, daran können selbst seine grössten Skeptiker nicht rütteln. Ich mag Herrn De Teffè, seine Gestalt und sein markantes Gesicht reichen mir aus, um ihn zum erweiterten Kreis meiner liebsten Westernhelden zu zählen. Vielleicht lassen sich diesmal sogar die Nörgler zu einem milden Urteil bewegen, denn Steffen nimmt sich so treffsicher und gelungen auf die Schippe, wie soll man ihn da noch verteufeln? Also ihr spitzfindigen Meckermäulchen, gebt euch einen Ruck, es lohnt sich! Klar, Steffen profitiert ungemein von der Zusammenarbeit mit Enrico Maria Salerno, der die ihm zugeworfenen Bälle mit lockerer Meisterschaft zurückspielt, die beiden "tragisch-komischen Möchtegern-Helden" ergänzen sich vortrefflich. Bereits die zahllosen
knuffigen Augenblicke zwischen Steffen und Salerno verleihen der Sause jede Menge Liebenswürdigkeit, der sich sogar ein Mufflon wie ich nicht entziehen kann. Mark Damon taucht stets zur rechten Zeit auf, hilft den überforderten "Schmalspur-Giganten" aus der Patsche. Bei Bedarf tuckert er mit seinem zwölf Pferdestärken aufbietenden Automobil herbei, lässt den Colt sprechen, im Ernstfall auch das Maschinengewehr rattern. Als undurchsichtiger "James-Bond-Ersatz" macht er eine gute Figur, obschon die Helden nur ungern und unfreiwillig auf seine Unterstützung bauen. Dominique Boschero sorgt für die weiblichen Reize, versteht es aber ebenso sich als wehrhafte Kratzbürste zu behaupten. In den Nebenrollen tauchen bekannte Gesichter auf, die jedem Freund des Italokinos ans Herz gewachsen sind. Namen wie Aldo Sambrell, Roberto Camardiel und José Bódalo sollten in dieser Hinsicht für sich sprechen. Wem diese Namen kein Begriff sind, sollte nach Bildern suchen, dadurch dürften sich einige "Ahaaaa-Momente" einstellen.
Mario Caiano stand ein solides Ensemble zur Verfügung, aus dessen Kreis vor allem Anthony Steffen mit einer bemerkenswerten Vorstellung im Gedächtnis bleibt. Die Kamera wurde von Enzo Barboni bedient, der später diverse Spencer & Hill Schoten als Regisseur verantwortete.
"Un treno per Durango" bietet dem Fan ein wohlschmeckendes Mahl an. Es wird fleissig geballert und gestorben, der Humor ist für einen Western erstaunlich geistreich, eine Prise Revolution und ein Hauch Erotik runden den positiven Gesamteindruck ab. Übrigens beissen etliche Gesellen in den Staub, bei genauer Betrachtung offenbaren sich ab und an zynische Zwischentöne. Dass der Flick letztlich gar nicht soooo furchtbar typisch daherkommt, ist vor allem ein Verdienst des gelungenen Humors. Auf den Punkt gebracht: Überwiegend typisch, jedoch keinesfalls abgenudelt, angenehm frisch, frech & fröhlich!
Die Western Collection aus dem Hause Koch Media
-wegen der farbenfrohen Covergestaltung gern "Regenbogen-Collection" genannt- ist für jeden Italowestern-Freund eine Quelle der Lust. Neben Klassikern des Genres
("Der Gehetzte der Sierre Madre" (1966) und/oder "Töte Amigo" (1967)) bietet die Reihe vor allem kleinere Perlen an, die auf ansprechende Weise aus dem Strudel der Vergessenheit gerettet wurden.
"Der letzte Zug nach Durango" präsentiert sich sehr gut aufbereitet, die Bildqualität lässt kaum noch Wünsche offen, viel mehr geht auf einer DVD nicht. Im Bonusbereich plaudern Regisseur Mario Caiano und Darsteller Mark Damon aus dem Nähkästchen, ferner gibt es einen Trailer und eine Bildergalerie zu sehen. Wie üblich befindet sich die DVD in einem aufklappbaren Digipak, welches im Inneren einen lesenswerten Textbeitrag und hübsche Bilder anbietet. Noch ist die Scheibe für rund 10€ zu bekommen, in Anbetracht des Gebotenen ein geradezu unverschämt günstiger Preis, also greift schnellstmöglich zu!
Fraglos bleibt
"Der letzte Zug nach Durango" deutlich hinter meinen Lieblingen zurück, dennoch ist dieser Streifen eine Bereicherung für jede Sammlung, für Fans sowieso unverzichtbar. Eine "sachlich-nüchterne" Bewertung
(haha, als ob ich dazu in der Lage wäre) würde ich im Bereich 6,5-7/10 ansiedeln. An dieser Stelle muss ich einmal mehr in die grosse Kiste mit den Wohlfühl- und
Knuffigkeitspunkten greifen, die der geneigte mit dem Herzen schauende Filmfreund bitte hinzuaddieren möge.
Lieblingszitat:
"Schmeiß ihn irgendwo hin. Wir suchen erstmal den Geldschrank."