#11 der Koch Media Western Collection
Eine Flut von Dollars (Italien 1966, Originaltitel: Un fiume di dollari)
Rache und eine kleine Dosis Irrsinn
Jerry Brewster (Thomas Hunter) und Ken Seagull (Nando Gazzolo) haben die Armee um eine stattliche Summe erleichtet, doch ein Trupp Soldaten ist den Gaunern auf den Fersen. Per Spielkarte entscheidet das Duo über sein weiteres Vorgehen, Ken erwischt die höhere Karte, kann unerkannt mit dem Zaster flüchten. Auf Jerry kommt eine schwere Zeit zu, fünf Jahre Gefängnis und harte Zwangsarbeit ziehen nicht spurlos vorüber. Nach der Entlassung wartet ein verlassenes Familienanwesen auf Jerry, seine Frau ist verstorben, der gemeinsame Sohn verschwunden. Ein von Jerrys Frau hinterlassener Brief kündet von Seagulls Kälte. Trotz eines gegebenen Versprechens und reicher Beute, war der Schurke nicht zur Unterstützung der Familie seines Komplizen bereit. Es kommt noch dicker, Seagull nennt sich inzwischen Milton und hat längst Killer auf seinen ehemaligen Kumpel angesetzt. Dank unerwarteter Hilfe eines gewissen Getz (Dan Duryea) kann Jerry das Mordkommando beseitigen, nun will er um jeden Preis blutige Rache üben! Kein leichtes Unterfangen, denn der reiche Milton umgibt sich mit einer Truppe schiesswütiger Gestalten, die ihrerseits von dem überspannten Garcia Mendez (Henry Silva) angeführt werden...
Carlo Lizzani baut ungewöhnliche Zwischentöne in den Streifen ein. Der Western gehört nicht zu den bevorzugten Tatigkeitsfeldern des Regisseurs, was in diesem Fall nicht unbedingt zu einem vorteilhaften Resultat führt. So driftet der Held ab und an in hysterische Gefilde ab, lässt sich eine gewisse Nähe zum klassischen US-Western nicht leugnen, ferner dämpft ein äusserst schleimiges Ende die Freude deutlich.
"Eine Flut von Dollars" vergibt die Chance frischen Wind in das Genre zu bringen, die untypischen Ausritte sorgen eher für unfreiwillig alberne
-bis nahezu ärgerliche- Momente. Guter Standard wird in den Disziplinen Ausstattung, Kamera und Musik geboten
(obschon der Score von Ennio Morricone keinesfalls zu den besten Arbeiten des Meisters gehört), ein gesunder Härtegrad ist ebenso vorhanden. Der Plot bewegt sich auf ausgetretenen
(positiver formuliert: bewährten) Pfaden, Rache ist Blutwurst.
Vielleicht wollte Carlo Lizzani dem Hauptcharakter Tiefe verleihen, trieb Thomas Hunter daher zu Geschrei und Fratzen an. Leider mangelt es dem amerikanischen Schauspieler an Talent, um diese Augenblicke auch nur annährend berührend zu gestalten. Versagen auf ganzer Linie kann man Hunter nicht vorwerfen, abseits dieser Ausbrüche macht er seinen Job ordentlich.
"Ordentlich" reicht oft nicht aus, von einem Helden
(oder Antihelden) erwarte ich mehr greifbare Präsenz, mehr Charakter, mehr Gesicht. Ähnlich ist es um dem väterlichen Buddy der Hauptfigur bestellt, zwar kommt Dan Duryea sympathisch rüber, bleibt aber ähnlich blass und konturarm. Freilich ist Henry Silva ein ganz anderes Kaliber, Herr Eckschädel stiefelt in schwarzen Klamotten durch das Szenario, haut uns seine herrlich durchgeknallte Lache mehrfach um die Ohren, spielt die
"Guten" mühelos an die Wand. Nando Gazzolo übt sich in Verschlagenheit, wird von Silva an den Rand gedrängt, kann in seiner Nische dennoch punkten. Zwei attraktive Damen dürfen nicht fehlen, Nicoletta Machiavelli erinnert den Helden an seine verstorbene Gattin, Gianna Serra macht uns das hinterliste Klischee-Flittchen im Bardamendress.
Noch ein paar Worte zu den weiter oben angerissenen Schwachpunkten. Charaktertiefe vorzugaukeln scheitert an den Fähigkeiten des Hauptdarstellers Thomas Hunter, immerhin wetzt Henry Silva diese Scharte teils aus, weniger mit Tiefgang, vielmehr mit überschäumender Spielfreude und aufblühendem Wahn. 1966 war der Italowestern noch jung, dazu ein im Genre unerfahrener Regisseur, daher will ich die Nähe zum US-Western nicht überbewerten
(bereits eine andere Besetzung der Hauptrolle hätte in dieser Hinscht ansatzweise Abhilfe schaffen können). Richtig sauer aufgestossen ist mir das unfassbar kitschige Ende
(laut Expertenangaben im Bonusbereich gibt es zwei Fassungen, die DVD zeigt die weichgespülte Variante). Einsteiger sind mit anderen Werken weitaus besser beraten, immerhin kam Sergio Corbucci 1966 mit
"Django" aus der Kiste, den Namen Sergio Leone lasse ich an dieser Stelle unkommentiert. Auch abseits der ganz grossen Namen gibt es viele Perlen zu entdecken, ergo wird
"Eine Flut von Dollars" hauptsächlich für Genrefans, Sammler und Italo-Allesglotzer interessant sein. Ich möchte den Film nicht missen, auch wenn er nie den Weg in meine persönlichen
"Western-Top-100" finden wird.
Alles andere als mittelmäßig ist die DVD aus dem Hause Koch Media geraten!
"Eine Flut von Dollars" liegt in sehr schöner Qualität vor, der Ton wird in deutscher, englischer und italienischer Sprache angeboten. Großartige Boni runden das Paket ab! Der inzwischen leider verstorbene Antonio Bruschini teilt sich uns mit, Hauptdarsteller Thomas Hunter plaudert sehr kurzweilig aus dem Nähkästchen, Nicoletta Machiavelli kommt zu Wort, dazu gibt es einen Trailer und eine Bildergalerie. Wie üblich kommt die Scheibe aus der
Koch Media Western Collection in einem schicken Digipak daher.
Fazit: Erstklassige Veröffentlichung eines mittelprächtigen Streifens!
5/10 (Mittelklasse)
Lieblingszitat:
"Schafft die Leichen raus!"