DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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DrDjangoMD
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IN EINEM SATTEL MIT DEM TOD

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Originaltitel: Hannie Caulder
Land: England
Jahr: 1971
Genre: Western
Regie: Burt Kennedy

Handlung:
Nach einem blutigen Banküberfall befinden sich die Clemens-Brüder (Ernest Borgnine, Jack Elam, Strother Martin) auf der Flucht. Auf selbiger gelange sie zur Behausung der Hannie Caulder (Raquel Welch), die sie kurzerhand vergewaltigen und deren Mann sie umbringen. Rache schwörend trifft Hannie auf den Kopfgeldjäger Thomas Luther Price (Robert Culp), der sie in Sachen Waffenführung unterrichtet…

Kritik:
Western spielen in einer Zeit in deren Frauen, sein wir ehrlich, wenig zu sagen hatten. Gedreht wurden sie teilweise jedoch in einer Zeit in der dieser Umstand Gott sei dank weitgehend aufgehoben war. Nun waren viele Regisseure und Drehbuchautoren bemüht, den emanzipatorischen Zeitgeist auf ihre Filme zu übertragen und es entstanden einige Western mit weiblichen Hauptrollen. Ich begrüße zwar immer äußerst, wenn ein Film, der in einer vergangenen Zeitperiode spielt, starke Parallelen zur Gegenwart aufweist, aber ich muss mir leider eingestehen, dass die meisten Regisseure, die dieses noble Ziel angingen, klägslichst versagten. (Ja, ich mag selbst „Spiel mir das Lied vom Tod“ nicht, ehrlich, für mich der schlechteste Leone-Western! :oops: )
Das Problem liegt in meinen Augen darin, dass man die Frauen, die sich in der von Männern dominierten Welt behaupten wollen, entweder zu weibisch lässt oder ihnen im Gegenteil alles Feminine wegnimmt. Damit meine ich: Entweder werden Frauen in wichtige Rollen gedrängt (dies gilt für Hauptrollen genauso wie für wichtige Nebenrollen) einfach deswegen, man vergisst aber diese Frauen außergewöhnlich zu machen. Viele Damen, die sich Westernheldinnen schimpfen bleiben schwach, schreckhaft und feige. Oft geschieht es, dass der Schurke nachdem er den Helden entwaffnet hat von der Freundin des Helden eins in den Rücken bekommt (wenn ich mich recht erinnere ist das selbst in „Zwölf Uhr Mittags“ der Fall), und die Filmemacher stellen das so dar, als wäre es trotzdem heroisch, weil für eine Dame selbst das in den Rücken Ballern bewundernswert ist. Dem ist aber nicht so; Leute, die anderen Leuten in den Rücken schießen sind nicht heldenhaft sondern feige, egal welches Geschlecht sie haben.
Auf der anderen Seite haben wir dann weibliche Rollen, die nicht mehr als solche zu erkennen sind, die sich wiederum zu männlich benehmen, die hart im nehmen sind und sich durch ungehobeltes Benehmen bemerkbar machen. Dies ist fast noch schlimmer! Es wirkt einfach unglaubwürdig und außerdem ist das Bewundernswerte an sich behaupteten Frauen, dass sie trotz ihres Geschlechtes Heldentaten vollbringen; wenn von diesem Geschlecht nichts mehr übrig ist, wankt das ganze Konzept.
Warum nun diese lange Einleitung? Weil ich heute über einen Film sprechen möchte, der als Western mit seiner weiblichen Hauptrolle einfach perfekt umgegangen ist. Nämlich „In einem Sattel mit dem Tod“ mit Raquel Welch als Hannie Caulder. Das Wunderbare an ihrer Figur ist, dass sie wie eine klischeehafte weibliche Western-Stereotype beginnt. Das erste mal, dass wir sie sehen, steht sie in einer Küche und eine Einstellung später wird sie schon von einem Haufen Banditen vergewaltigt. Wenn danach nicht ihr Mann sondern sie ins Gras gebissen hätte, wäre dies beispielsweise ein wunderbarer Anfang für einen Django-Film geworden.
Nun lernen wir aber einige ihrer starken Charaktereigenschaften kennen, die aber keinen Widerspruch zu ihrer femininen Seite bilden: Sie ist hartnäckig, hat Durchhaltevermögen und Sinn für Gerechtigkeit. Alles wunderbare Vorraussetzungen um sich auf einen Rachefeldzug zu begeben. Doch eben weil sie eine Hausfrau aus dem vorigen Jahrhundert ist, wurde sie weder auf den Umgang mit Waffen erzogen, noch hat sie eine Militärvergangenheit, weswegen sie das Schießen erst von einem Mann, gespielt von Robert Culp, erlernen muss.
Wir erleben mit wie sie sich langsam zu einer Meisterschützin entwickelt und durch dieses „langsam“ wird es glaubwürdig. Schließlich verfügt sie über alle heroischen Eigenschaften eines typischen Westernhelden, sie verfehlt ihr Ziel nicht und (ganz wichtig) sie gibt ihren Gegnern die Chance sich zu wehren. Sie knallt nicht einfach Leute von hinten ab (schneide dir gefälligst eine Scheibe ab, Grace Kelly :nixda: ).
Dennoch behält sie, obwohl sie zielführend in Etappen zu einem wunderbaren Pistolero geworden ist, einige weibliche Eigenschaften. Sie hat noch Skrupel ein Menschenleben zu nehmen, sie spielt gerne mit Kindern herum und sie freut sich, wenn man ihr ein Kompliment macht. Dies alles macht Raquel Welch’s Figur in meinen Augen zu der schlichtweg besten weiblichen Rolle, welche ich jemals in einem Film dieses Genres gesehen habe.
Nach diesem kleinen Exkurs „Wie drehe ich einen feministischen Western“, hier nun noch ein paar Bemerkungen zu den anderen Aspekten des Filmes, die nicht minder gelungen sind: Die drei Schurken sind geniale Figuren. Gleich in der ersten Szene knallen sie einige arme Teufel äußerst kaltblütig über den Haufen und sie zeigen überhaupt reichlich Gewaltbereitschaft. Aber die Art wie sie miteinander sprechen, ihre witzigen Dialoge, machen sie auch zu einer spaßigen Truppe. Dadurch werden wir einerseits bestens unterhalten, wenn die drei im Bild sind, und andererseits gönnen wir der guten Raquel aber aus ganzem Herzen, dass sie diese brutalen Bastarde nach Strich und Faden fertig macht (langsam und qualvoll bevorzugt).
Auch wenn sie qualitativ Top sind, sind drei Bösewichtern quantitativ etwas wenig, aber der feinfühlige Drehbuchautor hat zum Glück da noch eine Gruppe Mexikaner reingeschrieben, die kurz mal vorbei schauen und unverzüglich von unseren Protagonisten in die ewigen Jagdgründe befördert werden. Am Rande sei übrigens auch erwähnt, dass Christopher Lee eine kleine feine Rolle als pazifistischer Waffenschmied einnimmt.
Die Inszenierung ist spitzenmäßig: Durch eine gekonnte Kameraführung und den richtigen Einsatz von Zeitlupe werden Szenen unaussprechlicher Spannung heraufbeschworen, nicht zuletzt auch, weil wir um das Leben der guten Charaktere kümmern können. Regisseur Burt Kennedy ist im Westerngenre erprobt, weiß also, wie man es richtig macht, hat aber auch den Mut ein wenig herumzuexperimentieren, was dem Film noch um eine Stufe besser macht.
Ein Punkt wird dem Film abgezogen, einerseits, weil ein paar Charaktere entweder aus dem nichts kommen oder in selbiges verschwinden, wie der Trupp Soldaten, der den Banditen hinterher jagt und nicht mehr vorkommt, oder der Schwarzgekleidete, der einmal eine Miniszene hat und sich aufgrund derer schon für eine Hauptfigur hält und meint, er hätte jetzt das Recht am Schluss der große Deus ex Machina zu sein. Auch gibt es Szenen, die vielleicht nicht komödiantisch zu nennen sind, aber so gefilmt wurden, was recht unpassend daherkommt. Die Art und Weise wie Welch, die mit ihrer nassen Hose durch die Stadt schreiten muss, ins Bild gerückt wurde, verweist beispielsweise auf eine billige Komödie, was bei dem harten Ton des Filmes ein wenig ablenkt. Aber dies sind nur kleine Anmerkungen, und auch wenn sie diesem Film die Höchstnote verwehren, wird er in meinem Herzen immer ganz groß bleiben…
…heißt das etwa, ich habe einen USA-Western gefunden, der nicht von Peckinpah ist und den ich trotzdem abgöttisch lieben kann??? Ist die Hölle etwa zugefroren, kann man sich denn auf gar nichts mehr verlassen. Oh hey, mein Italowesternliebling Aldo Sambrell lehnt sich in einer Szene kurz aus einem Fenster. Oh hey, der italowestern-erprobte Luis Barboo schaut einmal kurz als Mexikaner vorbei. Oh hey, der Streifen wurde nicht in Amerika sondern in Spanien gedreht…Könnte es vielleicht sogar sein, dass…JA, er ist ein englischer Film, kein amerikanischer. Hurra, es gibt also noch Sachen auf die man sich verlassen kann! :D
Fazit: Eine durch und durch gelungene Inszenierung, spaßige aber diabolische Schurken und die schlichtweg BESTE weibliche Rolle, die ich jemals in einem Western sehen durfte, gespielt von einer hervorragenden Raquel Welch, machen diesem Film zu einem wahnsinnig guten Genrevertreter. 9/10 :thup: :thup: :thup:
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DrDjangoMD
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ONKEL ADDI – GIB DEM FÜHRER SAURES

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Originaltitel: Zio Adolfo, in Arte Führer
Alternativtitel: Gib’ dem Bruder Saures
Land: Italien
Jahr: 1978
Genre: Komödie
Regie: Franco Castellano, Giuseppe Moccia

Handlung:
Während es Herman (Adriano Celentano) als sadistischer Frauenmörder in eine hohe Position bei der SS schafft, versucht sein bettelarmer Bruder Gustav (auch Adriano Celentano) Hitlers Regime mittels Sprengstoff zu beenden. Dieser Bruderzwist kann selbstverständlich nur auf eine Weise gelöst werden: Mit Russischem Roulette…warum? Weil irgendein Italiener „Die durch die Hölle gehen“ gesehen hat und fand, das hätte großartiges Comedy-Potential. :palm:

Kritik:
So eine schreckenserregende Zeit wie der Nationalsozialismus ist nicht lustig. Doch sie kann lustig gemacht werden, sofern ein im Komödiengenre hochklassiger Spaßvogel sich ihr annimmt. Das Publikum kann also selbst über eines der dunkelsten Kapitel der Menschheit lachen, solange es von Leuten wie Charlie Chaplin, Mel Brooks oder Walt Disney vermittelt wird…so…nachdem das gesagt wurde: Wer führt Regie bei „Onkel Addi – Gib dem Führer Saures“? Enzo Barboni? Stefano Vanzina?… :| ohh…die beiden Typen, welche „Wild trieben es die alten Hunnen“ gemacht haben… :( ohh…OK…ich erwarte lieber das Schlimmste. :nick:
Nachdem ich den Film nun gesehen habe muss gesagt werden: Das Schlimmste war noch untertrieben. Wogegen nämlich Filme wie „Wild trieben es die alten Hunnen“ zwar durch ihren dunklen Ton als Komödie völlig versagen, aber wenigstens mit trashiger Naivität bestechen, übertreibt es „Onkel Addi“ so krass mit den Grausamkeiten und Perversionen, die in dieser angeblichen Komödie gebracht werden, dass man einfach nicht mehr drüber lachen kann.
Um dies zu spezifizieren, hier ein paar kleine Tipps an die Herren Regisseure: Nazis sind nicht lustig. Krieg ist nicht lustig. Erschießungskommandos sind nicht lustig. Russisches Roulette ist nicht lustig. Archivaufnahmen von dem durch Bomben zerstörtem Berlin sind nicht lustig. Kollektiver Selbstmord ist nicht lustig. Sodomie mit einem Hund ist nicht lustig. Ein Jude, der von Jagdhunden gehetzt wird ist nicht lustig. Die Vergewaltigung eines zirka zehnjährigen Mädchens ist nicht lustig. Ein Mann, der eine Frau vor versammeltem Publikum langsam massakriert, während diese kläglich um Hilfe schreit ist nicht lustig. :x
Das Schlimme bei all diesen Sachen ist die Art wie sie vermittelt werden. Es wirkt nämlich nicht wie eine bewusst schwarze Komödie und auch nicht wie trockener Sarkasmus, sondern es wirkt so, als ob die Leute, die den Film inszeniert haben, wirklich dachten all diese Abarten hätten Comedy-Potential. Ich gehe fast so weit zu sagen, dass „Onkel Addi“ dadurch einer der verstörendsten Filme ist, den ich je gesehen habe. Sicher, in Sachen Gore und Zeigefreudigkeit sind diverse Vertreter des Kannibalen-, Nazi- und Caligulasploitationgenres wesentlich härter, aber bei diesen Filmen habe ich wenigstens nicht das Gefühl, dass Brass, Deodato, D’Amato und Co. sich hinter der Kamera einen ablachen über das kranke Zeugs, was sich vor ihnen abspielt. Und das ist es, was mich verstört, nicht die bloße Existenz von derlei Grausamkeiten, sondern die Tatsache, dass es tatsächlich Leute gibt, die das lustig finden.
Entfernen wir uns mal ein wenig von diesem einen gewaltigen Minuspunkt und betrachten ob der Rest des Filmes mich wenigstens über den durch den Streifen erlittenen psychischen Schaden hinwegtrösten kann. Spoiler: Er kann es nicht. :| Wenn sie nicht gerade mit Filmen wie „Asso“ oder „Der gezähmte Widerspenstige“ (relative) Glückstreffer landen, zeichnet sich die Komik der Herren Castellano und Moccia einerseits dadurch aus, dass sie recht originelle und innovative (wenn auch nicht immer gelungene) Ideen haben, die halbwegs bei Laune halten, jedoch die einfachsten Gags durch ihren gewaltigen Dilettantismus versauen.
Für ersteres sprechen auch hier eine Vielzahl von verschiedensten Handlungssträngen und einige Originalitäten, wie die neusynchronisierten Archivaufnahmen von Hitler, die über weite Strecken hinaus Langeweile verhindern. Um ihre Unfähigkeit als Regisseure zu veranschaulichen sei hier eine Szene als Beispiel beschrieben: Nach dem Krieg sieht sich ein junges Liebespaar endlich wieder. Mit offenen Armen laufen sie in einem weiten Feld aufeinander zu. Es ist offensichtlich, dass sie irgendwann auf eine Mine steigen werden, ich wusste, dass sie irgendwann auf eine Mine steigen werden, jeder Mensch der das sieht weiß, dass sie irgendwann auf eine Mine steigen werden; kein guter Gag, ein alter Gag und kein besonders gelungener noch dazu, aber zumindest ein Gag. Doch unsere beiden Regieeumel sahen sich genötigt, den jungen Mann bei einem Schild vorbeilaufen zu lassen, auf dem „Minenfeld“ steht, nur um noch die letzte Möglichkeit auf einen Überraschungseffekt zu vernichten. Ihr Idioten!!! Humor braucht das Unerwartete. Zwei Leute, die auf eine Mine treten, können nicht lustig sein, wenn es uns auf die Nase gebunden wird, dass sie auf eine Mine treten werden! Man nennt das Überraschungseffekt, Humor funktioniert so, hört auf Komödien zu machen, wenn ihr das nicht kapiert! Bei Mel-Brooks-Filmen befindet sich schließlich auch keine Tafel im unteren Bildrand, die anzeigt, wie viele Sekunden es noch bis zur nächsten Pointe sind! :nixda:
Nach diesem Wutausbruch muss Fairerweise gesagt werden, was ich an dem Film mochte: Ich mochte die Szene, in der ein Schneider über die modischen Besonderheiten, die er für „Addi“ angefertigt hat spricht, während man Archivaufnahmen von Hitler in teilweise alberner Aufmachung sieht (ich musste bei dieser Szene lachen; ein Umstand, dem ich bei italienischem Klamauk nur sehr selten verfalle). Und ich mochte vor allem Adriano Celentanos Performance. In der Doppelrolle tut er sich wirklich gut, scheint Spaß am Drehen gehabt zu haben und macht wunderbar einen Wellensittich nach. Nur leider wird all sein Bemühen von der Unfähigkeit des Regie-Duos zu Nichte gemacht. Nehmen wir beispielsweise seinen ersten Auftritt: Er spielt einen Bühnenzauberer, der im Stande ist eine eingekistete Frau durchzusägen. Unter die Kiste stellt er eine Schüssel und sagt: „Das ist für das Blut.“ Die trockene Kälte, mit der er diesen Satz vermittelt hat, ließ mich grinsen. Ein wirklich guter Gag. Aber er wird sofort ruiniert, durch das klägliche Geschrei der Frau und die Tatsache, dass sie bei dem Bühnenakt wirklich ihr Leben lassen musste.
Mit Gustavs Attentaten auf Hitler habe ich auch so meine Probleme:
- Anscheinend ist es furchtbar leicht ein Sprengstoffattentat auf Hitler zu verüben, denn alle Anschläge werden nur durch Gustavs grenzenlose Dummheit vereitelt.
- Selbst wenn das Attentat gelänge, würde es keinen Sinn machen, denn da Gustav sämtliche Explosionen, die nach hinten losgehen und ihn treffen, unbeschadet übersteht, scheint dies sowieso nicht tödlich zu sein.
- Selbst wenn Hitler bei einem der Anschläge ums Leben käme, wäre dies auch nicht weltbewegend, denn der Film vertritt die Botschaft, dass Hitler der Messias ist und wieder auferstehen kann oder so. :doof:
Apropos: In den letzten fünf Minuten schlägt der Film endlich eine deutliche Anti-Nazi-Haltung ein und tut so, als hätte er tieferen Sinn, aber hey, Hitler wurde im Laufe des Filmes vier mal mit Jesus verglichen, ein wenig Moral am Schluss kann mich da nicht mehr überzeugen, dass die Regisseure und Drehbuchautoren keine abartigen Hyperdoofköpfe sind. :evil:
Fazit: Nicht mal die Laune, die Adriano Celentanos Doppelrolle verbreitet, kann über den dilettantischen Humor hinwegtrösten mit dem hier abstoßende Grausamkeiten in Szene gesetzt wurden. Ich meine Filme wie „Ilsa“ sind zwar auch voll kranker Abarten, aber sie vermitteln diese wenigstens mit Seriosität…Moment mal, habe ich gerade ernsthaft „Ilsa – Die Hündin von Liebeslager 7“ als seriösen Film bezeichnet? :( Da seht ihr, was „Onkel Addi“ mit mir gemacht hat, ich werde mich nie wieder über leichtsinnige Exploitation lustig machen können, da ich mir auch bei den dämlichsten Filmen eingestehen werden muss: „Wenigstens besser als ,Onkel Addi’“! :cry: :cry: :cry: :cry: -1/10
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DrDjangoMD
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DER MÖRDER MIT DEM SEIDENSCHAL

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Originaltitel: Der Mörder mit dem Seidenschal
Land: Deutschland, Italien
Jahr: 1966
Genre: Krimi
Regie: Adrian Hoven

Handlung:
Die Mutter der kleinen Claudia (Hallo, Helga Liné :winke: ) wird ermordet (Ciao, Helga Liné :winke: ). Doch ihre Tochter sah die Tat mit an und steht seitdem auch auf der Abschussliste des Mörders mit dem Seidenschal…

Kritik:
„Der Mörder mit dem Seidenschal“ ist ein Film, bei dem viele Aspekte, sei es das Casting oder der visuelle Stil, auf den ersten Blick vielleicht befremdlich wirken, auf den zweiten jedoch einen Beweis für Können und Feingefühl der gesamten Cast und Crew abgeben.
Zunächst mal verzichtet der Regisseur, Adrian Hoven, recht gerne auf Establishingshots. Das mag zwar hier und da verwirrend wirken, doch wir dürfen nicht vergessen, dass der Großteil des Streifens aus der Sicht eines kleinen Kindes geschildert wird. Das bewusste Weglassen von Orientierungshilfen gibt uns einen Einblick in die Welt des frischgebackenen Waisenkindes, welche selbstverständlich überfordernd und erschreckend wirken soll. Zusätzlich ist das Bild in schwarzweiß gehalten, was die unheimliche Atmosphäre mit all der Dunkelheit, den Schattenspielen und der Eintönigkeit dieses Stils noch mal verdichtet.
Damit eine minderjährige Protagonistin auch funktioniert, bedarf es jedoch nicht nur eines kompetenten Regisseurs, sondern auch einer überzeugenden Kinderdarstellerin. Als ich Susanne Uhlen das erste Mal in ihrer Rolle als Claudia sah, wurde mir da jedoch etwas mulmig. Sie hat so ein glattes Puppengesicht mit ein wenig eingefallenen Augen und wirkte eher wie die Frau aus „Augen ohne Gesicht“ und weniger wie ein nettes unschuldiges kleines Mädchen. Aber zum Glück stellte sich heraus, dass sie eine wirklich gute Schauspielerin ist und trotz ihrer jungen Jahre eine solide Performance abgab. Man konnte mit ihr mitfühlen, ihre Emotionen wirkten glaubhaft und das ist selten bei so jungen Darstellern.
Folco Lulli gibt einen gutmütigen dicklichen Kommissar nach bewährten Schema F von der Sorte, wie sie nach der Arbeit zu Hause mit den Kindern herumtollen oder aus Jux und Tollerei hier und da Waisenkinder adoptieren ohne sich vorher mit der Gemahlin abgesprochen zu haben. Besonders dieser letzte Zug von ihm war zwar ein wenig übertrieben, aber da das gesamte Personal des Filmes sowieso, möglicherweise hervorgerufen durch die kindliche Sicht auf diese Leute, einer Schwarzweißmalerei sondergleichen unterliegt, stört dieser herzensgute Kommissar nicht sondern stellt einen liebenswerten Helden dar. Ihm zur Seite stehen ein solider Harald Juhnke und…Ady Berber??? Nachdem man sich aber mal mit der Tatsache abgefunden hat, dass irgendwer ernsthaft den „Blinden Jack“ für eine Rolle mit Dialog und Anzug gecastet hat, wird man feststellen, dass auch Ady Berber als Ermittler äußerst überzeugend und natürlich rüberkommt. Leider sollte dieser Film seine vorletzte Rolle sein.
Die Gegenspieler sind ebenfalls gut besetzt mit einerseits dem Regisseur selbst, Adrian Hoven, als schmierigen Glücksspieler und Carl Möhner als einnehmenden Erzschurken. Möhner gibt nicht nur eine brutale und skrupellose Performance, er würde auch von der Nase aufwärts ein erstaunlich gutes Clind Eastwood Double abgeben. Anyway, ich hätte es zwar sehr begrüßt, dass die hassenswerte rüpelhafte Rolle Möhners sich gegen Ende nicht als der Mörder herausstellt (wir sehen anfangs nämlich nur die Füße des Täters und Claudia braucht recht lange, bis sie Möhners Figur eindeutig identifiziert), damit der Film zumindest einen Twist beinhaltet und auch eine Hauptperson hat, die nicht eindeutig gut oder böse zu nennen ist. Aber der Film entschloss sich auf solcherlei Überraschungen zu verzichten. Ein wenig schade vielleicht, aber letzten Ende fügt sich das doch ganz gut in das reale ungekünstelte Licht, in dem der Streifen seine Story erscheinen lässt.
Fazit: Atmosphärische Höchstleistungen und eine gelungene Besetzung machen diesen Film zu einem unheimlichen und spannenden Vergnügen. Durch eine gute Kinderdarstellerin und einen feinfühligen Regisseur können wir stets mit der jungen Protagonistin mitfiebern. 8/10… :? Moment mal, was ist das da im Hintergrund? Das Riesenrad? Spielt der Film etwa in Wien? 9/10 :mrgreen:
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DrDjangoMD
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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INFERNO UNTER HEISSER SONNE

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Originaltitel: Al tropico del cancro
Land: Italien
Jahr: 1972
Genre: Giallo
Regie: Edoardo Mulargia, Giampaolo Lomi

Handlung:
Das Ehepaar Fred (Gabriele Tinti) und Grace (Anita Strindberg) reist nach Haiti um den mit Fred befreundeten Arzt Williams (ANTHONY STEFFEN!!!) zu besuchen. Der hat seinerzeit eine Formel entdeckt, die sich diverse skrupellose Geschäftsleute unter den Nagel reißen wollen. Williams kennt jedoch die Gefahren seiner Entdeckung und zeigt sich stur. Unter den Interessenten für die Formel finden sich bald einige Leichen…

Kritik:
Das Klischee des Giallo, welches mich dazu bringt jeden Film dieses Genres zu sichten, der mir unter die Griffel kommt, ist das hinreißend desillusionierende Menschenbild, welches die Regisseure dieser Filme meistens vertreten. Anstatt sich wie beim klassischen Krimi darauf zu beschränken, jeden Charakter so harmlos wie möglich erscheinen zu lassen, damit wir uns fragen, wer wohl der Schuldige ist, ist das Personal eines Giallos häufig so zwielichtig und unheimlich geschildert, dass wir uns nicht fragen müssen, wer denn der Schuldige ist, sondern wer von den Personen unschuldig ist. Zusätzlich haben uns die Gialli bewiesen, dass wirklich jeder ein potentieller Mörder ist. Im Zuge dieses Genres, sah man schon Ermittler, Freunde oder Freundinnen der Hauptperson und den Protagonisten selbst, als Täter entlarvt werden. Dies ist in meinen Augen eine großartige Basis für eine Mordgeschichte, denn wir haben keine Figur mehr, deren Rolle in der Geschichte wir eindeutig festlegen können. Natürlich kann dieses System auch leicht kippen und es bedarf eines guten Regisseurs und begabten Darstellern um es zielführend anzuwenden.
Um von dieser kleinen Einleitung auf „Inferno unter heißer Sonne“ zu kommen muss gesagt werden, dass Edoardo Mulargia und Giampaolo Lomi hervorragende Regisseure sind, denen mit Anita Strindberg, Gabriele Tinti und dem göttlichen Anthönchen drei hervorragende Hauptdarsteller zur Verfügung standen. Wir wissen bis zuletzt von keiner einzigen Figur, was wir genau von ihr zu halten haben. Wir trauen jeder Figur des Filmes die Morde zu, wir kennen von keinem das genaue Ziel und haben keine Ahnung wer lügt und wer es ehrlich meint.
Dies heißt allerdings nicht, dass wir keine Sympathieträger bekommen: Anita ist eine nette Dame, Gabriele Tinti muss man mit seinem Bob-Guccione-Look einfach gerne haben, der übergewichtige Blondgelockte ist auf eine ulkige Weise niedlich, der Polizeioffizier ist auch ein freundliches Persönchen und wer für Anthony Steffen keine Sympathie empfindet ist sowieso ein emotionsloser Unmensch. :nick: Die Kunst besteht darin, die Charaktere gleichzeitig so sympathisch zu machen, dass wir nicht wollen, dass sie sich als Mörder herausstellen, aber auf der anderen Seite sie auch in ein so zwielichtiges Licht zu rücken, dass wir eben fürchten, dass sie für die Bluttaten verantwortlich sind. Und dies schafft „Inferno unter heißer Sonne“ meisterhaft.
Seinem Titel macht dieser Film ebenfalls alle Ehre. Er vermittelt hervorragend das Gefühl sich plötzlich in einer Welt voll quälender Hitze, Schweiß und einer fremden unheimlichen Kultur wiederzufinden. Eine Tatsache zu der wohl Giampaolo Lomi mit seinen Mondo-Erfahrungen besonders beigetragen hat. Auch wenn der Voodoo-Kult mit der Auflösung weniger als gar nichts zu tun hat, so bleibt er immer als unsicherer Faktor präsent. Bis zum Schluss habe ich die Möglichkeit einer übernatürlichen Macht hinter den Morden nicht außer Acht gelassen, da uns die Regisseure so überzeugend vermitteln, dass wir uns in einer Welt befinden, die nicht mit der uns bekannten vergleichbar ist, in der alle Schrecken möglich sind.
Zwei geringere Schwächen hat in erster Linie das Drehbuch zu verantworten. Obwohl ich sie gleich nennen werde, fallen sie jedoch bei mir nicht allzu sehr ins Gewicht, da ich erstens keine großen Ansprüche an Drehbücher habe (wenn ich die hätte, dürfte ich mir nicht so viele italienische Genrefilme ansehen ;) ) und weil die Regie zweitens einige Fehler des Scripts wieder wett macht. Also…
1. Ich kannte mich nicht immer aus: Bei manchen Figuren habe ich keine Ahnung wer sie sind, was sie machen, warum sie es machen usw. Bei der ominösen Formel kann ich auch nicht genau sagen, warum sie jetzt toller ist als jedes ordinäre Gift und der Sinn vieler Handlungen entzieht sich meiner Kenntnis. Aber das macht nichts! Mulargia schafft es trotzdem uns weiß zu machen, dass die Formel unglaublich wichtig ist, er zeigt uns allein durch die Kameraführung, welche Personen wichtig und welche unwichtig sind, und bringt uns dazu bestimmte zu mögen oder nicht.
2. Anita Strindbergs Charakter: Nicht ihre Performance, aber in ihrem Charakter selbst fand ich einige Widersprüche. Zunächst plant sie sich von Gabriele Tinti scheiden zu lassen, weil er ihr nicht „abenteuerlustig“ (oder ein anderes Adjektiv ähnlicher Bedeutung) genug ist. Versteht mich bitte nicht falsch, Gabriele Tintis Rolle ist ein Aas sondergleichen und es gibt genug Gründe sich von ihm scheiden zu lassen, Anita hat da mein vollstes Verständnis, aber dass er nicht abenteuerlustig genug ist, gehört nicht dazu. Der Typ ist ein Kleinkrimineller auf der Jagd nach einer überaus gefährlichen Formel, reist in exotische Länder und sieht wie ein Pornostar aus den 70ern aus. Lady, nicht jeder Mann ist James Bond, schraub deine Erwartungen runter. Dies ist allerdings ein Fehler, der von der Regie und Tintis Performance wieder ausgebessert wurde. Sein Charakter ist schmierig genug, sodass wir Strindbergs Wunsch nach Scheidung nachvollziehen können, auch wenn der eine Grund, den sie nennt unglaubhaft wirkt.
Außerdem muss ich so leid mir das auch tut zugeben, dass Anita Strindberg in diesem Film zu freizügig ist. Prinzipiell habe ich ja nichts dagegen, wenn weibliche Hauptcharaktere in Gialli schamlose Nymphomaninnen sind, aber es passt hier einfach nicht zu Strindbergs Rolle. Sie spielt eine Frau, die mit der Kultur Haitis und der Offenheit der dortigen Menschen nicht zurecht kommt, eine Bewohnerin der Großstadt, eine elegante Vertreterin der High Society. Und elegante Vertreterinnen der High Society tragen nun mal BHs unter durchsichtigen Blusen, sofern sie überhaupt durchsichtige Blusen tragen. Aber trotz dieser Unstimmigkeiten bleibt Frau Strindberg eine gute Schauspielerin und schafft es ihre Figur trotzdem glaubhaft und sympathisch rüberkommen zu lassen.
Fazit: Charaktere, die uns gleichsam sympathisch wie unheimlich sind geraten in der erdrückenden Hitze Haitis in einen Strudel aus Mord und Gewalt. Hervorragend inszeniert von Edoardo Mulargia und hervorragend gespielt von Anthony Steffen und anderen guten Darstellern, die ich allerdings nicht beachtete, solange das Anthönchen im Bild war. :D Das Drehbuch hat zwar einige Schwächen, aber wenn das ausschlaggebend wäre, würden wir neben die Filmtitel die Namen der Drehbuchschreiber und nicht die der Regisseure schreiben, gelle? 9/10
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SIEGFRIED UND DAS SAGENHAFTE LIEBESLEBEN DER NIBELUNGEN

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Originaltitel: Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen
Land: Deutschland
Jahr: 1971
Genre: Erotik, Komödie, Fantasy
Regie: Adrian Hoven, David F. Friedman

Handlung:
„Das Nibelungenlied“ Vers 1 bis 3844.

Kritik:
Teil 1: Wie andere Nibelungen-Verfilmungen ausgefallen waren
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mit euch ein wenig über das „Nibelungenlied“ reden, denn ich liebe das „Nibelungenlied“, zumindest die zweite Hälfte. Die erste fand ich immer schon ein wenig träge: Da ist halt dieser Typ, der unverwundbar und übermenschlich stark ist und mit den man sich nicht wirklich identifizieren kann und er verliebt sich in eine Typin, die weltfremd und naiv ist und dann ist da noch eine isländische Typin, die bärenstark und männermordend ist und die sitzen halt herum und erzählen irgendwas und tun Zeugs…doch dann tut sich eine Gruppe philanthropischer Heroen zusammen und einer von ihnen steckt einen Spieß in den unverwundbaren Grinsebert und der unverwundbare Grinsebert stirbt daran, dass ein Spieß in ihm steckt.

Und mit einem mal wird dieses gewöhnlich Fantasy-Geschichtchen zu dem größten literarischen Werk vor Shakespeare: Zwei Völker prallen in epischen Krieg aufeinander, Kriemhild wird von Rache getrieben zu einer unglaublich komplexen und interessanten Figur, jeder Recke muss sich zwischen Treue und Leben entscheiden und das Verhältnis zwischen Hagen und Gunther kommt in all seiner Faszination zu Tage. So treu Hagen nämlich als Lehnsmann ist, ebenso treu steht Gunther als Lehnsherr hinter ihm. Die ganze Zweite Hälfte des Liedes behandelt praktisch den Kampf dieser Treue gegen die Rache Kriemhilds, denn wenn Gunther Hagen einfach seinem Schicksal überlassen hätte, hätte die Rächerin leichtes Spiel gehabt und das Ende wäre wesentlich unblutiger ausgefallen, aber Gunther riskiert sein eigenes Leben um seinen treuen Vasallen nicht im Stich zu lassen. Das übliche Fantasy-Publikum mag zwar anders darüber denken und die erste Hälfte favorisieren, aber ich finde diesen Kampf der Emotionen viel interessanter als jeden Drachenkampf, von dem jemals erzählt wurde.

Nachdem das gesagt wurde, wie sieht’s mit den filmischen Adaptionen aus? Zunächst haben wir da die Fritz-Lang-Stummfilm-Variante, die zu Recht die berühmteste Verfilmung ist. In unvergesslichen Bildern setzt Lang dem Stoff ein würdiges filmisches Denkmal. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich persönlich die Harald-Reinl-Version noch ein klein wenig lieber mag :oops: . Diese Verfilmung hat einfach perfekt den Geist der Sage aufgegriffen (besonders eben den zweiten Teil), alle Stärken und guten Charaktere in den Vordergrund gestellt und die paar Änderungen, die diese Verfilmung vornimmt, sind nachvollziehbar und machen das ganze noch ergreifender.

Dann kam die Erotik-Variante, der wir uns gleich zuwenden und dann lange Zeit gar nichts und dann 2004 kam die Uli-Edel-Version :palm: . Obwohl Uli Edel kein schlechter TV-Regisseur ist, hasse ich doch diese Verfilmung. Und ich spreche hier nicht von einem 0815-Die-Saat-des-Teufels-Hass, ich spreche hier von einem Hass von Avatar-Dimensionen! Diese Verfilmung streicht jeden Aspekt, den ich am Original geliebt habe und ersetzt ihn durch klischeehaften voraussehbaren langweiligen struntzdummen altbekannten Hollywood-Blockbuster-Mainstream-Blödsinn! :x Das edle Verhältnis zwischen Hagen und Gunther wurde gestrichen um Hagen zu einem typischen Superschurken zu machen, Kriemhild interessante Charakterentwicklung wurde weggelassen um Raum für die klischeehafte Brunhild zu machen, der doofe Siegfried darf bis zum Ende am Leben bleiben, die meisten faszinierenden Helden kommen nicht zum Zug und stattdessen wird Giselher aus irgendeinem Grund zu einer Hauptfigur gemacht!? Wer zum Teufel interessiert sich für Giselher??? Wahrscheinlich dachte Edel, junges Publikum kann sich mit jedem dahergelaufenen Volleumel identifizieren, solange der auch jung ist…aber nein, ich bin jung und ich interessiere mich nicht für Giselher! Giselhers Rolle in der Story ist herumzustehen und irgendwann zu sterben. Wer braucht das? Wir wollen den treuen Gunther, den besonnenen Hagen, den kunstsinnigen Volker, den pflichtbewussten Rüdiger oder den gerechten Dietrich von Bern…aber doch nicht Giselher! Weißt du, Uli Edel, du magst ja ein netter Typ sein, aber bitte tu mir einen kleinen Gefallen: Geh doch nach Amerika, such den Typen, der „Hamlet – The Denmark Corporation“ gedreht hat, freunde dich mit ihm an und dann zieht gemeinsam auf eine einsame Insel, wo ihr keine geliebten Klassiker mehr in den Schmutz ziehen könnt! :basi:

Dann gab’s noch ein Jahr später die Parodie „Siegfried“, an viel erinnere ich mich nicht mehr, nur noch an ein peinliches mit Kinderstimme sprechendes Schwein, einen Siegfried, der wieder mal bis zum Ende herumnervt, die völlige Missachtung der faszinierenden Charaktere von Gunther, Hagen und Kriemhild, dem Weglassen der meisten coolen Ritter, einem übertrieben Gebrauch von Furzwitzen und der Haltung des Regisseurs, dass Dialekt lustig ist, so dass man keine Gags mehr braucht, solange die Darsteller im Dialekt sprechen. Kleiner Tipp: Dialekt ist nicht lustig (Anm. Bis auf den Schweizer-Dialekt, der ist zum Schießen. :pfeif: )!

Teil 2: Wie "Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen" ausgefallen ward
Betrachtet man besonders die beiden neuesten Ergüsse, so muss gesagt werden, dass Adrian Hovens Porno-Parodie des „Nibelungenliedes“ die Originalstory weit weniger vergewaltigt, als es Edel und der Typ, der „Siegfried“ gemacht hat, taten. „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ ist die einzige Verfilmung, die Kriemhilds Rache weglässt ohne mich damit vollkommen in Rage zu versetzen. Dies hat sie einigen Aspekten zu verdanken:

Zunächst mal gibt Raimund Harmstorf in meinen Augen den „besten“ Siegfried, der jemals über eine Leinwand geflimmert ist. Siegfried ist ein Sohn aus königlichen Hause, der bei einem einfachen Schmied aufwuchs und dieser Dualismus von primitiven Gemüt aber edlem Geblüt wird durch Harmstorfs Performance gekonnt umgesetzt. Sein Siegfried ist äußerst animalisch und triebgesteuert, schläft mit allem, was ihm vors Schwert kommt und hat sichtlich Spaß daran mit seiner enormen Kraft anzugeben. Dennoch weiß er instinktiv, wann er diplomatisch oder zärtlich sein muss. Dies sieht man beispielsweise in der Szene in welcher er mit sichtlicher Gaude sämtliche Hofdamen Kriemhilds auf einmal beglückt, jedoch die eine jungfräuliche unter ihnen in Ruhe lässt, oder indem man seine zärtliche Nacht mit Kriemhild mit seinen wesentlich wilderen Liebesabenteuern vergleicht.

Sybil Danning leistet auch einen phantastischen Job als Kriemhild. Sie macht zwar nicht die Entwicklung zur beeindruckenden Rächerin durch, aus dem Charakter vor genannter Transformation macht sie jedoch das Beste, was man daraus machen kann. Erfolgreich stellt sie Kriemhild als äußerst sympathische aber auch nachvollziehbare Figur dar, die gutmütig und vor allem gutgläubig ist, dies jedoch auf keine übertriebene Weise. Ein wenig verstört nur, dass man ihre Unschuld in so großen Worten lobpreist nur damit sie in ihrer ersten Szene splitternackt auftritt und in ihrer zweiten mit einer Dienerin herummacht. Aber das soll kein gröberer Kritikpunkt sein. ;)

An den restlichen Darstellern und Rollen gibt es auch wenig auszusetzen: Heidy Bohlen spielt auf launige Weise eine hervorragende Brunhild; aus Gunther und Hagen machte man zwar wie in „Siegfried“ Witzfiguren, dies aber wesentlich geschickter, indem man das Alberne der jeweiligen Figuren, Gunthers Schwäche und Hagens Haarschnitt :lol: , auf ungemein komische Weise überzeichnete; Giselher und Gernot stehen sinnlos im Hintergrund herum (so wie sie es sollen, Uli Edel :opa: ); Peter Berling als Siegfrieds Sidekick hätte ich zwar nicht gebraucht, aber wenigstens ist er kein nerviges sprechendes Ferkel; und die unzähligen Nebendarstellerinnen sind nicht nur allesamt wunderschön, sondern verfügen auch über genugtuende schauspielerische Fähigkeiten.

Der Regisseur Adrian Hoven vollbringt zusätzlich das Wunder, die verschiedensten Stimmungen, die der Film vermitteln will, jeweils atmosphärisch umzusetzen. Dies sehen wir vor allem in den Erotikszenen. Unter denen gibt es nämlich welche die romantisch, witzig, dekadent oder einfach existent sein wollen, was Hoven jeweils erstklassig umsetzt. Damit meine ich, dass er durch wenige Schnitte und viele Gesichtsdetailaufnahmen Szenen wie die Liebesnacht zwischen Siegfried und Kriemhild zärtlich und romantisch erscheinen lässt; Szenen wie die, in welcher Brunhild mit dem unsichtbaren Siegfried „schläft“ ungeheuer spaßig rüberbringt (auch wenn dies in dem Beispiel wohl besonders an Heidy Bohlens hingebungsvoller Performance liegt); uns in Szenen wie der Orgie am Burgunderhof durch obskure Kameraperspektiven, epileptische Schnitte und Elektrogittarensound, die Dekadenz der Ritter vor Augen führt; und alle anderen Erotikszenen, die keine spezielle Stimmung vermitteln sollen, zumindest erotisch und mehr oder weniger kurzweilig inszeniert.

So sehr ich Hovens Stil die Erotikszenen betreffend schätze, hier liegt jedoch auch mein Hauptproblem mit „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“: Es gibt einfach zu viele Sexszenen. Sicher, sie alle sind wunderbar inszeniert und die „Beteiligten“ sind in der Regel sowohl sympathisch als auch ansehnlich, aber mit der Zeit wird es einfach zu viel des Guten. Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass sich im Hintergrund nackte Hofdamen tummeln, solange im Vordergrund die Handlung weitergeht, aber sobald die Handlung zum x-ten Mal wegen irgendwelchen Liebeleien aussetzt, wird das Herumgeschmuse einfach langweilig.

Da ich als Fan der zweiten Hälfte des „Nibelungenlieds“ auch kurz auf das Ende von „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ eingehen werde, sei hier vor Spoilern gewarnt: In Hovens Erotik-Version wird nämlich Kriemhilds Rache nicht nur weggelassen, Siegfried überlebt den Film sogar. Dies stört jedoch nicht sonderlich, da uns Harmstorf und Danning genügend ans Herz gewachsen sind, um für sie ein Happy-End herbeizuwünschen, wir bekommen auch noch einen netten kleinen Epilog, der uns einen sympathischen Ratschlag bezüglich zwischenmenschlicher Beziehungen beschert. Und ich muss gestehen, so sehr mich Kriemhilds Entwicklung und die Thematisierung von Treue und Ritterlichkeit im Originaltext faszinieren, dieses nette kleine Ende der Erotik-Variante, dass Vergebung und Nächstenliebe als Option sieht, ist ein wirklich guter Ersatz für die blutige Hunnen-Episode.

Fazit: Aufgrund des Übermaßes an Sex-Szenen hätte ich 6/10 gegeben, da die Liebenswerten Charaktere und die sympathische Grundaussage jedoch so ans Herz gewachsen sind und Adrien Hoven so fähig inszeniert lasse ich mich zu wohlwollenden 7/10 hinreißen.
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DrDjangoMD
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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MURDER ROCK

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Originaltitel: Murderrock – uccide a passo di danza
Alternativtitel: Der Frauenmörder mit der Hutnadel; Todestanz; Dancing Death; Slashdance :kicher:
Land: Italien
Jahr: 1984
Genre: Giallo
Regie: Lucio Fulci

Handlung:
Die Tanzgruppe von Mrs. Candice Norman lebt glücklich tanzend dahin. Doch eines Tages ruft die Casting-Agentur für „Flashdance“ an und meint, sie würden nicht die ganze Truppe, sondern nur die drei besten von ihnen brauchen. Unter den Tänzerinnen bricht also ein Konkurrenzkampf aus und schon bald findet sich die erste Leiche, denn einer aus dem Tanzstudio ist ein Maniac, Maniac, that is sure and he’s killing like he’s never killed before… :pfeif:

Kritik:
Einer der Hauptkritikpunkte, die sich dieser Film meist anhören muss, sind die Dutzenden ausgedehnten Tanzszenen, besonders in der ersten Hälfte. Tanzszenen an sich sind allerdings nichts schlechtes, sofern sie nicht amateurhaft in Szene gesetzt sind, und ehrlich gesagt, die Tanzsequenzen in „Murder Rock“ sind wundervoll photographiert! Die rhythmische Art wie sie geschnitten sind, die aussagekräftigen Großaufnahmen, all das hätte im Repertoire des Regisseurs eher „Flashdance“ oder „Saturday Night Fever“ und weniger „New York Ripper“ vermuten lassen. Sicher, man erwartet in einem Giallo keine minutenlangen Hüftschwingereien, doch gerade diese Szenen hat Fulci so gekonnt eingefasst, dass ich sie eher als Pluspunkt betrachten würde.
Selbst der 80er Jahre Disco Musik konnte ich was abgewinnen. In den spannenderen Szenen wirkten diese Klänge meines Erachtens sogar wesentlich stimmiger als der Heavy-Metal-Trip auf dem sich Argento Mitte der 80er befand.
Die Story selbst ist nett und behält mein Interesse, die Auflösung hat mir, auch wenn ich sie teilweise vorrausgesehen habe, besonders gut gefallen und Fulci inszeniert das Ganze wieder äußerst gekonnt. In Sachen Beleuchtung spielt er sich ein wenig damit den Hintergrund besonders dunkel zu lassen, den Vordergrund aber besonders Hell zu beleuchten, wie es für die Zeit recht typisch war. Auch was die Kamerapositionierung betrifft hat sein Genie verglichen mit seinen Werken aus den frühen 80ern nur wenig nachgelassen, wodurch wir einige äußerst nervenzerreißende Szenen bekommen. Da verzeiht man gerne die eine oder andere Ungereimtheit im Skript oder die hier und da etwas abfallende Spannung.
Schade nur, dass es keine richtige Hauptfigur gibt, die uns durch den Film begleitet. Cosimo Cinieri schafft es als Commissario Tränensack zwar recht viel Spaß zu machen und den harten Cop raushängen zu lassen, und das obwohl er aussieht wie Herbert Loms Alkoholleiche, aber wir erfahren über ihn persönlich zu wenig, als dass er dem Publikum als Protagonist dienen könnte. Olga Karlatos Rolle bietet sich durch ihre häufige Anwesenheit zwar auch als Hauptfigur an, aber sie besitzt zu wenige positive Charakterzüge um eine Vertrauensperson des Publikums sein zu können. Dass es mit dem Rest der Tänzergruppe nicht besser steht, sollte spätestens dann klar sein, als Commissario Tränensack sie „ein Haus voll böser Leute“ nennt. Der Freund des ersten Opfers hätte in meinen Augen eine halbwegs brauchbare Identifikationsfigur abgegeben, aber das Drehbuch entschied sich dann doch ihn nach der ersten halben Stunde verschwinden zu lassen.
Obwohl es keinen richtigen Protagonisten gibt, kann man sich über die schauspielerischen Leistungen keinesfalls beschweren. Cinieri und Karlatos leisten hervorragende Jobs, Claudio Cassinelli und Ray, die olle Liebeslocke, sind auch mit von der Partie, sämtliche Tänzerinnen sind zumindest in dem Gebiet begabte Bewegungskünstler und in einer Szene wuselt sogar Al Cliver im Hintergrund herum – super! :thup: (Und das brachte ihn sogar auf dem DVD-Cover nach Cassinelli den zweiten Platz in der Darstellerliste ein :roll: ).
Fazit: Auch wenn „Murder Rock“ in Sachen durchgehende Spannung und guter Protagonist nicht an Fulcis andere Meisterwerke herankommt, so überzeigt er doch mit einer schön beleuchteten Giallo-Atmosphäre und einigen exzellent abgelichteten Tanzszenen. Auch wenn das eine nicht ganz zu dem anderen passt, muss zugegeben werden, dass beides für sich allein betrachtet spitzenmäßig inszeniert wurde. 7/10
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DrDjangoMD
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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THE AVENGERS

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Originaltitel: The Avengers
Land: USA
Jahr: 2012
Genre: Superheldenfilm
Regie: Joss Whedon

Handlung:
Thors Brüderlein Loki will böses Zeugs machen und die Erde unter seine Herrschaft bringen. Das findet Nick Fury, Chef einer Geheimorganisation, aber gar nicht dufte und ruft einen Haufen Superhelden zusammen um dem ollen Loki Paroli zu bieten…

Kritik:
Einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste Aspekt eines Filmes sind seine Charaktere. Wenn wir den Protagonisten interessant finden, finden wir den Film interessant; wenn uns die Hauptfigur sympathisch ist können wir voll Nervenkitzel um ihr Überleben bangen oder mit freundschaftlichen Wohlwollen über ihre Witze lachen, je nachdem um welches Genre es sich handelt. Das Problem ist, um einen Protagonisten zufriedenstellend zu charakterisieren braucht es Feingefühl und besonders Zeit um ihn richtig einzuführen. Filme, in denen wir einen ganzen Haufen Helden bekommen, schaffen das leider nur selten. In Filmen wie „Der 13. Krieger“, „Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman“ oder den diversen „Die Glorreichen Sieben“-Fortsetzungen werden wir so mit potentiellen Helden zugedeckt, ohne dass sie besondere Charaktereigenschaften bekommen, dass wir eher gelangweilt das Geschehen verfolgen, ohne mit den Protagonisten mitzufiebern…dies im Hinterkopf ging ich mit gewissen Sorgen in „The Avengers“, die sich aber spätestens nach einer halben Stunde völlig in Luft auflösten:
Ich denke für das Funktionieren dieses Team-Filmes sind zwei Aspekte verantwortlich: Der Offensichtliche, dass sie sämtliche Helden mit großen Stars besetzt haben, welche die Figuren in den meisten Fällen schon in eigenen Filmen verkörpern durften. Anstatt dass wir ein zwei Stars bekommen und viele Talentamöben die uns mehr oder weniger egal sind (so wie in den oben angeführten Beispielen), haben wir bei jeder Hauptperson einen erfahrenen Könner der sie darstellt.
Der zweite Grund für das Gelingen von „The Avengers“ liegt daran, dass der Regisseur Joss Whedon allen Anschein nach selbst ein Fan der diversen Comichelden ist. Dies sieht man, wenn man betrachtet wie gerecht verteilt er jeden von ihnen eine eigene Einführung, eigene Gags und eigene große Momente in denen sie strahlen können gibt. Er bevorzugt keinen von ihnen, er stellt keinen in den Schatten irgendeines anderen. Er bemüht sich sie alle möglichst genau zu charakterisieren, sie alle sympathisch und heldenhaft rüberkommen zu lassen. Und wenn ein Regisseur seine eigenen Hauptfiguren liebt, dann gelingt es ihn auch dies auf das Publikum zu übertragen.
Dadurch entstand ein Film, der unsagbar spaßig anzusehen ist. Unsere Superheldentruppe stellt ein herrliches Team von Lieblingen dar, mit denen man gerne über zwei Stunden verbringt. Kaum glaubt man Iron Man ist der Coolste von ihnen, macht Thor irgendwas Verrücktes. Kaum glaubt man Thor ist der Spaßigste, wird dieser vom Hulk weggeschnippt. Kaum glaubt man der Hulk wird der neue Superliebling kommt Captain America und…ähh…na ja, Captain America war auch ganz toll. Gegen schrullige Figuren wie die von Robert Downey Jr. verblasst er zwar etwas, aber er tut seine Sache ganz gut.
Zudem weiß Whedon, der auch für das Drehbuch verantwortlich war, wie man eine Geschichte am besten erzählt. Er versteht etwas von Spannungsbögen, weiß, dass die Helden auch Niederlagen einstecken müssen, er weiß dass sich die Charaktere entwickeln und sich Beziehungen ändern müssen. Er weiß, dass er bis zuletzt noch Geheimnisse vor dem Publikum haben muss…Und damit weiß er mehr als so mancher andere Hollywood-Schreiberling.
Action und Humor sind ständig im Übermaß präsent. Ersteres ist auf den Punkt und rasant inszeniert und zu den Witzen lassen sich auch nur positive Bemerkungen finden. Der meiste Spaß geht entweder von den individuellen Charakteren aus oder besteht aus physischen Humor. Wenn sich beispielsweise die unsterblichen Helden gegenseitig durch die Gegend herumschleudern als gäbe es nichts Alltäglicheres, kommen wohlige Erinnerungen an alte Kindercartoons a la Looney Toons auf.
Sicher, mehr als ein Unterhaltungsfilm ist er nicht, aber ist er als solcher perfekt? Ich würde sagen: Fast! Durch die oben geschilderten Aspekte, die liebeswerten Charaktere, die feinfühlige Regie, die quantitative Action, der qualitative Humor, vergeht die Laufzeit wie im Flug, aber dennoch gibt es einige kleinere Elemente des Filmes, die mir nicht so recht gemundet haben. Und zwar:
- Die ersten zehn Minuten: Alles was nach den Eröffnungsszenen kam war super, aber diese waren grauenvoll. So unglaublich hastig und verwirrend geschnitten, für nichts wird Zeit genommen, nichts wird erklärt, ich hatte keine Ahnung was abläuft und langsam begannen meine Augen zu schmerzen.
- Trailerfeeling: Die Dialoge wirkten so, als wäre jeder einzige Satz nur für die Trailers geschrieben worden. Jeden Ausspruch und jede Kameraeinstellung kann ich mir hervorragend in einem Trailer oder auf einem Poster vorstellen. Sicher, es ist ein unterhaltungsorientierter Actionfilm, da ist so was zu erwarten und es ist kein großer Downer, aber mit der Zeit wird’s doch ein wenig nervig.
- Der arme Phil: (Spoiler!) Ich habe oben geschrieben, dass eine gute Geschichte Niederlagen braucht. Die Helden brauchen einen Punkt an dem alles verloren scheint, erst dann kann es glorreich wirken, wenn sie am Ende doch siegen. Denkt an die Stelle aus „Django“ in der seine Hände zerstoßen werden, oder an die diversen Schlachten bei „Herr der Ringe“, wo unsere Heroen schon fast am Aufgeben sind und nur von einem nützlichen Deus ex Machina gerettet werden. „The Avengers“ haben auch so einen Punkt, nämlich der an dem Loki entkommt, ihr Schiff stark beschädigt wird und Phil (sein Vorname ist Agent ;) ) getötet wird. Und das ist auch gut so, eine Geschichte braucht so einen Punkt und es ist gut, dass sie dafür einen sympathischen Charakter haben sterben lassen, ABER irgendwie war mir von Anfang an klar, dass es Agent Phil treffen wird, ich wusste von seinem ersten Auftritt an, dass der Regisseur ihn nur so sympathisch macht um ihn dann wie ein Lamm zur Schlachtbank zu führen und ihn in einem Moment seiner Dummheit sterben zu lassen…und diese Behandlung von Seiten der Regie hat der olle Phil dann doch nicht verdient.
- Die Menschen sind zu mächtig: Normalerweise gehöre ich zu den letzten die sich über überstarke Homo Sapiens Sapiens aufregen, ich meine, in meinem Lieblingsfilm fordert ein Dude fünfzig andere zu einem Duell und gewinnt dann auch noch und ich habe überhaupt kein Problem damit! Aber nicht in einem Superhelden-Film! In der finalen Schlacht haben Mr. Archie Arrow und Mrs. Olga Ostblock so viele unmenschliche Überleistungen vollbracht, dass ich überzeugt war, sie hätten Loki und Co. auch locker ohne Thor, Hulk, Iron Man und Cap besiegen können. Natürlich ist es nicht schlimm, dass auch die Menschen besonders cool, intelligent und stark sind: Ich mochte die Szene an der Scarlett Johansson ihre Martial Arts Künste präsentiert während sie an einen Stuhl gefesselt ist, oder auch ihre wendungsreichen Verhörmethoden, aber gegen Ende verhielten sie und der Bogen-Typ sich so als ob sie einem Iron Man oder Hulk um nichts nach stünden und dadurch verlieren diese wiederum ein wenig ihrer Besonderheit.
- Dieser letzte Punkt wird bei meiner Bewertung nicht berücksichtigt, aber: 3D funktionierte in den 50ern nicht, es funktionierte in den 80ern nicht und jetzt funktioniert es auch nicht. Durch meine zweidimensionales Kinoroutine wirkte es befremdlich auf mich und meist eher wie mit Perspektive arbeitende Papierausschnitte und weniger wie die Wirklichkeit.
So, bevor ihr euch jetzt beschwert, dass ich mich so viel beschwert habe: Die letzten Punkte sind Kleinigkeiten! Ein Film wird wegen solcher Lappalien nicht schlecht. Ein Film wird schlecht, wenn er langweilig ist und/oder wenn wir den Protagonisten aus tiefsten Herzen hassen und bei „The Avengers“ ist das genaue Gegenteil der Fall!!!
Fazit: Grandioses Popcorn-Kino: Nicht perfekt, er hat seine Schwächen aber durch die Liebe des Regisseurs zu seinen Charakteren wurde ein Unterhaltungserlebnis sondergleichen daraus. 7/10
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DrDjangoMD
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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EIN TOTAL VERSAUTES WOCHENENDE

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Originaltitel: Sabato, domenica e venerdì
Land: Italien, Spanien
Jahr: 1979
Genre: Komödie
Regie: Sergio Martino, Pasquale Festa Campanile, Franco Castellano, Giuseppe Moccia

Handlung:
Am Samstag soll der angestellte Nicolo, der sich auf ein schönes Wochenende mit seiner Verlobten gefreut hat einen japanischen Firmenpartner vom Flughafen abholen. Als sich dieser jedoch als bildhübsche Frau (Edwige Fenech) herausstellt, fängt der Ärger erst richtig an…Am Sonntag hofft der übermüdete Lastwagenfahrer Mario endlich ein wenig Schlaf zu finden, doch seine suizidale Nachbarin (Barbara Bouchet) überredet ihn, sich als ihr Verlobter auszugeben um seine vermeintlichen Schwiegereltern zu beeindrucken…Am Freitag will der große Constantin (Adriano Celentano) eine Revue zusammenstellen, doch seine wichtigste Tänzerin ist durchgebrannt um einen Mafioso zu heiraten…

Kritik:
Ich bin ja kein sonderlicher Freund von Episodenfilmen, durch die kurze Spieldauer bekommen die meisten Geschichten nicht genug Zeit ihre Charaktere genügend einzuführen und gewisse Momente ausreichend auszukosten. Und ich bin ja auch kein Freund von italienischen Komödien, da ihr unsinniger Klamauk nach einer halben Stunde einfach nur noch unerträglich ist. Aber wie haben wir alle in der Schule gelernt: Minus mal Minus ergibt Plus…außerdem bin ich faul und muss mir keine komplexe Langkritik überlegen, weil ich zu den einzelnen Segmenten ein paar Worte verlieren kann…
„Sabato“ (Regie: Sergio Martino): Die Gags in diesem Abschnitt bestehen zwar großteils aus der üblichen Klamauk-Routine, alberne Situationen und Charaktere die mit dummen Grimassen darauf reagieren, ABER Martino macht es richtig! Er übertreibt die Blödeleien nicht und versorgt uns, was noch viel wichtiger ist, mit zwei liebenswerten Hauptcharakteren. Nicolo ist ein gutmütiger kleiner Angestellter, der gerade an einem Punkt im Leben angekommen ist, an dem er sowohl von seinem Arbeitgeber als auch von seiner fürchterlichen Verlobten drangsaliert wird. Gerade an diesem Punkt lernt er die traumhafte Tokimoto (Edwige Fenech) kennen, die sich auch noch in ihn verliebt. Wir gönnen den beiden sympathischen Menschen ihr Glück und hoffen wirklich, dass weder Nicolos Chef noch seine Verlobte den beiden Turteltauben einen Strich durch die Rechnung machen. Edwige Fenech hat sichtliche Freude damit, eine klischeehafte Japanerin zu verkörpern und tappst fröhlich auf kleinem Fuß durchs Bild. Zusätzlich haben wir einen tollen Auftritt von Salvatore Baccaro, der Nicolos Verlobte umwirbt, die ihn, um Nicolo eifersüchtig zu machen, wie den Traummann schlechthin beschreibt.7/10
„Domenica“ (Regie: Pasquale Festa Campanile): Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, diese Episode entstammt entweder der Serie „Herzbube mit zwei Damen“ oder der Feder von Neil Simon. Auf kleinen Schauplatz (großteils ein Appartement) beschränkt bietet sich uns hier herrliche Situationskomik. Das bewährte Formular von einem Protagonisten, der sich für jemand anderen ausgibt, wird hier perfektioniert. Das Tempo ist rasant, die Witze zahlreich und der Weg unseres Helden steinig, denn ständig kommt es zu Momenten, die seine Verstellung auffliegen lassen könnten und dabei will der bedauernswerte Tausendsasser einfach nur eine Mütze Schlaf nehmen. 8/10
„Venerdi“ (Regie: Franco Castellano und Giuseppe Moccia): Castellano? Moccia? Wo habe ich diese beiden Namen schon mal gehört?…Oh, die Typen die „Onkel Addi“ gemacht haben…ohhhh :| . Und ratet mal, wir bekommen wieder Hauptcharaktere die nicht die geringste Identifikation zulassen. Der große Constantin ist ein selbstgefälliger Multimilliardär und das einzige was wir über Tänzerin Jacqueline wissen ist, dass sie ein aufmerksamkeitsgeiles Flittchen mit dem hässlichsten Lächeln seit dem Plakat für Tobe Hoopers „The Funhouse“ ist. Bevor sich nun die „Warum sind dir sympathische Charaktere eigentlich so wichtig“-Front zu Wort meldet, erlaubt mir einen kleinen Test: Oft kommt die Spannung eines Filmes doch daher, dass wir uns fragen, wie es wohl ausgehen wird…hier sind die potentiellen Ausgänge von „Venerdi“:
Variante a): Constantin bringt Jacqueline dazu den Mafioso zu verlassen und alle sind glücklich; von mir aus. :|
Variante b): Constantin versagt, sucht sich eine neue Tänzerin und ist glücklich; von mir aus. :|
Variante c): Constantin versagt, findet keine neue Tänzerin, die Revue wird ein Misserfolg und Constantin verliert ein wenig Geld; geschieht dem selbstgefälligen Bastard ganz recht. :|
Variante d): Constantin versagt, aber der Gangster liebt Jacqueline wirklich und beide werden glücklich; von mir aus :|
Variante e): Constantin versagt, der Gangster liebt Jacqueline jedoch nicht und sie endet in Betonschuhen am Grund irgendeines Sees; von mir aus, ich trauere nicht um sie. :|
In den ersten beiden Segmenten wird dadurch Spannung erzeugt, weil wir hoffen, dass der gute Nicolo seine geliebte Tokimoto bekommt und im zweiten gönnen wir dem guten Mario so richtig sein geliebtes Bettchen und Barbara Bouchet als kleinen Bonus. Hier gibt es diese Spannung nicht, da uns die Charaktere egal sind.
Allerdings muss ich Castellano und Moccia wenigstens ein bisschen loben: Constantin ist zwar ein egozentrischer Mistkerl, aber ist wenigstens kein frauenmordender SS-Offizier, außerdem kann Adriano Celentano solche Rollen einfach wirklich gut verkörpern, ich frage mich nur, warum man ihn dann zum Helden und nicht zu einem spaßigen Antagonisten machen könnte. Viele Witze funktionieren nicht (Constantin ist reich, haha), aber hier und da gibt es schon mal einen Lacher, langweilig wird es auch nicht und die Kostüme fand ich recht witzig, besonders, dass man Constantin die verschiedensten Nobelanzüge in immer den gleichen Blautönen gestrickt hat war nett zu bemerken. Alles in allem also nicht gut, aber man kann es sich schon mal ansehen. 4/10
Fazit: Martino hat eine üblichen Italo-Klamauk-Komödie ein wenig besser als gewohnt inszeniert, Campanile bringt uns herrlichste Situationskomik, allerdings werde ich wohl nie ein Fan von Castellano und Moccia werden. Insgesamt: 6/10
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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NOSFERATU IN VENEDIG

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Originaltitel: Nosferatu a Venezia
Land: Italien
Jahr: 1986
Genre: Horror
Regie: Augusto Caminito, Klaus Kinski, Luigi Cozzi, Maurizio Lucidi, Mario Caiano

Handlung:
Den vampirkundigen Kapitän von Trapp (Christopher Plummer) treibt es auf der Flucht vor den Nazis nach Venedig (seid ihr wirklich überrascht, dass ich in einem Film mit Christopher Plummer „Sound of Music“-Referenzen mache :pfeif: ), wo vor Jahrzehnten der mächtige Vampirfürst Nosferatu (Klaus Kinski) verschwunden sein soll. Doch für ihn ist es Zeit zurückzukehren wegen Seancen-Zeugs und Wiedergeborener-Geliebten-Irgendwas…wie dem auch sei, der Grund ist zweitrangig, Hauptsache er ist zurück und das Leben unserer Protagonisten besteht bald nicht mehr aus Regentropfen auf Rosen, Schnurrhaaren auf Kätzchen und Kupferkesseln :pfeif:

Kritik:
Bevor ich mit den Lobeshymnen auf diesen Film beginne, sei erwähnt, dass die Handlung selbst ein kleinwenig konfus ist. In den ersten beiden Dritteln geht es noch halbwegs, manchmal ergibt das Geschehen halt Sinn und manchmal nicht, aber ich kenne mich zumindest noch meistens aus. Gegen Schluss wird es jedoch völlig wirr: Nosferatu entführt die Wiedergeburt seiner alten Geliebten, ein junges Mädchen, welches sich in ihn verkuckt hat und eine unwichtige Nebencharakterin auf eine Insel. Gleich danach sagt Christopher Van Helsing So long, farewell, auf Wiederseh’n, adieu :pfeif: , sodass es nicht zu einem spektakulären Endkampf zwischen ihm und Nosferatu kommt. Stattdessen bilden Dr. Doktor, der im Verlauf des Filmes hier und da mal eine Szene hatte, und zwei andere Typen, die bis dato weniger als gar nichts gemacht haben, den Rescue-Squad, dann gibt Dr. Doktor Nosferatu ein Bussi und die anderen beiden Typen verschwinden aus den Film, zwei der entführten Frauen sterben vielleicht und was mit der dritten geschieht kann ich überhaupt nicht sagen und Nosferatu selbst lebt weiter oder nicht und dann sehen wir eine Szene vom Anfang noch mal :hirn: ??? Was ich damit sagen will ist, dass ich bei keinem einzigen Charakter mit Sicherheit sagen kann, ob er überlebt hat oder nicht, außer Donald Pleasences Priester, aber der war für die eigentliche Geschichte auch ziemlich irrelevant.
Macht dies „Nosferatu in Venedig“ zu einem schlechten Film? Oh nein! So verwirrend die Handlung auch sein mag, sie bleibt wendungsreich und bis zuletzt spannend, die Charaktere sind interessant, die Darsteller, die sie verkörpern, grandios und die Inszenierung gelungen. Das obwohl sich für letztgenannte fünf verschiedene Regisseure verantwortlich zeichnen. Neben dem Produzenten Augusto Caminito und Klaus Kinski himself haben wir die drei Altmeister des Italokinos Luigi Cozzi, Maurizio Lucidi und der von mir besonders verehrte Mario Caiano. Offenbar mussten die meisten dieser Herren wegen Klaustrophobie das Set verlassen. ;)
Von den diversen Stilen finde ich irgendwie Luigi Cozzis am deutlichsten präsent. Ich kann es nicht näher bestimmen, aber angefangen von der Einstellungswahl bis hin zum Schnitt drängen sich mir aus irgendeinem Grund Vergleiche zu „Paganini Horror“ auf. Das Geschehen ist übrigens äußerst beeindruckend in Szene gesetzt, Venedig bildet eine wunderschöne Kulisse, der die Kamera in frühen Morgenstunden oder lauen Nächten eine romantische Melancholie abgewann. Von einigen Actionszenen abgesehen nimmt sich der Film die Zeit, ruhig seine Bildgewaltigkeit auszukosten, wodurch eine bezaubernde Atmosphäre entsteht.
Die schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls bewundernswert. In manchen Szenen sieht man dem Kinskerich zwar an, dass er mit dem ganzen Projekt unzufrieden war (er hat hin und wieder so einen „ernsthaft Leute, ihr filmt das wirklich mit?“-Blick drauf, wenn er in Richtung Kamera glotzt), doch im Endeffekt hängt er sich dann doch rein, verschmilzt nach besten Kräften mit seiner Rolle und legt eine aufopferungsvolle emotionale Performance hin, so wie wir es von ihm gewohnt sind.
Christopher Plummer hat schon bewiesen, dass er so cool ist, dass selbst sieben singende Kinder die Aura seiner Coolness nicht durchbrechen können :pfeif: , und gibt einen beeindruckenden cushingesken Vampirjäger ab. Donald Pleasences Charakter mag für die Handlung unwichtig sein, aber es freut doch immer, den guten Donald mal wiederzusehen und der Zweck heiligt bekanntermaßen die Mittel. Barbara De Rossi gibt eine beeindruckende Liebschaft des Vampirs, stets gleichermaßen hoheitlich adelig und wunderschön sinnlich bietet sie die perfekte weibliche Hauptrolle für einen Film mit Vampirthematik.
Die restlichen Akteure verblassen zwar selbstverständlich neben diesen Größen, bieten aber solide Darstellungen und schaffen es die Sympathie der Zuseher zu erlangen. Ganz gleich ob sie eine Schlüsselrolle inne haben, unwichtige Nebencharaktere sind, oder Mitglieder des Rescue-Squads bilden, ein Ende als Vampirfutter wünscht man keinen von ihnen und dadurch entsteht natürlich Spannung.
Über die Effekte habe ich eine eher zweigeteilte Meinung: Wir haben erschreckend realistische Wunden, aber wenn Leute irgendwo runterfallen griff man doch auf Schaufensterpuppen zurück; wir haben gut gemachte künstliche Fledermäuse, die dann aber an dicken Seilen vor das Kameraauge gehalten werden. Grundsätzlich ist jedoch zu sagen, dass die Regie (wer auch immer dafür verantwortlich war :| ) nicht allzu prahlerisch auf die Effekte verweist und sie dezent hält, anstatt sie allzu plakativ vor die Linse zu rücken, was die fraglichen Szenen realer wirken lässt.
Die geplante Fortsetzung von Herzogs Klassiker ist es nicht geworden, allerdings offenbaren sich mir einige Parallelen zu der originalen Dracula-Geschichte: Wir haben Christopher Plummer als Van Helsing, Dr. Doktor gibt quasi den Jonathan Harker, Barbara De Rossi gibt demnach eine gute Mina ab, die anderen beiden Frauen teilen sich die Lucy und die beiden in dieser Kritik namenlosen Mitglieder des Rescue-Squads könnten für Arthur Holmwood und Quincey P. Morris stehen. Dies bleiben allerdings reine Spekulationen.
An der Vampirmythologie hat man jedoch einige Änderungen vorgenommen, die durchaus begrüßenswert sind. Einerseits wird das Diabolische der Vampire hervorgehoben, indem Christopher Plummer darüber einen Monolog hält, wie vor allem böse Menschen zu Vampiren werden. Außerdem lässt sich Nosferatu nicht einfach durch alberne Alltäglichkeiten wie Sonnenlicht oder Knoblauch aus der Fassung bringen, sondern ist nur umzubringen, wenn sich ihm eine reine Jungfrau freiwillig hingibt, welches in meinen Augen eine viel romantischere Tötungsmethode ist als dem untoten Bastard einen Pfahl durch die Pumpe zu donnern. :nick: Sehr schön auch die Szenen in denen irgendwelche bemitleidenswerten Narren versuchen dem Fürst der Finsternis mit Kreuzen Angst zu machen, was in Verbrennungen oder verbogenen Kruzifixen endet.
Fazit: Der Film macht vielleicht nicht sonderlich Sinn, dafür aber gewaltig viel Spaß und wartet zudem mit einer romantisch melancholischen Bilderflut auf. Die Nosferatu-Werke von Murnau und dem Wernerich mögen vielleicht von filmhistorischer Perspektive aus interessanter sein, doch wenn es darum geht, welchen ich mir eher wieder anschauen würde, liegt „Nosferatu in Venedig“ vorne. 8/10 :thup:
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Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme

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MILANO KALIBER 9

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Originaltitel: Milano Calibro 9
Alternativtitel: Rocco – Sein Befehl war der Tod :| :doof:
Land: Italien
Jahr: 1971
Genre: Poliziesco
Regie: Fernando Di Leo

Handlung:
Nach dem er drei Jahre gesiebte Luft zu atmen bekam, kommt Ugo Piazza (Gastone Moschin) endlich wieder auf freien Fuß, doch seine Probleme enden nicht: Commissario Dirty Harry (Frank Wolff) ist mit seiner Freilassung gar nicht glücklich und würde Ugo am Liebsten entweder wieder in seinem Gewahrsam oder noch besser Tod sehen. Außerdem ist die Gangsterorganisation um den Amerikaner (Lionel Stander) nicht sonderlich gut auf Ugo zu sprechen, da sie davon überzeugt sind, er hätte ihnen 300.000 Dollar unterschlagen. Wie es aussieht kann sich Ugo nur auf seine Geliebte Nelli (Barbara Bouchet) und seinen Freund Chino (Philippe Leroy) verlassen, doch sind diese beiden ihm wirklich wohl gesonnen?…

Kritik:
Spielfilme sind Gesamtkunstwerke, es sind ganze Haufen von Künstlern an ihrem Entstehen beteiligt und es gibt daher auf diverse Aspekte, welche gute Spielfilme auszeichnen wie Spannung, Romantik, Humor, Action, Aussagen und interessante Charaktere. Ein guter Spielfilm hat all das, allerdings muss er sich entscheiden, welchen dieser Aspekte er besonders in den Vordergrund rückt, denn wenn er alle gleichwertig behandeln würde, würde ein ziemlich unstimmiges Chaos dabei rauskommen. „Die Viper“ beispielsweise, um bei den Poliziescos zu bleiben, legt ihr Hauptaugenmerk auf die Action, „Das Syndikat“ im Gegensatz dazu unterstreicht lieber die Aussagen, die es vermittelt.
Wenn ich nun also behaupte, dass „Milano Kaliber 9“ besonders durch seine Charaktere hervorsticht, so heißt dies auf keinen Fall, dass die anderen lobenswerten Eigenschaften nicht vorhanden sind. Action und Spannung sind zur genüge Vorhanden, Mario Adorf sorgt für Humor und Barbara Bouchet für Romantik und Aussagen gibt es auch ein paar (oh, Commissario Karl Marx, wo wären wir nur ohne dich; deine Dialoge waren für die Handlung so wichtig, dass der Übersetzer es nicht mal gewagt hat sie ins Deutsche zu übertragen ;) ).
Allerdings sind es die Charaktere, die den Film nicht nur zu einem Vergnügen sondergleichen, sondern zu einem einmaligen Vergnügen sondergleichen machen. Das Drehbuch entwickelte wunderbare Figuren-Konzepte (selbstverständlich, denn es wurde von dem Fernando Di Leo verfasst, der uns als einer der Co-Autoren von „Django“ von seinem Können überzeugte), die Darsteller, allesamt aus der ersten Liga italienischer Genre-Stars entnommen, füllen diese Hüllen mit Leben und perfektionieren sie und die Regie, ebenfalls Di Leo, sorgt zusätzlich dafür, dass die Personen auch im Kontext des ganzen Filmes ihre genialen Rollen beibehalten. Die Zusammenarbeit all dieser fantastischen Künstler bescherte uns einige unvergessliche Figuren, die ich besonders aus zwei Gründen so schätze:
1) Fast alle Personen sind über eine Schwarzweißmalerei erhaben: Nehmen wir beispielsweise Mario Adorfs Rocco: Noch vor dem Vorspann prügelt er eine Frau grün und blau, schlitzt einem Mann mittels Rasierklinge die Wangen auf und sprengt seine gefesselten wehrlosen Opfer dann auch noch in die Luft und hat sichtlich Freude daran…was für ein Teufel…aber seine Figur ist trotzdem so unfassbar liebenswert! Aufbrausend und naiv zeigt sich der kleine Gangster, der von Adorf mit so einer grenzenlosen Hingabe verkörpert wird, dass man ihn einfach gern haben muss, egal wie dunkel sein Charakter auch ist. Am Ende wird er dann noch richtig sympathisch und legt den Höhepunkt seiner Darstellung ab (Stichwort: „Il capello te devi levare!“).
Ähnliches können wir bei den anderen Figuren erkennen: Ugo Piazza wirkt zwar wie ein bedachter sympathischer Mensch, stellt sich aber gegen Ende als ziemlich kaltherziger Bastard heraus; dasselbe gilt für Nelli; Chino wirkt von grund auf gut, solange bis wir herausfinden, dass er mit Auftragsmorden sein Geld verdient; sein blindes armes Väterchen war mal Mafia-Pate; Commissario Dirty Harry ist zwar Polizist benimmt sich aber rüpelhaft und wünscht dem ach so lieben Ugo den Tod; und Commissario Karl Marx…ähh…er tat mal mit dem zwielichtigen Kopfgeldjäger Loco in einer kleinen verschneiten Westernstadt dubiose Geschäfte. :palm:
2) Die Personen lügen: Wir haben es hier mit knallharten Gangstern zu tun und Ehrlichkeit gehört nicht wirklich zu deren Tugenden. Die Figuren neigen dazu sich zu verstellen, was darin resultiert, dass wir bei keinen wissen, was ihre genauen Absichten sind, wem sie freundschaftlich und wem feindschaftlich gesinnt sind, und wie ihre genaue Rolle in der verworrenen Geschichte aussehen wird. Wir können bei nichts sicher sein, es wird uns nichts eindeutig und glaubhaft gesagt, so dass wir es selbst herausfinden müssen und das macht die ganze Sache äußerst spannend zu verfolgen. Die Beziehungen unserer Protagonisten sind so verworren, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sich Commissario Karl Marx plötzlich als Sohn des Amerikaners herausgestellt hätte, Nelli die Schwester von Rocco wäre oder Commissario Dirty Harry eine homosexuelle Beziehung zu Chinos Vater gehabt hätte :? …alles ist möglich, nichts ist sicher und dies sorgt für atemberaubenden Nervenkitzel.
Dass der Film auch alle anderen Aspekte eines richtig guten Filmes erfüllt wurde schon erwähnt, zudem inszeniert Fernando Di Leo die verworrene Geschichte meisterhaft, hält die Figuren schön im Vordergrund und achtet darauf keine Wendung überdeutlich zu machen und Luis Enriques Bacalov wartete zudem mit einem wunderschönen aber gleichsam spannungsgeladenen Geigenthema auf, welches den Film perfekt untermalt.
Fazit: In kürzester Zeit habe ich diesen Film dreimal gesehen und liebe ihn immer noch: Man kann einen Film mit so tollen Charakteren nicht einfach hinterrücks bewerten, wenn man so einen Film bewertet, dann muss man den Hut vor ihm ziehen, man muss den Hut vor ihm ziehen, man muss den Hut vor ihm ziehen!!! 10/10
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